Rede von
Dr.
Adolf
Arndt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann den Ausführungen der Berichterstatterin Frau Kollegin Schwarzhaupt leider nicht folgen, in keinem Punkte. Zunächst zur Frage des Bundesdisziplinarhofs! Wie mir von meinen beiden Kollegen Jahn — Herr Jahn ist Mitberichterstatter — und Hannsheinz Bauer bestätigt wird, hat keinerlei Abstimmung im Ausschuß in der Frage des Bundesdisziplinarhofs stattgefunden.
Ichselber bin ja aus bestimmten Gründen nicht andieser Ausschußberatung beteiligt gewesen, die knapp einen Vormittag in Anspruch genommen hat. Eine Entscheidung des Ausschusses liegt also nicht vor. Es ist auch nicht zutreffend, daß diese Frage hinreichend bedacht worden sei.
Ich darf Sie aber auf folgendes hinweisen: Ich habe in dieser Angelegenheit bereits am 27. Juni 1960 an den Herrn Ausschußvorsitzenden, mit Durchschlag für den Herrn Bundesminister der Justiz, geschrieben, daß wir bei diesem Gesetzgebungswerk gewisse Erwägungen unbedingt beachten müßten. In meinem Brief heißt es dann ausdrücklich:
Wir halten es für erforderlich, gleichzeitig das Ausführungsgesetz mitzuberaten und mitzubeschließen. Dies wird um so mehr erforderlich und notwendig sein, weil dem Vernehmen nach zwischen idem Bundesministerium der Justiz und den Präsidenten der oberen Bundesgerichte Meinungsverschiedenheiten bestehen.
Das habe ich vor sieben Monaten geschrieben. Man hat in sieben Monaten keinen Anlaß genommen, mit uns darüber zu verhandeln. Es haben lediglich einmal persönliche Gespräche zwischen einem maßgeblich zuständigen Beamten des Bundesministeriums der Justiz und mir gelegentlich einer Eisenbahnfahrt stattgefunden, wo ich damals schongesagt habe, daß nach meiner Überzeugung der Bundesdisziplinarhof wegen der Möglichkeit von Abweichungen dem Bundesverwaltungsgericht gegenüber einbezogen werden müsse und man sich das Ausführungsgesetz ja so vorstellen könne, daß in diesem Fall an die Stelle des Mitglieds ides Bundesfinanzhofs ein Mitglied des Bundesdisziplinarhofs trete. Aber es ist jedenfalls von seiten der Mehrheit und wohl auch des Ministeriums nichts unternommen worden, um in sieben Monaten diese Frage zu klären und um in sieben Monaten uns wenigstens die Grundzüge der Regelung vorzutragen, wie dieser gemeinsame Senat denn nun zustande gebracht werden soll.
Ich glaube also nicht, daß man eine Verfassungsänderung so machen kann. Ich glaube, es sollte auch Ihnen daran liegen, daß wir, wenn wir einen so außerordentlichen Schritt tun und das Grundgesetz andern, diese Änderung bis ins letzte durchdenken und nicht nach einiger Zeit wieder vor der Notwendigkeit stehen, bei einer divergierenden Rechtsprechung von Bundesdisziplinarhof und Bundesverwaltungsgericht eine weitere Verfassungsänderung zu machen und auch den Bundesdisziplinarhof als ein
letztinstanzliches Gericht zu berücksichtigen. Es muß eine Formulierung gefunden werden, nach der alle letztinstanzlichen Bundesgerichte an dem gemeinsamen Senat beteiligt werden und die den zweifelhaften Ausdruck „Obere Bundesgerichte" vermeidet.
Was nun die Ausschußvorlage und den gedruckten Bericht anlangt, kann ich der Frau Berichterstatterin auch nicht zustimmen. Man kann nicht durch eine Erklärung hier zu Protokoll der Plenarsitzung so gravierende Feststellungen, wie sie im Bericht enthalten sind, beiseite schieben. Übrigens steht im Bericht auch nicht ein einziges Wort über den Bundesdisziplinarhof und darüber, daß der Ausschuß etwa bewußt und mit Überlegung davon Abstand genommen hat, den Bundesdisziplinarhof zu berücksichtigen.
Hier ist hinsichtlich des Richterwahlausschusses ganz klar gesagt, daß von der Rechtslage ausgegangen werde; gegenwärtig bedürfe es einer Mitwirkung des Richterwahlausschusses nicht. Dabei spielt es gar keine Rolle, wie die Praxis ist. Sie ist nach Ihrer Meinung verfassungsgemäß, nach unserer Meinung ist sie verfassungswidrig. Hier ist aber nicht die Frage, wie die Praxis ist, sondern hier ist die Rede von der Rechtslage.
Wer auf Grund des Berichts der neu formulierten Vorlage zustimmt, würde damit unweigerlich anerkennen, daß die gegenwärtige Handhabung durch die Bundesminister dem Grundgesetz entspricht. Und das, Frau Kollegin Schwarzhaupt, wollen Sie uns doch nicht zumuten, daß wir gegen unsere eigene Überzeugung stimmen.
Wir wissen genau, daß die Frage des Bundespatentgerichts unter Umständen eine dringliche ist. Nun, sie wird sich in acht oder vierzehn Tagen auch nicht so entwickeln, daß man sie heute lösen muß. Wir haben zwei Legislaturperioden darauf gedrängt, daß wir endlich die Neuregelung bekommen. Das Bundesjustizministerium hat lange Zeit einen hinhaltenden Widerstand geleistet. Ich sehe deshalb nicht ein, warum 'die Dinge heute entschieden werden müssen, in einer dann ja sehr unbefriedigenden Weise; denn heute würden wir die Verfassungsänderung nicht bekommen. Das wäre für uns alle bestimmt keine sehr angenehme Lage, während die erneute Ausschußberatung doch immerhin noch Möglichkeiten eröffnen könnte, daß wir uns wenigstens über das Bundespatentgericht einigen.
Ich glaube deshalb, daß Sie hier doch — ich habe absichtlich so ruhig in der Sache gesprochen — Vernunft walten lassen sollten und eine erneute Beratung im Rechtsausschuß des Bundestages ermöglichen sollten.