Rede von
Dr.
Heinz
Starke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Kollege Müller, ich bin sehr einverstanden damit, daß man verhandelt. Aber ich möchte Ihnen dazu sagen: 1. Ich kenne nicht alle Unterlagen der Regierung über diese Verhandlungen. 2. Soweit ich sie kenne, muß ich Ihnen sagen, daß einige Länder auf gar keine Vorstellungen eingegangen sind. Es ist also ein Verhandlungsweg, ich möchte 'sagen, außerhalb des ganzen Vertrages beschritten worden. Diese Verhandlungen waren eigentlich auch gar nicht mehr unbedingt vertragsgerecht. Sie waren höchstens noch als ein Annex zu dem anzusehen und aufzufassen, was der Vertrag eigentlich vorsah. Bei diesen Verhandlungen ist es aber nicht gelungen, auf eine vernünftige Basis zu kommen. Das ist der Grund, weshalb man nun etwas tun mußte.
Sie werden nun weiter fragen, wie wir zu dem von der Regierungspartei gestellten Änderungsantrag stehen. Nun, wir werden in der Situation, in der wir uns befinden, diesem Änderungsantrag zustimmen. Wir bedauern nur, daß es die Regierung in all den' Monaten, in denen die Freie Demokratische Partei den Antrag, den die CDU/CSU gestellt
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1960 7713
Dr. Starke
hatte, von sich aus aufgreifen und ihn immer wieder fördern mußte, damit es überhaupt zu der heutigen Vorlage kam, nicht von sich aus rechtzeitig durch Hinweise ermöglicht hat, daß von Anfang an bei dieser schwierigen Materie in den Ausschüssen Formulierungen gefunden wurden, die gewissen nicht zu leugnenden Schwierigkeiten besser begegnen als die ursprüngliche Fassung des Gesetzes. Im Hinblick auf die internationalen Regelungen, die Sie angeführt haben, sind wir der Meinung, daß der Änderungsantrag den Gegebenheiten besser entspricht. Deshalb werden wir für diesen Änderungsantrag stimmen.
Ich möchte jetzt doch noch etwas zur Regierungspolitik sagen. Ich hätte mir vorstellen können, daß man auch bei den sehr großen Schwierigkeiten, in denen man sich heute befindet, die Probleme doch etwas eleganter hätte lösen können, als es die Regierung getan hat. Durch Zeitungsnotizen, durch Anfragen und während der Sommerferien im August sogar noch durch eine Kleine Anfrage meiner Fraktion haben wir versucht, die Regierung darauf hinzuweisen, daß man hier etwas tun müsse, daß man ganze Zweige der Ernährungswirtschaft schädigt, die wir
später im Gemeinsamen Markt brauchen werden, denen wir jetzt nicht das Blut entziehen können, indem man ihnen eine ganze Saison verhunzt, indem man sie eine ganze Saison auf ihren Erzeugnissen sitzen läßt. Wir hätten es begrüßt, wenn sich die Regierung daraufhin stärker eingeschaltet, wenn sie uns zumindest dahingehend unterrichtet hätte, was sie tun will und was sie glaubt erreichen zu können.
Aber es wird das Taktieren und das Hinter-denKulissen-Verschieben versucht. Noch in dieser Woche ist wieder ein Versuch gemacht worden, die ganze Sache zu verschieben. Das hat uns natürlich verstimmt. Wir haben den Eindruck gehabt, daß man hier einfach etwas nicht sehen will. Nun wissen wir, daß wir schon einmal nicht haben sehen wollen. Das war, als bei den ganzen Vertragsbestimmungen am Anfang nur das Allgemeine und nicht das so sehr wichtige Spezielle gesehen wurde. So war es auch wiederum bei dem Beschieunigungsbeschluß.
Wir lassen uns also jetzt nicht darauf ein, sondern wollen jetzt, daß gesehen wird, welche Schäden hier auftreten müssen. Das ist der Grund, weshalb wir hier heute zu der Sache sprechen. Wir wissen auch, daß in der Regierung im Augenblick keine einheitliche Meinung besteht. Wir können nur sagen, daß wir jetzt darauf keine Rücksicht mehr nehmen können; denn uns scheint der Zeitpunkt gekommen zu sein, da durch eine Initiative dieses Hauses Möglichkeiten geschaffen werden müssen, um einem weiteren schlechten Weg vorzubeugen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind auch auf das 6. Änderungsgesetz zum Zollgesetz hingewiesen worden. Wir müssen Ihnen sagen, daß das Gesetz erstens noch nicht da ist. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet. Zum zweiten wissen wir gar nicht, ob es in allen Teilen verabschiedet wird. Wer die Materie kennt — ich weiß,
es sind nun einmal wegen der Schwierigkeit der Materie naturgemäß wenige —, weiß, daß es genügen würde, eine einzige Bestimmung in diesem Gesetz nicht zu verwirklichen, um uns wieder vor dieselben Schwierigkeiten zu stellen.
Aber darüber hinaus ist noch etwas anderes notwendig. Es ist ganz einfach so, daß wir uns hier eine Rechtsgrundlage schaffen müssen, mit der die Regierung den Schwierigkeiten überhaupt begegnen kann, denen in anderen Ländern begegnet werden kann, weil man dort eben die nötige innerstaatliche Rechtsgrundlage hat.
Daß uns von der Freien Demokratischen Partei das nicht leicht fällt, liegt auf der Hand. Aber wir stehen in dieser Frage — nicht nur die Agrarier, sondern auch der andere Teil der Fraktion nach einer langen Erörterung und aus einer immer mehr vertieften Einsicht in die Dinge heraus — geschlossen, gemeinsam, alle dahinter, daß man hier etwas tun muß, um den Schwierigkeiten zu begegnen. Ich finde, das sollte man vielleicht auch einmal beachten.
Ich möchte in dieser Frage zum Schluß kommen und Sie auf etwas hinweisen, was sich jederzeit durch die Protokolle hier und des Europäischen Parlaments belegen läßt. Die Freie Demokratische Partei hat sowohl im Europäischen Parlament wie im Bundestag angesichts der Erfahrungen in anderen Ländern und bei anderen Zusammenschlüssen, wie der Benelux, mehrfach vor der Illusion gewarnt, daß man in Kürze einen gemeinsamen Agrarmarkt herstellen könne. Sie hat darauf hingewiesen, daß, wenn dieser gemeinsame Agrarmarkt mit der im Vertrag vorgesehenen Beschleunigung nicht hergestellt werden kann, die verschiedene rechtliche Behandlung der Agrarwirtschaft und der gewerblichen Wirtschaft im Vertrag — teils Automatik, teils keine Automatik — zu ganz großen Schwierigkeiten führen müßte, die sich sofort unmittelbar oder mittelbar über die Ernährungswirtschaft auf die Landwirtschaft auswirken müßten. Wir sind damit nicht gehört worden. Daß man das nicht getan hat, daß man sich nicht rechtzeitig um die Dinge gekümmert hat, das hat dazu geführt, daß wir jetzt vor diesem Gesetzentwurf stehen, dem wir — bei einer gewissen inneren Abneigung aus unserer Grundhaltung heraus — zustimmen werden und um dessen Annahme wir das Hohe Haus bitten, weil er eine Chance gibt, bei ,den Verhandlungen aus den Schwierigkeiten, in denen wir uns befinden, herauszukommen.
Lassen Sie mich zur Verdeutlichung dessen, um was es geht, folgendes sagen. Vorhin ist von der Malzindustrie gesprochen worden. Die Malzindustrie soll auf Grund des Änderungsantrages der CDU eine Sonderbehandlung erfahren, und wir halten das für richtig, denn die Schwierigkeiten sind dort im Augenblick evident und am größten. In Ihren Unterlagen der letzten Tage finden Sie eine Eingabe einer Vereinigung der Malzimporteure. Sehen Sie, das sind die Schwierigkeiten, in die wir nun über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft wieder hineinkommen: Da ist eine kleine Gruppe
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von Importeuren, deren Existenzberechtigung niemand anzweifelt, die aber nun glaubt, Schwierigkeiten, die nicht nur für den Malzimport, sondern für große Bereiche unserer Volkswirtschaft auftreten — wie der Herr Vorredner von der CDU und wie wir sie aufgezeichnet haben , dazu ausnützen zu können, durch Darstellung an das Parlament die Mitglieder dieses Hohen Hauses zu bewegen, solche Notwendigkeiten zu negieren, wie sie der vor uns liegende Gesetzentwurf behandelt. Das müssen wir ablehnen. Das Haus sollte auf den Wunsch einer kleinen Gruppe, die schwierige Situation, in der wir uns befinden, für sich auszunutzen, keine Rücksicht nehmen.
Wir bekennen offen, daß wir in dem Änderungsantrag — der ja nicht ohne Abstimmung mit der Regierung zustande gekommen sein dürfte — die Möglichkeit sehen, in dem internationalen Rahmen, in dem wir uns befinden, eine bessere Situation zu schaffen. Das gilt auch hinsichtlich der Differenzierung zwischen dem ersten und dem anderen Teil. Deshalb werden wir diesem Änderungsantrag zustimmen.