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ID0312520200

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Metadaten
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    Deutscher Bundestag 125. Sitzung Bonn, den 29. September 1960 Inhalt: Fragestunde (Drucksachen 2077, zu 2077) Frage des Abg. Leonhard: Finanzhilfe bei Schäden durch Blauschimmelbefall von Tabakpflanzen Schwarz, Bundesminister . . . . . 7235 B Frage des Abg. Leonhard: Behandlungsmethoden bei Blauschimmelbefall Schwarz, Bundesminister . . . . . 7235 C Frage des Abg. Leonhard: Bekämpfung der Blauschimmelkrankheit Schwarz, Bundesminister 7235 C, D, 7236 A, B Leonhard (CDU/CSU) . . 7235 D, 7236 A Dr. Rutschke (FDP) . . . . . . . 7236 B Frage des Abg. Logemann: Erzeugerpreise für Veredelungsprodukte Schwarz, Bundesminister . . . . . 7236 B Frage des Abg. Rehs: Zusammenlegung der Deutschen Siedlungsbank mit der Deutschen Landesrentenbank Schwarz, Bundesminister 7236 D, 7237 B, C, D, 7238 A Rehs (SPD) 7237 A, B Diekmann (SPD) . . . . . . 7237 C, D Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) 7237 D, 7238 A Frage des Abg. Dr. Mommer: Abtretung von Exerzierplatzgelände in Kornwestheim 7238 A Frage des Abg. Lohmar: Tiefflüge von Düsenjägern über Bielefeld Hopf, Staatssekretär 7238 B Frage des Abg. Lohmar: Werbemethoden der Bundeswehr Hopf, Staatssekretär 7238 D Frage des Abg. Wittrock: Verprügeln von Kameraden in der Bundeswehr Hopf, Staatssekretär 7239 A Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Tiefflüge von Düsenjägern über Marburg Hopf, Staatssekretär 7239 B, C Jahn (Marburg) (SPD) 7239 B, C Frage des Abg. Dr. Imle: Studienbewerber an Technischen Hochschulen und Fachschulen nach freiwilligem Wehrdienst Hopf, Staatssekretär 7239 C Frage des Abg. Ritzel: Zuschläge bei Benutzung von Telefonanschlüssen Stücklen, Bundesminister 7240 A Ritzel (SPD) 7240 A Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Vermittlung von Ferngesprächen . . 7240 B Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Uberprüfung der Postverbindungen . . 7240 B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. September 1960 Frage des Abg. Blachstein: Telefonanschlüsse in Hamburg-Niendorf Stücklen, Bundesminister 7240 C, D, 7241 A Frau Keilhack (SPD) . . 7240 D, 7241 A Fragen des Abg. Felder: Amtliche Fernsprechbücher Stücklen, Bundesminister 7241 A, B, C, D, 7242 A Felder (SPD) 7241 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 7241 C Wittrock (SPD) . . . . 7241 D, 7242 A Frage des Abg. Bading: Handelsspannen bei Obst und Gemüse Dr. Westrick, Staatssekretär . . 7242 B, D, 7243 A Bading (SPD) . . . . . 7242 D, 7243 A Frage des Abg. Bading: Konjunkturpolitik der Deutschen Bundesbank Dr. Westrick, Staatssekretär . . 7243 B, D Bading (SPD) . . . . . . . . 7243 C, D Frage des Abg. Gewandt: Entwicklung und Fertigung deutscher Flugzeugtypen Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 7244 A Frage des Abg. Dr. Mommer: Zigarettenrauchen und Häufigkeit von Herzinfarkt und Lungenkrebs . . . . 7244 B Frage des Abg. Dr. Kohut: Kunstrum und Kunstarrak Dr. Schröder, Bundesminister . . 7244 B, C Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . . 7244 C Frage des Abg. Kreitmeyer Nichtigkeitserklärung des Beförderungsschnittes Dr. Schröder, Bundesminister . . . 7244 D, 7245 A, B Kreitmeyer (FDP) . . . . . . . 7245 A Fragen des Abg. Ehren: Angestellte des Bundes über 50 Jahre Dr. Schröder, Bundesminister . . . 7245 C Frage des Abg. Wittrock: Versetzung in den Ruhestand wegen angeblicher Dienstunfähigkeit Dr. Schröder, Bundesminister . . . 7245 D, 7246 B, C, D Wittrock (SPD) . . . 7245 D, 7246 A, C Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . . 7246 C Frage des Abg. Wittrock: Inanspruchnahme von Hilfskräften bei Herstellung von Referentenkommentaren Dr. Schröder, Bundesminister . . . 7246 D, 3247 A, B Wittrock (SPD) 7247 A, B Frage des Abg. Dr. Höck (Salzgitter) : Strafmandatssoll für Verkehrspolizisten Dr. Schröder, Bundesminister . . . 7247 C Frage des Abg. Logemann: Margarinezusätze Dr. Schröder, Bundesminister . . . 7247 D Frage des Abg. Dr. Miessner: Inkrafttreten der Besoldungserhöhung für Beamte Dr. Schröder, Bundesminister . . 7248 A, B Brück (CDU/CSU) . . . . . . . 7248 A Frage des Abg. Dr. Miessner: Einmalige Zulage für Bundesbeamte Dr. Schröder, Bundesminister . . . 7248 C Dr. Miessner (FDP) . . . . . . . 7248 C Frage der Abg. Frau Dr. Hubert: Verwendung eines neuen Emulgators für Margarine Dr. Schröder, Bundesminister 7248 D, 7249 A Frau Dr. Hubert (SPD) 7248 D Frage des Abg. Dr. Kanka: Gastspiel eines Ostberliner Theaters Dr. Schröder, Bundesminister . . . 7249 A Entwurf eines Gesetzes über vordringliche Maßnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung (SPD) (Drucksache 1926) — Erste Beratung —; in Verbindung mit Antrag betr. Lohnfortzahlung an Arbeiter im Krankheitsfalle (SPD) (Drucksache) 1927) Dr. Schellenberg (SPD) . 7249 C, 7270 B Horn (CDU/CSU) . . . 7255 D, 7270 B Dr. Stammberger (FDP) 7258 D Rohde (SPD) 7261 B Weimer (CDU/CSU) 7264 A Geiger (Aalen) (SPD) 7266 A Dr. Atzenroth (FDP) 7268 B Börner (SPD) . . . . . . . . . 7270 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Tarifvertragsgesetzes (FDP) (Drucksache 1563) — Erste Beratung — Dr. Atzenroth (FDP) 7270 D Persönliche Erklärung nach § 35 GO Memmel (CDU/CSU) 7273 D Nächste Sitzung 7274 C Berichtigung 7274 Anlage 7275 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. September 1960 7235 125. Sitzung Bonn, den 29. September 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 15.01 Uhr.
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 124. Sitzung Seite 7187 C Zeile 7 statt „1910": 1919. Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Altmaier * 30. 9. Balkenhol 30. 9. Bals 15. 10. Bauer (Wasserburg) 29. 10. Bauer (Würzburg) * 30. 9. Frau Bennemann 30. 9. Berkhan 30. 9. Bettgenhäuser 30. 9. Birkelbach 30. 9. Fürst von Bismarck * 30. 9. Blachstein * 30. 9. Dr. Böhm 22. 10. Frau Brauksiepe 9. 10. Dr. Bucerius 30. 9. Corterier * 30. 9. Dr. Dahlgrün 30. 9. Demmelmeier 7. 10. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 9. 10. Dowidat 30. 9. Drachsler 30. 9. Draeger 9. 10. Eilers (Oldenburg) 30. 9. Enk 30. 9. Dr. Friedensburg 30. 9. Dr. Furler * 30. 9. Gerns * 30. 9. Dr. Gradl 9. 10. Haage 30. 9. Hahn 30. 9. Dr. Harm * 30. 9. Frau Herklotz 9. 10. Dr. Hesberg 30. 9. Heye 9. 10. Höcherl 9. 10. Höfler * 30. 9. Höhne 30. 9. Frau Dr. Hubert * 30. 9. Jacobs * 30. 9. Jahn (Stuttgart) 30. 9. Jürgensen 31. 10. Keller 30. 9. Dr. Kempfler 9. 10. Dr. Kliesing (Honnef) * 30. 9. Dr. Kopf 9. 10. Krammig 31. 10. Kühlthau 30. 9. Kühn (Köln) * 30. 9. Lermer 15. 10. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 9. Lücker (München) 30. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Maier (Freiburg) 30. 9. Majonica 9. 10. Frau Dr. Maxsein * 30. 9. Dr. Mende* 30. 9. Dr. Menzel 22. 10. Merten 9. 10. Dr. Meyer (Frankfurt) * 30. 9. Mischnick 29. 9. Frau Dr. Pannhoff 29. 9. Paul * 30. 9. Peters 30. 9. Frau Pitz-Savelsberg 30. 9. Pohle 31. 10. Pöhler 29. 9. Dr. Preiß 30. 9. Dr. Preusker 30. 9. Frau Dr. Probst 29. 9. Frau Dr. Rehling * 30. 9. Reitzner 9. 10. Frau Renger * 30. 9. Riedel (Frankfurt) 29. 9. Ruhnke 30. 9. Scharnberg 29. 9. Scheel 30. 9. Dr. Schmid (Frankfurt) 15. 10. Schmidt (Hamburg) 9. 10. Schneider (Bremerhaven) 9. 10. Schneider (Hamburg) 30. 9. Dr. Schneider (Saarbrücken) 4. 10. Schröder (Osterode) 30. 9. Schultz 30. 9. Schütz (München) * 30. 9. Frau Dr. Schwarzhaupt 30. 9. Dr. Seffrin 30. 9. Seidl (Dorfen) * 30. 9. Dr. Serres * 30. 9. Seuffert 30. 9. Spies (Brücken) 29. 9. Stahl 30. 9. Stauch 30. 9. Storch 30. 9. Struve 9. 10. Dr. Vogel 30. 9. Wagner 30. 9. Dr. Wahl * 30. 9. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 30. 9. Frau Welter (Aachen) 29. 9. Wienand 9. 10. Frau Wolff 10. 10. Dr. Zimmer * 30. 9. Zoglmann 30. 9. Zühlke 30. 9. * für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates.
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    Rede von Helmut Rohde


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Es gibt nicht eine allzu gründliche und eine weniger gründliche Beratung, es gibt nur



    Rohde
    eine gründliche, oder es gibt eine unverantwortliche Art der Beratungen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Bei diesen Alternativen werden wir uns für die erste entscheiden.
    Ein weiterer Einwand ist, daß über wichtige Komplexe, wie die Frage der Selbstverwaltung, die Einstellung zum beratungsärztlichen Dienst, die umstrittenen Paragraphen des Verbänderechts usw., überhaupt noch keine Klarheit bei der CDU besteht.
    Im übrigen werfen Ihre neuen Leitsätze mehr Fragen auf, als sie Antworten geben. Sie haben uns z. B. zur Krankenscheingebühr im Ausschuß erklärt, daß sie schlechter sei als überhaupt keine Kostenbeteiligung. Sie haben gesagt, diese Krankenscheingebühr habe die Wirkung, daß derjenige, der zwei oder gar mehrere Mark Krankenscheingebühr bezahlt habe, dann so hohe Anforderungen an den Umfang der Behandlung durch den Arzt stellen würde, daß die dadurch entstehenden finanziellen Ausgaben weit höher seien als die Einnahmen, die durch die Gebühr erzielt werden.
    Ich komme nun zu dem wesentlichsten Einwand: Wir müssen feststellen, daß die CDU bisher überhaupt keinen Finanzierungsplan zu ihren neuen Vorschlägen vorgelegt hat. Sie wissen sehr genau, daß der Finanzierungskatalog der Regierungsvorlage durch die Leitsätze, die Sie jetzt veröffentlicht haben, hinfällig geworden ist. Aber Sie halten es nicht für notwendig, in Ihren Erklärungen und Veröffentlichungen etwas anderes an seine Stelle zu setzen. Sie sagen kein Wort zu den finanziellen Konsequenzen der von Ihnen beabsichtigten Änderungen. Sie sagen nichts darüber, ob den Kassen die sachfremden Ausgaben erstattet werden sollen oder nicht. Sie sagen kein Wort darüber, ob bei der wirtschaftlichen Sicherung des Arbeiters im Krankheitsfalle auch im Finanziellen durch eine echte Lohnfortzahlung die Gleichstellung mit den Angestellten erfolgen soll. Daß Sie hier nur Ausgabensteigerungen z. B. durch Leistungsveränderungen und Veränderungen im Honorarsystem ankündigen, aber nicht Stellung nehmen zu dem zukünftigen Finanzzuschnitt der Krankenkasse, das löst ernste Fragen aus.
    Soll jetzt etwa, so müssen wir fragen, durch eine überhastete, mit Widersprüchen, ungenügenden finanziellen Grundlagen und mit Unklarheiten belastete Reform die Krankenversicherung in finanzielle Gefahr gebracht werden? Erwarten davon dann die Verfechter einer drastischen Kostenbeteiligung neue Chancen für ihre Pläne? Zu dieser Frage sind wir um so mehr berechtigt, als Sie hier erklärt haben, daß die Kostenbeteiligung, die Sie jetzt einführen wollen — Krankenscheingebühr und Kostenerstattung für freiwillig Versicherte —, nur „ein erster Schritt" sei. Liegt Ihren Überlegungen vielleicht die Absicht zugrunde, zwar vor der Wahl einige Leistungsverbesserungen vorzunehmen, aber nach der Wahl, wenn Sie nur die politische Macht dazu haben, wieder das Rezept der drastischen Kostenbeteiligung aus der Schublade zu ziehen?

    (Beifall bei der SPD.)

    Während der Rede meines Kollegen Schellenberg ist von Ihrer Seite der Zuruf „Wahlkampf" gemacht worden. Sie können uns glauben, daß wir die Absicht, auf dem Umweg über die Finanzmisere der Krankenversicherung doch wieder zur drastischen Kostenbeteiligung zurückzukommen, auch dem letzten Wähler im Bundestagswahlkampf 1961 klarmachen werden.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Winkelheide: Das hätten Sie so auch getan!)

    Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluß noch einige Bemerkungen darüber, warum es sinnvoll ist, sich jetzt auf die Regelung vordringlicher Fragen zu beschränken. Müssen wir uns denn nicht fragen, welche Ansprüche wir an das große Wort von einer umfassenden -Reform der Krankenversicherung stellen? Da ist nach meiner Meinung die große und eigentliche Aufgabe einer umfassenden Reform zu berücksichtigen, nämlich Konsequenzen daraus zu ziehen, daß sich seit Bismarcks Zeit das Krankheitsbild gewandelt hat. Daß nicht nur die Bevölkerungsstruktur in den letzten Jahrzehnten eine andere geworden ist, sondern daß sich auch die Struktur des Gesundheitszustandes gewandelt hat, das ist doch der eigentliche Anlaß für eine umfassende Reform.
    Wir wissen — davon wird oft geredet —, daß heute nicht mehr wir zu Bismarcks Zeit die Infektionserkrankungen — wie Tuberkulose, Scharlach und Diphtherie — im Vordergrund des Krankheitsgeschehens stehen, sondern die Abnutzungserscheinungen, die Verschleißkrankheiten der Zivilisation. Von diesen Wandlungen hat die Reform der Krankenversicherung ihren Ausgang zu nehmen.
    Meine Damen und Herren, wir alle sind in den letzten Wochen und Monaten durch eine Denkschrift der Deutschen Olympischen Gesellschaft erregt worden, in der mit großer Eindringlichkeit auf die Gefahren hingewiesen worden ist, die dem Gesundheitszustand der Menschen in unserer Zeit drohen. Diese Denkschrift ist im Bulletin der Bundesregierung zitiert worden; es ist im Bulletin auf den Umstand aufmerksam gemacht, daß heute bei den Schuluntersuchungen schon bei fast jedem zweiten Kind chronische Schäden festgestellt worden sind. Es wurde darauf hingewiesen, welche Schäden bei den jungen Arbeitern und den jungen Angestellten durch die Wandlung der Arbeits- und Lebensformen eingetreten sind. Trotzdem geht die CDU hier von einem Reformentwurf für die Krankenversicherung aus, der das Wort Gesundheit überhaupt nicht kennt, der sich darauf beschränkt, bei Krankheit und Arbeitsunfähigkeit Hilfe zu gewähren, aber die Gesundheitsvorsorge und -fürsorge weitgehend unberücksichtigt läßt.
    Wir sind der Auffassung, daß Zeit und Gelegenheit gefunden werden muß, sich auf die eigentliche Aufgabe, nämlich auf die Entwicklung der Gesundheitsfürsorge und Gesundheitsvorsorge zu besinnen. Ich sage ganz offen, daß wir dabei Neuland vor uns haben. Aber es ist die Aufgabe einer umfassenden Reform, Neuland zu beschreiten. Die Sozialpolitik kennt eben den Unterschied zwischen Flickwerk und Sozialreform.



    Rohde
    Ich bitte Sie, mit größerem Ernst unseren Vorschlag zu bedenken und zu überlegen, als das heute geschehen ist. Unser Vorschlag zielt darauf ab, nur die vordringlichen Aufgaben zu lösen und Zeit für eine umfassende Reform zu gewinnen, die dazu dient, der eigentlichen Aufgabe gerecht zu werden, nämlich die Voraussetzung für ein Leben in Gesundheit in einer modernen Industriegesellschaft zu verbessern.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Weimer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von August Weimer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Frage der Lohnfortzahlung für Arbeiter im Krankheitsfalle möchte ich hier eindeutig erklären: In der CDU/CSU-Fraktion besteht völlige Klarheit darüber, daß diese Forderung auf Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten mit Recht solange auf dem Tisch bleiben wird, bis sie in vollem Umfang realisiert ist.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Wie lange wird das dauern, Herr Weimer?)

    — Ich werde das gleich ausführen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nächste Woche uni 10 Uhr!)

    Die CDU/CSU-Fraktion verweist in diesem Zusammenhang auf die Parteitagsbeschlüsse von Karlsruhe und Stuttgart, auf die sich ja auch Herr Kollege Dr. Schellenberg bezogen hat, wobei ich mit Freude feststellte, daß der Sozialdemokratischen Partei nicht unbekannt geblieben ist, daß dieses Anliegen in der CDU/CSU die volle Unterstützung findet. Die Vorstellungen über die Endlösung hinsichtlich der zu findenden Form weichen allerdings erheblich voneinander ab. Wenn wir etwa den Vorstellungen folgen wollten, die Form zu wählen, die für die Angestellten geltendes Recht ist, hätte das zur Folge, daß die Fortzahlung des Lohnes bis zum 42. Tage der Arbeitsunfähigkeit sich im Rahmen des Einzelarbeitsvertrages vollzieht, direkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das wäre zweifellos die einfachste Lösung. Sie wird in Großbetrieben mit vielen hundert Arbeitern auch betriebswirtschaftlich möglich und in einigen Etappen sicher erreichbar sein.
    Zum Teil ist es schon Praxis, ,daß im Rahmen von Betriebsvereinbarungen in vielen Großbetrieben solcher Industriezweige, deren Erträge das gestatten, Lohnfortzahlungen im Krankheitsfalle bis zu 26 Wochen Betriebsvereinbarungsrecht sind. Aber in Mittel- und Kleinbetrieben wird man zwangsläufig nach anderen Wegen suchen müssen. Die Vorstellungen — das ist ein Grund für die unterschiedlichen Auffassungen — von der sogenannten Gleichstellung gehen aber oft irrigerweise von der Feststellung aus, daß zwischen den beiden Kategorien Angestellte und Arbeiter betriebswirtschaftlich die Gleichheit bestünde, wie sie gesellschaftspolitisch zweifellos zu bejahen ist.
    In Wahrheit aber — das macht das Problem kompliziert und schwierig — bedeutet der Ausfall eines
    Angestellten infolge Krankheit oder Urlaubs etwas völlig anderes als der Ausfall eines Arbeiters. Beim Angestellten duldet ,ein Teil der Tätigkeit Aufschub oder die vertretungsweise Mitübernahme durch einen Kollegen. Der Ausfall eines Arbeiters dagegen, der in der manuellen oder maschinellen Produktion steht, erfordert in aller Regel die sofortige Gestellung einer Ersatzkraft oder ,die völlige Einstellung der Leistungen, und das ist betriebswirtschaftlich oft eine fast doppelte Belastung im Vergleich zu der, die dem Betrieb durch den Krankheitsfall eines Angestellten entsteht. Man muß. das in seiner Realistik sehen; denken Sie insbesondere an das Handwerk und an den gewerblichen Mittelstand. Gerade die dort bestehenden Schwierigkeiten, die aus diesem Tatbestand resultieren, machen es so schwer, eine Lösung zu finden, die uns die völlige Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten in einem Zuge verschaffen könnte.
    Man wird mir vielleicht von seiten der Opposition, vielleicht von seiten der Gewerkschaften entgegenhalten: Diese Überlegungen gehen allein die Unternehmer an; eis ist Sache der Unternehmer, wie sie mit den Belastungen aus ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Arbeitern fertig werden. — Ich glaube aber, wenn man es so machen wollte, würde man es sich zu leicht machen. So kann man aus standesspezifischen Gesichtspunkten reden. Wenn aber vom Gesetzgeber verlangt wird, diese Frage zu regeln, muß er auf die, Besonderheiten und Unterschiedlichkeiten besonders achten, wenn nicht volkswirtschaftlich und gesellschaftspolitisch unliebsame Begleiterscheinungen auftreten sollen.
    Es geht also nicht auf dem Wege, einfach die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber allein zu ändern. Solche Vorstellungen sind auch in diesem Hause schon vorgetragen worden. Man wird bei der Endlösung der Frage der Gleichstellung des Arbeiters mit den Angestellten nach Lösungen suchen müssen, die keine neuen Institutionen begründen mit einem neuen Apparat, dessen Aufwand und Ausweitung man dann meistens gar nicht mehr in der Hand behält. Dazu bietet sich u. a. auch an die Herausnahme der Barleistungen der Krankenversicherung für dieersten sechs Wochen und die Finanzierung der Lohnfortzahlung für ,diese Zeit über eine Arbeitgeberumlage als Auftragsgeschäft für die Krankenkassen, bei denen alle Voraussetzungen für die Durchführung eines solchen Auftragsgeschäfts vorliegen.
    Dazu ist aber — das müssen wir völlig nüchtern und realistisch feststellen, meine Damen und Herren — die Zeit noch nicht reif. Von mir in den letzten Monaten in dieser Richtung gemachte Vorschläge hatten zur Folge, daß Rechnungen aufgestellt wurden, die ,als Mehrbelastung Beträge zwischen 2,3 und 4,7 Milliarden DM aufwiesen. Der entbrannte Streit ließ erkennen, daß die große Lösung dieses Problems jetzt und in dieser Stunde noch nicht realisierbar zu sein scheint, weil der dazu erforderliche Schritt als zu groß empfunden wird.



    Weimer
    Das kommt auch in den Anträgen der sozialdemokratischen Fraktion, in den Drucksachen 1926 und 1927 zum Ausdruck. In der Drucksache 1927 wird eine Regelung gefordert, mit der sicherzustellen sei, daß keine unzumutbaren Belastungen für Kleinbetriebe bis zu 50 Beschäftigten eintreten. Danach besteht auch bei den Antragstellern völlige Klarheit darüber, daß die totalrechtliche Gleichstellung der Angestellten mit den Arbeitern nicht als realisierbar angesehen wird. Die SPD-Fraktion denkt bei diesem Antrag sicher nicht an eine Regelung, die die direkte und unmittelbare Gleichstellung vorsieht.
    Auch ,der Art, 3 ides Vorschaltgesetzes der Sosialdemokratischen Partei, zu dem sich im übrigen mein Kollege Horn schon geäußert hat, sieht ja lediglich vor, den Arbeitgeberzuschuß bis zum Nettolohn zu erhöhen.
    Dieser beiden Anträge — das möchte ich für meine Fraktion unmißverständlich erklären — bedarf es aber nicht, weil meine politischen Freunde nicht erst seit der Vorlage dieser Anträge, sondern schon bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs über die Neuregelung der Krankenversicherung vor diesem Flohen Hause entsprechende und sogar über diesen Antrag hinausgehende Vorschläge angekündigt haben, von denen ich Ihnen jetzt sagen kann, daß sie in den nächsten Tagen vorliegen werden. Sie werden für die gewerblichen Arbeitnehmer Regelungen vorsehen, die für diese eine spürbare Annäherung an die materielle Gleichstellung bringen werden.
    In der Begründung zu dem Art. 3 des Antrags auf Drucksache 1926 wird von der sozialdemokratischen Fraktion die Aufstockung des Zuschusses auf den Nettolohn bereits als die materielle Gleichstellung bezeichnet. Ich glaube, daß hier in der Argumentation ein Flüchtigkeitsfehler vorliegt. Ich möchte hier erklären, daß das — ich nehme an, daß das unsere gemeinsame Vorstellung ist — noch keine materielle Gleichstellung der Arbeiter bedeutet. Darum möchte ich das nur mit erheblichen Einschränkungen gelten lassen. Zur materiellen Gleichstellung gehört mehr. Ich erinnere nur an die Karenztage. Hierzu kann ich heute schon erklären, daß der demnächst dem Hohen Hause vorliegende Vorschlag meiner Fraktion in diesem Punkte einen Schritt weitergehen wird. Damit ist wiederum dargetan, daß es der Anträge, die Gegenstand dieser Debatte sind, gar nicht bedarf. Die SPD-Fraktion rennt mit diesen Anträgen in der Tat offene Türen ein.
    Herr Dr. Schellenberg versucht aus parteitaktischen Gründen — das ist verständlich — den Eindruck zu erwecken, wir seien erst unter dem Druck der SPD-Initiative tätig geworden. Ich möchte das ernsthaft zurückweisen. Ich kann darauf verweisen, daß die Sprecher meiner Fraktion schon in der 213. und 214. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages weitere Schritte hinsichtlich der Lohnfortzahlung im Zusammenhang mit der Fortführung sozialer Reformen angekündigt haben; das war vor dreieinhalb Jahren. Den Gewerkschaftlern und Sozialpolitikern der SPD-Fraktion ist auch nicht verborgen geblieben, daß im christlich-sozialen Bereich schon sehr früh die vielfältigsten Wege diskutiert wurden. Diese Diskussionen sind aber dann besonders schwer, wenn man sich bemüht, eine gesellschaftspolitisch in vollem Umfange berechtigte Frage in einer Form zu regeln, die den standesspezifischen und berechtigten Wünschen möglichst aller Rechnung trägt.

    (Abg. Dr. Schellenberg meldet sich zu einer Zwischenfrage.)