Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß wir heute zur Mittagstunde über dieses Thema sprechen müssen,
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Dezember 1960 7845
Mischnick
ist nicht, wie Sie sagen, Herr Rehs, die einhellige Schuld des Ältestenrats. Es sind einige Bemühungen im Gange gewesen, den Mittwoch voll für die Plenarsitzung zur Verfügung zu halten und am Mittwoch darüber zu diskutieren. Aber leider kam es nicht dazu. Ich sage das nur deshalb, um den falschen Eindruck zu vermeiden, als sei kein Verständnis für die Fragen der Vertriebenen und Flüchtlinge bei den Besprechungen im Ältestenrat vorhanden gewesen. Die Debatte über die Gemeindefinanzen war eben doch noch länger, als vermutet wurde. und wir mußten auf den heutigen Tag ausweichen. Nichtsdestoweniger bedauere ich, daß diese Fragen wieder einmal vor einem verhältnismäßig kleinen Kreis — dafür aber um so interessierterer Kollegen — hier behandelt werden.
Die Vorlagen zur 13. Novelle werden von uns Freien Demokraten nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt gesehen: Inwieweit ist es möglich, mit diesen Vorlagen wenigstens in einigen Punkten des Lastenausgleichs doch zu einem gewissen Abschluß zu kommen? Ich sage ausdrücklich „gewissen Abschluß", weil wir uns natürlich bewußt sind, daß es eine Reihe von Fragen geben wird, insbesondere diejenigen, die die Sowjetzonenflüchtlinge betreffen, die infolge der Entwicklung immer wieder überprüft werden müssen. Wir sollten uns aber bemühen, bei den Beratungen Lösungen zu finden, die für das eine oder andere Gebiet endgültig sind.
Das ist für uns ein Grund, die Frage der Hausratentschädigung sehr ernsthaft zu überprüfen. Denn auf die Dauer kann es doch wohl — und ich hoffe auf Einverständnis aller Kollegen aus diesem Hause — nicht richtig sein, daß sämtliche Akten immer wieder um einer Aufstockung von 100 oder 200 DM willen neu bearteitet werden müssen und damit die anderen Arbeiten — Feststellung, Hauptentschädigungsauszahlung — verzögert werden. Deshalb unser Wunsch, bei dieser Beratung möglichst zu endgültigen Entscheidungen auf gewissen Teilgebieten zu kommen.
In diesem Zusammenhang eine weitere Überlegung. Obwohl es gesetzlich im einzelnen vielleicht nicht zu regeln ist, sollten wir uns bemühen, gemeinsam noch mehr darauf hinzuwirken, daß unsere Gemeinden und die Länder in den Feststellungsverfahren zügiger vorankommen, damit wir auch hier den endgültigen Überblick haben und die Berechnungen, die auch heute noch bis zu einem gewissen Grade auf Vermutungen beruhen, etwas fester fassen und somit die Gesamtzahlen besser überblicken können.
Ein weiterer Gesichtspunkt. Die hier gemachten Vorschläge, die Zinszahlungen möglichst bald abzuwickeln, begrüßen wir. Wir wären allerdings dankbar, wenn man sie nicht erst 1963, sondern möglichst schon im nächsten Haushaltsjahr beginnen ließe.
Denn das würde doch eine wesentliche Verbesserung und Erleichterung bedeuten, um im Verkehr mit diesem, ich möchte einmal sagen, besonderen Wertpapier — der Feststellungsbescheid ist für den
Heimatvertriebenen ja eine Art Wertpapier — arbeiten zu können.
Es wären noch eine Reihe von Gesichtspunkten, die hier in der Diskussion zu den einzelnen Paragraphen genannt worden sind, zu behandeln. Ich will das nicht im einzelnen tun. Wir werden im Ausschuß genügend Gelegenheit haben, darüber zu sprechen.
Aber zur Frage der rechtlichen Gleichstellung der Sowjetzonenflüchtlinge mit den Vertriebenen muß noch etwas gesagt werden. Die FDP-Fraktion hat vor einiger Zeit in der Kleinen Anfrage Drucksache 2123 die Bundesregierung um Auskunft ersucht, wie sie sich zu dem Rechtsgutachten stelle, das Herr Professor Weber angefertigt hat, und ob sie bereit sei, die grundsätzliche Gleichstellung anzuerkennen. In der Antwort wurde darauf hingewiesen, daß bei den Sowjetzonenflüchtlingen nur unerhebliche Abweichungen vorhanden seien und daß sie Unterhaltshilfe usw. in der gleichen Art und Höhe erhielten wie die Heimatvertriebenen. Das erscheint auf den ersten Blick durchaus bestechend. In der Praxis ist es aber anders. Schon die Tatsache, daß ein Sowjetzonenflüchtling bei der Beantragung eines Kredits nicht in der Lage ist, als Sicherheit einen Entschädigungsanspruch vorzuweisen, bedeutet für ihn eine Erschwerung bei der Kreditbewilligung. Wir müssen überlegen, inwieweit wir die Darlehnsgewährung erleichtern können, zumal diese Fälle bei den Sowjetzonenflüchtlingen immer wieder auftreten, während sie bei den Heimatvertriebenen seltener werden.
Ferner das Problem der Stichtagel Bin Bekannter von mir hat das nette Wort gebraucht, wir als Gesetzgeber hätten ihn 'dazu verurteilt, lebenslänglich 63 Jahre alt zu bleiben; er sei ein lebenslänglicher 63er ,geworden. Die Stichtage, 'die wir in dem Gesetz vorgesehen haben, führen ja nun einmal dazu, daß bestimmte Personengruppen, auch wenn sie 66, 67, 68 Jahre alt geworden sind, nicht 'in den Genuß der Unterhaltshilfe kommen. Denn wir haben die Stichtage nicht von Jahr zu Jahr festgelegt, sondern in gewissen Abständen. Wir müssen hier zu einer endgültigen Lösung kommen, damit die früher Selbständgen, Isofern sie durch C-Ausweis usw. überhaupt berechtigt sind, nicht 2, 3, 4 Jahre von den Unterhaltshilfeleistungen ausgeschlossen sind.
Ein weiterer Gesichtspunkt,' der meiner Auffassung nach von uns sehr ernst geprüft werden muß: Können wir für die Heimatvertriebenen, die gleichzeitig Sowjetzonenflüchtlinge sind, überhaupt einen Stichtagbeibehalten? Sollten wir uns nicht entschließen, hier die Tür, wie man so schön sagt, völlig aufzumachen.? Ich bin mir bewußt, welche Problematik in dieser Überlegung steckt. Aber auf der anderen Seite — darauf hat Herr Kollege Rehs schon hingewiesen — sollte man den Mut dazu haben, hier eine endgültige Lösung zu finden, damit wir nicht von Jahr zu Jahr oder alle drei Jahre mit den Stichtagen nachziehen müssen, um zu erreichen, daß die Heimatvertriebenen, die die alte und dann die neue Heimat verlassen mußten, praktisch nicht schlechter gestellt werden als diejenigen, die als Spätaussiedler erst jetzt kommen.
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Das Problem. der Anerkennung eines Entschädigungsanspruchs für Sowjetzonenflüchtlinge ist eine Frage für sich. Es wird einmal über diese Dinge gesprochen werden müssen. Wir Freien Demokraten sind allerdings der Überzeugung, daß es zur Zeit falsch wäre, Lastenausgleichsansprüche generell für Sowjetzonenflüchtlinge vorzusehen, weil das zu politischen Konsequenzen führen könnte, die wir alle nicht haben wollen.
Nun zur Möbelhilfe! Ich glaube nicht, daß es gut ist, wenn wir diese Fragen hier im einzelnen behandeln, weil die entsprechenden Anträge, die bereits in einem Unterausschuß des Gesamtdeutschen Ausschusses behandelt wenden, auch im Heimatvertriebenenausschuß beraten werden. Wir haben ja dort Gelegenheit, von den Fraktionen aus die Vorstellungen der Regierung so umzuändern, daß sie unseren, wie ich hoffe, gemeinsamen, Auffassungen entsprechen. Richtig ist, daß wir uns bemühen anässen,
— auch mit den Ländern einig zu werden, das ist sehr richtig, Herr Kollege Kuntscher. Richtig ist, daß wir uns bemühen müssen, den Sowjetzonenflüchtlingen, denen wir hier mit Staatsmitteln zu eimer Wohnung verhelfen, auch die Möglichkeit zu geben, in diese Wohnung etwas hineinzustellen. Darüber sind wir uns alle einig. Ich hoffe, daß wir eine Lösung finden, nach der dort nicht das Fürsorgeprinzip eingeführt wird, das wir alle für den Vertriebenen, für den Flüchtling nicht für das Richtige, nicht für das Gegebene halten.
Zum Abschluß noch eine 'Bemerkung zu dem Zwischenruf, der vorhin während der Rede des Herrn Kollegen Rutschke kam, ob nämlich nicht auch Wahlüberlegungen im Spiele seien. Wenn ich daran denke, wie wedtgehend unsere Vorschlage zur 11. Novelle ischon waren und wie damals — ich darf es wiederhalen — gesagt wurde, es seien utopische Vorstellungen, muß ich heute sagen, daß diese ganze „Utopie" jetzt Regierungsvorlage geworden ist. Man sollte also nicht uns den Vorwurf machen, es seien Wahlüberlegungen dabei, zumal Sie, meine selhr verehrten Kollegen von der CDU, mit diesem Vorwurf Ihren Wiahlkampfleiter, Herrn Ministerpräsident von Hassel, wenn ich richtig orientiert bin,
treffen, der ja im Bundesrat sehr eindeutige Forderungen aufgestellt hat, die im Regierungsentwurf noch lange nicht berücksichtigt sind. Wenn wir uns alle auf den Standpunkt deis Herrn Ministerpräsidenten von Hassel stellten, dann würden wir, muß ich sagen, wirklich einen mutigen Schritt vorwärts tun. Ich würde mich freuen, wenn sich der Herr Wahlkampfleiter der CDU, Herr Ministerpräsident von Hassel, auch in diesem Hause bei der CDU-Fraktion durchsetzte.