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ID0312202300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 122. Sitzung Bonn, den 30. Juni 1960 Inhalt: Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung Dr. von Brentano, Bundesminister 7037 A Majonica (CDU/CSU) 7046 B Wehner (SPD) . . . . 7052 B, 7102 D Dr. Schröder, Bundesminister . . . 7061 C Dr. Mende (FDP) 7062 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 7068 C Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) 7076 A Strauß, Bundesminister 7085 D Erler (SPD) 7091 D Dr. Jaeger (CDU/CSU) 7097 C Dr. Bucher (FDP) 7102 C Nächste Sitzung 7103 D Anlage 7105 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. Juni 1960 7037 122. Sitzung Bonn, den 30. Juni 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 10.02 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. Juni 1960 7105 Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Graf Adelmann 2. 7. Dr. Becker (Hersfeld) 2. 7. Benda 2. 7. Bergmann* 2. 7. Berkhan* 2. 7. Birkelbach* 2. 7. Dr. Birrenbach* 2. 7. Dr. Böhm 2. 7. Frau Brauksiepe 2. 7. Brüns 2. 7. Dr. Burgbacher* 2. 7. Corterier 2. 7. Dr. Dahlgrün 2. 7. Dr. Deist* 2. 7. Deringer* 2. 7. Dopatka 2. 7. Dröscher 2. 7. Eilers (Oldenburg) 2. 7. Eisenmann 2. 7. Engelbrecht-Greve* 2. 7. Frau Engländer 2. 7. Even (Köln) 2. 7. Dr. Friedensburg* 2. 7. Dr. Furler* 2. 7. Geiger (München)* 2. 7. Dr. Greve 2. 7. Hahn* 2. 7. Frau Herklotz 30. 6. Holla 2. 7. Illerhaus* 2. 7. Jahn (Frankfurt) 2. 7. Kalbitzer* 2. 7. Frau Klemmert 2. 7. Koenen (Lippstadt) 2. 7. Dr. Kopf* 2. 7. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Kreyssig* 2. 7. Kühlthau 2. 7. Lenz (Brühl)* 2. 7. Dr. Lindenberg* 2. 7. Lücker (München) * 2. 7. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 2. 7. Maier (Freiburg) 2. 7. Margulies* 2. 7. Metzger* 2. 7. Müller-Hermann* 2. 7. Neuburger 2. 7. Odenthal* 2. 7. Dr. Philipp* 2. 7. Dr. Preusker 2. 7. Frau Dr. Probst* 2. 7. Rademacher 2. 7. Rasch 2. 7. Richarts* 2. 7. Sander 2. 7. Scheel* 2. 7. Dr. Schild* 2. 7. Dr. Schmidt (Gellersen)* 2. 7. Schmidt (Hamburg)* 2. 7. Dr. Schneider (Saarbrücken) 20. 7. Schultz 2. 7. Schüttler 2. 7. Stahl 2. 7. Dr. Starke* 2. 7. Storch* 2. 7. Sträter* 2. 7. Frau Strobel* 2. 7. Walter 2. 7. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 2. 7. Weinkamm* 2. 7. Frau Wessel 2. 7. Dr. Zimmermann 8. 7. * für die Teilnahme an der Tagung des Europäischen Parlaments
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    Rede von Herbert Schneider


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Danke schön, Herr Präsident!
    Meine Damen und Herren, eine solche gemeinsame Außenpolitik ist auch nach Auffassung meiner Freunde erstrebenswert, vor allen Dingen deswegen, weil wir dann nicht der Versuchung erliegen, eine solche Politik irgendeiner Wahltaktik zu opfern. Die Ansichten über den Weg, den wir zu gehen haben -- auch ich mache in diesem Augenblick einen Strich unter das, was gewesen ist —, mögen auseinandergehen. Die Art und Weise der Darstellung allein beim Beginn einer Gemeinsamkeit ist entscheidend, und da will ich der Opposition an dieser Stelle gern das Zugeständnis machen, daß sie selbstverständlich in den verflossenen Jahren genauso wie wir alle bemüht gewesen ist, in Sorge um ,das ,deutsche Schicksal diese oder jene Maßnahme vorzuschlagen, die nach ihrer Ansicht — ich 'betone: nach ihrer Ansicht — praktikabel war. Wir waren .der Meinung, daß diese Maßnahmen nicht praktikabel seien. Wir haben mit unserer Ansicht recht behalten. Das sollte uns jedoch nicht zur Rechthaberei verleiten, sondern wir sollten zur Kenntnis nehmen, daß es jetzt offenbar eine Möglichkeit gibt, sachlicher als in der Vergangenheit miteinander zu sprechen.
    Sicher ist es nicht die Schuld der Sozialdemokraten, jedenfalls nicht eine erwiesene Schuld und auch nicht eine Schuld, die sie etwa bewußt auf sich geladen haben, daß zeitweilig auch die Herren in Pankow oder sogar in Moskau gehofft haben, sie könnten aus den Divergenzen, die hier über außenpolitische Fragen entstanden sind, vielleicht eines Tages ihren Nutzen ziehen.
    Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren — auch das muß sehr deutlich gesagt werden —, daß die gegenseitigen Verdächtigungen und Vor-
    würfe jedenfalls in den Lebensfragen unseres Volkes definitiv aufhören müssen. Zu einer Bestandsaufnahme, die ehrlich gemeint ist, gehört auch die Feststellung, daß die häufige Herabwürdigung demokratischer Organe und Persönlichkeiten, vielfach auch prominenter Angehörigen der Regierung, das ständige Schüren des Eindrucks, es herrschten un- I demokratische Zustände im eigenen Land, nicht zuletzt auch das ständige Infragestellen unserer Glaubwürdigkeit als Nation und der Glaubwürdigkeit der Regierung sowie der moralischen Integrität der innenpolitischen Gegner, daß alle diese Dinge aufhören müssen, weil, wenn sie nicht aufhören, der lachende Dritte die Kommunisten aller Schattierungen sind. Ich sage es anders herum: Wer sich in diesen Fragen in Zukunft nicht auf rein sachliche Darstellungen beschränkt, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er nichts anderes tut, als dem Kommunismus Vorspanndienste zu leisten.
    Wir wollen genauso wenig wie die Opposition eine gemeinsame Außenpolitik auf sentimentaler Basis. Wir wollen auch keine Politik des, nun, sagen wir einmal, Wischiwaschi. Wir wollen eine klare außenpolitische Linie verfolgen.
    Zu den Ausführungen des Kollegen Wehner möchte ich sagen: wenn die Vorstellungen, die er hier für die Sozialdemokratische Partei entwickelt hat, ehrlich gemeint sind und wenn es gelingt, diese Vorstellungen auch in den Reihen der Sozialdemokratischen Partei durchzusetzen, würde ich das als eine große Stärkung der Politik des freien Teiles Deutschlands betrachten.
    Es ist vielleicht müßig, heute noch zu untersuchen, warum auf Grund der schweren Zerwürfnisse in diesen wichtigen Fragen ein großer Teil der deutschen Öffentlichkeit resigniert hat. Es ist müßig, zu untersuchen, ob vielleicht auch auf Grund dieses Zerwürfnisses jene vielfältigen Entschließungen linksgerichteter Organisationen auch noch in jüngster Zeit erschienen sind. In dieser Stunde ist es vielmehr unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, daß auch in dieser Beziehung das Steuer herumgeworfen und die Debatte auch in diesen Organisationen und Verbänden wieder versachlicht wird. Dies ist deswegen wirklich eine nationale Aufgabe, weil unser Vaterland nach wie vor gespalten ist. Der Erfolg unserer Politik hängt zu einem erheblichen Teil von der Art und Weise ab, in der wir unsere Gegensätze austragen.
    Der Vorsitzende meiner Partei Hellwege hat auf einer Veranstaltung in Berlin kürzlich gesagt:
    Die Entscheidung zwischen Ost und West, zwischen Terror und Freiheit fällt nicht auf dem Feld der Lebenshaltung, sondern der Geisteshaltung, fällt nicht auf dem Feld des Wohlstandes, sondern der Moral, fällt nicht auf dem Feld des Verbrauchs, sondern des Verzichts.
    Meine Damen und Herren, Erschwernisse hat es für das deutsche Volk in seiner langen Geschichte, selbst wenn wir nur die letzten zehn Jahre davon nehmen, weiß Gott zur Genüge gegeben. Aber wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir uns als ein Volk in der Mitte Europas nicht einfach aus



    Schneider (Bremerhaven)

    der Geschichte und schon gar nicht aus den Verantwortungen, in die wir gestellt sind, herausstehlen können. Deswegen, so meinen meine Freunde, sollten wir den Mut zu den Verantwortungen haben, zu denen wir auf Grund dieser Stellung aufgerufen wurden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr zu Guttenberg.

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    Rede von Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist die Aufgabe zugefallen, namens meiner Freunde auf die Rede zu antworten, die heute morgen unser Kollege Herbert Wehner hier gehalten hat. Ich stehe nicht en, zu sagen, daß ich diese Rede meisterlich gefunden habe, und ich gestehe vor allem, daß ich die Perfektion des Scharms bewundert habe, die Herr Wehner hier entwickelt hat und die ich selber gewiß nicht erreichen werde.
    Aber das, was ich soeben sagte, bezog sich auf die Form. Im Inhalt, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Sache habe ich nicht viel Neues gehört. Ich habe einen flammenden Appell gehört, daß wir in Krisenzeiten zusammenstehen sollten. Ich darf sagen, daß wir Ihnen selbstverständlich glauben, daß Sie diesen Appell in allem Ernst und aus Sorge an uns gerichtet haben. Zu einem Appell, in Krisenzeiten einig zu sein, sagen wir selbstverständlich ja und dreimal ja. Wir wollen nur sehr gerne wissen, über was wir einig sind.
    Die Feststellung, daß wir in unseren Zielen einig sind, scheint mir nichts Neues zu sein. In den Zielen, die Freiheit der Bundesrepublik zu erhalten, die Freiheit Berlins zu bewahren und alle Anstrengungen zu machen, urn ein ganzes freies Deutschland zu schaffen, waren wir uns schon immer einig. Das scheint mir doch wohl eine Selbstverständlichkeit zu sein. Es besteht Einigkeit in den Zielen, Einigkeit, wenn Sie so wollen, im Prinzip.
    Ich erinnere mich hier an ein Wort des verstorbenen amerikanischen Außenministers Marshall, der einmal gesagt hat: Sage nicht, daß du mit mir im Grundsätzlichen einig bist, denn das bedeutet, daß du mit mir uneinig bist. Ich darf ein anderes Wort, ein Wort des deutschen Philosophen Lichtenberg zitieren. Er hat einmal — ich erhebe keinen Anspruch darauf, daß das Zitat im Wortlaut stimmt gesagt: Wenn du mit einem Freunde prinzipielle Einigkeit gewonnen hast, wirst du wahrscheinlich die schwersten Opfer des Aber auf dich nehmen müssen.
    Meine verehrten Damen und Herren, es geht heute bei dieser Diskussion, wie ich glaube, nicht um das Was, sondern um das Wie. Bei diesem Wie geht es darum, festzustellen, wie die Opfer des Aber aussehen und wer sie tragen soll. Denn es handelt sich bei dieser Einigkeit doch nicht um abstrakte Einigkeit, sondern um Einigkeit im Konkreten. Weil wir für diese Einigkeit sind, weil wir die Gefahren der Stunde lieber gemeinsam bestehen würden, weil wir uns um das Schicksal der Nation
    sorgen, deshalb, meine Damen und Herren von der Opposition, haben wir nach der Rede des Herrn Wehner einige Fragen zu stellen.
    Über dieser Debatte steht gewiß der Name „gemeinsame Außenpolitik". Aber hinter dieser gemeinsamen Außenpolitik steht immer noch ein Fragezeichen. Ich könnte dem auch einen anderen Namen geben. Man könnte vom Ende des Parteienstreits um die Außenpolitik, man könnte, wie ich sagte, von der nationalen Einigkeit oder, um Ihre Worte aufzugreifen, von der gemeinsamen Bestandsaufnahme reden. Aber, meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, zu sagen, daß alle diese Ausdrücke den Kern der Sache nicht treffen. Mir scheint außerdem, daß in all diesen Überschriften zuviel an Emotion und Taktik mitschwingt, als daß man sie ganz und ohne Vorbehalt akzeptieren könnte. Ich möchte daher versuchen, den Bereich der Taktik und der Emotionen soweit wie irgend möglich hinter mir zu lassen und eine Anstrengung zu unternehmen, auf den Grund der Dinge vorzudringen, eine Anstrengung also, die Wahrheit aufzuhellen, die hinter dieser so begreiflichen und so verlockenden Formel einer gemeinsamen Außenpolitik steht. Denn, meine verehrten Damen und Herren von der Opposition auf dieser Seite — Sie sind nicht gemeint, verehrter Herr Kollege Mende —, daß es eine solche zwingende Wahrheit gibt, die Ihnen mindestens auch das Wort von der Gemeinsamkeit in den Mund gelegt hat, nachdem Sie doch seit Jahr und Tag nach Alternativen und eben nicht nach Gemeinsamkeit gesucht haben, das scheint mir doch unzweifelhaft zu sein.
    Was also ist der Kern der Sache, die man mit dem Etikett der gemeinsamen Außenpolitik versehen hat? Der Kern der Sache ist ein neuer Abschnitt in der Suche des deutschen demokratischen Sozialismus nach seinem eigenen Standort. Mißverstehen Sie mich bitte nicht! Ich sage das weder im Gefühl der Überlegenheit etwa desjenigen, der glaubt, seinen eigenen Standort zu kennen, noch sage ich es gar in der Absicht, diesen freiheitlichen Sozialismus als eine unbestimmte Größe abzuqualifizieren, und ich sage es ganz gewiß nicht mit irgendeinem Unterton der Verdächtigung. Im Gegenteil, wir von der CDU könnten uns gewiß nichts dringender wünschen und wir würden nichts ehrlicher begrüßen und nichts dankbarer zur Kenntnis nehmen als eben dies, daß die deutsche SPD auf diese Weise einen Weg betritt, der sie vielleicht in unsere Nähe führt. Ich gebe zu, daß in den Ausführungen des Herrn Wehner von heute vormittag einige Passagen enthalten waren, die uns das Gefühl vermitteln, daß Ihr Weg vielleicht in unsere Nähe geht. Ich möchte hier keineswegs den Namen eines spanischen Klosters nennen, der sich einem aufdrängen könnte.
    Dieses Thema, das Thema der Suche des freiheitlichen Sozialismus nach seinem eigenen Standort, ist nicht nur ein deutsches Thema. Denn der internationale freiheitliche Sozialismus ist, wie ich glaube, seit dem zweiten Weltkrieg auf der Suche nach seiner eigenen Seele. Erst in den letzten Tagen hat die freie Welt den Atem angehalten, als die Sozialisten Japans auf die Straße gingen, um mit



    Freiherr zu Guttenberg
    Hilfe dieser Straße außerhalb des Parlamentes ihren Willen durchzusetzen. Wenn wir in Deutschland zu diesen Vorgängen im Fernen Osten Stellung nehmen, dann zunächst mit dem dankbaren Kommentar, daß uns in Deutschland solche Krisen, solche Erschütterungen und Bedrohungen deshalb erspart geblieben sind, weil unsere Auseinandersetzung trotz mancher Ansätze zum Gegenteil doch immer demokratisch blieb und niemand den Weg auf die Straße nahm, dann aber doch mit der besorgten Feststellung, daß der Streit in Japan um die gleiche Sache ging, die auch in unserem Lande Regierung und Opposition am heftigsten entzweit hat, um das militärische Bündnis mit der freien Welt; eine Parallele, die erst in den letzten Tagen trotz der Ausführungen des Herrn Wehner nicht zuletzt auch darin ihren Ausdruck fand, daß nach meiner Kenntnis die deutsche SPD sich mit keinem Wort von den Zielen und Methoden der Sozialisten Japans distanziert hat.
    Meine Damen und Herren! Nicht nur in Deutschland also gibt es seit dem letzten Kriege ein Dilemma des freiheitlichen Sozialismus. Die braune Diktatur war damals ausgelöscht, und die rote entstand aus den Trümmern, die die braune Diktatur hinterlassen hatte. Es ,galt damals für die Sozialisten, ihre Stellung zu beziehen, ihre Position neu zu beschreiben und dabei dem Antrieb treu zu bleiben, der dem Handeln der Sozialisten immer zugrunde lag, jenem Antrieb, den auch der schärfste Gegner ein ethisches Gewissen nennen muß. Diese Sozialisten fanden sich zwischen ,den Fronten des ) demokratischen Kapitalismus und der sozialistischen Diktatur. Ihre Schwierigkeit bestand darin, die westliche Welt vorbehaltlos anzuerkennen, obwohl sie sie mindestens zum großen Teile kapitalistisch nannten, und die östlichen Anschauungen ebenso vorbehaltlos anzuerkennen, obwohl sich diese selbst den Namen „sozialistisch" gaben. Die Versuchung lag nahe, nach einem dritten Weg Ausschau zu halten, einem Weg, der sich sowohl gegen den Sozialismus wie aber auch gegen den Kapitalismus wenden sollte, einem Weg also, der statt des demokratischen Kapitalismus und statt der sozialistischen Diktatur den demokratischen Sozialismus etablieren sollte.
    Ich sage: Versuchung, weil hinter diesen Erwägungen ein Irrtum steckt, ,der seine Erklärung in der ideologischen Wurzel auch des freiheitlichen Sozialismus findet, jener Irrtum nämlich, daß es Freiheit nur in der sozialistischen Gesellschaft geben könne und daß daher in der westlichen Welt nur zum geringen Teil wahre Freiheit herrsche. An diesen Irrtum wurde ich erinnert, als ich vor vier Tagen in der Zeitung las, daß unser Herr Kollege Wehner in Heilbronn auf einem Parteitag der SPD erneut erklärt hat, die CDU und die SPD trennten verschiedene Vorstellungen von der Demokratie.
    Meine Damen und Herren! Einige westliche Arbeiterparteien, so ,die holländische, die schweizerische, die französische, die skandinavischen, sind diesen Versuchungen nicht erlegen. Sie haben erkannt, daß der Streit zwischen Freiheit und Sklaverei mehr ist und etwas anderes ist als nur die Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und
    Kapitalismus. Einige andere, so die englischen und die italienischen Sozialisten, haben sich in verschiedene Parteien oder — wie die letzten Wochen gezeigt haben — in sich bekämpfende Flügel gespalten. Die deutschen Sozialisten haben bisher geschlossen geglaubt, den dritten Weg beschreiten zu sollen. Sie haben sich gegen den Kommunismus gestellt; aber sie haben auch kein Hehl aus ihrer Ablehnung der anderen Seite gemacht, weil und insoweit sie sie kapitalistisch, restaurativ und reaktionär nannten. Auf diese Weise, meine Damen und Herren von der deutschen Sozialdemokratie, sind Sie zu einer Achillesferse der freien Welt geworden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Frage ist, ob dies nach den Ausführungen des Herrn Wehner auch heute noch so ist.
    Weil Sie sich weder der einen noch der anderen Seite ganz verschreiben konnten, sind Sie in die Neutralität geflohen, weil Sie im Konflikt zwischen Ost und West für keine Seite ganz Partei ergreifen wollten, haben Sie die Isolierung vorgezogen, und weil Sie den Charakter des weltweiten Streites um die Freiheit als ein gesellschaftspolitisches Ereignis mißverstanden haben, sind Sie ausgewichen in die Idee der Bündnislosigkeit. Die Frage ist, ob wir Herrn Wehner so verstehen sollen, daß nunmehr mit allen diesen Vorstellungen ein Ende ist, ein Ende, über das wir uns selbstverständlich freuen würden.
    Sie sagen uns, die SPD sei ein verläßlicher Garant gegen den Bolschewismus. Wir haben keinen Augenblick daran gezweifelt, daß Sie Sozialisten und eben deshalb keine Kommunisten sind. Aber das ist ja gar nicht die Frage. Die Frage ist, ob Sie sich entschließen können und ob Sie sich entschlossen haben, die Suche nach jenem dritten Weg der Mitte zwischen Ost und West aufzugeben;

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    die Frage ist, ob Sie sich entschließen können und vielleicht entschlossen haben, sich ein für allemal für das Bündnis mit der freien Welt zu äußern, und die Frage ist, ob Sie sich jetzt entschließen können und vielleicht entschlossen haben, allen Versuchen endgültig Lebewohl zu sagen, die Spannung zwischen West und Ost mit einem Kompromiß zu überwinden, der Elemente beider Seiten in sich schließt.
    Die Frage ist in einem Wort, ob die SPD bereit Ist, aufzuhören, Opposition in einem internationalen Sinne zu bleiben. Denn Sie haben doch nicht nur die Politik der CDU bekämpft; mit diesem Kampf haben Sie doch auch Front bezogen gegen den erklärten Willen aller Länder, die die freie Welt einschließlich Deutschlands in einem Bündnis fest zusammenschließen wollten. Herr Wehner hat in diesem Punkte heute nichts gesagt, was seine Erklärung vom 6. Januar dieses Jahres revidieren würde, die ich hier im Wortlaut habe. Dort hat er gesagt, man dürfe es nicht darauf ankommen lassen, daß die Bundesrepublik Teil eines militärischen Bündnissystems sei und diese Tatsache allein unsere Politik bestimme.



    Freiherr zu Guttenberg
    Sie sprechen heute von Gemeinsamkeit der Politik. Wenn Sie damit das Ende dessen meinen, was uns bis heute trennte, nämlich das Ende Ihrer Gegnerschaft zu diesem Bündnis und zu seinen Konsequenzen, dann, meine Damen und Herren, könnte uns nichts willkommener sein. Aber leider ist das noch nicht klar. Denn Ihre Antwort auf das Scheitern der Pariser Konferenz war doch zunächst Verwirrung, war Unklarheit und Widerspruch. Ich sage das nicht deshalb, weil mich vielleicht aus taktischer Erwägung ein verwirrter Gegner freute. Im Gegenteil, wir hoffen alle, daß es sich hierbei um schöpferische Widersprüche handelt, daß Sie also aufgebrochen sind zu einer Diskussion, die Klarheit bringt und jene Wunde heilt, die Ihre Haltung für die freie Welt bisher bedeutet hat. Ich wiederhole, daß Herrn Wehners allgemeine Worte mich heute jedenfalls noch nicht davon überzeugt haben, daß diese Diskussion in der SPD beendet ist. Hierzu bedarf es weiterer und genauerer Präzisierung der einzelnen konkreten Dinge.
    Wir haben uns gefragt, wo unser Beitrag zu solcher Klärung liegen könnte, und wir kamen zu dem Schluß, daß wir schlecht beraten wären, wollten wir dem Vorschlag des Herrn Wehner folgen, nämlich statt einer öffentlichen Diskussion über diese Einzelheiten in die Klausur zu gehen. Denn es geht doch hier nicht darum, in vertraulichem Gespräch hier und dort nach möglichen Gemeinsamkeiten zu suchen; es geht doch im Grunde um die Linie Ihrer Politik, um die Richtung Ihres Wollens, um den Weg, den Sie in Zukunft gehen wollen. Wenn Sie wirkliche Gemeinsamkeit im Auge haben — und ich habe jedenfalls Herrn Wehner heute so verstanden —, dann gibt es hierfür nur die öffentliche Rede, die den Sprecher an seine Worte bindet und dadurch Klarheit schafft und Vertrauen stiftet.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, auch etwas anderes muß offen gesagt werden: für die freie Welt ist die deutsche SPD doch viel zu wichtig, als daß sich diese freie Welt damit begnügen könnte, die Allianz mit ihr auf Unklarheit zu gründen. Klärung also scheint mir die eigentliche Überschrift dieser Debatte zu sein, Klärung dessen, was unklar ist, was auch nach der Rede des Herrn Wehner heute noch unklar ist, Klärung nämlich der Haltung der SPD. Denn über die unsere herrscht unzweifelhafte Klarheit.
    Ihre Antwort auf die Ereignisse der letzten Wochen steht noch aus. Oder besser gesagt: Meine Damen und Herren von der linken Seite, Sie haben zwar hier und im Lande draußen bis in die letzten Tage hinein Antworten gegeben, aber verschiedene und einander entgegengesetzte Antworten. Einige dieser Antworten schienen eine Revision, andere eine Bestätigung Ihrer bisherigen Politik zu sein. Ich will dafür einige Beispiele anführen.
    Der Regierende Bürgermeister von Berlin hat erklärt, jede Bundesregierung werde sich an die geschlossenen Verträge halten. Herr Wehner hat dieses Wort heute hier aufgegriffen. Aber, meine Damen und Herren, der stellvertretende Vorsitzende
    Ihrer Partei, Herr von Knoeringen—also gewiß doch wohl nicht irgend jemand —, hat vier Tage nach der Erklärung des Herrn Bürgermeisters Brandt gesagt, Vermutungen, daß sich die Standpunkte Brandts und Adenauers in der deutschen Frage einander angenähert hätten, seien ein Fehlschluß,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Theorie und Praxis!)

    und Herr Erler, meine Damen und Herren, hat am 26. Juni, also vor vier Tagen, in Heilbronn ausweislich der „Stuttgarter Zeitung" gesagt, das atlantische Bündnis erschwere die Wiedervereinigung. Ich muß sagen, dieser Satz steht in absolutem Widerspruch zu dem, den Herr Wehner heute hier gebraucht hat,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    als er von der NATO als der Grundlage auch der Wiedervereinigungspolitik sprach.
    Meine Damen und Herren, in ernster Sorge haben wir ganz einfach die Frage an Sie zu richten: welches ist nun die Haltung Ihrer Partei, wenn Sie uns zur Gemeinsamkeit aufrufen? Sie müssen uns doch sagen, auf welcher Basis Sie diese Gemeinsamkeit wünschen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Herr Kollege Herbert Wehner hat am 26. Mai im Süddeutschen Rundfunk gesagt, er habe niemals die NATO als solche abgelehnt, und der Herr von Puttkammer hat acht Tage später im „Vorwärts" geschrieben, die SPD könne ihre grundsätzlichen außenpolitischen Prinzipien nicht verleugnen. Fraglos aber ist doch — wir alle haben das hier in diesem Hause und draußen in allen Städten und Dörfern, in denen wir zusammengetroffen sind, erlebt — eines Ihrer Prinzipien bisher die Ablehnung der Einbeziehung der Bundesrepublik in die NATO gewesen.
    Herr Barsig — auch nicht irgend wer in Ihrer Partei — hat am 1. Juni gesagt, für die SPD sei nach Paris tatsächlich eine neue Lage entstanden. Diese neue Lage hat er ein anderes Mal, und zwar eine Woche früher, mit den Worten beschrieben, im Gegensatz zu früheren Konferenzen gebe es heute keine sowjetische Alternative mehr. Gleichzeitig fordert Herr Kollege Erler noch immer Entspannungszonen durch Truppenrückzüge, die ja nun wirklich, um ein sinnvoller Vorschlag zu sein, Alternativen zu jener sowjetischen Politik voraussetzen, die wir doch zusammen in Paris erlebt haben.
    Und ein letztes Beispiel solchen Widerspruchs: Der Berliner Regierende Bürgermeister hat die atomare Bewaffnung der Bundeswehr gleichfalls nach Ausweis von Zeitungsmeldungen eine rein technische Frage genannt, aber Herr von Knoeringen hat von dem gleichen Bürgermeister Brandt erklärt, er stehe voll auf dem Boden des Godesberger SPD-Programms — das diese Bewaffnung doch aus politischen und nicht aus technischen Gründen ablehnt!
    Kurzum, wenn es nicht noch andere Gründe für diese Debatte gäbe, wäre sie allein schon deshalb nötig, um Klarheit über die Linie der deutschen



    Freiherr zu Guttenberg
    SPD zu gewinnen. Denn ohne eine solche Klarheit kann es kein Vertrauen geben, weder bei uns, die Sie zur Gemeinsamkeit aufgerufen haben, noch gestatten Sie mir, das zu sagen, sozusagen in Ihrem Interesse — bei Ihren eigenen Wählern. Im übrigen muß die Regierungspartei auch aus anderen Erwägungen auf dieser Debatte bestehen. Herr Ollenhauer hat hier doch vor einem Monat die Überprüfung der Regierungspolitik gefordert. Wir haben zu fragen, Herr Ollenhauer, ob Sie dies auch heute noch tun. Herr von Knoeringen hat die Anpassung der Außenpolitik der CDU an die neue Phase der Weltpolitik gefordert. Und Herr Wehner hat doch mit seiner Formel von der Bestandsaufnahme im Grunde gleichfalls eine Revision mindestens auch unserer Politik erwartet.
    Nun, vielleicht stünde am Ende einer solchen gegenseitigen Anpassung die viel gerühmte deutsche Eintracht. Aber ich fürchte, wir hätten dann die innerdeutsche Einigkeit um den Preis der westlichen Gemeinsamkeit erkauft, jener Gemeinsamkeit, die bisher die Bundesrepublik und West-Berlin vor Moskaus Griff bewahrten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Kollege Wehner, nicht mehr als dies, was ich soeben gesagt habe, habe ich auch bei jener Diskussion gesagt, über die Sie heute vormittag eine Pressemeldung vorgelesen haben.
    Aus diesen Gründen hat nach meiner Meinung die CDU die Pflicht, jeden Anschein zu vermeiden, als revidiere sie sich selbst.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie muß vielmehr hier und heute ihre Politik dem deutschen Volke deutlich und erneut empfehlen, weil diese Politik zu jener Solidarität entscheidend beigetragen hat, an der Chruschtschows Anschlag auf Berlin bis heute gescheitert ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, die Überprüfung unserer Politik, von der Herr Ollenhauer hier geredet hat, ist für uns gleichbedeutend mit der Revision des Richtigen, gleichbedeutend mit der Abkehr vom Wege des Erfolgs, gleichbedeutend mit dem Ende einer konsequenten Kontinuität und mit dem Anfang einer möglichen neuen deutschen Isolierung.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Es ist gewiß eine Binsenwahrheit, daß der Streit um die wesentlichen Fragen unserer Existenz in diesem Hause in den vergangenen Jahren der deutschen Sache schweren Schaden tat. Aber wir haben doch zu fragen, warum das so gewesen ist; doch nicht etwa deshalb, weil das Streiten immer schädlich, das Einigsein dagegen immer nützlich ist. Nein, meine Damen und Herren, der Streit um unsere nationalen Fragen hat die deutsche Position nur deshalb geschwächt, weil er unsere Freunde an unserer Verläßlichkeit zweifeln ließ und weil er unseren Gegnern zu der Hoffnung Anlaß gab, daß sich der deutsche Kurs einmal ändern könnte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wer heute also diesem Streit ein Ende setzen will, weil er die deutsche Position zu stärken wünscht, muß doch versuchen, unseren Freunden ihre Sorge und unseren Gegnern ihre Hoffnung dadurch wegzunehmen,

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    daß er unser Bündnis von der Hypothek befreit, die Deutschen könnten eines Tages anderen Sinnes werden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dazu bedarf es jedoch nicht, wie Herr Ollenhauer vor einem Monat gefordert hat, einer neuen Politik der CDU, sondern dazu bedarf es ganz im Gegenteil der Revision der Politik der SPD, die von Anfang an dem Bündnis widersprochen und an seiner Stelle das Prinzip der Bündnislosigkeit vertreten hat. Ich darf mich nun auf die gleiche Zeitung beziehen, die Herr Wehner heute früh auch einmal genannt hat, die „New Yorker Times", die erst in diesen Tagen davon sprach, daß die grauen Wolken über diesem westlichen Bündnis doch nur dann verschwinden könnten, wenn sich die SPD, die deutsche Oppositionspartei, dieser Bündnispolitik anschließe.
    Herr Wehner hat heute in seinen Erklärungen einen Satz gesagt, von dem ich zugeben möchte, daß er wirklich etwas Neues darstellt. Er hat er- klärt, daß die NATO-Politik nach seiner Meinung auch Grundlage für die deutsche Wiedervereinigungspolitik ist. Mir geht es aber darum, festzustellen, welche Konsequenzen Herr Wehner aus diesem Satz zieht und

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    wer in diesem Hause nach seinem Willen welche „Opfer des Aber" aus dieser vielleicht sich abzeichnenden allgemeinen Einigkeit zu tragen hätte.
    Meine Damen und Herren! Wer eine solche Einigkeit fördern will, der darf nicht das tun, was Herr Wehner sagte: sich nämlich vor allem darauf stürzen, die Punkte, in denen man einig ist, zu beachten und zu bewahren und behutsam zu umsorgen. Wer Einigkeit fördern will, der muß vielmehr über das Trennende reden, denn durch die Überwindung dieses Trennenden kann sich die Einigkeit vermehren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Vorschlag, den der Herr Kollege Wehner gemacht hat, nämlich die Außenpolitik doch weithin aus der öffentlichen Diskussion herauszunehmen, führt nicht zur Gemeinsamkeit, sondern setzt voraus, daß die Gemeinsamkeit bereits besteht.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dieses Haus wäre, wie ich glaube, auf einem verhängnisvollen Weg, würde es durch den Versuch, Kontroversen durch Verschweigen vor der Öffentlichkeit aus der Welt zu schaffen, Einigkeit vortäuschen, wo in Wahrheit keine besteht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Freiherr zu Guttenberg
    Die SPD hat vor 15 Monaten ihre Vorstellungen zur deutschen Politik in einem Dokument zusammengefaßt, das den Namen „Deutschlandplan der SPD" erhielt. Sie haben damals diesem Plan höchste Publizität und das Gewicht eines einstimmigen BeSchlusses Ihres Vorstandes verliehen, des gleichen Vorstandes, der heute noch amtiert. Sie haben diesen Plan darüber hinaus den ich zitiere — „heute einzig ernst zu nehmenden Versuch zur Wiedervereinigung" genannt. Sie sahen also damals in ihm nicht nur einen von vielen möglichen, sondern eben den einzig realistischen Weg für die deutsche Politik. Dieser Plan war deshalb nicht nur — wie Sie später sagten — Grundlage für eine Diskussion, sondern er war damals Ausdruck Ihres Willens und Ihrer politischen Tendenz.
    Heute sagte Herr Wehner nun von diesem Plan, er sei ein Vorschlag, der der Vergangenheit angehöre. Nun gut, ich nehme gern zur Kenntnis, daß dieser Vorschlag nicht mehr auf dem Tisch liegt. Aber es geht auch gar nicht darum, ob die Aktualität dieses Planes noch besteht. Es geht auch gar nicht um seine einzelnen Details; es geht um seine Tendenz. Denn in diesem Plan kulminierten alle Ihre Alternativvorstellungen zu unserer Politik. Dieser Plan war der bisher klarste Ausdruck Ihres Willens, einen solchen dritten Weg zwischen Ost und West zu finden. Und wenn es Ihnen ernst ist—ich zweifele keinen Augenblick daran —, zu einer Aufnahme des Bestandes, also zu einer Sichtung der Fakten zu kommen, um auf diesem Wege über das Unterschiedliche zum Gemeinsamen fortzuschreiten, dann gehört zu diesen Fakten ganz gewiß auch der Deutschlandplan.
    Ich weiß, es ist sehr viel einfacher und sehr viei populärer, nach Gemeinsamkeit zu rufen, als auf Fakten hinzuweisen, die der Gemeinsamkeit im Wege stehen. Es ist aber ganz einfach ein Erfordernis der intellektuellen Sauberkeit, auch auf solche Fakten hinzuweisen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich hoffe also, klargestellt zu haben, daß ich nicht deshalb auf die Kontroversen der Vergangenheit verweise, weil mir etwa daran liegt, sie fortzusetzen. Mir liegt nur daran, Klarheit zu erhalten, Klarheit über Ihre Politik.. Was Herr Wehner heute sagte, war noch keine Klarheit.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Ich kann es keine Klarheit nennen, daß Sie sich zwar einerseits von Ihrem Plan distanzieren, aber gleichzeitig immer wieder davon reden, daß einige seiner Elemente noch immer zu Ihrem Rüstzeug zählen. Auch die Andeutung, die Herr Wehner heute auf ,die Frage des Herrn Kollagen Dr. Krone gemacht hat, läßt darauf schließen, daß einmal wieder eine Zeit kommen könnte, in der solche Elemente nach seiner Meinung nutzbringend sein könnten. Genau darum geht es. Wir wollen erfahren, wann und wo und unter welchen Umständen solche Elemente Ihres Denkens plötzlich wieder auf dem Tisch liegen könnten,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    obwohl sie heute offenbar nicht mehr darauf liegen.
    Ich sage Ihnen wohl nichts Neues, wenn ich hier erkläre, daß sich die Tendenzen dieses Planes zu allerletzt dazu eignen, Einigkeit mit uns zu schaffen. Es ist deshalb unerläßlich, aufzuzeigen, was nach unserer Sicht zu den Elementen Ihres Planes gehört, die uns bisher gehindert haben, Ihre Politik zu akzeptieren. Ich muß dann bitten, daß Sie uns die Elemente nennen, die in diesem Dokument nach Ihrem Willen entweder noch Geltung haben oder wieder Geltung haben könnten, und sagen, unter welchen Voraussetzungen dies geschehen könnte; denn nur auf diese Weise wird sich zeigen, ob und gegebenenfalls wieweit Gemeinsamkeit entstehen kann.
    Der Herr Kollege Wehner hat heute früh gesagt, es sei doch sinnlos, Anschuldigungen vorzubringen. Herr Kollege Wehner, mir liegt nichts ferner, als Anschuldigungen vorzubringen. Sie haben recht, wenn Sie sich gegen Anschuldigungen wehren. Aber wehren Sie sich bitte nicht dagegen, daß durch die Besprechung dieser Frage der Versuch gemacht wird, mit der Vergangenheit insoweit aufzuräumen, als es nötig ist, um Ihren Wunsch, jenen der Gemeinsamkeit, zu erfüllen.
    Es ist doch so, daß Sie unsere Bündnispolitik bisher verneinten. Ihre Sprecher sagen heute auch Herr Wehner hat das gesagt —, eine sozialdemokratische Regierung würde zu den geschlossenen Verträgen stehen. Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit. In einem Rechtsstaat ist jegliche Regierung an jeglichen Vertrag gebunden, den das Parlament einmal bestätigt hat. Ich gebe zu: vielleicht hat Herr Wehner heute mehr gesagt als dies. Wir wollen das aber klarer, deutlicher, präziser und vor allem konkreter wissen. Deshalb fragen wir Sie heute, ob Sie sich nunmehr in der Lage sehen, diesem Bündnis ohne jene Vorbehalte zuzustimmen, die Sie bisher gehindert haben, ihm ohne Wenn und Aber zuzustimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist doch einfach richtig, daß Sie von unserer Politik durch all die Jahre sagten und zum Teil noch immer sagen, sie schade der deutschen Sache, weil se einseitige Westpolitik gewesen sei. Es ist doch gleichfalls richtig, daß Sie unserer Politik den Vorwurf machten, sie erhöhe die Gefahr des militärischen Konflikts. Es ist weiter nicht zu bestreiten, daß Sie unsere Politik eine Politik der Stärke nannten, die in aller Kläglichkeit gescheitert sei.
    Insoweit ist der Deutschlandplan also nicht, wie Sie gesagt haben, aus der Situation des Frühjahrs 1959 zu verstehen. Er ist, wie ich glaube, der Ausdruck eines Wunsches, den Sie jahrelang gehegt hatten, nämlich jenen dritten Weg zu finden und zu gehen, von dem ich vorhin sprach. Denn das Endziel dieses Plans ist doch, die Bundesrepublik aus ihrer westlichen Allianz zu lösen und ihre Sicherheit einem kollektiven Sicherheitssystem zu unterstellen, zu dem der Ostblock auch geladen ist.
    Sie kennen unsere Überzeugung, daß unsere Bündnispolitik den nationalen deutschen Zielen in keiner Weise schadet. Für uns ist diese Politik geradezu das Fundament, um jene Wünsche wirk-



    Freiherr zu Guttenberg
    sam zu vertreten. Ich brauche unsere Argumente hier auf diesem Felde nicht zu wiederholen; sie sind aller Welt bekannt. Es geht mir hier nur darum, in aller Offenheit zu sagen, daß es in diesem Punkte zwischen uns und dem, was Sie bisher gesagt haben, keine mittlere Linie gibt. Meine Frage ist die: dürfen wir aus dem, was Herr Wehner heute, sagen wir, umschrieb, entnehmen, daß Sie nun in diesem Punkte auf unserer Linie sind?
    Wir halten die entschlossene und endgültige Hinwendung der deutschen Politik zur freien Welt des Westens für unverzichtbar, für unersetzlich und für unwiderruflich.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben diese Hinwendung Deutschlands zum Westen als einseitig, als schädlich, ja selbst als verhängnisvoll bezeichnet. Ich gestehe, daß ich zwischen diesen Adjektiven keine Möglichkeit des Brückenschlages sehe. Denn der Streit ging nicht um periphere, sondern um die Kernfragen der deutschen Politik.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Wenn Sie bisher das Bündnis für verhängnisvoll und schädlich hielten, dann war es Ihre Pflicht, nach einem Weg zu suchen, um es zu verlassen. Unsere Frage ist, ob Sie in diesem Punkte Ihre Meinung heute um 180 Grad geändert haben. Denn es gibt, wie ich sagte, keinen Kompromiß.
    Wenn wir in diesem Bündnis das Rückgrat unserer freiheitlichen Existenz, den Eckstein unserer Sicherheit und damit unseren Beitrag für den Frieden sehen, dann ist es unsere Pflicht, zum weiteren Ausbau dieses Bündnisses beizutragen. Meine Frage ist erneut: haben Sie, Herr Wehner, heute sagen wollen, daß Sie nun auch genau das gleiche wollen? Die Wehrpflichtdebatte vor einigen Tagen hat nicht ganz diesen Eindruck erweckt.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wir sollten uns nicht selbst betrügen. Am Anfang dieser Sichtung des Bestandes steht also die Erkenntnis, daß wir bisher um mehr gestritten haben als etwa darum, ob diese oder jene Konferenz zu wünschen oder nicht zu wünschen war, ob diese oder jene Sowjetnote gemäßigt oder weniger gemäßigt war. Was uns bisher entzweit hat, war der Streit um den Leitgedanken unserer Politik. Deshalb wäre es allzu oberflächlich, wollte man erwarten, daß die so sehr gewünschte Einigkeit sich nur mit ein wenig Kompromißbereitschaft schaffen ließe. Wie sollte sich denn ein solcher Kompromiß nennen, wo ist denn die Mittellinie, auf der sich beide Seiten treffen können? Erwarten Sie doch nicht von uns, daß wir heute, nach Paris, uns weniger deutlich, weniger positiv und weniger konkret zu eben jenem Bündnis äußern, das doch der Gegenstand dieses Streites war. Erwarten Sie doch bitte nicht, daß wir uns dann damit zufrieden geben, wenn wir heute hören, auch die SPD stehe auf dem Boden dieser NATO, jener NATO, die nach Ihrer Meinung, Herr Kollege Erler — Sie haben diese Meinung vor vier Tagen ausgedrückt —,
    die deutsche Wiedervereinigung, also das Ziel, das wir doch alle haben, erschwert.
    Jemand hat einmal in der Vordebatte zu dieser Debatte gesagt: jene Seite dieses Hauses, die der anderen Bedingungen stelle, sich vermesse, das zu tun, zerstöre jede Aussicht auf Gemeinsamkeit. Nun, niemand denkt daran, solche Bedingungen zu nennen. Aber niemand sollte auch den Anlaß zu unserer heutigen Debatte übersehen. In Paris ist mit der Gipfelkonferenz auch der Sowjetanschlag auf Berlin gescheitert, — an eben jenem Bündnis gescheitert, um dessen Aufbau in unserem Lande wir uns mühten, während Sie sich doch dagegen stellten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Daher unsere Frage an die SPD: ist das nun vorbei, daß Sie sich gegen dieses Bündnis stellen, ist das ein für allemal vorbei?
    Am 24. Mai hat Herr Ollenhauer gesagt, die Bundesregierung werde der Notwendigkeit einer Überprüfung ihrer Außenpolitik nicht entgehen. Meine verehrten Damen und Herren, was uns anlangt, so glauben wir, daß Chruschtschow selbst uns diese Prüfung abgenommen hat. Unsere Politik hat sich in Paris in ihrer bisher härtesten Erprobung voll bewährt. Aber es besteht doch aller Anlaß, Herrn Ollenhauer nach den Ergebnissen der Überprüfung seiner eigenen Politik zu fragen.
    Wir fragen nun sehr präzise: Ist Herrn Wehners Rede so zu verstehen, daß die SPD die Einbeziehung unserer Bundesrepublik in die NATO nun nicht mehr als einseitige Westpolitik und daher nicht mehr als falsche Politik bezeichnet? Wollte Herr Wehner mit seinen Worten sagen, daß für ihn und seine Freunde der deutsche NATO-Beitrag also nicht mehr ein Hindernis für die Einheit aller Deutschen
    obwohl Herr Erler vor vier Tagen noch eben dieses sagte? Wollte Herr Wehner sagen, daß sich die SPD nun auch zum militärischen deutschen Beitrag in jener Weise äußern wird, die ein Bündnis eben einfach mit sich bringt, das von jedem Partner alle Leistungen fordert, die aufzubringen er imstande ist? In einer kurzen Formel lautet daher unsere Frage an die SPD, ob Sie sich heute in der Lage sehen, sich ohne Vorbehalt zum atlantischen Bündnis zu bekennen. Sagen Sie bitte ja oder sagen Sie nein, aber weichen Sie dieser Frage nicht aus!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Wehner hat heute morgen erklärt, solche Fragen, wie ich sie eben stellte, könnten Zweifel im befreundeten Ausland wecken. Erlauben Sie mir, Herr Kollege Wehner, zu antworten, daß diese Zweifel nicht geweckt werden können, deshalb nämlich nicht, weil sie schon bestehen.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Ihr Bemühen sollte daher sein, meine Fragen mit klaren Antworten zu versehen. Das scheint mir die beste Möglichkeit zu- sein, eben das zu vermeiden, was Herr Wehner befürchtet, nämlich Zweifel im westlichen Ausland.
    Meine Damen und Herren, wer sich zu diesem Bündnis bekennt, der muß sich auch zu seinen Konsequenzen bekennen. Ich muß erneut auf den



    Freiherr zu Guttenberg
    Deutschlandplan verweisen, der vor 15 Monaten Ihre offizielle Linie war, dann zum Teil als nicht mehr aktuell bezeichnet und heute in Bausch und Bogen als vergangen erklärt wurde, ohne daß jedoch Gründe für diesen Meinungswechsel angegeben wurden. Auch dieser Plan fordert die Bildung einer Entspannungszone, also die Schaffung eines militärisch verdünnten Gebiets in Mitteleuropa. Ich sage, auch im Deutschlandplan finden sich diese Gedanken, weil doch Ihr ganzes Denken seit Jahren um ein Disengagement kreist und weil Ihre Sprecher noch vor einigen Tagen Ähnliches vorgetragen haben. So hat Herr Kollege Erler am 30. Mai gesagt, er hoffe, die Bundesregierung werde nicht weiter versuchen, Entspannungszonen in Europa zu verhindern.
    Ich will hier nicht im einzelnen zu diesen Plänen Stellung nehmen. Wir haben das oft genug getan. Im heutigen Zusammenhang interessiert nicht das Detail, wohl aber interessiert die Haltung, die zu einem solchen Disengagementdenken führt. Denn wie sich solche Pläne auch im einzelnen unterscheiden mögen, ihre Quintessenzen variieren nicht. Es dreht sich immer um die alliierten Truppen in der Bundesrepublik und um die Stärke und Bewaffnung unserer Bundeswehr. Was immer jene Pläne für den Abzug dieser alliierten Truppen und für die Reduzierung unserer eigenen Sicherheit von der Sowjetunion erwarten — die Bilanz ist stets die gleiche: In Westeuropa träfe die Verschiebung das Mark der NATO selbst, im Osten bliebe jene Macht unangetastet, die sich brüstet, die stärkste Macht der Welt zu sein. Wenn daher dieses Auseinanderrücken eines jener Elemente Ihres Plans noch immer ist, den Sie vielleicht auch heute noch zu den aktuellen zählen, dann bleibt mir nur zu sagen, daß wir uns nicht dazu verstehen können, irgendeinen Schritt zu tun, der unser Bündnis schwächt und damit unsere Sicherheit vermindert, solange Moskau unverändert seinen expansiven Zielen nachstrebt und sich nicht herbeiläßt, mit seiner eigenen Streitmacht einer kontrollierten Reduzierung beider Seiten beizutreten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie haben selbst erklärt — ich zitiere einen Ihrer prominenten Sprecher —, daß die „Sowjetunion in Europa weiter vorzudringen wünscht". Wir haben nie verstanden und wir verstehen es heute nach dem Scheitern der Pariser Konferenz noch weniger, wie man diese Erkenntnis mit einer Politik verbinden kann, die unterstellt, die Sowjetunion habe das dringende Bedürfnis, sich zurückzuziehen. Wenn die Sowjetunion vorzudringen wünscht, wird sie einem solchen Auseinanderrücken, also einem Truppenrückzug, entweder gar nicht oder nur unter solchen Bedingungen zustimmen, die ihr spätere Chancen einer neuerlichen Expansion eröffnen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich frage also: wozu diese Pläne, die unsere Ziele nicht fördern, die aber wohl sehr geeignet sind, die Vermutung wachzuhalten, die Deutschen suchten nach jenem dritten Weg, um ihre eigenen Lasten zu verringern, um dem lästigen Bündnis nächstens
    zu entrinnen und um dem Westen eines Tages Lebewohl zu sagen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich weiß, meine Damen und Herren, daß in den letzten Wochen manche Ihrer Sprecher großen Wert darauf gelegt haben, uns klarzumachen, daß Sie nie den Austritt unserer Bundesrepublik aus der atlantischen Allianz gefordert hätten, und Herr Wehner hat ein gleiches heute hier gesagt. Er hat aber hinzugesetzt — auch das haben wir in den letzten Wochen in der Vordebatte oft gehört —, daß die SPD noch immer der Meinung sei, daß man ein wiedervereinigtes Deutschland als Ganzes in der NATO niemals erwarten könne. Ich gestehe, daß diese Argumente meine Bedenken nicht zerstreuen; denn wir haben nie geglaubt, daß die Oppositionspartei etwa wünschte, die Verträge morgen aufzuheben. Der Gegensatz zu unseren Auffassungen besteht vielmehr darin — und wir fragen, ob er auch heute noch besteht —, daß Sie uns im Parlament und auch im Lande tausendfach den Beweis dafür geliefert haben und ihn bis in die letzten Tage hinein noch weiter liefern, daß Sie sich bisher zu keiner Zeit in diesem Bündnis wohl und zu Hause fühlten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Weiterhin muß ich sagen, daß ich auch noch nie die Logik des Gedankengangs verstanden habe, daß die Bundesrepublik zwar des NATO-Schutzes voll bedürfe, nicht aber ein gesamtes Deutschland, wenn es vor den Füßen der gleichen Sowjetunion läge, die wir heute kennen. Einer anderen Sowjetunion als dieser können wir jedoch aus dem simplen Grund keine Vorschläge machen, weil es sie nicht gibt. Es ist deshalb einfach richtig, für das ganze Deutschland so lange auf der Freiheit zu bestehen, sich der NATO anzuschließen, als Moskaus aggressive Politik eine solche NATO nötig macht. Selbstverständlich muß man mit dieser Forderung die Einsicht verbinden — und sie in klare Formen gießen —, daß durch ein geeintes Deutschland in der NATO das Gleichgewicht der Kräfte in Europa nicht verschoben werden darf. Aber dieser Einsicht hat der Westen immer wieder und zuletzt im Genfer Friedensplan allen Raum gewährt.
    Meine Damen und Herren, ich wiederhole meinen Satz: Wer das Bündnis will, muß auch die Konsequenzen wollen. Dieses Bündnis hat nur eine Absicht, nämlich Moskaus weitere Expansion zu hindern. Wir glauben nicht, daß uns Polen oder Ungarn oder die Tschechei oder gar die Zone aus eigenem Willen bedrohen könnte. Wir halten deshalb Ihre Ansicht für verfehlt, daß man den deutschen Beitrag zur westlichen Verteidigung mit diesen Ländern in Vergleich zu setzen habe,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    eine These, die Herr Kollege Helmut Schmidt noch
    vor kurzem in einer langen Rede hier vertreten hat.
    Die Deutschen haben, wie wir glauben, ihren Teil zu leisten, um Westeuropa in den Stand zu setzen, sich der einzig wirklichen Bedrohung zu erwehren, die es geben könnte: einer sowjetischen, nicht einer lokalen, peripheren Aggression. Wir haben Dutzend



    Freiherr zu Guttenberg
    Male hier gesagt, daß für uns auf diesem Gebiet nur eine Überlegung gilt, nämlich die, wie man eine solche Aggression und damit doch den Krieg verhindern und nicht, wie man ihn gewinnen kann.
    Wir haben dann gesagt, daß es nach unserer Meinung nur eine Chance gibt, die Sowjetunion, die doch nach Ihren eigenen Worten ,,vorzudringen wünscht", von dieser Absicht abzuhalten, indem man ihr ein Risiko entgegenhält, das groß und glaubwürdig genug ist, um sie von jedem Abenteuer abzuschrecken.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Die Opposition bestreitet also nicht, daß es die Sowjetunion ist, die uns bedroht, und wir haben heute wieder von Herrn Wehner das Ja zur Landesverteidigung gehört. Sie treten also dafür ein, daß aus jungen Männern unseres Volkes Soldaten werden, die im Ernstfall unser Land gegen einen Angriff verteidigen sollen, den niemand anders wirklich führen könnte als die Sowjettruppen selbst. Trotzdem lehnen Sie es -- bis heute jedenfalls —ab, daß unsere eigenen Soldaten, die doch unter Ihrer und unserer Obhut stehen, mit den gleichen Waffen ausgestattet werden, die der potentielle Gegner auf dem Gefechtsfeld hätte.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Jeder Fachmann weiß, daß es heute außer atomaren Abwehrwaffen keine Möglichkeit mehr gibt, Städte gegen Luftangriffe zu verteidigen. Zur Landesverteidigung gehört doch sicher auch nach Ihrer Meinung der Schutz der Städte. Die Frage, die wir zu stellen haben, ist die: Warum stellen Sie sich dagegen, daß die Verteidiger unserer Städte die einzigen Waffen haben sollen, die sie befähigten, im Ernstfall ein Flugzeug auch zu treffen?
    Sie sagen uns, für die Sicherheit der freien Welt genüge es, daß das atomare Potential ausschließlich bei den Truppen der USA verbleibe. Sie übersehen dabei, wie ich fürchte, zweierlei: erstens, daß nach dieser These Europas Sicherheit in Wirklichkeit allein auf der Drohung mit jenem großen atomaren Gegenschlag beruht, von dem Sie selbst im ganzen Lande sagten, daß er nicht Sicherheit, sondern Zerstörung bringe; zweitens, daß nach Ihrer Theorie der Schild der NATO in Europa nur noch eine Farce sei. Wenn dieser Schild seine Funktion erfüllen, d. h. also die Abschreckung komplettieren, ein Unterlaufen durch die Rote Armee und damit die Schaffung eines Fait accompli unter dem Schirm des großen atomaren Patt verhindern soll, muß er insgesamt und nicht nur sein amerikanischer Teil mit den gleichen Waffen ausgestattet sein, die die Rote Armee für das Gefechtsfeld besitzt.
    Meine Damen und Herren, wer dieses Bündnis will, der darf nicht fordern, daß unsere Soldaten schlechter als ihre möglichen Gegner und schlechter als ihre Partner im Bündnis bewaffnet sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir fragen deshalb, ob Sie (zur SPD) noch immer glauben, zur Landesverteidigung zwar ja, zu diesen Konsequenzen aber nein sagen zu können. Herr Kollege Wehner hat auf diese Frage heute früh
    keine Antwort gegeben. Blieben Sie nämlich hei jener Haltung, die wir aus der Kampagne kennen, die Sie führten, müßten Sie sich sagen lassen, daß Sie damit in einem zentralen Punkte des gemeinsamen westlichen Verteidigungskonzepts nicht Gemeinsamkeit, sondern weiter Alternativen suchen.
    Eine weitere Sache! Unbestreitbar ist eines der wesentlichen Elemente Ihres Deutschlandplans der Vorschlag, die „nationale Prozedur der Wiedervereinigung" in Gang zu setzen, — deshalb die nationale Prozedur, weil die „internationale Prozedur" versagt habe. Ich betone, daß diese Worte aus der Terminologie eines Ihrer prominenten Sprecher stammen. Denn Sie erklären doch, daß kein wesentlicher Unterschied zwischen Ihrem Deutschlandplan und den im Genfer Friedensplan des Westens enthaltenen Gedanken bestehe. Jedenfalls hat Herr Wehner heute vormittag etwas Ähnliches gesagt.
    Meine Damen und Herren, in diesem Punkte liegt die essentielle Differenz zwischen jenen beiden Plänen: im Genfer Friedensplan bleibt die internationale Prozedur der Wiedervereinigung und mit ihr die Verantwortung der Siegermächte für die Einheit Deutschlands voll erhalten; hingegen haben Sie in Ihrem Plan — und ich zitiere Carlo Schmid — „mit der nationalen Prozedur" die Lösung dieser Frage an Bonn und Pankow überwiesen. Nach dem Genfer Friedensplan sollten ostzonale Delegierte nur mit der Funktion betraut sein, durch die Mitarbeit an einem Wahlgesetz die vorher von den Sowjets zugestandene Wiederaufrichtung der Freiheit in der Zone sozusagen in Moskaus Auftrag durchzuführen. Die Vier-Mächte-Verantwortung für Deutschland blieb in diesem Plan voll erhalten.
    Der Inhalt Ihres Plans war aber das genaue Gegenteil. Wenn Sie heute sagen, daß dieser Plan nicht mehr auf dem Tisch liegt, dann genügt uns das nicht, dann haben wir die Frage zu stellen, ob die nationale Prozedur, von der vor einem Jahr die Rede war, von Ihnen eines Tages wieder auf den Verhandlungstisch gelegt werden könnte. Denn, meine Damen und Herren, Ihr Plan spricht zwar von einer Rahmenregelung der deutschen Frage, aber er füllt diesen Rahmen gleichzeitig mit detaillierten Einzelregelungen aus, deren Substanz eben diese nationale Prozedur ist, von der Sie an anderer Stelle sagten, sie sei das „innerdeutsche Handgemenge", das, um die Wiedervereinigung zu erreichen, eben nötig ist. Eine andere Interpretation als diese „nationale Prozedur" ist auch gar nicht möglich, weil in diesem Plan — ich zitiere nur, was dort zu lesen ist — die „Annäherung beider Teile Deutschlands", die „schrittweise Zusammenführung", die „volkswirtschaftliche" und „sozialpolitische Anpassung" in die Hand „paritätischer Institutionen" gelegt werden.
    Meine Damen und Herren, Sie haben damals mit diesem Vorschlag den Graben zwischen uns vertieft; denn Sie wußten doch genau, daß die SED, daß Herr Ulbricht für uns niemals als „staatlicher Kontrahent", wie Sie es formulierten, akzeptabel wäre. Wir haben doch seit eh und jeh mit aller Deutlichkeit gesagt, daß wir niemals einen Weg beschreiten würden, der den ostzonalen Quisling-Staat und unser freies Deutschland als Partner glei-



    Freiherr zu Guttenberg
    chen Rechts erscheinen ließe. Nach unserer Meinung steht in der Hierarchie der Werte die Freiheit vor der Einheit. Deshalb müssen wir, um zur Einheit unseres Landes zu gelangen, zunächst die Freiheit für die Zone fordern.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Freiheit für die Zone fordern aber heißt das Ende von Ulbrichts Satrapie verlangen. Diese Überlegung war und ist für uns der Ausgangspunkt der Deutschlandpolitik der CDU.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Weil wir auf diese Fragen noch immer ohne Antwort sind, fragen wir erneut: Hält es die SPD immer noch für möglich, die Einheit Deutschlands auf dem Wege der paritätischen Verhandlung zwischen Bonn und Pankow zu erreichen? Unter welchen Voraussetzungen würde die SPD heute auf den Deutschlandplan und dieses Element in ihm zurückkommen? Unter welchen Voraussetzungen würde uns die SPD wiederum den Versuch zu einer „nationalen Prozedur" vorschlagen? Und unter welchen Voraussetzungen müßten wir damit rechnen, daß wir wieder einmal eine sozialdemokratische Politik vor uns sehen würden, in deren Terminologie — ich zitiere — Pankow als „Regierung", die SED als „staatlicher Kontrahent" und die Zone als „Deutsche Demokratische Republik" erscheinen? Mit anderen Worten, es geht uns darum, sicher zu sein, daß in diesem Hause keiner mehr vorschlägt, die deutsche Einheit mit jenen auszuhandeln, die die deutsche Freiheit täglich mit Füßen treten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Auf diese Frage hat Herr Wehner heute noch keine Antwort gegeben. Aber wir müssen sie stellen; denn sie betrifft eine mögliche Tendenz, die wir vor einem Jahr gesehen haben, eine Tendenz, der ich vor vier Wochen erneut begegnet bin, als ein prominenter Sprecher der SPD, Herr Thomas von Ihrem Ostbüro, meiner These vom Vorrang der Freiheit vor der Einheit seine These gegenüberstellte: die Einheit und also nicht die Freiheit sei das „zentrale Anliegen unserer Nation."

    (Hört! Hört! in der Mitte. — Widerspruch bei der SPD.)

    — Herr Mommer, ich bedaure, daß das stimmt. — Wieder einmal stand ich hier vor dem Phänomen jenes dritten Weges, den die SPD für Deutschland zwischen Ost und West zu ,gehen sucht. Sagen Sie uns deshalb bitte, was Sie heute von diesen Dingen, von gemeinsamen Organen zur Zusammenführung beider Teile Deutschlands, von der sozialpolitischen Anpassung, von einem paritätischen gesamtdeutschen Parlament und von einem gesamtdeutschen Gericht, auf ebensolche paritätische Weise zusammengesetzt, halten.
    Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, vergessen Sie bei dieser Antwort bitte nicht, uns gegebenenfalls die Gründe anzugeben, die Sie heute zu einer anderen Haltung bringen. Denn — und, meine Damen und Herren, bitte nehmen Sie uns das ab — es ist unsere Sorge, unsere ehrliche und tiefe Sorge, die allein mich veranlaßt, Sie
    heute mit Ihrem eigenen Plan erneut zu konfrontieren. Ohne die offene Darlegung dieser Gründe bliebe bei uns und bliebe bei vielen anderen die berechtigte Vermutung bestehen, daß während einer nächsten weltpolitischen Krise Ihr Beitrag erneut aus einem solchen Deutschlandplan bestehen könnte. Denn auch vom letzten haben Sie gesagt, daß er der Ausweg aus der Krise sei.
    Ich habe schon gesagt, wir haben trotz allem Streit nie die Hoffnung aufgegeben, _daß sich eines Tages doch die Einigkeit in wesentlichen Fragen herausbilden könne. Ob dieser Tag heute angebrochen ist, das wird sich, wie ich glaube, vor allem auch an Ihrer Antwort — wenn Sie bereit sind, sie zu ,geben — auf die Frage nach dem letzten Fundament der deutschen Politik zeigen, eine Frage, die der Herr Bundesaußenminister heute vormittag bereits gestellt hat.
    Meine Damen und Herren, nach unserer Überzeugung ist die Bundesrepublik nicht etwa nur e i n freies Deutschland. Sie ist d a s freie Deutschland, das einzige, das existiert.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Frage, die ich stellen möchte, heißt, ob Sie, meine Damen und Herren, unseren Staat im gleichen Maß und mit dergleichen Zuneigung bejahen, wie wir selbst das tun. Wir sind der Meinung, daß zwar die Grenzen, neben diesen aber nichts an unserem Staate provisorisch sind. Denn wir sind zuinnerst überzeugt, daß die Ordnung dieses Staates alle Freiheit möglich macht, die wir für unser Vaterland verlangen. Zu dieser Ordnung hat jedoch Herr Wehner in Heilbronn gesagt, daß die Auffassung der SPD von ihr eine ,andere sei als die der CDU.
    Wir glauben also, daß wir in unserer Bundesrepublik das Deutschland sehen dürfen, das den Deutschen jenes Recht zurückgibt, das wir in der Zeit der braunen Schande damals selbst am 'schmerzlichsten vermißten, nämlich stolz zu sein auf unser Land,

    (Beifal bei ,der CDU/CSU.)

    Auch für uns steht selbstverständlich die Sorge um die Überwindung .der Spaltung unserer Nation im Zentrum unserer Politik. Aber — und das ist der Kern der Frage, die ich stelle — wenn wir nach dem ganzen Deutschland rufen und uns um sein Zustandekommen bemühen, dann soll dieses ganze Deutschland aus dem gleichen Stoff geformt, auf dem gleichen Fundament errichtet, und dem gleichen Geist gebildet sein und auf der gleichen Ordnung ruhen, die unserer Bundesrepublik das Recht verleihen, sich als Deutschland zu bezeichnen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben das in all den Jahren hinter uns mit etwas anderen Augen angesehen. Wenn Sie von der Wiedervereinigung sprachen, dann schwebte Ihnen doch ein Deutschland vor, das sich von der sogenannten DDR und von der Bundesrepublik unterscheiden sollte. Sie haben unseren Staat auch deshalb in die Kategorie des Provisorischen gestellt, weil er Ih-



    Freiherr zu Guttenberg
    rem Bild eines freien Deutschlands nicht entsprach, und Sie haben sich deshalb noch nicht — jedenfalls bisher noch nicht — dazu verstanden, Ihren Frieden mit der Ordnung dieser Bundesrepublik und damit doch mit diesem Staat zu machen. Sie haben ihn statt dessen als „Adenauer-Staat" und als „Bonner Staat" bezeichnet. Mir scheint, in diesem Punkte lag der tiefste und der selten ausgesprochene Grund des Streites zwischen uns und Ihnen. Uns geht es um die Selbstbestimmung für die Provinzen unseres Landes, die eine fremde Macht uns vorenthält. Sie, meine Damen und Herren — und das haben Sie doch selbst gesagt —, sahen in der deutschen Einheit auch ein Mittel, den sogenannten Bonner Staat zu überwinden und auf diese Weise jenen dritten Weg zu gehen, auf den 'die Linie Ihrer ganzen Politik verweist.
    Aus diesem Grunde kann ich den Worten des Herrn Wehner nicht folgen, der heute morgen sagte, diese Fragen seien sinnlos. Denn es wäre eine Illusion, zu glauben, daß Gemeinsamkeit entstehen und verbleiben könnte, wenn in dieser Frage keine Klarheit herrschte, wenn wir uns einfach entschließen wollten, zehn kontroverse Jahre zu verschweigen, wenn wir glauben sollten, daß es in Zukunft möglich werde, gemeinsam deutsche Politik zu formulieren und zu führen, ohne über den Gegenstand dieser Politik 'einig zu sein, nämlich über Deutschland selbst.
    An diese Frage schließt sich eine letzte Überlegung an. In allen alten funktionierenden Demokratien der Erde gibt es eine Diskussion des Parlaments um die Außenpolitik. Sie mag hier schärfer und dort weniger scharf geführt werden; aber sie gehört ganz einfach zur funktionierenden Demokratie. Eine solche Diskussion ist nützlich, wenn und soweit sie in den Grenzen bleibt, die das nationale Interesse setzt. Denn dieses Interesse fordert, einen Unterschied zu machen zwischen dem Bereich, in dem geredet, und dem Bereich, in dem gehandelt wird. In anderen Worten: Nationale Einigkeit bedeutet niemals Verzicht auf die Verhandlung eines Parlaments um das, was morgen sich vollziehen soll. Vielmehr, glaube ich, ist es eins der ungeschriebenen Gesetze einer 'demokratischen Gesellschaft, daß die berufene Regierung bei der Vertretung ihrer Politik nach außen auf die Unterstützung aller Kräfte zählen kann.
    In unserem Lande war es bisher um diese nationale Einigkeit nur allzu schlecht bestellt. Es entbehrt vielleicht auch nicht — gestatten Sie mir, das zu sagen — einer gewissen Ironie, daß eben jene heute um Gemeinsamkeit sich sorgen, die in der Vergangenheit nicht zögerten, der berufenen Regierung bei der Vertretung ihrer Politik gegenüber anderen Mächten in den Arm zu fallen,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    indem sie sie verdächtigten, daß sie in Wahrheit das Gegenteil dessen wolle, was sie vertrat. Denn es ist doch ganz einfach wahr, daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, von der Regierung Adenauer sagten, sie sei statt an der Einheit unseres Landes an seiner fortgesetzten Spaltung interessiert.
    Und es ist doch gleichfalls wahr, daß sie unsere Regierung des deutsch-nationalen Größenwahns bezichtigten — die gleiche Regierung, die sich im gleichen Moment mühen mußte, im Ausland um Vertrauen und Hilfe zu werben.

    (Sehr wahr! und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ihr Denken war doch bisher davon beherrscht, daß Ulbricht und der Bundeskanzler Adenauer, gewiß aus anderen Motiven, aber in der Sache doch der deutschen Wiedervereinigung im Wege stünden. Sie haben zwar als Opposition — niemand bestreitet das — das originäre Recht, die Regierung abzulehnen und nach ihrem Sturz zu trachten. Mit einem Satze aber — das muß ich sagen —, der den deutschen, frei gewählten Bundeskanzler in einem Atemzuge mit dem Quisling Ulbricht nennt, haben Sie ein Feld betreten, das keine Opposition jemals betreten sollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dieser deutsche Bundeskanzler ist nach unserem Grundgesetz und nach dem Willen einer Mehrheit unseres Volkes der erste Bevollmächtigte der deutschen Politik. Meine Damen und Herren, er wäre deshalb auch der Vollstrecker jener Politik, die Sie nach Ihrem Wunsch mit uns gemeinsam führen wollen. Ich zweifle keinen Augenblick daran, daß dieser Wunsch nach nationaler Einigkeit aus der ernsten Sorge stammt, die Sie um unsere deutsche Zukunft hegen. Aus dieser Sorge haben Sie an uns appelliert, zu einer gemeinsamen Bestandsaufnahme zusammenzutreten. Gestatten Sie mir aber, zu sagen, daß mir wichtiger, wirksamer und einfacher als diese Bemühungen um eine gemeinsame Bestandsaufnahme eine Erklärung der Opposition erschiene des Inhalts, daß sie die Arbeit des deutschen Bundeskanzlers für Freiheit, Frieden und Einigkeit würdigt, achtet und schätzt.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie sollten nämlich nicht länger übersehen, daß um diesen Mann und um seinen Namen — das ist doch einfach unbestreitbar wahr, meine Damen und Herren,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    ganz einfach unbestreitbar wahr — das Urteil sich gebildet hat, das die Welt heute über Deutschland hat. Für den Westen ist er das Symbol des neuen freien Deutschland und für den Osten der meistgehaßte Gegner. Überlegen Sie sich bitte, welcher Seite Sie bisher in dieser Sache Ihre Hilfe gegeben haben.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)