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ID0314500800

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    Deutscher Bundestag 145. Sitzung Bonn, den 23. Februar 1961 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle (CDU/CSU) (Drucksache 2478) — Erste Beratung — Horn (CDU/CSU) 8215 B Dr. Schellenberg (SPD) 8218D, 8234 B Dr. Stammberger (FDP) . . . . . 8226 C Schütz (München) (CDU/CSU) . . . 8229 A Dr. Mommer (SPD) 8234 C Nächste Sitzung 8234 C Anlage 8235 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1961 8215 145. Sitzung Bonn, den 23. Februar 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 14.31 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Atzenroth 24. 2. Dr. Baade 23. 2. Bazille 15. 3. Bettgenhäuser 4. 3. Frau Beyer (Frankfurt) 23. 2. Dr. Birrenbach 6. 3. Fürst von Bismarck 24. 2. Börner 24. 2. Caspers 1. 4. Dr. Deist 2. 3. Demmelmeier 18. 3. Deringer 24. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 24. 2. Dowidat 24. 2. Eberhard 7. 3. Ehren 28. 2. Eilers (Oldenburg) 23. 2. Eisenmann 24. 2. Enk 24. 2. Erler 24. 2. Dr. Furler 24. 2. Gehring 23. 2. Geiger (München) 28. 2. Dr. Gossel 23. 2. Dr. Götz 24. 2. Dr. Gradl 24. 2. Freiherr zu Guttenberg 24. 2. Haage 24. 2. Heiland 23. 2. Hellenbrock 23. 2. Höfler 24. 2. Hörauf 10. 3. Dr. Hoven 23. 2. Huth 23. 2. Jacobi 24. 2. Dr. Jordan 25. 2. Frau Kettig 23. 2. Dr. Knorr 23. 2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Kopf 6. 3. Kraus 23. 2. Kühn (Bonn) 28. 2. Kühn (Köln) 18. 3. Leber 24. 2. Logemann 23. 2. Lücker (München) 23. 2. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 23. 2. Dr. Martin 6. 3. Dr. Mende 4. 3. Mensing 24. 2. Dr. Menzel 28. 2. Dr. Meyer (Frankfurt) 24. 2. Freiherr von Mühlen 24. 2. Neubauer 10. 3. Nieberg 24. 2. Frau Dr. Probst 24. 2. Probst (Freiburg) 24. 2. Dr. Ripken 24. 2. Dr. Rüdel (Kiel) 3. 3. Ruhnke 25. 3. Scharnberg 24. 2. Scheel 24. 2. Dr. Schmid (Frankfurt) 24. 2. Schmidt (Hamburg) 24. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 24. 2. Schüttler 24. 2. Dr. Seffrin 1. 3. Frau Dr. Steinbiß 4. 3. Stenger 28. 2. Storch 25. 2. Theil (Bremen) 24. 2. Vehar 25. 2. Dr. Vogel 24. 2. Wacher 24. 2. Welke 25. 2. Wendelborn 26. 2. Werner 25. 2. Dr. Zimmer 27. 2. b) Urlaubsanträge Schultz 18. 3.
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    Rede von Dr. Wolfgang Stammberger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Reichskanzler Otto von Bismarck hat einmal folgende Sätze geprägt:
    An Grundsätzen hält man solange fest, wie sie nicht auf die Probe gestellt werden. Geschieht das, so wirft man sie fort wie der Bauer die Pantoffeln und läuft, wie einem die Beine gewachsen sind.
    Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang Bismarck das gesagt hat. Aber wenn er eine seherische Gabe hatte, dann hat er damit sicherlich die Bestrebungen der Bundesregierung und der CDU/CSU-Fraktion zur Reform der sozialen Krankenversicherung gemeint.

    (Lachen bei der FDP und bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Wenn Sie das bestreiten, dann hätten Sie sich vielleicht auf den heutigen Tag dadurch vorbereiten sollen, daß Sie einmal als eine Art Pflichtlektüre die Debatten nachgelesen hätten, die wir am 17. Februar vorigen Jahres bei der ersten Lesung des Regierungsentwurfs und am 29. September vorigen Jahres bei der ersten Lesung des Vorschaltgesetzes der SPD hier geführt haben. Sie haben am 17. Februar mit Fanfarengeschmetter den Stilwandel in der Sozialpolitik verkündet, und Sie haben diese Fiktion — wenn auch nur noch mit gedämpftem Trommelschlag — am 29. September aufrechterhalten. Und was ist dabei herausgekommen? Bestenfalls ein Scherbenhaufen, die kümmerlichen Reste dieses Reformversuches, die Sie jetzt mit der Fassade eines kleinen Mäuerchens zu verdecken suchen.
    Herr Kollege Schellenberg hat Ihnen bereits gesagt: Das ist ein unrühmliches Kapitel in Ihrer parlamentarischen Tätigkeit. Er hat das — wie seine ganze Rede — mit dem genüßlichen Lächeln eines Feinschmeckeres getan, der sich an eine wohlbestellte Tafel setzt, die ihm die CDU/CSU hier bereitet hat. Ich muß gestehen, Herr Kollege Schellenberg, Sie haben reichlich lange und ausdauernd daran gespeist.

    (Heiterkeit.)




    Dr. Stammberger
    Im Grunde genommen hat aber Herr Kollege Schellenberg in diesem Punkte natürlich recht. Sie sollten dieses unrühmliche Kapitel in Ihrer Tätigkeit mit der Überschrift versehen: Vom Stilwandel zum Wandelstil.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FPD und der SPD.)

    Sie sollten nun auch nicht in den Fehler verfallen, die Schuld bei anderen zu suchen. Herr Kollege Memmel hat das mit seinen Zurufen bereits getan. Begonnen mit solch einer Art, ich möchte fast sagen „Dolchstoßlegende" hat der Bundeskanzler auf dem kleinen Parteitag der CDU/CSU im November des vorigen Jahres, als er seine Fraktion ermahnte, sich von der Opposition doch nicht abhalten zu lassen, dieses Reformwerk nun endlich zu beenden und das Gesetz zu verkünden. Als ob wir das angesichts Ihrer absoluten Mehrheit in diesem Hause überhaupt könnten!
    Meine Damen und Herren, auch jetzt ist in einigen der Regierung wohlwollenden Zeitungen das Märlein aufgetaucht, an diesem Zusammenbruch seien gewisse Einflüsse auch außerhalb des Hauses schuld.

    (Zuruf des Abg. Ruf.)

    Aber daß es, Kollege Ruf, zum Scheitern dieser Reform kommen würde, das haben wir Freien Demokraten Ihnen bereits bei der ersten Lesung des Regierungsentwurfs vorausgesagt. Er ist gescheitert aus folgenden Gründen:
    Erstens, weil dieser Entwurf in jeder Hinsicht mangelhaft und unüberlegt war;
    zweitens, weil dieser Entwurf viel zu spät eingebracht wurde, als daß man der damals bei der ersten Lesung ausgesprochenen Hoffnung des Herrn Bundesarbeitsministers noch hätte entsprechen können, wir könnten aus diesem Entwurf etwas Vernünftiges machen;
    zum dritten, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, weil Sie nicht in der Lage gewesen sind, sich auch nur zu einem einzigen Beschluß durchzuringer, der länger Bestand hatte als his zu Ihrer nächsten Arbeitskreis- oder Fraktionssitzung.

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

    Und wo sind Sie jetzt gelandet? — Klatschen Sie bitte nicht zu früh, meine Herren von der SPD! —Wo sind Sie jetzt gelandet? Sie sind genau auf dem Boden eines „Rosinen-Gesetzes" gelandet, wie Sie es der SPD am 29. September vorigen Jahres bei der ersten Lesung des SPD-Entwurfs vorgeworfen haben. Nichts anderes ist dabei herausgekommen.
    Herr Schellenberg hat mit Recht gesagt: „Na, für uns ist es ein gewisser politischer Erfolg." Ob es auch ein Erfolg ist für einen Stilwandel in der Sozialpolitik — den wir vom Grundsatz her begrüßen —, das steht auf einem ganz anderen Blatt.

    (Beifall bei der FDP.)

    Meine Damen und Herren! Das Bedauerliche ist, daß diese jetzt aus dem Zusammenhang gerissenen Einzelfragen, die in Ihrem Vorschaltgesetz hier nun vorgelegt werden, für sich allein betrachtet, gar nicht einmal so unsympathisch sind — das ist ja auch wohl der Sinn Ihres Gesetzentwurfes —, z. B. die Beseitigung der Aussteuerung, gegen die sich natürlich niemand aus guten Gründen wenden kann, und dann, Herr Kollege Horn, das, was Sie als einen „beachtlichen Vorschlag" bezeichnet haben, nämlich der Wegfall der Karenztage. Ich glaube, das Beachtlichste an diesem Ihrem Vorschlag ist doch, daß Sie plötzlich den Vorschlag der FDP aufnehmen, den wir bereits am 11. Dezember 1957 auf der Drucksache 83 diesem Hause vorgelegt haben.

    (Abg. Stingl: Sie irren sich!)

    — Ich irre gar nicht; Sie müssen es nur einmal nachlesen, Herr Kollege Stingl.

    (Abg. Stingl: Und was haben Sie geschrieben?)

    — Zu Ihren früheren Zitaten komme ich nachher auch noch. — Wir haben damals das gleiche beantragt, was Sie jetzt in Ihrem Vorschaltgesetz beantragen; nur mit dem Erfolg natürlich — so geht es einer augenblicklich noch kleinen Partei —, daß dieser Vorschlag einen dreijährigen Dornröschenschlaf — —(Abg. Stingl: Sie übertreiben Ihre Hoffnungen!)

    — Warten Sie nur mal ab! — Nur mit dem Ergebnis, daß dieser Vorschlag nun seit drei .Jahren einen Dörnröschenschlaf im Ausschuß schläft, bis Prinz Horn jetzt kommt und ihn wieder wachküßt.

    (Heiterkeit.)

    Aber Sie haben — und daher wohl Ihr Irrtum, Herr Kollege Stingl — eine etwas andere Formulierung gewählt, damit man es nicht gar zu sehr merkt; und diese Formulierung führt leicht zu Mißverständnissen, weshalb Sie zweckmäßigerweise doch auf unsere Formulierung zurückgreifen; aber das ist letzten Endes eine Sache der Ausschußarbeit.
    Herr Kollege Horn, Sie haben Ihre Rede sehr hoffnungsvoll begonnen mit der Feststellung, daß alle Punkte der sozialen Krankenversicherung letzten Endes in einem untrennbaren und unvermeidbaren Zusammenhang stehen und daß man aus dieser Gesamtreform nichts herausbrechen sollte. Das ist richtig. Sie haben es allerdings später dann wieder eingeschränkt dahin gehend, daß das nicht gilt für die Punkte, die Sie in Ihrem Vorschaltgesetz gern haben wollen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist gar kein Vorschaltgesetz!)

    Nun, Herr Kollege Stingl, muß ich Sie zitieren, nämlich aus der Debatte über das Lohnfortzahlungsgesetz am 31. Mai 1957. Da haben Sie ausdrücklich gesagt: Es handelt sich hier um eine vorläufige Regelung; die endgültige Regelung kann erst im Zusammenhang mit der Krankenkassenreform im dritten Bundestag erfolgen. Damals waren Sie noch optimistisch. Sie glaubten, sie käme

    (Abg. Stingl: Würden Sie sich selber auch zitieren?)




    Dr. Stammberger
    im dritten Bundestag. Inzwischen sind Sie nicht mehr optimistisch. Sie sind bescheidener geworden. Statt optimistisch sind Sie jetzt optisch und nur noch auf die Wirkung zur Wahl bedacht.

    (Heiterkeit.)

    Aber, meine Damen und Herren, wird sich die Optik letzten Endes auszahlen? Vielleicht bis zu den Wahlen; aber hinterher dürfte der große Katzenjammer kommen.
    Da muß man doch auf einige Mängel Ihres Entwurfs hinweisen. Ein Mitglied Ihrer Fraktion, nämlich Herr Kollege Blöcker, hat sich sogar ein Gutachten fertigen lassen, das in der Zeitschrift „Die Krankenversicherung" veröffentlicht worden ist. Ich weiß nicht, ob er Ihnen dieses Gutachten in der Fraktionssitzung entgegengehalten hat oder ob er es unter dem Tisch hat verschwinden lassen; denn in diesem Gutachten wird nachgewiesen, daß wegen des Lohnsteuerausgleichs bereits bei einer 90%igen, erst recht natürlich bei einer 100%igen Lohnfortzahlung die Krankheit — sagen wir es einmal ganz deutlich — zum Geschäft werden kann. Das, was Herr Kollege Horn an der jetzigen Lösung bereits bemängelt, wird sich in einem noch viel stärkeren Maße dann fortsetzen, wenn man Ihrem Vorschlag folgt. Herr Kollege Horn, Sie haben eine derartige Entwicklung mit Recht als bedenklich bezeichnet, und ich glaube auch, daß sich mancher Sozialversicherte überlegen wird, ob es sinnvoll für ihn ist, mit seinen Kassenbeiträgen letzten Endes diejenigen zu finanzieren, die diese unschönen Lücken des Gesetzes in ebenso unschöner Weise ausnutzen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Meine Damen und Herren, sind Sie sich darüber im klaren, daß es dann immer noch eine Gruppe von Angestellten gibt, und zwar die kurzfristig tätigen Angestellten, die je nach dem Tarifvertrag erst nach drei oder sechs Monaten in den vollen Genuß ihrer Rechte aus dem Angestelltenverhältnis kommen, die dann immer noch nicht von der Regelung erfaßt sind und daher eine Schlechterstellung gegenüber den Arbeitern erfahren? Sind Sie sich darüber klar, welche zusätzlichen Belastungen durch dieses Gesetz auf die gewerbliche Wirtschaft und insbesondere auch hier wieder auf den lohnintensiven Mittelstand zukommen? Auch als die SPD am 29. September vorigen Jahres ihren Antrag einbrachte, hat sie sich in klarer Erkenntnis dieser Folgen dafür ausgesprochen, daß hier in irgendeiner Form ein Ausgleich gefunden werden muß, wenn auch der Vorschlag, staatliche Subventionen zu zahlen, nicht der Weisheit letzter Schluß sein sollte. Und sind Sie sich auch darüber klar, daß es — um nun zu dem Lieblingskind des Herrn Kollegen Schellenberg zu kommen — hinsichtlich der Finanzierung zu erheblichen Schwierigkeiten bei den Kassen kommen wird? Der zulässige Höchstsatz der Kassenbeiträge ist 9 %. Der jetzt erhobene Beitrag beläuft sich im Bundesdurchschnitt auf 8,48 N. Sie haben sicher von jener Tagung der Arbeits- und Sozialminister der Länder gelesen, die vorgestern stattgefunden hat und in der man ganz offen davon gesprochen hat, daß es zu einem Ruin der Krankenkassen kommen muß, wenn man nicht dazu übergeht — und sind Sie etwa gewillt, das zu tun? —, die §§ 389 und 390 der Reichsversicherungsordnung entsprechend zu ändern, so daß die Kassen beträchtliche Beitragserhöhungen vornehmen können. Oder wollen Sie etwa, daß die Kassen das ihnen verbleibende Gebiet der Selbstverwaltung, nämlich die freiwilligen Leistungen, abbauen, damit sie die Möglichkeit haben, die pflichtmäßigen Mehrausgaben zu finanzieren? Mit dieser Frage sollten wir uns sehr eingehend beschäftigen. Es ist bezeichnend, daß selbst der Deutsche Gewerkschaftsbund in einer Eingabe, die Sie heute vorgefunden haben, vor dieser Entwicklung warnt.
    Meine Damen und Herren! Wir haben ja schon einmal die Folgen eines Lohnfortzahlungsgesetzes erlebt. Ich meine das Gesetz, das wir im Jahr 1957 verabschiedet haben und das dann im Winter 1957/58 fast zu einem Ruin der sozialen Kassen geführt hat. Damals sind die ersten Rufe nach einer Reform laut geworden. Ich fürchte, wenn wir in allernächster Zeit wieder ein derartiges finanzielles Fiasko der Kassen erleben werden, dann wird der Beginn unserer sozialpolitischen Tätigkeit im 4. Bundestag auf diesem Gebiet wieder mit dem Odium belastet sein, daß die Kassen finanziell am Ende sind, und jede Reform wird auch im 4. Bundestag durch eine Hypothek des Mißtrauens belastet werden. Man wird nämlich wiederum in der breiten Öffentlichkeit der Auffassung sein, daß eine derartige Reform nicht aus dem Wandel der gesellschafts- und sozialpolitischen Vorstellungen heraus erfolgt, eben im Sinne des von der Bundesregierung proklamierten Stilwandels, sondern daß diese Reform letztlich eine Sanierung der Kassen auf Kosten der Versicherten ist.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Das ist schon rein psychologisch ein außerordentlich gefährlicher Weg, den Sie hier zu beschreiten beginnen.
    Dazu kommt noch eins, und die SPD hat es heute sehr deutlich gesagt: sie wird versuchen, aus diesem Vorschaltgesetz noch viel mehr zu machen. Sie wird versuchen, dieses ihr Vorschaltgesetz etwa in die Richtung des SPD-Entwurfs zu bringen. Unsere Vorstellungen von diesem Entwurf haben wir bereits am 29. September vorigen Jahres dargelegt. Ich will mich hier nicht wiederholen. Ich bin fest davon überzeugt, daß es der SPD, weil die 2. und 3. Lesung dieses Entwurfs kurz vor den Wahlen sein wird, mit Hilfe des linken Flügels der CDU/CSU-Fraktion auch gelingen wird, diese Gedanken durchzusetzen. Sie kennen ja das alte Sprichwort: „Der Katzer läßt die Flausen nicht."

    (Heiterkeit.)

    Aus diesem Grunde werden wir zwar der Überweisung des Gesetzentwurfs an die Ausschüsse zustimmen, aber ob wir auch in der 3. Lesung endgültig zuzustimmen vermögen, wird sich daraus ergeben, was der Sozialpolitische Ausschuß in seiner Mehrheit aus SPD und linkem Flügel der CDU/CSU aus diesem Gesetzentwurf machen und wie die von der SPD bereits heute angekündigte 2. Lesung mit all ihren großen Debatten ausgehen wird. Eine



    Dr. Stammberger
    Stellungnahme zur Schlußabstimmung können wir
    unter diesen Umständen heute unmöglich abgeben.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schütz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Schütz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Schellenberg hat zu dem Antrag, den die CDU/CSU-Fraktion eingereicht und begründet hat, drei beachtenswerte Bemerkungen gemacht. Er hat gesagt:
    1. Mir gefällt nur die Überschrift nicht.

    (Abg. Dr. Schellenberg: „Nur" habe ich nicht gesagt!)

    2. Es fehlt eine Zwischenüberschrift.
    3. Sonst bin ich im großen und ganzen damit einverstanden.

    (Lachen bei der SPD. — Zuruf des Abg. Dr. Schellenberg — Abg. Wittrock: Das ist aber sehr verniedlicht!)

    Herr Kollege Schellenberg, ich möchte mich für diese Kritik an unserer Vorlage sehr herzlich bedanken.

    (Abg. Wittrock: Das ist sehr verniedlicht!)

    Herr Kollege Schellenberg, ich möchte mir es aber wirklich nicht so leicht machen.

    (Abg. Wittrock: Das sind die kleinen Tricks! Abg. Dr. Schellenberg: Das ist doch lächerlich!)

    Ich will vor allem versuchen, auf das, was Herr Schellenberg, nicht gerade zu der Vorlage, sondern zu dem ganzen Problem gesagt hat, einzugehen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Gut!)

    Ich möchte auch zu den Fragen Stellung nehmen, die Herr Schellenberg an meine Fraktion gerichtet hat, damit die deutsche Öffentlichkeit sich durchaus darüber im klaren ist, wo die CDU/CSU-Fraktion, was die Krankenversicherungsreform in ihrer Gesamtproblematik angeht, steht.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schellenberg: Endlich erfahren wir es einmal! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Gestatten Sie mir einige wenige grundsätzliche Vorbemerkungen. Es ist allgemein bekannt — in der Öffentlichkeit wird das allerdings zu wenig beachtet —: wir haben 25 Millionen Pflichtversicherte, und diese 25 Millionen Pflichtversicherten bringen 17 Millionen mitversicherte Familienangehörige in die Sozialversicherung mit. Wir haben also 42 Millionen Männer, Frauen und Kinder, für die die soziale Krankenversicherung mit Ausnahme des Krankengeldes für alle gleiche Leistungen auf den Tisch legen muß. Aber wir haben nicht 42 Millionen, sondern nur 25 Millionen Beitragszahler. Daraus ergibt sich, daß dieser Beitrag so sein muß, daß die 25 Millionen Beitragszahler — selbstverständlich mit den Arbeitgeberzuschlägen — die Aufwendungen -für 42 Millionen Versicherte und Mitversicherte decken können.
    Das zweite Phänomen der sozialen Krankenversicherung ist heute folgendes: So wie auf vielen Gebieten des modernen Lebens können wir im Reich der Medizin, der Heilbehandlung und der Vorbeugung beachtliche Fortschritte feststellen. Es ist unser aller Wille, die Menschen im Bereich der sozialen Krankenversicherung an dieser fortschrittlichen Entwicklung ohne Einschränkung teilnehmen zu lassen. Das verursacht Kosten. Die Aufwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung haben sich von 1950 bis 1960 vervierfacht. Sie stiegen von 2 auf 8 Milliarden DM. Wir sind erst am Beginn dieser Entwicklung. Daher die Überlegung, wie diese wachsenden Kosten sinnvoll und sozial gerecht aufgebracht werden können.
    Die Konsequenz aus einer solchen Überlegung schlug sich in der so sehr umkämpften Regierungsvorlage nieder. Auch uns war klar — und der Kollege Stingl hat es dargelegt —, daß diese Vorlage wie jede andere, die wir in dieses Haus bekommen, kein Dogma, wohl aber eine brauchbare Arbeitsgrundlage darstellte.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Weil uns die Sache, um die wir hier diskutieren, sehr ernst ist — Herr Kollege von der FDP, nicht um der Optik willen! —, möchte ich mit einem kritischen Wort gegenüber uns selber beginnen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Das ist notwendig!)

    — Jawohl, das ist notwendig, und wir wären nicht wahrhaftig, täten wir es nicht. Gehe hin und tue desgleichen!

    (Beifall bei -der CDU/CSU.)

    Aus welchen Gründen, bleibt vorläufig dahingestellt, — wir müssen mit Bedauern feststellen, daß es uns nicht gelungen ist, allen Betroffenen die ideellen und materiellen Sachverhalte so klar darzustellen, daß unsere redliche Absicht das verdiente Verständnis und die notwendige Zustimmung gefunden hat.

    (Abg. Killat [Unterbach] : Wollen Sie noch mehr Flugschriften machen?)

    Und wiederum, aus welchen Gründen auch immer, es bleibt weiter festzustellen, daß nicht -einmal -der Versuch einer sachlichen Untersuchung und Prüfung der vorgelegten Vorschläge gemacht wurde.

    (Sehr richtig! bei -der CDU/CSU. — Abg. Killat [Unterbach] : Sie haben doch immer die Sachverständigen abgelehnt! — Weitere erregte Zurufe von der SPD.)

    Im Gegenteil, weithin ist unter Einsatz erheblicher Mittel, die weit über das hinausgehen, was der Regierung zu tun möglich war, der Eindruck erweckt worden, daß die Vorlage tatsächlich nur Nachteile bringe.

    (Abg. Horn: Sehr gut!)

    Die Kampagne gegen die Vorstellungen der Regierung begann bereits zu einer Zeit, als diese Vor-



    Schütz (München)

    stellungen nur in Referentenentwürfen niedergelegt waren.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Der Herr Arbeitsminister hat die Referentenentwürfe einem außerordentlich großen Kreis aller Beteiligten zugänglich gemacht.

    (Abg. Dr. Reith: Fairerweise!)

    Wer ein schlechtes Gewissen gehabt hätte, hätte das nicht getan.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Schon in diesen Stadien setzten die scharfen Angriffe ein. In der Regierungsvorlage haben immerhin eine Fülle von Anregungen Beachtung gefunden. Dieser Arbeitsminister hat den Mut gehabt, ein neues Konzept zu entwickeln, zu dessen Grundgedanken der Gesetzgeber früher oder später zurückfinden muß, wenn er mit der Krankenversicherung nicht scheitern will.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der Mitte: Sehr gut, Schütz!)

    Der bunte Chor der Nein-Sager war sich zwar einig in der Ablehnung.

    (Abg. Dr. Reith: Sehr richtig! Zuruf des Abg. Dr. Schellenberg.)

    Aber eine Verständigung darüber, wie man die auseinanderklaffenden Meinungen zusammenführen und damit die anstehenden Probleme wirklich bewältigen könnte, fand dieser Chor der Nein-Sager nicht.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schellenberg meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    — Herr Schellenberg, Sie haben geredet, jetzt darf ich reden; wir diskutieren nachher.

    (Beifall be der CDU/CSU.)

    Wir haben bei dieser Gelegenheit festzustellen, daß die Schwierigkeiten ganz wesentlich darauf beruhten, daß einflußreiche Kräfte außerhalb dieses Hauses in einer bisher kaum gekannten Weise auf politische Entscheidungen, die letztlich allein diesem Hohen Hause anvertraut sind, Einfluß genommen haben.

    (Zurufe von der SPD: Das waren die Betroffenen! — Meinen Sie den Bundeskanzler?)

    — Ich meine alle diejenigen, die sich betroffen fühlen. Der Redner der Opposition hat darauf verwiesen

    (Abg. Dr. Schellenberg: Welcher?)

    — Herr Schellenberg, ich habe dafür Verständnis daß die CDU/CSU-Fraktion in diesem Hause doch die Mehrheit habe — und Herr Stammberger hat sich dem angeschlossen —, und damit sei sie für alle Verzögerungen und schließlich auch für den Verzicht auf die abschließende Beratung in diesem Bundestag verantwortlich.
    Im Ausschuß dagegen hörten wir freilich ganz andere Melodien.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Dort wurde tagelang über Teile, um nicht zu sagen, über Moleküle von Paragraphen endlos geredet, obwohl eingestandenermaßen neue Gesichtspunkte nicht mehr vorgebracht werden konnten.

    (Abg. Frau Korspeter: Sie haben sich oft revidiert!)

    Wurde dann ein Antrag auf Schluß der Debatte gestellt, dann begann es damit, daß wir „brutal von der Mehrheit Gebrauch machten", daß wir „die Demokratie vergewaltigten",

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    daß wir nicht zulassen wollten, daß darüber geredet werde.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, nur eins von beiden kann richtig sein. Die Wahrheit ist — da haben Sie recht —, ,daß wir von dieser Mehrheit dort zuwenig Gebrauch gemacht haben.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Das können Sie ja noch!)

    Einer Ihrer Kollegen, Herr Schellenberg, der in den 30 Sitzungen über achtzigmal das Wort ergriffen hat, begann davon einunddreißigmal: „Ich habe zwar nichts Neues zu sagen, aber ich möchte unterstreichen, was der und der schon gesagt hat."

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Memmel: Wer ist der Ausschußvorsitzende?! — Heiterkeit.)

    In den 30 Sitzungstagen, die der Sozialpolitische Ausschuß mit der Beratung der Regierungsvorlage zugebracht hat, ist trotz dieser augenfälligen Verzögerungstaktik nur neunmal Schluß der Debatte beantragt worden.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Ihr habt wohl genau Statistik geführt?)

    — Ich habe es mir einmal herausgeschrieben, Herr Kollege Schellenberg. Nichts über Zahlen und Tatsachen, die Sie so sehr lieben!

    (Abg. Killat [Unterbach] : Es geht um sozialpolitische Grundsätze, Herr Kollege!)

    — Darauf komme ich gleich, Herr Kollege, die bleiben Ihnen nicht erspart!
    So umstritten einzelne Bestimmungen jener Vorlage gewesen sein mögen, nicht bestritten werden kann die Tatsache, daß unsere Kollegen von der sozialdemokratischen Opposition mit dem alten bewährten Mittel des Filibusterns die Verzögerung auf die Spitze getrieben haben.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Es ist allzu billig und gewiß keine demokratische
    Tugend, dem anderen eine Schuld zuzumessen, von
    der man selber zumindest in keiner Weise frei ist.

    (Sehr gut! und Beifall in der Mitte.)




    Schütz (München)

    Lassen Sie mich nun ein Wort zur Sache selber sagen!

    (Zuruf von der SPD.)