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    Deutscher Bundestag 119. Sitzung Bonn, den 23. Juni 1960 Inhalt: Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. deutsche Kulturarbeit im Ausland (Drucksache 1555) Kühn (Köln) (SPD) . . . 6869 B, 6894 C Dr. von Brentano, Bundesminister . 6878 B Dr. Martin (CDU/CSU) . . . . . 6885 D von Mühlen (FDP) 6891 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksache 1423); Erster Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache 1893) — Zweite Beratung —; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Paßgesetzes, des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes und zur Aufhebung des Gesetzes über die Meldepflicht der deutschen Staatsangehörigen im Ausland (Drucksache 1423); Zweiter Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache 1894) — Zweite Beratung — Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . . 6869 B, 6898 B, 6899 B, 6904 B Merten (SPD) . . 6897 A, 6897 D, 6898 D, 6899 D, 6900 C, 6902 D, 6906 A, 6908 B, Strauß, Bundesminister . 6897 B, 6900 A, 6901 B, 6907 A, 6909 A, 6911 B Dr. Jaeger (CDU/CSU) . . 6903 B, 6914 B Dr. Dr. Heinemann (SPD) . 6904 A, 6905 B Dr. Schäfer (SPD) . . . . 6910 B, 6913 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 6911 A Rasner (CDU/CSU) 6915 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes (Drucksache 1898) — Erste Beratung — . . . 6915 D Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Polizeivollzugsbeamten des Bundes (Bundespolizeibeamtengesetz — BPolBG) (Drucksache 1425) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache 1840 [neu]) — Zweite und dritte Beratung —Kramel (CDU/CSU) 6915 D Dr. Schäfer (SPD) 6916 A Nächste Sitzung 6916 D Anlagen 6917 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1960 6869 119. Sitzung Bonn, den 23. Juni 1950 Stenographischer Bericht Beginn: 15.06 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 119. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1960 6917 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 24. 6. Altmaier* 25. 6. Bauer (Würzburg)* 25. 6. Dr. Becker (Hersfeld) 2. 7. Frau Beyer (Frankfurt) 23. 6. Fürst von Bismarck* 25. 6. Dr. Brecht 24. 6. Brüns 2. 7. Corterier* 25. 6. Dr. Dahlgrün 23. 6. Demmelmeier 24. 6. Frau Döhring (Stuttgart) 24. 6. Döring (Düsseldorf) 2. 7. Dowidat 24. 6. Dröscher 2. 7. Eilers (Oldenburg) 24. 6. Frau Engländer 2. 7. Etzenbach 24. 6. Even (Köln) 23. 6. Gehring 24. 6. Geiger (Aalen) 24. 6. Gerns* 25. 6. Dr. Greve 2. 7. Günther 24. 6. Häussler 23. 6. Heiland 24. 6. Heye* 25. 6. Höfler* 25. 6. Horn 24. 6. Frau Dr. Hubert* 25. 6. Jacobi 24. 6. Jacobs* 25. 6. Jahn (Frankfurt) 2. 7. Dr. Kempfler 29. 6. Frau Klemmert 2. 7. Koenen (Lippstadt) 24. 6. Köhler 2. 7. Dr. Kreyssig* 2. 7. Kiihn (Bonn) 23. 6. Kühn (Köln)* 25. 6. Lücker (München)* 2. 7. Maier (Freiburg) 2. 7. Dr. Meyer (Frankfurt) 24. 6. Mischnick 23. 6. Paul* 25. 6. Pelster 26. 6. Frau Pitz-Savelsberg 23. 6. Rasch 25. 6. Frau Dr. Rehling* 25. 6. Frau Renger* 25. 6. Dr. Rüdel (Kiel) 26. 6. Ruhnke 26. 6. Sander 2. 7. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Schmidt (Gellersen) 24. 6. Schneider (Hamburg) 24. 6. Dr. Schneider (Saarbrücken) 23. 6. Schoettle 24. 6. Schröder (Osterode) 24. 6. Schüttler 23. 6. Schütz (München)* 25. 6. Seidl (Dorfeis)* 25. 6. Dr. Serres* 25. 6. Dr. Siemer 25. 6. Stauch 23. 6. Striebeck 24. 6. Theil (Bremen) 25. 6. Frau Vietje 23. 6. Dr. Wahl* 25. 6. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 2. 7. Weinkamm* 2. 7. Frau Wessel 2. 7. Wittmer-Eigenbrodt 24. 6. Dr. Zimmer* 25. 6. Dr. Zimmermann 8. 7. b) Urlaubsanträge Bergmann* 2. 7. Berkhan* 2. 7. Birkelbach* 2. 7. Dr. Birrenbach* 2. 7. Dr. Burgbacher* 2. 7. Deringer* 2. 7. Engelbrecht-Greve* 2. 7. Dr. Dr. h. c. Friedensburg* 2. 7. Dr. Furler* 2. 7. Geiger (München)* 2. 7. Hahn* 2. 7. Illerhaus* 2. 7. Dr. Kopf* 2. 7. Lenz (Brühl) * 2. 7. Dr. Lindenberg* 2. 7. Margulies* 2. 7. Metzger*. 2. 7. Müller-Hermann* 2. 7. Odenthal* 2. 7. Dr. Philipp* 2. 7. Frau Dr. Probst* 2. 7. Richarts* 2. 7. Scheel* 2. 7. Dr. Schild* 2. 7. Schmidt (Hamburg)* 2. 7. Dr. Starke* 2. 7. Storch* 2. 7. Dr. Sträter* 2. 7. Frau Strobel* 2. 7. *) für die Teilnahme an der gemeinsamen Tagung des Europäischen Parlaments mit der Beratenden Versammlung des Europarates 6918 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. .Juni 1960 Anlage 2 Umdruck 668 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksachen 1423, 1893). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 1 1. Zu Nr. 4 § 6 Abs. 7 wird gestrichen. 2. Zu Nr. 4 Dem § 6 wird folgender neuer Absatz 8 angefügt: „ (8) Auf die Gesamtdauer der Wehrübungen wird der geleistete Kriegsdienst angerechnet." 3. Folgende Nr. 4 a wird eingefügt: ,4a. § 8 Abs. 2 erhält folgende neue Fassung: „ (2) Der Bundesminister für Verteidigung kann im Einzelfall Wehrdienst, der in fremden Streitkräften vor dem 31. Dezember 1945 geleistet wurde, auf den Wehrdienst nach diesem Gesetz ganz oder zum Teil anrechnen. Der Bundesminister für Verteidigung soll Wehrdienst, der in fremden Streitkräften nach dem 31. Dezember 1945 geleistet wurde, auf den Wehrdienst nach diesem Gesetz anrechnen, wenn der Wehrdienst auf Grund gesetzlicher Vorschrift geleistet wurde oder wenn der Bundesminister für Verteidigung ihm vorher zugestimmt hatte." 4. Zu Nr. 8 In § 13 Abs. 2 wird im ersten Satz das Wort „Vorschlag" durch das Wort „Antrag" ersetzt. 5. Zu Nr. 9 § 13 a Abs. 2 erhält folgende Fassung: „(2) Durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates wird bestimmt, 1. welche Jahrgänge der Wehrpflichtigen für Dienstleistungen im zivilen Bevölkerungschutz vorgesehen sind und nicht zum Wehrdienst herangezogen werden, 2. aus welchen sonstigen Jahrgängen die Wehrpflichtigen für Dienstleistungen im zivilen Bevölkerungsschutz vorgesehen werden können, die wegen ihrer beruflichen Tätigkeit, ihres militärischen Ausbildungsstandes und ihrer Ausbildung oder geplanten Verwendung für diesen Dienst erforderlich sind." 6. Zu Nr. 14 § 21 a Abs. 5 wird ersatzlos gestrichen. 7. Zu Nr. 18 Der bisherige Wortlaut der Nr. 18 erhält die Bezeichnung Buchstabe a; folgender Buchstabe b wird angefügt: ,b) Dem § 26 wird folgender Absatz 8 angefügt: „(8) Zur unentgeltlichen Vertretung von Wehrpflichtigen vor den Prüfungsausschüssen und Kammern für Wehrdienstverweigerer oder einem Verwaltungsgericht sind auch zugelassen Beauftragte a) einer Vereinigung, die von einer Landesregierung für solche Betreuung von Wehrdienstverweigerern anerkannt ist oder b) einer Kirche oder anerkannten Religionsgemeinschaft." ' 8. Zu Nr. 31 In § 47 b Nr. 1 erhält Satz 2 folgende Fassung: „Die kreisfreien Städte oder der Landkreis sind vor der Entscheidung zu hören." 9. Zu Nr. 31 § 47 c wird ersatzlos gestrichen. Bonn, den 22. Juni 1960 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 670 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Merten, Schultz, Probst (Freiburg) und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksachen 1423, 1893) . Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 1 1. In Nr. 10 wird folgender Buchstabe vor a eingefügt: ,vor a) Absatz 2 wird folgender Satz 2 angefügt: „Die Erfassung kann, insbesondere bei Wehrpflichtigen kriegsgedienter Jahrgänge, auch durch schriftliche Befragung durchgeführt werden." 2. In Nr. 10 erhält Buchstabe b folgende Fassung: ,b) Nach Absatz 4 wird folgender Absatz 5 anfügt: „ (5) Die anläßlich der Erfassung entstehenden notwendigen Auslagen der Wehrpflichtigen tragen die Länder. Sie erstatten auch den Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 119. Sitzung. Borin, Donnerstag, den 23. Juni 1960 6919 durch die Erfassung entstehenden Verdienstausfall für diejenigen wehrpflichtigen Arbeitnehmer, die nicht unter das Arbeitsplatzschutzgesetz fallen." 3. Nach Nr. 12 wird folgende Nr. 12a eingefügt: ,12a. § 19 Abs. 8 wird folgender 'Satz angefügt: „Einem wehrpflichtigen Arbeitnehmer, der nicht unter das Arbeitsplatzschutzgesetz fällt, wird auch der durch die Musterung entstehende Verdienstausfall erstattet." 4. In Nr. 17 erhält Buchstabe c folgende Fassung: ,c) Absatz 4 Nr. 3 wird wie folgt ergänzt: „Dabei findet § 19 Abs. 8 Satz 2 und 3 entsprechend Anwendung." ' 5. In Nr. 23 erhält § 36 Abs. 2 Satz 2 folgende Fassung: „Sie unterliegen der Wehrüberwachung von der Prüfung ihrer Verfügbarkeit an." Bonn, den 23. Juni 1960 Dr. Jaeger Merten Schultz Probst (Freiburg) Frau Ackermann Balkenhol Bazille Berkhan Börner Draeger Eschmann Gerns Günther Heix Herold Josten Dr. Kliesing (Honnef) Kreitmeyer Kunst Lenze (Attendorn) Paul Pöhler Wienand
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Freiherr Klaus von Mühlen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben nun fast drei Stunden lang eingehend die Frage der deutschen Kulturpolitik im Ausland bis in die Einzelheiten besprochen und versucht, uns über die Probleme klarzuwerden. Ich möchte jetzt noch eine Frage aufgreifen, die mir wesentlich zu sein scheint. Herr Dr. Martin hat sie bereits kurz angeschnitten.
    Eine deutsche Kulturpolitik im Ausland steht zunächst einmal und vor allem vor den Fragen: Weshalb, wofür und wozu?
    Ich glaube nicht, daß es heute noch darum geht, dafür zu sorgen, daß in Buenos Aires Beethoven gespielt, in Kairo Brahms gehört oder irgendwoanders Goethe gelesen wird. Es geht auch nicht darum, danach zu trachten, daß sich alle Welt freut, wenn ein deutscher Dichter und Denker daherkommt. Diese Zeiten, da dies ein Hauptanliegen der Kulturpolitik im Ausland gewesen sein mag, sind vorbei.
    Es ist hier schon angeklungen, daß auch wir in den großen Gegensatz zwischen Ost und West eingeordnet sind, der heute auf allen Fronten, so auch auf dem Gebiet der Kultur und der kulturellen Auseinandersetzung ausgetragen wird und ausgetragen werden muß. Lassen Sie mich einmal zu dieser Frage auf Grund der Erfahrungen eines Mannes sprechen, der mehr als ein Jahrzehnt vor, während und auch nach dem Kriege draußen gelebt und gearbeitet hat, und zwar vorwiegend in den nahöstlichen Gebieten, wo schon vor dem letzten Kriege die Auseinandersetzung zwischen Ost und West begonnen hat und sehr fühlbar gewesen ist.
    Zunächst haben wir die. Lehre zu ziehen, daß jede kulturpolitische Arbeit im Ausland, ob wir wollen oder nicht, heute als Politikum wirkt. In den zwischen den Fronten stehenden Ländern ist das ganz besonders der Fall. Wir müssen uns zudem noch über ein Weiteres klarwerden, wenn wir die Positionen für die Schwerpunktbildung unserer kulturpolitischen Arbeit im Ausland abstecken wollen: Das, was die östliche Welt als Kulturpolitik proklamiert, ist etwas ganz anderes als das, was wir und die westlichen Völker unter Kulturpolitik im Ausland verstehen und verstanden wissen wollen. Für die Völker im kommunistischen Osten, an erster Stelle die Sowjetunion, spielt der Name „Kultura" eine große Rolle. Er wird gebraucht, plakatiert. Aber dieser Ruf nach „Kultura" ist nur ein Teil der großen, systematisch angelegten Propaganda mit dem Ziel der Verbreitung einer Ideologie und — im Zeichen dieser Ideologie — einer Ausdehnung der Macht der kommunistischen Welt, soweit es irgendwie geht. Das ist ganz klar und deutlich überall zu erkennen. Ich glaube, der Herr Kollege Martin hat nicht ganz recht, wenn er meint, daß dabei der Sowjetblock mit einer unerhörten Geschlossenheit vorgeht. Gerade in der Frage der kulturpolitischen Auslandsarbeit können wir seitens des kommunistischen Ostens eine unerhörte Differenzierung des Vorgehens feststellen, der wir ebenso differenziert begegnen müssen.
    Die erste Voraussetzung dafür ist, zu erkennen, wie der Gegner arbeitet. Er arbeitet der freien Welt gegenüber mit anderen Methoden als gegenüber den entwicklungsfähigen Nationen. Die sowjetische sogenannte Kulturpropaganda gegenüber den hochkultivierten, hochentwickelten und starken Staaten der westlichen Welt kennen wir alle. Sie ist letzten Endes darauf abgestellt, die bürgerliche Hoffähigkeit der Sowjetunion hervorzukehren, eine Koexistenzfähigkeit aufzuzeigen und damit für gewisse



    von Mühlen
    ganz klare politische Zielsetzungen den Boden bei diesen Mächten etwas aufzulockern.
    Bei den entwicklungsfähigen Ländern — ich habe gerade über diese Frage vor nicht allzu langer Zeit mit einem Mitglied des indischen Parlaments eine sehr interessante und instruktive Unterhaltung gehabt — in Südostasien und auch im mittleren Osten, die ihrerseits teilweise auf sehr alte Kulturen zurückblicken können, ist die sowjetische Kulturpropaganda wieder auf einen anderen Nenner gebracht. Man versucht dort zunächst einmal, das alte Kulturgut nicht anzurühren, ist aber bemüht, mit dem technischen Fortschritt, den auch die Sowjetunion in diesen Ländern einzuführen bemüht ist, gleichzeitig auch die Ideologie mit einzuschleusen. Die Methodik der Einführung von sowjetischen Instrukteuren bei dem Aufbau großer Werke usw. macht dies klar und jedem sichtbar.
    Bei der dritten Gruppe, den entwicklungsfähigen Völkern, die auf keine kulturelle Tradition zurückblicken können, geht die Sowjetunion und die von ihr gesteuerte kommunistische Kulturpropaganda wieder andere Wege. Auch dafür sind Beispiele gegeben, gleichzeitig mit der hereinkommenden technischen Zivilisation bei diesen noch primitiven Völkern den Eindruck zu vermitteln, daß diese technische Zivilisation praktisch gleichbedeutend ist mit der kommunistischen Ideologie. Vor diesem Phänomen stehen wir heute gerade in den afrikanischen Ländern. Aber wir finden es auch drüben in Südostasien.
    Es ist gar nicht akademisch, wenn ich Ihnen das heute sage. Diese Dinge muß man sich vergegenwärtigen und muß sie kennen. Dann erst läßt sich zu einer wirksamen Gegenarbeit ansetzen und die eigene kulturpolitische Arbeit, soll sie irgendeinen Sinn haben, entsprechend ausrichten und lassen sich nach Lage der Dinge Schwerpunkte bilden.
    Unsere Kulturpolitik im Ausland hat also ganz differenzierte Aufgaben zu bewältigen.
    Gegenüber den westlichen Partnern innerhalb der Westeuropäischen Union und der NATO, also den großen Kulturnationen der freien westlichen Welt, ist es in erster Linie unsere Aufgabe, durch Austausch, durch gegenseitige Beratung und durch gegenseitige Hilfe den Gedanken dafür wachzurufen und zu stärken, daß die westliche Welt gezwungen ist, in einer klaren, einheitlichen Haltung und in entsprechendem Handeln den sowjetischen Vorstoß auch auf diesem Gebiet gemeinsam aufzufangen.
    Unsere Aufgabe gegenüber der zweiten Kategorie von Staaten, denjenigen also, die selbst auf ein altes Kulturgut zurückblicken und jetzt den Sprung über zwei Jahrhunderte hinweg in die technische Zivilisation von heute machen, ist eine doppelte. Es gilt einerseits, diesen Völkern die materielle Hilfe zu vermitteln, die sie zum Aufbau eines modernen Staates brauchen, andererseits aber daran mitzuarbeiten, daß ihr altes kulturelles Gut and die Grundlagen ihrer Ordnung nicht durch den technischen Fortschritt weggeschwemmt werden; eine Tendenz, die von den Sowjets in ihrer
    Propaganda geflissentlich gefördert wird, wie in vielen Ländern ganz deutlich sichtbar ist.
    Ich glaube — und ich habe in dieser Beziehung in vielen Jahren draußen Erfahrungen gesammelt —, wir tun sehr gut daran, die Rolle des Gebenden nicht allzusehr herauszustreichen. Wir sollten vielmehr bereit sein, gerade diesen Völkern gegenüber eine vergleichende Kulturpolitik zu betreiben, sie fühlen zu lassen, daß wir in ihnen Partner sehen, die auf alte Traditionen, auf große Kulturen zurückblicken und die sich in den kulturellen Leistungen absolut mit uns messen können. Die Aufgeschlossenheit, mit uns den Weg in die technisierte Zivilisation von heute zu gehen, wird dann sehr viel größer sein.
    Lassen Sie mich ein praktisches Beispiel anführen. Ich erinnere mich daran, daß in der Türkei es war noch vor dem Kriege — wichtige Bauten ,ausgeschrieben wurden. Eine ganze Reihe von Nationen bemühte sich um die Aufträge und die Beauftragung ihrer Architekten. Da kam ein deutscher Architekt, der sich verdient gemacht hat — es war der vor einigen Jahren verstorbene Professor Bonatz —, auf den Gedanken, eine Ausstellung aufzuziehen, in ;der er den Türken an Hand paralleler Schaubilder zeigte, was sie ihrerseits in dem vergangenen Jahrhunderten an kulturellen Leistungen hervorgebracht und der Welt geschenkt Infolge dieser kleinen menschlichen, ;anerkennenden Geste waren die Türken sofort besonders aufgeschlossen. Das hat schließlich dazu geführt, daß nicht nur die Aufträge Deutschland zugefallen sind, sondern daß Professor Bonatz Mentor .der Architektenschule in Istanbul geworden und dies über den Krieg und sein Ende hinaus geblieben ist. Er hat dort sehr feinfühlig gearbeitet. Wir ;dürfen nicht mit der Einstellung ankommen: Hoppla, jetzt komm ich! und, ich möchte sagen, so etwas als der Kulturprotz auftreten. Vielmehr sollten wir die Menschen draußen, um die es uns geht, vorsichtig ansprechen. Professor Bonatz wurde damals die Leitung ;der Abteilung Architektur an der Technischen Hochschule angetragen. Er hat dies abgelehnt und blieb nur als Berater der türkischen Kollegen. Der Erfolg war, daß er praktisch federführend den Aufbau des neuen Ankara von 1945 an mitbestimmte und daß die deutsche Architektur heute in der Türkei führend ist. Der türkische Architektennachwuchs gibt sich heute an unseren Technischen Hochschulen, ich möchte fast sagen, die Türe in die Hand.
    Das sollte nur ein Beispiel dafür sein, in welcher Form man diese Völker, die auf eine alte Kultur zurückblicken können, in der Zivilisation jedoch einige Jahrhunderte zurückgeblieben sind, gerade durch eine gute Kulturpolitik für sich gewinnen kann.
    Auch den Studenten und Praktikanten aus diesen Ländern, die hier in Deutschland sind, wird man in ähnlicher Weise entgegenkommen müssen. Lassen Sie mich hier gleich eines einschalten, was auch die Kulturabteilung des Auswärtigen Amts einmal als Anregung aufnehmen sollte. Wir haben eben von den Studenten und Praktikanten aus den entwick-
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bona, Donnerstag, den 23. Juni 1960 6893
    von Mühlen
    lungsfähigen Ländern gesprochen, die in Deutschland ihre Ausbildung erfahren und sich hier das nötige Wissen aneignen. Manche von ihnen — das wissen wir — gehen nicht ganz befriedigt nach Hause. Die große Mehrzahl aber nimmt von Deutschland sehr viel mit in die Heimat. Und jetzt kommt der Punkt, wo der Film meist abreißt: viele dieser jungen Menschen kommen in ihre Heimat zurück, werden dort in den Arbeitsprozeß eingereiht und sind jetzt vielfach — hier folge ich dem Bericht meines indischen Freundes, der dies nicht nur aus seinem Lande weiß — der Gefahr ausgesetzt, daß plötzlich irgendwelche Deutschen auf sie zukommen und sie auf Deutschland ansprechen. Sie gehen darauf ein und merken in vielen Fällen gar nicht, daß der Deutsche, der sie anspricht, ein Agent aus der sowjetisch besetzten Zone ist, wo offenbar ein sehr differenziertes System der Registrierung der Ausländer besteht, die in der Bundesrepublik studieren oder eine sonstige berufliche Ausbildung erfahren. Mein Freund sagte mir, es sei erstaunlich, daß, wenn Studenten, Praktikanten oder sonstige Personen aus der Bundesrepublik in die Heimat zurückkehren, mitunter nur 14 Tage oder 3 Wochen vergehen, bis irgendein Funktionär aus der sowjetischen Zone bei ihnen erscheint und versucht, diese jungen Menschen nichtsahnend unter Hinweis auf ihre Ausbildung in Deutschland für die Sowjetzone einzuspannen. lch glaube, hier liegt eine wesentliche Aufgabe für die künftige deutsche Kulturpolitik.
    Wir sollten uns bemühen, diese jungen Menschen, die wir jetzt in Deutschland gewonnen haben — teilweise durch Stipendien —, zu denen wir die Bindungen und den Kontakt haben, nicht loszulassen, wenn sie die Bundesrepublik wieder verlassen. Wir müssen vielmehr versuchen, die Verbindung mit diesen Menschen zu halten. Es gibt genügend Beispiele von Ländern, die gerade die Menschen, die dort waren, auch später noch an sich zu fesseln und zu binden wissen. Ich nehme nur einmal das Beispiel des englischen Zentrums für kulturellen und politischen Austausch, Wilton Park. Monatlich oder alle zwei Monate erscheint von dort eine kleine Zeitschrift, in der die Teilnehmer der dortigen Seminare laufend über die Fachgebiete unterrichtet werden, über die Menschen, mit denen sie gemeinsam dort waren, usw. In dieser Zeitschrift erscheinen sogar persönliche Nachrichten. In vielen Fällen wird diese Zeitschrift sogar von den ehemaligen Gästen abonniert, so bleibt der Kontakt erhalten. Sie hat sich zu einem lebendigen Kommunikationsmittel zwischen den ehemals in England arbeitenden und studierenden Menschen und dem Gastlande entwikkelt. Hier ist ein Beispiel, das meiner Ansicht nach durchaus wert ist, für die künftige Arbeit eines Kulturattachés berücksichtigt zu werden. Das wird glaube ich, sehr nützlich sein.
    Ich komme jetzt noch zu der dritten Kategorie, zu den wirklich entwicklungsfähigen Völkern, wie sie in Afrika anzutreffen sind. Wir haben da schon einige Überraschungen erlebt. Es wird für uns hier besonders schwierig sein, mit der Kulturpolitik an die Menschen heranzukommen. Es hat sich gezeigt, daß zunächst mit menschlichen Kontakten oft mehr
    zu erreichen ist als mit einem Dozieren und einem Besser-Wissen-Wollen.
    Noch auf eine Frage möchte ich zu sprechen kommen, die heute nicht angeschnitten worden ist. Es handelt. sich um die Benutzung des Rundfunks gerade in Afrika und in den südostasiatischen Ländern. Den Kollegen, die vor wenigen Tagen in Madagaskar waren und auch sonstige afrikanische Gebiete besucht haben, ist offen erklärt worden, daß an die dortigen Rundfunkstationen von deutscher Seite überhaupt noch nicht herangetreten worden ist. Das mag ein Versäumnis sein, das auf den Mangel an Personal zurückzuführen ist. Man kann auch nicht alles auf einmal machen. Ich glaube aber, daß vom Auswärtigen Amt und von den sonst hierfür zuständigen Stellen jetzt dafür gesorgt werden muß, daß möglichst bald und intensiv Kontakte aufgenommen werden.
    Ein Wort noch zu der Organisation der deutschen Kulturpolitik im Ausland. Ich halte es für den besten Weg, daß wir versuchen, die Federführung in dieser wichtigen Angelegenheit weiterhin beim Auswärtigen Amt zu lassen. Der Herr Außenminister hat vorhin darauf hingewiesen, daß bereits eine sehr enge Zusammenarbeit mit den zahlreichen Institutionen privater und halbprivater Natur gegeben ist und daß das Auswärtige Amt auch bereit ist, Verantwortung und Aufgaben zu delegieren. Ich halte das für sehr wesentlich. Diese Arbeit darf nicht von vornherein wieder in einer Anhäufung von Kompetenzen ersticken. Es wird wichtig sein, diese Arbeit mit. verteilter Verantwortung und zentraler Führung durchzuführen.
    Die einzelnen Institute, die zur Verfügung stehen -- ich möchte nur wenige herausgreifen — leisten schon ganz Beachtliches, gerade unter dem Gesichtspunkt: weg von der dogmatischen Form und von dem Dozieren.
    Das Deutsche Auslandsinstitut in Stuttgart hat z. B. — bis jetzt als einziges — sehr bemerkenswerte Kontakte auch zu den Balkanländern, und zwar auf dem Gebiete des Buchverleihs. Dieses Institut hat es sich in der Hauptsache zur Aufgabe gemacht, mit Buch und Bild zu wirken. Dabei ist die Erfahrung gemacht worden, daß gerade die Interessenten in den Balkanländern, die Bücher ausborgen, diese mit großer Pünktlichkeit wieder zurückschicken. Die Bücher gelangen auch zu diesen Leuten. Im Rahmen des Deutschen Auslandsinstitutes steht auch eine medizinische Sonderbibliothek zum Ausleihen zur Verfügung, die eine so starke Nachfrage aus Bulgarien und Rumänien zu verzeichnen hat, daß sie diese überhaupt nicht bewältigen kann. Außerdem hat das Deutsche Auslandsinstitut zur Pflege und Förderung des menschlichen Kontakts eine große Sammlung von Farbdias mit heimatkundlichen Bildern aus Deutschland aufgebaut, die ins Ausland geschickt werden können. Sie erfreut sich einer sehr großen Nachfrage, gerade was die folkloristische Darstellung von Deutschland, seiner Bevölkerung und ihrer Sitten und Gebräuche anbelangt. Ich glaube, hier ist ein richtiger Weg beschritten, den wir in Zukunft noch mehr beachten müssen. Wir sollten nicht gleich mit den hochgei-
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    von Mühlen
    stigen Dingen an die Menschen draußen herantreten, sondern versuchen, die Kulturpolitik von der einfachen menschlichen Seite her aufzubauen. Das ergibt sich auch daraus — das ist vorhin schon gesagt worden —, daß wir uns heute nicht mehr darauf beschränken können, uns an einen kleinen Kreis von Menschen zu wenden, sondern daß die Kulturpolitik auch im Ausland bestrebt sein muß, an die großen Massen und an die „Multiplikatoren" heranzukommen und diese zu gewinnen.
    Ich habe noch ein kleines Anliegen; es betrifft unsere kulturpolitischen Beziehungen zu Frankreich. Wir haben im Oktober 1954 ein Kulturabkommen mit Frankreich geschlossen, in dessen Rahmen eine absolute Reziprozität für den Aufbau kultureller Institute vereinbart worden ist. Was den Aufbau französischer Institute bei uns betrifft, so funktioniert das Abkommen ausgezeichnet, weil nach Art. 7 des Grundgesetzes und auf Grund der Ländergesetze die Franzosen lediglich eine Mitteilungspflicht haben. Es ,genügt, wenn sie mitteilen: wir machen hier oder da ein Centre d'Etudes auf. Dann können sie die Arbeiten mit ihren eigenen Leuten und mit ihren eigenen Direktoren aufnehmen. Umgekehrt ist das leider bisher noch nicht so möglich, denn in Frankreich bestehen Gesetze — die teilweise bis ins Jahr 1881 zurückgehen —, nach denen die Errichtung ausländischer Kulturinstitute untersagt ist, wenn ein Ausländer als Leiter des Instituts tätig ist. Wollen wir 'also ein deutsches Kulturinstitut in Frankreich eröffnen, so müssen wir uns zunächst eines französischen Leiters versichern, und auch wenn wir ihn gefunden haben, ist die Errichtung in jedem Einzelfall noch einmal genehmigsungspflichtig. Diese Lage hat dazu geführt, daß wir in der Bundsrepublik jetzt weit über 20 sehr gut ausgebaute französische Kulturinstitute haben, während wir selbst in Frankreich gleichwertige Institute nicht besitzen; wir haben eines in Paris, ein zweites in Lyon, und damit hat es sich bereits. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn von seiten des Auswärtigen Amtes bzw. seiner Kulturabteilung dafür Sorge getragen werden könnte, daß sich der Kulturaustausch mit Frankreich nicht so einseitig vollzieht, wie es jetzt der Fall ist. Wir haben den Franzosen auch ein schönes Studentenhaus in der Cite Universitaire in Paris für zwei Millionen DM geschenkt, das ebenfalls von der französischen Fondation verwaltet wird. Das ist eine Frage, über die man sich bei den sich jetzt doch weiterhin vertiefenden guten kulturellen Beziehungen verständigen kann.
    Ich komme zum Schluß. Es war gut, daß sich der Deutsche Bundestag endlich wieder einmal aufgeschwungen hat, die deutsche Kulturarbeit im Ausland zu ,diskutieren, wenn auch von uns Abgeordneten festzustellen ist — ich bitte das nicht als Retourkutsche aufzufassen —, daß ein wesentlicher Träger der deutschen Kulturarbeit, nämlich meine lieben Kollegen von der Presse, heute mehr als spärlich auf der Tribüne vertreten sind. Wir sind uns wohl alle einig -- Herr Kühn und Herr Martin haben das betont —, daß die Kulturpolitik im Ausland kein Gegenstand für Kontroversen ist. Halten wir die Hoffnung hoch, daß sich nach der heutigen Bestandsaufnahme in Sachen Kulturpolitik im Ausland — auch wenn das Wort nicht überall sehr gewünscht wird — über dieses Thema mehr 'und mehr eine Brücke zu einer gemeinsamen Außenpolitik finden läßt. Jedenfalls aber glaube ich, wir alle sind überzeugt, daß eine gute Kulturpolitik im Ausland die Grundlage für eine gute und tragbare politische Zusammenarbeit zwischen den Nationen ist.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Zu einem kurzen Schlußwort Herr Abgeordneter Kühn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Kühn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich möchte der angestrengten Situation des Hauses Rechnung tragen und es kurz machen, wenngleich in unserer Diskussion eine Fülle von Problemen steckt. Diese sollten wir aber iii der geruhsameren Atmosphäre des Ausschusses besprechen.
    Ganz kurz Antwort auf einige der Fragen. Herr Bundesaußenminister, ich habe in keiner Weise bestreiten wollen — ich glaube, Sie haben es auch nicht so verstanden —, daß es in der Attachéausbildung gute Leute gibt. Ich nehme ihr Angebot dankbar an. Worum es nur geht, ist, daß — vielleicht sehe ich es zu scharf, und vielleicht sind diese Besorgnisse zu zerstreuen — im praktischen Dienst doch noch viele alte Zöpfe vorhanden sind. Man muß das einmal in aller Ruhe besprechen. Dies war nicht im Sinne einer Anzweiflung der sachlichen Qualifikationen gemeint, aber in dem Sinne, daß wir gemeinsam beraten sollten, was an der Ausbildung im Hinblick auf die gegenwärtigen Erfordernisse noch verbessert werden kann. Wir sollten dies einmal im Ausschuß tun.
    Wir sollten die Analyse der Programme der Kulturinstitute nicht weiter ausdehnen. Wir können hier von beiden Seiten Themen vortragen. Aus dem umfangreichen Jahresbericht von 35 Kulturinstituten läßt sich immer eine Liste vortragen, die nach der einen oder anderen Seite einseitig ist. Ein klein wenig sollte doch zum Nachdenken veranlassen, daß es auch auf der Liste der durchaus — alle miteinander — berechtigten Themen, die Sie, Herr Minister, vorgetragen haben, in keinem einzigen Institut, wie Sie zugeben müssen, einen Vortrag beispielsweise über das Wesen unserer modernen Parteiendemokratie, über das Thema „Was sind diese Parteien", keinen einzigen Vortrag über Wesen und Wirksamkeit beispielsweise der Gewerkschaften oder ihrer Beziehungen auch zu den Unternehmerverbänden gegeben hat. Dabei haben wir es in einer Reihe von Ländern doch mit zur Souveränität drängenden Völkern zu tun, in denen gerade die jungen Gewerkschaftsbewegungen eine besondere Bedeutung haben. Dies war die Richtung der Besorgnisse und Bedenken, die ich zum Ausdruck bringen wollte.
    Ein paar Worte zu den Ausführungen des Kollegen Martin. Ich glaube, auch er kann mich nicht



    Kühn (Köln)

    dahin mißverstanden haben, daß ich aus der seelischen Haltung eines Mannes der Opposition gesprochen hätte. Ich glaube, ich habe meinen diesbezüglichen seelischen Dispositionen äußerste Zügel angelegt. Ich habe ausdrücklich gesagt, daß alles, was hier kritisch anzumerken ist, nicht einseitig an die Adresse der Regierung zu richten ist, sondern daß wir gleichermaßen, Regierung und Haus und auch das Volk, jene von uns beiden bedauerte Tendenz zum Ausweichen vor dem Risiko haben, daß wir auf allen drei Seiten zu bedenken und zu überlegen haben, was besser und mehr geschehen kann, um eben das — ich habe es so genannt — Fernweh in unserer jungen Generation wieder zu wecken. Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, daß es genauso wie es Freundschaftsbeziehungen und Patenschaften zwischen Städten in der Bundesrepublik und in Europa gibt, möglich sein sollte, so etwas einmal in den außereuropäischen Raum zu tragen. Es muß nicht unbedingt mit Austauschreisen von Stadtverordneten verbunden sein.
    Herr Kollege Martin, einen geringen Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen. Ich nehme gern an, daß Sie gesagt haben, Sie hätten eine umfassende Konzeption in meinen Darlegungen vermißt. Ich möchte nicht die Retourkutsche fahren, aber ich glaube, wir haben beide nur Bruchstücke zu dieser Diskussion beitragen können: denn trotz allen Bemühens, sorgfältig zuzuhören, habe ich nicht die Erkenntnis gewinnen können, daß hier von Ihnen eine umfassende Konzeption vorgetragen worden ist. Ich glaube, es ist richtig, daß wir bei der ersten Diskussion, die ein Nachdenken auslösen soll, nicht mit perfektionierten Konzeptionen kommen können.
    Nun noch etwas zur Ausbildung der Attachés. In der Frage, wieweit das Zeremoniell eine Bedeutung hat, besteht bei uns lediglich eine Differenz zwischen einer Hinneigung zum Minimum und zum Maximum. Ich billige Ihnen also die konservativere Haltung zu; billigen Sie mir die etwas weniger konservative und neuerungssüchtige Haltung zu! Ich bin sehr mit einer besonderen Ausbildung für die Kulturattachés und übrigens auch für die Sozialattachés einverstanden. Ich glaube, daß man angesichts der sich immer mehr differenzierenden Aufgabengebiete die Ausbildung eben auch auf diese Differenzierungen hin ausrichten sollte. Das Auswechseln und Entsenden von einer Botschaft an die andere muß je nach dem Aufgabengebiet an verschieden lange Zeiträume gebunden sein. Ein Kulturattaché muß in der Tat eine längere Amtsperiode haben als ein anderer Attaché.
    Das eigentlich Schwerwiegende, was in sorgfältiger Ausschußberatung zwischen uns besprochen werden muß, ist die Beziehung von Kulturarbeit und Politik. Ich glaube, daß hier unsere Aufgabe in nicht mehr bestehen kann, als diesen Völkern Hilfe zur Selbstentscheidung und -entwicklung ihrer eigenen Alternativen zum Kommunismus zu bieten. Wir sind nicht in der Lage, jedem Kontinent, wie Sie gemeint haben, ein sozialökonomisches Modell vorzulegen. Im wesentlichen können wir den Leuten nichts anderes bieten als Techniken und Hilfen, damit sie auf Grund ihrer eigenen historischen Voraussetzungen zu ihren eignen Formen der Freiheit hinfinden.
    Ich habe große Bedenken gegen jede Form der Missionierung. Ich möchte nicht verhehlen, daß auch im Bereich der Missionen der christlichen Kirchen hier ernste Diskussionen im Gange sind und daß man sehr wohl die Meinung haben kann, daß die Widerstände gegen die Bereitschaft, religiöses Denken des westlichen Abendlandes dort aufzunehmen, größer werden. Aus zahlreichen Diskussionen wissen wir doch, daß uns afrikanische Politiker entgegenhalten: Wir hatten früher das Land und Sie den weißen Gott, heute haben wir den weißen Gott und Sie das Land. Wir kennen viele solcher vielleicht überspitzten Formulierungen, denen wir immer wieder begegnen. Wenn wir das ganze Maß an kolonialer Schuld erkennen, das Europa auf sich geladen hat, wenn wir wissen, daß es viele Länder gibt, in denen für jede Eisenbahnschwelle ein Afrikaner sterben mußte, und wenn wir die Scheußlichkeit einer gewissen rassistischen Politik heute in Südafrika erkennen, dann müssen wir mit missionarischen Ansprüchen in aller Bescheidenheit kommen. Auf einen Albert Schweitzer, den das Abendland in dieses Gebiet entsandt hat, kommen tausend andere, die das schiere Gegenteil gewesen sind. Ich verstehe sehr wohl, wenn in Haiti die afrikanischen Christen die Christusstatuen schwarz und die Teufelsstatuen weiß malen. Ich halte es in diesem Falle einmal — in völliger Übereinstimmung mit den Sprechern Ihrer Seite mit Formulierungen, die der Bundesaußenminister gefunden hat, als er gesagt hat:
    Unsere Beziehungen zu den Entwicklungsländern können nicht unter dem Gesichtspunkt einer Reaktion auf die Aktionen des Ostblocks gestaltet werden.
    Der Herr Bundestagspräsident Gerstenmaier hat es einmal so formuliert:
    Ich warne ebenso davor, unsere Bereitschaft zur Hilfe lediglich unter den Gesichtspunkt des Wettbewerbs mit dem Weltkommunismus zu rücken und sich dabei zum bloßen Nachlaufen Moskaus verleiten zu lassen. Je unaufdringlicher und verständnisvoller wir für das eigene Leben und die besondere Art der Völker und Kulturen Afrikas eintreten, desto weniger wird es den Sowjets gelingen, Afrika Moskau zu unterwerfen.
    Ich glaube, darin steckt — vielleicht sind wir in der Sache gar nicht so weit auseinander — sehr wenig sozialökonomischer und gesellschaftpolitischer Missionarismus, sondern die bescheidenere, aber wichtigere Aufgabe, die uns um so mehr ans Herz gelegt ist: tun wir alles, um den Völkern zu ihrer eigenen Form der Freiheit zu verhelfen.
    Die Fragen, die noch offengeblieben sind, werden wir im Ausschuß noch eingehender zu diskutieren haben.

    (Beifall bei der SPD.)