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ID0311900600

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    Deutscher Bundestag 119. Sitzung Bonn, den 23. Juni 1960 Inhalt: Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. deutsche Kulturarbeit im Ausland (Drucksache 1555) Kühn (Köln) (SPD) . . . 6869 B, 6894 C Dr. von Brentano, Bundesminister . 6878 B Dr. Martin (CDU/CSU) . . . . . 6885 D von Mühlen (FDP) 6891 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksache 1423); Erster Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache 1893) — Zweite Beratung —; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Paßgesetzes, des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes und zur Aufhebung des Gesetzes über die Meldepflicht der deutschen Staatsangehörigen im Ausland (Drucksache 1423); Zweiter Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache 1894) — Zweite Beratung — Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . . 6869 B, 6898 B, 6899 B, 6904 B Merten (SPD) . . 6897 A, 6897 D, 6898 D, 6899 D, 6900 C, 6902 D, 6906 A, 6908 B, Strauß, Bundesminister . 6897 B, 6900 A, 6901 B, 6907 A, 6909 A, 6911 B Dr. Jaeger (CDU/CSU) . . 6903 B, 6914 B Dr. Dr. Heinemann (SPD) . 6904 A, 6905 B Dr. Schäfer (SPD) . . . . 6910 B, 6913 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 6911 A Rasner (CDU/CSU) 6915 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes (Drucksache 1898) — Erste Beratung — . . . 6915 D Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Polizeivollzugsbeamten des Bundes (Bundespolizeibeamtengesetz — BPolBG) (Drucksache 1425) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache 1840 [neu]) — Zweite und dritte Beratung —Kramel (CDU/CSU) 6915 D Dr. Schäfer (SPD) 6916 A Nächste Sitzung 6916 D Anlagen 6917 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1960 6869 119. Sitzung Bonn, den 23. Juni 1950 Stenographischer Bericht Beginn: 15.06 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 119. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1960 6917 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 24. 6. Altmaier* 25. 6. Bauer (Würzburg)* 25. 6. Dr. Becker (Hersfeld) 2. 7. Frau Beyer (Frankfurt) 23. 6. Fürst von Bismarck* 25. 6. Dr. Brecht 24. 6. Brüns 2. 7. Corterier* 25. 6. Dr. Dahlgrün 23. 6. Demmelmeier 24. 6. Frau Döhring (Stuttgart) 24. 6. Döring (Düsseldorf) 2. 7. Dowidat 24. 6. Dröscher 2. 7. Eilers (Oldenburg) 24. 6. Frau Engländer 2. 7. Etzenbach 24. 6. Even (Köln) 23. 6. Gehring 24. 6. Geiger (Aalen) 24. 6. Gerns* 25. 6. Dr. Greve 2. 7. Günther 24. 6. Häussler 23. 6. Heiland 24. 6. Heye* 25. 6. Höfler* 25. 6. Horn 24. 6. Frau Dr. Hubert* 25. 6. Jacobi 24. 6. Jacobs* 25. 6. Jahn (Frankfurt) 2. 7. Dr. Kempfler 29. 6. Frau Klemmert 2. 7. Koenen (Lippstadt) 24. 6. Köhler 2. 7. Dr. Kreyssig* 2. 7. Kiihn (Bonn) 23. 6. Kühn (Köln)* 25. 6. Lücker (München)* 2. 7. Maier (Freiburg) 2. 7. Dr. Meyer (Frankfurt) 24. 6. Mischnick 23. 6. Paul* 25. 6. Pelster 26. 6. Frau Pitz-Savelsberg 23. 6. Rasch 25. 6. Frau Dr. Rehling* 25. 6. Frau Renger* 25. 6. Dr. Rüdel (Kiel) 26. 6. Ruhnke 26. 6. Sander 2. 7. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Schmidt (Gellersen) 24. 6. Schneider (Hamburg) 24. 6. Dr. Schneider (Saarbrücken) 23. 6. Schoettle 24. 6. Schröder (Osterode) 24. 6. Schüttler 23. 6. Schütz (München)* 25. 6. Seidl (Dorfeis)* 25. 6. Dr. Serres* 25. 6. Dr. Siemer 25. 6. Stauch 23. 6. Striebeck 24. 6. Theil (Bremen) 25. 6. Frau Vietje 23. 6. Dr. Wahl* 25. 6. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 2. 7. Weinkamm* 2. 7. Frau Wessel 2. 7. Wittmer-Eigenbrodt 24. 6. Dr. Zimmer* 25. 6. Dr. Zimmermann 8. 7. b) Urlaubsanträge Bergmann* 2. 7. Berkhan* 2. 7. Birkelbach* 2. 7. Dr. Birrenbach* 2. 7. Dr. Burgbacher* 2. 7. Deringer* 2. 7. Engelbrecht-Greve* 2. 7. Dr. Dr. h. c. Friedensburg* 2. 7. Dr. Furler* 2. 7. Geiger (München)* 2. 7. Hahn* 2. 7. Illerhaus* 2. 7. Dr. Kopf* 2. 7. Lenz (Brühl) * 2. 7. Dr. Lindenberg* 2. 7. Margulies* 2. 7. Metzger*. 2. 7. Müller-Hermann* 2. 7. Odenthal* 2. 7. Dr. Philipp* 2. 7. Frau Dr. Probst* 2. 7. Richarts* 2. 7. Scheel* 2. 7. Dr. Schild* 2. 7. Schmidt (Hamburg)* 2. 7. Dr. Starke* 2. 7. Storch* 2. 7. Dr. Sträter* 2. 7. Frau Strobel* 2. 7. *) für die Teilnahme an der gemeinsamen Tagung des Europäischen Parlaments mit der Beratenden Versammlung des Europarates 6918 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. .Juni 1960 Anlage 2 Umdruck 668 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksachen 1423, 1893). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 1 1. Zu Nr. 4 § 6 Abs. 7 wird gestrichen. 2. Zu Nr. 4 Dem § 6 wird folgender neuer Absatz 8 angefügt: „ (8) Auf die Gesamtdauer der Wehrübungen wird der geleistete Kriegsdienst angerechnet." 3. Folgende Nr. 4 a wird eingefügt: ,4a. § 8 Abs. 2 erhält folgende neue Fassung: „ (2) Der Bundesminister für Verteidigung kann im Einzelfall Wehrdienst, der in fremden Streitkräften vor dem 31. Dezember 1945 geleistet wurde, auf den Wehrdienst nach diesem Gesetz ganz oder zum Teil anrechnen. Der Bundesminister für Verteidigung soll Wehrdienst, der in fremden Streitkräften nach dem 31. Dezember 1945 geleistet wurde, auf den Wehrdienst nach diesem Gesetz anrechnen, wenn der Wehrdienst auf Grund gesetzlicher Vorschrift geleistet wurde oder wenn der Bundesminister für Verteidigung ihm vorher zugestimmt hatte." 4. Zu Nr. 8 In § 13 Abs. 2 wird im ersten Satz das Wort „Vorschlag" durch das Wort „Antrag" ersetzt. 5. Zu Nr. 9 § 13 a Abs. 2 erhält folgende Fassung: „(2) Durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates wird bestimmt, 1. welche Jahrgänge der Wehrpflichtigen für Dienstleistungen im zivilen Bevölkerungschutz vorgesehen sind und nicht zum Wehrdienst herangezogen werden, 2. aus welchen sonstigen Jahrgängen die Wehrpflichtigen für Dienstleistungen im zivilen Bevölkerungsschutz vorgesehen werden können, die wegen ihrer beruflichen Tätigkeit, ihres militärischen Ausbildungsstandes und ihrer Ausbildung oder geplanten Verwendung für diesen Dienst erforderlich sind." 6. Zu Nr. 14 § 21 a Abs. 5 wird ersatzlos gestrichen. 7. Zu Nr. 18 Der bisherige Wortlaut der Nr. 18 erhält die Bezeichnung Buchstabe a; folgender Buchstabe b wird angefügt: ,b) Dem § 26 wird folgender Absatz 8 angefügt: „(8) Zur unentgeltlichen Vertretung von Wehrpflichtigen vor den Prüfungsausschüssen und Kammern für Wehrdienstverweigerer oder einem Verwaltungsgericht sind auch zugelassen Beauftragte a) einer Vereinigung, die von einer Landesregierung für solche Betreuung von Wehrdienstverweigerern anerkannt ist oder b) einer Kirche oder anerkannten Religionsgemeinschaft." ' 8. Zu Nr. 31 In § 47 b Nr. 1 erhält Satz 2 folgende Fassung: „Die kreisfreien Städte oder der Landkreis sind vor der Entscheidung zu hören." 9. Zu Nr. 31 § 47 c wird ersatzlos gestrichen. Bonn, den 22. Juni 1960 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 670 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Merten, Schultz, Probst (Freiburg) und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksachen 1423, 1893) . Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 1 1. In Nr. 10 wird folgender Buchstabe vor a eingefügt: ,vor a) Absatz 2 wird folgender Satz 2 angefügt: „Die Erfassung kann, insbesondere bei Wehrpflichtigen kriegsgedienter Jahrgänge, auch durch schriftliche Befragung durchgeführt werden." 2. In Nr. 10 erhält Buchstabe b folgende Fassung: ,b) Nach Absatz 4 wird folgender Absatz 5 anfügt: „ (5) Die anläßlich der Erfassung entstehenden notwendigen Auslagen der Wehrpflichtigen tragen die Länder. Sie erstatten auch den Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 119. Sitzung. Borin, Donnerstag, den 23. Juni 1960 6919 durch die Erfassung entstehenden Verdienstausfall für diejenigen wehrpflichtigen Arbeitnehmer, die nicht unter das Arbeitsplatzschutzgesetz fallen." 3. Nach Nr. 12 wird folgende Nr. 12a eingefügt: ,12a. § 19 Abs. 8 wird folgender 'Satz angefügt: „Einem wehrpflichtigen Arbeitnehmer, der nicht unter das Arbeitsplatzschutzgesetz fällt, wird auch der durch die Musterung entstehende Verdienstausfall erstattet." 4. In Nr. 17 erhält Buchstabe c folgende Fassung: ,c) Absatz 4 Nr. 3 wird wie folgt ergänzt: „Dabei findet § 19 Abs. 8 Satz 2 und 3 entsprechend Anwendung." ' 5. In Nr. 23 erhält § 36 Abs. 2 Satz 2 folgende Fassung: „Sie unterliegen der Wehrüberwachung von der Prüfung ihrer Verfügbarkeit an." Bonn, den 23. Juni 1960 Dr. Jaeger Merten Schultz Probst (Freiburg) Frau Ackermann Balkenhol Bazille Berkhan Börner Draeger Eschmann Gerns Günther Heix Herold Josten Dr. Kliesing (Honnef) Kreitmeyer Kunst Lenze (Attendorn) Paul Pöhler Wienand
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Berthold Martin


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den Reden, die wir heute gehört haben, den beiden Reden von Herrn Kühn und der des Herrn Außenministers, sind so ungefähr alle Punkte angeschnitten worden, die es in der auswärtigen Kulturpolitik zu bedenken gibt. Trotzdem scheint mir, daß wir noch nicht dahin gelangt sind, wohin wir meiner Meinung nach mit dieser Aussprache kommen sollten. Herr Kühn hat gesagt, daß über Kulturpolitik im Ausland seit langem nicht mehr gesprochen worden ist. Es wäre also heute, wie er gesagt hat, unsere Aufgabe, einmal einiges zu den Grundlinien und zu den Grundsätzen unserer kulturellen Beziehungen zum Ausland zu sagen. Das ist bis jetzt noch nicht genügend geschehen.
    Herr Kühn, im Grunde genommen hat die letzte Aussprache über auswärtige Kulturbeziehungen im Deutschland im Jahre 1928 stattgefunden, und zwar anläßlich einer Rede, die Stresemann damals



    Dr. Martin
    im Reichstag gehalten hat. Ich habe diese Rede soeben noch einmal durchgelesen und muß sagen, daß es anscheinend weder unter dem Mond noch im Bundestag immer Neues gibt; denn die Fragen, die Sie hier angeschnitten haben, Herr Kühn, und die den Herrn Außenminister beschäftigten, sind in dieser Rede in einer eigentümlichen und, wie ich glaube, tiefgreifenden Weise behandelt worden. Ich darf Ihnen mit der gütigen Erlaubnis des Herrn Präsidenten einiges aus dieser Rede zitieren. Es heißt darin:
    Ich möchte aber in bezug auf eine Frage für die zukünftige Gestaltung des Etats eine Forderung anmelden. Es ist oft behauptet worden, daß im Auswärtigen Amt die Abteilung VI, die Kulturabteilung, als der Train angesehen wurde, zu dem hochgeborene Herren ungern hingingen. Wenn ich irgend jemand im Auswärtigen Amt kennte, der diese Auffassung verträte, dann würde ich der Meinung sein, daß er damit zum Ausdruck bringt, daß er sich selbst für das Auswärtige Amt nicht eignet.
    Herr Kühn, Sie haben das bei weitem nicht so gut gesagt wie Herr Stresemann.

    (Heiterkeit und Zurufe.)

    Er fuhr fort:
    Denn wenn in irgendeiner Zeit, so haben diese kulturellen Fragen für Deutschland — nicht nur in kultureller Beziehung, sondern auch in außenpolitischer Beziehung — jetzt eine ganz ungemein große Bedeutung.
    Die heutige Debatte hätte einen Sinn, wenn der seit dem Jahre 1928 unternommene Versuch endlich gelänge, der Kulturpolitik im Ausland den ihr zustehenden Rang zu geben. Dann würde die heutige Debatte eirien positiven Zweck erfüllen. Ich meine, wir sollten das versuchen. Herr Kühn, es hat keinen Sinn, wenn Sie, dem seelischen Mechanismus eines Mannes, der zur Opposition gehört, folgend, sagen, die Fehler lägen bei der Regierung. Das ist in dieser Sache nicht wahr. Herr Kühn, es geht um die Tatsache, daß weite und weiteste Kreise für dieses Thema innerlich einfach nicht zu engagieren sind. Die Regierung kann tun und lassen, was sie will, sie kann den schönsten Apparat aufbauen, sie kann ihn perfektionieren, wie sie will, — wenn nicht vom Studenten bis hinab zu der Wirtin, die das Zimmer vermietet, und quer durch unser ganzes Volk die nötige Bereitschaft da ist, werden diese Bemühungen umsonst sein. Wir können uns natürlich sehr viel vorhalten. Ganz bestimmt ist in den Instituten dieses und jenes geschehen, und man kann leicht sagen, in dem anderen ist etwas anders geschehen. Aber das ist im Grunde genommen ein Verfahren, das uns in der Betrachtung der Dinge nicht weiterbringt, sondern eher aufhält.
    Wir haben von der CDU im Januar 1959 eine Anfrage an die Regierung gerichtet, die inhaltlich dasselbe besagt wie das, was die Große Anfrage der SPD jetzt wiederholt, die hier zur Aussprache geführt hat. Wir haben damals gefragt:
    Welche Beiträge hat die Bundesregierung bisher zur Förderung der kulturellen Beziehungen leisten können?
    Welche Unterstützung findet die Bundesregierung bei diesen Bemühungen durch die Länderregierungen?
    Von welchen Grundsätzen läßt sich die Regierung bei der Pflege ihrer kulturellen Beziehungen zum Ausland leiten?
    Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung bei der Pflege der kulturellen Beziehungen zum Ausland gemacht?
    Das ist im Grunde genommen dieselbe Fragestellung, die Sie heute vorgetragen haben.
    Wir haben uns ein Bild über die tatsächlichen Leistungen verschafft. Der Herr Minister hat das heute in extenso vorgetragen. Wir haben aber auch nach der Organisation und nach der Konzeption einer Kulturpolitik im Ausland gefragt. Wir haben dazu die Arbeit der Franzosen, der Engländer, der Amerikaner und der Russen analysiert, uns die Zahlen vergegenwärtigt und uns gefragt, was wir selber tun können. Nach meiner Meinung kommt es für den Bundestag und die Regierung darauf an, in diesem Jahr die Phase des Aufbaus abzuschließen und sich zunächst einmal in der Organisationsform festzulegen. Ich teile nicht die Meinung, daß man damit noch warten könne, denn hier haben wir es mit einem Gegenstand zu tun — ich werde das nachher noch ausführen —, der keine Verzögerung mehr verträgt. Wir sollten diese Diskussion heute und hier abschließen.
    Zweitens sollten wir eine Konzeption entwickeln, die, wie Bruno Werner gesagt hat, aus der Phase des Dilettantismus herausführt und unsere kulturellen Beziehungen auf langfristige Planungen zu stellen vermag.
    Und schließlich kommt man auch in der Kultur und gerade in ihr nicht ohne Geld aus. Wir haben uns also darüber zu äußern, was wir auf diesem Gebiet zu tun bereit sind.
    Unsere Kleine Anfrage spricht mit Bedacht und bezeichnenderweise nicht von Kulturpolitik, nicht von Kulturdiplomatie, nicht von Kulturpropaganda, auch nicht von Kulturarbeit, sondern von ,,Kulturbeziehungen zum Ausland". In der Wahl des Wortes haben wir bereits eine Antwort auf eine Frage gegeben, die Herr Kühn heute in diesem Hause gestellt hat, die Frage nämlich, wie sich denn kulturelle Beziehungen zum Ausland zur Außenpolitik überhaupt verhalten. Ich würde sagen, sie sind ein Teil der auswärtigen Beziehungen, und deswegen haben wir das Wort gewählt. Sie stehen im Rahmen der Außenpolitik, nicht losgelöst von ihr, aber doch so, daß den besonderen Bedingungen und Voraussetzungen der Kulturpolitik Rechnung getragen werden kann.
    In allen führenden Staaten ist heute bei der Kulturpolitik im Ausland in bezug auf Organisation und Finanzen das Außenministerium führend. Das ist der Fall auch bei den Lösungen, die uns als freiheitliche angeboten werden, etwa beim British



    Dr. Martin
    Council, bei der Alliance Française. Diese Organisationen operieren keineswegs im leeren Raum; nein, sie haben eine durch Tradition und Konvention gesicherte Beziehung zur Außenpolitik und stellen nicht etwa den Prototyp einer völlig freien Organisation dar. Auf der einen Seite ist es so, daß das Auswärtige Amt die Führung der Außenpolitik übernehmen muß, weil es sich um eine große politische Verantwortung handelt. Es stimmt, daß sich Bundestag und Auswärtiger Ausschuß die Dinge nicht aus der Hand nehmen lassen können. Auf der anderen Seite ist es aber doch auch völlig richtig, daß Kulturpolitik — die Wortzusammenstellung, meine Damen und Herren, weist schon darauf hin — unter anderen Bedingungen steht, und zwar unter solchen, die es notwendig machen, daß der freie Bereich herangezogen wird. Der Staat kann weder im Inland noch im Ausland von sich aus Kulturpolitik machen. Er ist dabei darauf angewiesen, das, was schöpferische, geistig tätige Menschen spontan schaffen, zu übernehmen. Er ist also auf die Mitwirkung von Theatern, Orchestern, Museen, Universitäten, Vereinen, Organisationen und dergleichen mehr angewiesen. Solche Organisation der Kultur kann man nicht einfach in die Hände nehmen, ohne sie zu schädigen. Man braucht ihre Hilfe und ihre Mitwirkung. Ich bin sehr wohl der Meinung, daß bei einer Ordnung der Kulturpolitik im Ausland darauf Rücksicht zu nehmen ist. Ich werde gleich noch sagen, wie.
    Das Problem kompliziert sich in Deutschland ganz außerordentlich, weil dem Bund, dem eine klare Kompetenz für auswärtige Kulturpolitik gegeben ist, selbst keine Kompetenz im Inland für den Bereich der Kultur gegeben ist. Hierfür sind die Länder zuständig. Überlegt man sich das Ganze, so sieht man, daß die auswärtige Kulturpolitik in ihrer Wirksamkeit von dem ungemein komplizierten Organismus der deutschen Kultur abhängig ist.

    (V o r sitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)

    Herr Dr. Sattler hat es zu tun mit den elf Landesministern, mit der Ständigen Konferenz der Kultusminister, mit der Rektorenkonferenz, mit neun sehr einflußreichen Organisationen, die aus dem Haushalt finanziert werden. Die Zahl der Organisationen, die gebraucht werden, beträgt etwa 100. Es ist klar, daß in dieser Situation das Bedürfnis aufgetreten ist, einmal mit einer ordnenden Hand in dieses Gestrüpp der Zuständigkeiten hineinzugehen.
    Seit 1957 gibt es in Deutschland eine Diskussion darüber, wie man die Kulturpolitik im Ausland wirkungsvoller gestalten könne durch organisatorische Straffung, wie man ein System entwickeln könne, in dem die Grundverantwortung von Regierung und Parlament für die Grundsätze, für die Richtlinien gewahrt ist, bei der aber gleichzeitig der freie Sektor des kulturellen Schaffens in angemessener Weise zur Geltung kommen kann. Einer unserer Kulturattachés hat die Bildung einer, wie er sich ausdrückt, mächtigen Organisation, mit großen finanziellen Mitteln ausgestattet und frei von allen ministeriellen Bezügen, nach dem Vorbild des „British Council" vorgeschlagen. Er meint, nur so sei es möglich, aus dem Gestrüpp der Zuständigkeiten herauszukommen. Er fürchtet sogar, daß sich die deutsche Kulturpolitik im Ausland in Überschneidungen, in Zuständigkeiten, Kompetenzen und dergleichen Dingen totlaufen könne.
    Die Diskussion ist dadurch abgekürzt worden, daß die Kultusministerkonferenz in ihrer 70. Plenarsitzung am 8. Februar 1959 beschlossen hat, all diese Vorstellungen abzulehnen, auch die Vorstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die ich hier nicht diskutieren will, auch die weitergehenden Vorstellungen von Herrn Professor Richter, einen eigenen Staatssekretär im Bundeskanzleramt zur Straffung der Organisation zu bestellen. Ich würde es für falsch halten, wenn man diesen Gedanken für erledigt erklärte. Verstehe ich es recht, dann ist der Gedanke von Werner, von Richter und von Steltzer weitgreifender. Ihnen geht es darum, die freien schöpferischen Kräfte des kulturellen Lebens zur Geltung zu bringen.
    Ich glaube, daß das ein legitimes Anliegen ist. Wir haben deshalb in langen Überlegungen versucht, in dieser Situation Klarheit zu schaffen und, wie ich glaube — Herr Kühn deutete es schon an —, jetzt eine Situation geschaffen, die, wie mir scheint, in glücklicher Weise die beiden Prinzipien staatliche Führung und freie Initiative in eine gute Ordnung gebracht hat. Bis zum Jahre 1962 — das ist die Verfügung des Bundesaußenministers — werden alle Kulturzentren im Ausland in die Obhut des Goethe-Instituts überführt sein und damit nicht mehr der staatlichen Reglementierung, sondern der freien Initiative des Goethe-Instituts zur Verfügung stehen. Daß freie Initiative beim Goethe-Institut kein leeres Wort ist, geht daraus hervor, daß sich diese Institution zu 53,4 % aus eigenen Einnahmen finanziert. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß eine Organisation mit diesem Rückhalt ein echter Partner der Abteilung VI des Auswärtigen Amtes zu werden vermag.
    Es ist dafür gesorgt worden, daß eine Fülle von Verwaltungsarbeit, die die Abteilung VI bisher belastet hat, delegiert wird. Ab 1. Juli werden die Besoldung der Lehrer, die Zahlung von Beihilfen, die Gratialzahlungen und dergleichen an die Bundesverwaltung beim Innenministerium delegiert sein. Dadurch werden — das war eine Ihrer Forderungen — viele Kräfte in dem Amt selbst für größere Aufgaben frei.
    Der Herr Bundesminister hat in den letzten Tagen den von Ihnen erwähnten Herrn Raffalt durch Asien geschickt, um für jedes einzelne Institut studieren zu lassen, wie man die Dinge am besten macht. Wenn sich das Goethe-Institut so entwickelt und nachdem die großen Organisationen, DAAD, VDS etc., die dem Amt zur Verfügung stehen, sich zu einer Arbeitsgemeinschaft für kulturelle Beziehungen mit dem Ausland zusammengeschlossen haben, haben wir de facto ein Äquivalent für den British Council, freilich eins, das aus deutschen Erfahrungen und auf deutschem Boden gewachsen ist und dem gegenwärtigen Zustand unserer Arbeit entspricht.
    Meine Damen und Herren, wenn wir heute eine Ideal- und Endlösung suchten, so würden wir in Zu-



    Dr. Martin
    ständigkeitsdiskussionen hineingeraten, die eine ernsthafte Gefährdung der auswärtigen Kulturpolitik bedeuten würden.
    Ich glaube, die Frage des Personals in der Kulturarbeit muß hier besonders betont werden. Sie haben sie schon angesprochen, vielleicht mit etwas anderen Akzenten. Vor zwei Jahren hat Herr Dr. Thiele eine Studie über die Ausbildung der Kulturattachés vorgelegt, und ich muß sagen, daß sie in vielem die Situation genau beschreibt. Wenn wir der Auffassung sind, daß Kulturpolitik im Ausland heute eine ganz wesentliche Aufgabe ist, dann müssen wir ganz konkrete Schritte unternehmen. Die Wertung der Kulturpolitik im Ausland und die Wertung der Mitarbeiter im Amt und in den Botschaften hängt einfach von ihrer Laufbahn, von ihrer Vorbildung und von ihren Aufstiegschancen ab. Es hat gar keinen Zweck —gerade in der Kulturpolitik sollte man das nicht tun —, Leute mit Idealen hochzuzurren und sie im übrigen, was das Materielle angeht, unten zu lassen. Es ist klar, daß ein Kulturattaché eine ganz andere Ausbildung braucht als ein durchschnittlicher Diplomat. Es ist heute üblich, daß Diplomaten Englisch und Französisch sprechen. Sie haben den „Häßlichen Amerikaner" erwähnt, Herr Kühn, aus dem man ja unter anderem lernen kann, daß die ganze Diplomatie auf der Erde Englisch und Französisch spricht. Die Amerikaner haben angegeben, daß es bei ihnen nur drei Botschafter gibt, die eine Landessprache sprechen. Es ist ganz unmöglich, heute Kulturpolitik zu treiben, wenn man nicht die Sprache des Landes kennt. Es ist ganz unglaubwürdig, wenn man sagt, man macht Kulturpolitik auf der Stufe des Austausches und in Partnerschaft, und nicht gleichzeitig bereit ist, das zu lernen, worin die Kultur ihr Gehäuse hat, nämlich die Sprache. Es ist völlig unsinnig, etwas anderes anstreben zu wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man kann aus Gründen der Sprache einen Kulturattaché nicht vom Osten nach dem Westen und vom Norden nach dem Süden schicken. Es ist niemandem zuzumuten, z. B. Burmesisch zu lernen und dann in Washington zu landen, wo er höchstens Seltenheitswert hat. Das heißt ganz schlicht, daß ein Kulturattaché sich persönlich für eine Lebensaufgabe entscheiden muß und daß er beispielsweise im asiatischen oder im afrikanischen Raum bleibt. Anders ist es nicht möglich, die Kultur eines solchen Raumes in sich aufzunehmen und die Sprache zu beherrschen. Das begrenzt freilich die Möglichkeit der Versetzbarkeit der Kulturattachés; aber das würde ich in Kauf nehmen.
    Der andere Einwand, Herr Außenminister, daß Diplomaten rundum gebildet sein müssen, macht in diesem Zusammenhang keinen tiefen Eindruck. Ein solcher Attaché muß natürlich etwas von Völkerrecht, vom Protokoll etc. wissen. Ich bin in dieser Beziehung etwas konservativer als Herr Kühn, weil ich glaube, daß man durchaus formvollendet essen kann, ohne Reaktionär zu sein, — —

    (Abg. Kalbitzer: Wir essen auch nicht mit den Fingern!)

    — Das habe ich nie behauptet, Herr Kalbitzer; das war ein Ausrutscher.
    Was hier gesagt worden ist, war jedoch kein Einwand. Das ist in der ganzen Welt so. Man hat sich hier mit dem zu trösten, was Burckhardt gesagt hat: In der Wissenschaft muß man sich spezialisieren; man muß an einer Stelle Spezialist sein, und man soll an möglichst vielen Stellen, damit man die Ubersicht nicht verliert, ein guter Dilettant sein.
    Ich bin fest überzeugt, daß der Erfolg der Kulturarbeit in hohem Maße davon abhängig ist, ob wir bereit. fähig und willens sind, eine solche Sonderausbildung der Kulturattachés in dem eben umrissenen Sinne zu riskieren. Ob das über Universitäten, Institute oder das Auswärtige Amt selber geht, ist eine Frage, die dahingestellt bleiben mag.
    Ganz am Rande will ich sagen — um das aufzunehmen, was Herr Kühn hier ausgeführt hat und womit ich einverstanden bin —: es geht hier darum, die gesamte Einstellung zu dieser Frage zu ändern. Das betrifft primär das diplomatische Corps. Es ist keine kulturelle Betätigung, wenn ein Botschafter Möbel oder seltene Teppiche sammelt. Es kommt darauf an, daß das Bewußtsein, daß 50 % seiner Aufgaben kulturpolitischer Natur sind, einen Botschafter nicht verläßt. Ich würde meinen, daß wir uns sehr energisch darum zu kümmern haben, daß wir in dieser Frage von der Exekutive nicht im Stich gelassen werden.
    Damit möchte ich den ersten Teil beenden und zusammenfassend sagen: was an Organisation empirisch entwickelt worden ist, scheint mir eine l gute und wirksame Form zu sein. Es hat keinen Sinn, in dieser Sache mit Idealvorstellungen zu operieren.
    Das gilt auch für die zweite Frage, welche Konzeption bei unseren kulturellen Beziehungen gültig sein soll. Die Abteilung 6 des Auswärtigen Amtes hat unter ihren verschiedenen Direktoren — unter demselben Minister — sehr klug gehandelt, als sie mit Rücksicht auf die geistige Situation Deutschlands nach 1945 und die politische Situation in Europa und in der Welt zunächst einmal abgewartet hat, was geschah. Angesichts der ungeheuren Hypotheken, die auf unserem Lande lasteten, war das richtig. Die Überraschung dieser Zeit war, daß ein Bedürfnis nach deutscher Kultur in einem Ausmaß vorhanden war, wie wir es uns nicht haben vorstellen können. Hier ist ein Vergleich mit der Weimarer Republik ganz interessant. Stresemann sagte in der soeben schon einmal zitierten Rede:
    Ich warne Sie vor einem anderen. Vielleicht
    geht 'das über meinen Ressortstandpunkt hin-
    aus. Ich sehe mit Schrecken, wie die Zahl der
    ausländischen Studenten in Deutschland gegen-
    über ,der früheren Zeit zurückgegangen ist.
    Die Weimarer Republik, meine Damen und Herren, hatte damit zu kämpfen, überhaupt Studenten nach Deutschland zu bekommen, während wir heute — welcher Wandel der Zeiten! — von der immer noch steigenden Zahl von Studenten fast erdrückt werden. So ist es auch auf all den anderen Gebieten gegangen.



    Dr. Martin
    Die Gestalt der gegenwärtigen Kulturarbeit ist im Grunde genommen die Frucht dieser zehn Jahre, in denen es gelang, primär zunächst mit den Mitteln 'der Politik, 'dann mit denen der Wirtschaft, dann mit denen der Information und schließlich mit denen der Kultur Vertrauen in der Welt zurückzugewinnen. Es ist doch erstaunlich, daß ein völlig zerschlagenes Land nach so kurzer Zeit — seit 1952 besteht diese Abteilung wieder 400 Schulen in Gang gebracht hat und alles das erreicht hat, was Sie heute von dem Herrn Minister gehört haben.
    Aber ich will mich damit nicht um die kritischen Fragen herumdrücken, die Herr Kühn hier vorgelegt hat. Er verlangt Trennung von Propaganda und Kulturpolitik, eine sorgsame Handhabung der Kulturpolitik innerhalb ;der Außenpolitik und plädiert, wenn ich ihn recht verstanden habe — ich bitte, mich zu korrigieren —, für eine gewisse Autonomie der Kulturpolitik, die Sie, Herr Kollege, wohl aus dem Begriff der Kultur selbst ableiten.
    Ich möchte hier vor einem warnen, nämlich davor, daß wir auch in dieser Frage allzu theoretisch sind. Die Dinge stehen so, daß die Bundesrepublik Deutschland, Europa und der Westen in der Kulturpolitik überhaupt keine Wahl haben, sondern auf dem internationalen Felde gestellt sind und gefragt sind, ob sie mit ihrer Kultur überleben wollen oder ob sie dem Ansturm einer ganz anderen Zivilisation nachgeben wollen. Das ist die Frage. Wir stehen vor einem ungeheuren Anprall sowjetischer Kulturpolitik und sowjetischer Kulturpropaganda. Die große Frage, die gestern hier besprochen worden ist und die ich nur anzurühren brauche, ist, ob in diesem weltweiten Ringen die Afrikaner und Asiaten den Weg finden nicht in eine kapitalistische Welt, sondern zu einer Entwicklung ihrer eigenen afrikanischen oder asiatischen Persönlichkeit, die soweit auf unsere Grundkonzeption von Kultur zurückgreift, daß ein Zusammenleben, eine Partnerschaft mit diesen Erdteilen möglich ist.
    Es ist so, wie wenn ein Weltgespräch stattfände. Wer sich ausschließt, ist nicht da. Überall gibt es dieselben Fragen, die durch die Technik hervorgerufen worden sind, Fragen, die durch die Massennot in Afrika und Asien hervorgerufen worden sind, Fragen der inneren Auseinandersetzung mit einer technisierten Welt, überall in Ost und West dieselben Fragen, aber in charakteristisch verschiedener Weise die kulturelle Antwort auf diese Frage. Darauf kommt es an, und das möchte ich Ihnen jetzt sagen, Herr Kühn. Ich will versuchen, das zu formulieren.
    Der Bolschewismus handelt in seienr gesamten Politik uniform, ob er Wirtschaft treibt, militärisch agiert, kulturpolitisch handelt, sozial vorgeht, immer handelt er nach der anthropologischen Voraussetzung, daß der Mensch das Ergebnis der Produktionsverhältnisse ,und der gesellschaftlichen Situation sei und einen eigenen Daseinswert gar nicht habe, während der Westen den Kern des christlich-antiken Erbes festgehalten hat, nach dein die Personalität des Menschen ein eigener und sinnstiftender Vollzug ist. Ob wir Wirtschaftspolitik treiben oder etwas anderes tun, immer liegt das zugrunde, immer handelt ,es isich darum, daß im Osten zentralistisch, planwirtschaftlich, im Westen personalistisch, dezentral, marktwirtschaftlich gehandelt wird.
    Insofern gibt es ganz in der Tiefe der Politik keine unterschiedliche Begründung mehr. Alle diese Weisen politischen Handelns werden durch ,den kulturellen Willen zusammengefaßt. Ich bejahe hundertprozentig, was Bruno Werner gesagt hat: Es geht in der kulturpolitischen Arbeit um die Erhaltung, uni die Bewahrung, um die Verteidigung der eigenen Kultur angesichts der aufsteigenden Völker Asiens und Afrikas und angesichts des Bolschewismus. Meine Damen und Herren, das muß man im Auge haben, wenn man die Auseinandersetzung beschreiben will, um die es hier geht.
    Nun muß ich Herrn Kühn etwas Schmerzliches antun. Er hat bei seinen Ausführungen über eine Konzeption der Kulturpolitik — er hat sehr viele Bemerkungen dazu gemacht — gesagt, es komme darauf an, die Kulturpolitik zu demokratisieren. Nun, Herr Kühn, da sind Sie einige Pferdelängen hinter mir zurück, und zwar aus folgendem Grund. Auf der großen Tagung in Bergneustadt, auf der sich die Sozialdemokratische Partei über eine kulturpolitische Konzeption klarzuwerden versuchte, hat .gerade Carlo Schmid eine Ansicht von Kultur vorgetragen, die dem, was Sie wollen, nicht entspricht. Er sagte, er wolle unter Kultur nicht mehr verstehen als die Dinge, die dem Menschen eine Bereicherung seines Wesens zubringen, die ihm nicht durch das, was er schon hat, sowieso zuwachsen. Damit ist nicht gesehen, ,daß Arbeit ein Medium der Bildung ist. Das zu sagen, meine Damen und Herren, ist Ihnen dort nicht gelungen, Ich möchte Ihnen folgendes sagen: gerade bei der Arbeit in den unterentwickelten Ländern — da gebe ich Ihnen recht — kommen wir mit Mozart und Schiller allein nicht durch, sondern dort kommt es darauf an, zu zeigen, das die anthropologischen Voraussetzungen, die hinter unserer Kulturpolitik und unserer Politik stehen, es den Afrikanern und Asiaten sehr wohl möglich machen, ein sozialökonomisches Modell zu finden, das es ihnen erlaubt, in Freiheit und ohne den Terror des Bolschewismus ihre spezifischen Probleme zu lösen.
    Wilfried Böll hat den Ausführungen von Carlo Schmid widersprochen — wie Sie sicherlich gelesen haben werden — und hat selbst, sozialkritisch nach allen Seiten operierend, viel Gescheites gesagt. Aber zu einer Konzeption verdichtet sich das nicht.
    Ich will das hier nicht ausführen. Wenn wir, meine Damen ,und Herren, von der Konzeption einer Kulturpolitik reden, dann meinen wir selbstverständlich, daß es darauf ankommt, für jeden Kontinent, für jedes Land ein eigenes Modell, eine eigene Konzeption der Kulturpolitik darzubieten.
    Nun möchte ich noch eine Kritik von Ihnen aufnehmen. Sie haben gesagt, es sei über Bismarck geredet worden. Schön und gut, Herr Kühn. Ich möchte Sie auf eine Schwierigkeit aufmerksam machen. In der ganzen Diskussion werden uns immer die Engländer und Franzosen als die Leute



    Dr. Martin
    vorgeführt, die in großartiger Weise Kulturpolitik machen. Für den einen von den beiden stimmt das auch. Diese Kulturpolitik hat aber zur Voraussetzung, daß ,diese Länder eine ungebrochene Tradition haben und über ein unbestrittenes Geschichtsbild verfügen.
    Da nun seit 1945 die Revision des Geschichtsbildes als ein dringendes Anliegen in Deutschland bezeichnet worden ist, Herr Kühn, dürfen Sie doch um alles in der Welt nicht kritisieren, wenn wir vom Boden der Bundesrepublik aus — die auf dem Prinzip der Freiheit steht — auch im Ausland unsere Betrachtungen über Bismarck anstellen. Sie wissen so gut wie ich, daß uns die Geschichtsschreibung über Bismarck meistens Negatives im Ausland eingetragen hat, und wir haben sehr wohl ein Interesse daran, in angemessener Weise über Bismarck zu reden.
    Meine Damen und Herren, ich will das jetzt nicht ausführen, will aber in Ergänzung dessen, was der Herr Außenminister gesagt hat, noch einige Betrachtungen zum Haushaltsplan unter dem Gesichtspunkt eines internationalen Vergleichs anstellen. In der Literatur geistert die Behauptung, daß die Franzosen 115 Millionen für Kulturpolitik im Ausland ausgäben. Diese Zahl ist falsch. Wir haben in London und in Paris die genauen Zahlen erhoben und mit unserem Haushaltsplan verglichen. Es wird Sie interessieren, zu erfahren, was wir dabei festgestellt haben. Es ergab sich, daß gegenwärtig die Bundesrepublik 94,2 Millionen, England 76,8 Millionen und
    Frankreich 72,3 Millionen ausgeben. Rein zahlenmäßig liegt also das, was die Bundesrepublik für diese Zwecke ausgibt, gegenwärtig über dem, was die Engländer und die Franzosen ausgeben. Es ist aber auch interessant, die Pläne näher aufzugliedern. Kulturpersonal, Betriebskosten, kulturelle Einrichtungen kosten uns 49,6 Millionen, die Engländer 53,9 Millionen, die Franzosen 46,6 Millionen. Sehr interessant ist der Vergleich bei den Studenten. Unsere gesamten Aufwendungen für Studenten betragen 13,9 Millionen, die der Engländer 10,1 Millionen, die der Franzosen 5,5 Millionen.
    Es ist hier schon gesagt worden, daß die Bundesrepublik heute fast das erste Ausbildungsland ist. Auch dazu noch die Zahlen: England hat 15 000 Studenten, Amerika 47 000, die Sowjetunion 40 000 — und die Bundesrepublik 21 000, wobei zu bemerken ist, daß wir relativ und absolut den größten Anteil aus den Entwicklungsländern haben. Das heißt, die kommende Führungsschicht der Entwicklungsländer studiert zu einem großen Teil in der Bundesrepublik Deutschland. Das spricht nicht dafür, daß die deutsche Wissenschaft so im argen liegt, wie immer gesagt worden ist.
    Aber wir sind auf diese Fragen nicht ausreichend vorbereitet. Ich will die kulturpolitischen Fragen an unseren Universitäten in diesem Zusammenhang nicht erörtern. Ich meine etwas anderes: ich glaube, das Dringendste wäre, die Wissenschaft an den Universitäten so darzubieten, daß sie von vornherein den afrikanischen und asiatischen Studenten erlaubt, Wissenschaft, die an sich für Europa und Deutschland gedacht ist, auf ihre eigenen Länder anzuwenden. Ich glaube, es ist notwendig, daß wir uns an unseren Universitäten intensiver mit der Sozialpsychologie und der Psychologie dieser Länder beschäftigen. Wenn Sie die Literatur durchsehen, stellen Sie fest, daß es heute in Deutschland kaum einen Menschen gibt, der die Psychologie von Asiaten und Afrikanern, die plötzlich mit einer fremden Kultur konfrontiert werden und in ihr leben müssen, wissenschaftlich beherrscht. Ich kenne in ganz Deutschland nur einen einzigen jungen Dozenten, dem ich persönlich von Herzen alles Gute wünsche und den wir mit aller Intensität unterstützen sollten.
    Meine Damen und Herren! Die wichtigste Frage für die Studenten ist das Wohnen. Es wird jetzt damit angefangen, für sie Studentenwohnheime zu bauen; im Haushaltsplan steht ein Betrag für diesen Zweck. An allen Universitäten gibt es jetzt hauptamtliche Betreuer, die sich damit beschäftigen. Es gibt einen Kreis für Interkontinentale Kontakte. Es gibt den Deutschen Akademischen Austauschdienst. Es gibt sehr erfahrene Leute, die sich mit der ganzen Problematik beschäftigen. Aber das genügt nicht; die Lösung dieser Aufgabe kann nur gelingen, wenn jeder mitspielt. Es klingt pathetisch, ist aber so: hier steht eine nationale Aufgabe vor uns, vor jedermann, vor Lieschen Müller genauso gut wie vor Herrn Professor Schulze, die es zu lösen gilt, und wir müßten, wo immer wir können, eine Bereitschaft dafür auslösen. Es müßte in unserem Lande einen bestimmten Elan der Menschenliebe und der persönlichen Zuwendung geben. Dann wäre auf diesem Gebiet, wie ich glaube, fast alles gewonnen. 20 000 Menschen, die zurückgehen, und nehmen wir an, sie gehen zurück mit einem positiven Ergebnis, mit durchgreifenden Erinnerungen, die sich wieder melden in den Entscheidungen, die sie später als Politiker oder als was immer zu fällen haben — das ist ein Reversoir, das schlechterdings unendlich ist.
    Ich will noch Stellung nehmen zu der Frage der Schwerpunkte. Ich habe gesagt, die große Zahl der Studenten ist ein natürlicher Schwerpunkt. Den können wir uns nicht auswählen. Wir sollten froh sein, daß wir ihn haben.
    Danach kommt man auf das schon angeschnittene Problem: Kulturinstitute im Ausland — deutsche Schulen im Ausland. Alle Fachleute in England und in Frankreich und die Menschen mit Erfahrung sind der Überzeugung, daß Sprachwerbung das Wesentliche, das Grundlegende in der Kulturpolitik im Ausland ist. Wir waren nach dem Kriege pessimistisch und hatten kaum noch Hoffnung, daß die deutsche Sprache sich durchsetzen lasse. Wir haben aber erleben dürfen, daß nach dem Kriege in Amerika in den High Schools Deutsch als Pflichtfach eingeführt worden ist. Wir haben die Freude gehabt, zu sehen, wie in Dänemark eine in Vorbereitung befindliche Schulreform, die Deutsch abschaffen wollte, auf Fürsprache des Auswärtigen Amtes verhindert werden konnte. In diesen Tagen kommen dänische Lehrer nach Deutschland. In Kairo wird in vielen Schulen, vor allem auch in den Gewerbeschulen, Deutsch gelehrt. Es gibt in der ganzen Welt ein



    Dr. Martin
    großes Bedürfnis nach der deutschen Sprache. Deshalb entsteht das Problem, ob wir mit Kulturinstituten oder mit Schulen arbeiten sollen. Meine Damen und Herren, eine ungeheuer schmerzliche Wahl für jeden, der weiß, welche segensreiche Wirkung deutsche Schulen im Ausland haben! Noch vorgestern hat mir ein griechischer Parlamentarier, der liquide deutsch sprach, gesagt, die deutsche Schule in Athen sei doch etwas Großartiges, und wir sollten in verstärktem Maße zurückkommen. Was sind aber 30, was sind 50, was sind 60 Abiturienten gegenüber den Zahlen, die der Herr Außenminister uns vorgetragen hat! Was bedeuten sie gegenüber der Tatsache, daß in dem letzten Jahr 200 000 Exemplare des vom Auswärtigen Amt erstellten oder geförderten Lehrbuchs der Deutschen Sprache verkauft worden sind, und was bedeuten sie gegenüber Zehntausenden, die täglich in unseren Instituten Deutsch lernen! Ich muß Ihnen gestehen: eine ungeheuer schmerzliche Wahl. Aber ich glaube, daß unsere Zeit kurz bemessen ist, daß wir auf Wirkung gehen sollten und das etwas kurzfristiger wirkende Instrument kräftiger handhaben sollten; das heißt, daß wir die Institute ausweiten sollten.
    Das Dritte, das von kapitaler Bedeutung ist ist das Gästeprogramm. Dazu nur einige Worte. Wer Asien und Afrika kennt und die Menschen dort mit dem feinen seelischen Unterscheidungsvermögen, der weiß, daß die persönliche Ansprache, der persönliche Kontakt, und wenn er nur vier Wochen dauert, entscheidend sein kann für das ganze Leben. Ich würde deshalb sagen, daß wir dem Gästeprogramm eine intensive Beachtung widmen sollten.
    Ich will damit schließen, nicht ohne eine sogenannte grundsätzliche Bemerkung zu machen, die ich Ludwig Dehio verdanke. Tacitus hat einmal die Zeit nach der Schreckensherrschaft Domitians beschrieben und gesagt, die Besten seien unter der Hand des Tyrannen gefallen, die anderen seien unter langer Unterdrückung geistig müde geworden, und es sei leichter, Geist zu unterdrücken, als Geist wieder zu erwecken. Meine Damen und Herren, alles das, was wir erleben, ist akademisch und theoretisch, wenn dahinter nicht die Überzeugung steht, daß dieses Land und dieses Volk auch heute noch eine produktive Kulturnation ist, daß wir im Geistigen eine Zukunft haben. Das ist die Haltung, die Tacitus bei der Betrachtung dieser Situation eingenommen hat. Er schließt nämlich seinen Bericht mit dem Satz: Nunc demum redit animus — Endlich kommt der Geist doch wieder zurück!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Mühlen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Freiherr Klaus von Mühlen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben nun fast drei Stunden lang eingehend die Frage der deutschen Kulturpolitik im Ausland bis in die Einzelheiten besprochen und versucht, uns über die Probleme klarzuwerden. Ich möchte jetzt noch eine Frage aufgreifen, die mir wesentlich zu sein scheint. Herr Dr. Martin hat sie bereits kurz angeschnitten.
    Eine deutsche Kulturpolitik im Ausland steht zunächst einmal und vor allem vor den Fragen: Weshalb, wofür und wozu?
    Ich glaube nicht, daß es heute noch darum geht, dafür zu sorgen, daß in Buenos Aires Beethoven gespielt, in Kairo Brahms gehört oder irgendwoanders Goethe gelesen wird. Es geht auch nicht darum, danach zu trachten, daß sich alle Welt freut, wenn ein deutscher Dichter und Denker daherkommt. Diese Zeiten, da dies ein Hauptanliegen der Kulturpolitik im Ausland gewesen sein mag, sind vorbei.
    Es ist hier schon angeklungen, daß auch wir in den großen Gegensatz zwischen Ost und West eingeordnet sind, der heute auf allen Fronten, so auch auf dem Gebiet der Kultur und der kulturellen Auseinandersetzung ausgetragen wird und ausgetragen werden muß. Lassen Sie mich einmal zu dieser Frage auf Grund der Erfahrungen eines Mannes sprechen, der mehr als ein Jahrzehnt vor, während und auch nach dem Kriege draußen gelebt und gearbeitet hat, und zwar vorwiegend in den nahöstlichen Gebieten, wo schon vor dem letzten Kriege die Auseinandersetzung zwischen Ost und West begonnen hat und sehr fühlbar gewesen ist.
    Zunächst haben wir die. Lehre zu ziehen, daß jede kulturpolitische Arbeit im Ausland, ob wir wollen oder nicht, heute als Politikum wirkt. In den zwischen den Fronten stehenden Ländern ist das ganz besonders der Fall. Wir müssen uns zudem noch über ein Weiteres klarwerden, wenn wir die Positionen für die Schwerpunktbildung unserer kulturpolitischen Arbeit im Ausland abstecken wollen: Das, was die östliche Welt als Kulturpolitik proklamiert, ist etwas ganz anderes als das, was wir und die westlichen Völker unter Kulturpolitik im Ausland verstehen und verstanden wissen wollen. Für die Völker im kommunistischen Osten, an erster Stelle die Sowjetunion, spielt der Name „Kultura" eine große Rolle. Er wird gebraucht, plakatiert. Aber dieser Ruf nach „Kultura" ist nur ein Teil der großen, systematisch angelegten Propaganda mit dem Ziel der Verbreitung einer Ideologie und — im Zeichen dieser Ideologie — einer Ausdehnung der Macht der kommunistischen Welt, soweit es irgendwie geht. Das ist ganz klar und deutlich überall zu erkennen. Ich glaube, der Herr Kollege Martin hat nicht ganz recht, wenn er meint, daß dabei der Sowjetblock mit einer unerhörten Geschlossenheit vorgeht. Gerade in der Frage der kulturpolitischen Auslandsarbeit können wir seitens des kommunistischen Ostens eine unerhörte Differenzierung des Vorgehens feststellen, der wir ebenso differenziert begegnen müssen.
    Die erste Voraussetzung dafür ist, zu erkennen, wie der Gegner arbeitet. Er arbeitet der freien Welt gegenüber mit anderen Methoden als gegenüber den entwicklungsfähigen Nationen. Die sowjetische sogenannte Kulturpropaganda gegenüber den hochkultivierten, hochentwickelten und starken Staaten der westlichen Welt kennen wir alle. Sie ist letzten Endes darauf abgestellt, die bürgerliche Hoffähigkeit der Sowjetunion hervorzukehren, eine Koexistenzfähigkeit aufzuzeigen und damit für gewisse



    von Mühlen
    ganz klare politische Zielsetzungen den Boden bei diesen Mächten etwas aufzulockern.
    Bei den entwicklungsfähigen Ländern — ich habe gerade über diese Frage vor nicht allzu langer Zeit mit einem Mitglied des indischen Parlaments eine sehr interessante und instruktive Unterhaltung gehabt — in Südostasien und auch im mittleren Osten, die ihrerseits teilweise auf sehr alte Kulturen zurückblicken können, ist die sowjetische Kulturpropaganda wieder auf einen anderen Nenner gebracht. Man versucht dort zunächst einmal, das alte Kulturgut nicht anzurühren, ist aber bemüht, mit dem technischen Fortschritt, den auch die Sowjetunion in diesen Ländern einzuführen bemüht ist, gleichzeitig auch die Ideologie mit einzuschleusen. Die Methodik der Einführung von sowjetischen Instrukteuren bei dem Aufbau großer Werke usw. macht dies klar und jedem sichtbar.
    Bei der dritten Gruppe, den entwicklungsfähigen Völkern, die auf keine kulturelle Tradition zurückblicken können, geht die Sowjetunion und die von ihr gesteuerte kommunistische Kulturpropaganda wieder andere Wege. Auch dafür sind Beispiele gegeben, gleichzeitig mit der hereinkommenden technischen Zivilisation bei diesen noch primitiven Völkern den Eindruck zu vermitteln, daß diese technische Zivilisation praktisch gleichbedeutend ist mit der kommunistischen Ideologie. Vor diesem Phänomen stehen wir heute gerade in den afrikanischen Ländern. Aber wir finden es auch drüben in Südostasien.
    Es ist gar nicht akademisch, wenn ich Ihnen das heute sage. Diese Dinge muß man sich vergegenwärtigen und muß sie kennen. Dann erst läßt sich zu einer wirksamen Gegenarbeit ansetzen und die eigene kulturpolitische Arbeit, soll sie irgendeinen Sinn haben, entsprechend ausrichten und lassen sich nach Lage der Dinge Schwerpunkte bilden.
    Unsere Kulturpolitik im Ausland hat also ganz differenzierte Aufgaben zu bewältigen.
    Gegenüber den westlichen Partnern innerhalb der Westeuropäischen Union und der NATO, also den großen Kulturnationen der freien westlichen Welt, ist es in erster Linie unsere Aufgabe, durch Austausch, durch gegenseitige Beratung und durch gegenseitige Hilfe den Gedanken dafür wachzurufen und zu stärken, daß die westliche Welt gezwungen ist, in einer klaren, einheitlichen Haltung und in entsprechendem Handeln den sowjetischen Vorstoß auch auf diesem Gebiet gemeinsam aufzufangen.
    Unsere Aufgabe gegenüber der zweiten Kategorie von Staaten, denjenigen also, die selbst auf ein altes Kulturgut zurückblicken und jetzt den Sprung über zwei Jahrhunderte hinweg in die technische Zivilisation von heute machen, ist eine doppelte. Es gilt einerseits, diesen Völkern die materielle Hilfe zu vermitteln, die sie zum Aufbau eines modernen Staates brauchen, andererseits aber daran mitzuarbeiten, daß ihr altes kulturelles Gut and die Grundlagen ihrer Ordnung nicht durch den technischen Fortschritt weggeschwemmt werden; eine Tendenz, die von den Sowjets in ihrer
    Propaganda geflissentlich gefördert wird, wie in vielen Ländern ganz deutlich sichtbar ist.
    Ich glaube — und ich habe in dieser Beziehung in vielen Jahren draußen Erfahrungen gesammelt —, wir tun sehr gut daran, die Rolle des Gebenden nicht allzusehr herauszustreichen. Wir sollten vielmehr bereit sein, gerade diesen Völkern gegenüber eine vergleichende Kulturpolitik zu betreiben, sie fühlen zu lassen, daß wir in ihnen Partner sehen, die auf alte Traditionen, auf große Kulturen zurückblicken und die sich in den kulturellen Leistungen absolut mit uns messen können. Die Aufgeschlossenheit, mit uns den Weg in die technisierte Zivilisation von heute zu gehen, wird dann sehr viel größer sein.
    Lassen Sie mich ein praktisches Beispiel anführen. Ich erinnere mich daran, daß in der Türkei es war noch vor dem Kriege — wichtige Bauten ,ausgeschrieben wurden. Eine ganze Reihe von Nationen bemühte sich um die Aufträge und die Beauftragung ihrer Architekten. Da kam ein deutscher Architekt, der sich verdient gemacht hat — es war der vor einigen Jahren verstorbene Professor Bonatz —, auf den Gedanken, eine Ausstellung aufzuziehen, in ;der er den Türken an Hand paralleler Schaubilder zeigte, was sie ihrerseits in dem vergangenen Jahrhunderten an kulturellen Leistungen hervorgebracht und der Welt geschenkt Infolge dieser kleinen menschlichen, ;anerkennenden Geste waren die Türken sofort besonders aufgeschlossen. Das hat schließlich dazu geführt, daß nicht nur die Aufträge Deutschland zugefallen sind, sondern daß Professor Bonatz Mentor .der Architektenschule in Istanbul geworden und dies über den Krieg und sein Ende hinaus geblieben ist. Er hat dort sehr feinfühlig gearbeitet. Wir ;dürfen nicht mit der Einstellung ankommen: Hoppla, jetzt komm ich! und, ich möchte sagen, so etwas als der Kulturprotz auftreten. Vielmehr sollten wir die Menschen draußen, um die es uns geht, vorsichtig ansprechen. Professor Bonatz wurde damals die Leitung ;der Abteilung Architektur an der Technischen Hochschule angetragen. Er hat dies abgelehnt und blieb nur als Berater der türkischen Kollegen. Der Erfolg war, daß er praktisch federführend den Aufbau des neuen Ankara von 1945 an mitbestimmte und daß die deutsche Architektur heute in der Türkei führend ist. Der türkische Architektennachwuchs gibt sich heute an unseren Technischen Hochschulen, ich möchte fast sagen, die Türe in die Hand.
    Das sollte nur ein Beispiel dafür sein, in welcher Form man diese Völker, die auf eine alte Kultur zurückblicken können, in der Zivilisation jedoch einige Jahrhunderte zurückgeblieben sind, gerade durch eine gute Kulturpolitik für sich gewinnen kann.
    Auch den Studenten und Praktikanten aus diesen Ländern, die hier in Deutschland sind, wird man in ähnlicher Weise entgegenkommen müssen. Lassen Sie mich hier gleich eines einschalten, was auch die Kulturabteilung des Auswärtigen Amts einmal als Anregung aufnehmen sollte. Wir haben eben von den Studenten und Praktikanten aus den entwick-
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bona, Donnerstag, den 23. Juni 1960 6893
    von Mühlen
    lungsfähigen Ländern gesprochen, die in Deutschland ihre Ausbildung erfahren und sich hier das nötige Wissen aneignen. Manche von ihnen — das wissen wir — gehen nicht ganz befriedigt nach Hause. Die große Mehrzahl aber nimmt von Deutschland sehr viel mit in die Heimat. Und jetzt kommt der Punkt, wo der Film meist abreißt: viele dieser jungen Menschen kommen in ihre Heimat zurück, werden dort in den Arbeitsprozeß eingereiht und sind jetzt vielfach — hier folge ich dem Bericht meines indischen Freundes, der dies nicht nur aus seinem Lande weiß — der Gefahr ausgesetzt, daß plötzlich irgendwelche Deutschen auf sie zukommen und sie auf Deutschland ansprechen. Sie gehen darauf ein und merken in vielen Fällen gar nicht, daß der Deutsche, der sie anspricht, ein Agent aus der sowjetisch besetzten Zone ist, wo offenbar ein sehr differenziertes System der Registrierung der Ausländer besteht, die in der Bundesrepublik studieren oder eine sonstige berufliche Ausbildung erfahren. Mein Freund sagte mir, es sei erstaunlich, daß, wenn Studenten, Praktikanten oder sonstige Personen aus der Bundesrepublik in die Heimat zurückkehren, mitunter nur 14 Tage oder 3 Wochen vergehen, bis irgendein Funktionär aus der sowjetischen Zone bei ihnen erscheint und versucht, diese jungen Menschen nichtsahnend unter Hinweis auf ihre Ausbildung in Deutschland für die Sowjetzone einzuspannen. lch glaube, hier liegt eine wesentliche Aufgabe für die künftige deutsche Kulturpolitik.
    Wir sollten uns bemühen, diese jungen Menschen, die wir jetzt in Deutschland gewonnen haben — teilweise durch Stipendien —, zu denen wir die Bindungen und den Kontakt haben, nicht loszulassen, wenn sie die Bundesrepublik wieder verlassen. Wir müssen vielmehr versuchen, die Verbindung mit diesen Menschen zu halten. Es gibt genügend Beispiele von Ländern, die gerade die Menschen, die dort waren, auch später noch an sich zu fesseln und zu binden wissen. Ich nehme nur einmal das Beispiel des englischen Zentrums für kulturellen und politischen Austausch, Wilton Park. Monatlich oder alle zwei Monate erscheint von dort eine kleine Zeitschrift, in der die Teilnehmer der dortigen Seminare laufend über die Fachgebiete unterrichtet werden, über die Menschen, mit denen sie gemeinsam dort waren, usw. In dieser Zeitschrift erscheinen sogar persönliche Nachrichten. In vielen Fällen wird diese Zeitschrift sogar von den ehemaligen Gästen abonniert, so bleibt der Kontakt erhalten. Sie hat sich zu einem lebendigen Kommunikationsmittel zwischen den ehemals in England arbeitenden und studierenden Menschen und dem Gastlande entwikkelt. Hier ist ein Beispiel, das meiner Ansicht nach durchaus wert ist, für die künftige Arbeit eines Kulturattachés berücksichtigt zu werden. Das wird glaube ich, sehr nützlich sein.
    Ich komme jetzt noch zu der dritten Kategorie, zu den wirklich entwicklungsfähigen Völkern, wie sie in Afrika anzutreffen sind. Wir haben da schon einige Überraschungen erlebt. Es wird für uns hier besonders schwierig sein, mit der Kulturpolitik an die Menschen heranzukommen. Es hat sich gezeigt, daß zunächst mit menschlichen Kontakten oft mehr
    zu erreichen ist als mit einem Dozieren und einem Besser-Wissen-Wollen.
    Noch auf eine Frage möchte ich zu sprechen kommen, die heute nicht angeschnitten worden ist. Es handelt. sich um die Benutzung des Rundfunks gerade in Afrika und in den südostasiatischen Ländern. Den Kollegen, die vor wenigen Tagen in Madagaskar waren und auch sonstige afrikanische Gebiete besucht haben, ist offen erklärt worden, daß an die dortigen Rundfunkstationen von deutscher Seite überhaupt noch nicht herangetreten worden ist. Das mag ein Versäumnis sein, das auf den Mangel an Personal zurückzuführen ist. Man kann auch nicht alles auf einmal machen. Ich glaube aber, daß vom Auswärtigen Amt und von den sonst hierfür zuständigen Stellen jetzt dafür gesorgt werden muß, daß möglichst bald und intensiv Kontakte aufgenommen werden.
    Ein Wort noch zu der Organisation der deutschen Kulturpolitik im Ausland. Ich halte es für den besten Weg, daß wir versuchen, die Federführung in dieser wichtigen Angelegenheit weiterhin beim Auswärtigen Amt zu lassen. Der Herr Außenminister hat vorhin darauf hingewiesen, daß bereits eine sehr enge Zusammenarbeit mit den zahlreichen Institutionen privater und halbprivater Natur gegeben ist und daß das Auswärtige Amt auch bereit ist, Verantwortung und Aufgaben zu delegieren. Ich halte das für sehr wesentlich. Diese Arbeit darf nicht von vornherein wieder in einer Anhäufung von Kompetenzen ersticken. Es wird wichtig sein, diese Arbeit mit. verteilter Verantwortung und zentraler Führung durchzuführen.
    Die einzelnen Institute, die zur Verfügung stehen -- ich möchte nur wenige herausgreifen — leisten schon ganz Beachtliches, gerade unter dem Gesichtspunkt: weg von der dogmatischen Form und von dem Dozieren.
    Das Deutsche Auslandsinstitut in Stuttgart hat z. B. — bis jetzt als einziges — sehr bemerkenswerte Kontakte auch zu den Balkanländern, und zwar auf dem Gebiete des Buchverleihs. Dieses Institut hat es sich in der Hauptsache zur Aufgabe gemacht, mit Buch und Bild zu wirken. Dabei ist die Erfahrung gemacht worden, daß gerade die Interessenten in den Balkanländern, die Bücher ausborgen, diese mit großer Pünktlichkeit wieder zurückschicken. Die Bücher gelangen auch zu diesen Leuten. Im Rahmen des Deutschen Auslandsinstitutes steht auch eine medizinische Sonderbibliothek zum Ausleihen zur Verfügung, die eine so starke Nachfrage aus Bulgarien und Rumänien zu verzeichnen hat, daß sie diese überhaupt nicht bewältigen kann. Außerdem hat das Deutsche Auslandsinstitut zur Pflege und Förderung des menschlichen Kontakts eine große Sammlung von Farbdias mit heimatkundlichen Bildern aus Deutschland aufgebaut, die ins Ausland geschickt werden können. Sie erfreut sich einer sehr großen Nachfrage, gerade was die folkloristische Darstellung von Deutschland, seiner Bevölkerung und ihrer Sitten und Gebräuche anbelangt. Ich glaube, hier ist ein richtiger Weg beschritten, den wir in Zukunft noch mehr beachten müssen. Wir sollten nicht gleich mit den hochgei-
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    von Mühlen
    stigen Dingen an die Menschen draußen herantreten, sondern versuchen, die Kulturpolitik von der einfachen menschlichen Seite her aufzubauen. Das ergibt sich auch daraus — das ist vorhin schon gesagt worden —, daß wir uns heute nicht mehr darauf beschränken können, uns an einen kleinen Kreis von Menschen zu wenden, sondern daß die Kulturpolitik auch im Ausland bestrebt sein muß, an die großen Massen und an die „Multiplikatoren" heranzukommen und diese zu gewinnen.
    Ich habe noch ein kleines Anliegen; es betrifft unsere kulturpolitischen Beziehungen zu Frankreich. Wir haben im Oktober 1954 ein Kulturabkommen mit Frankreich geschlossen, in dessen Rahmen eine absolute Reziprozität für den Aufbau kultureller Institute vereinbart worden ist. Was den Aufbau französischer Institute bei uns betrifft, so funktioniert das Abkommen ausgezeichnet, weil nach Art. 7 des Grundgesetzes und auf Grund der Ländergesetze die Franzosen lediglich eine Mitteilungspflicht haben. Es ,genügt, wenn sie mitteilen: wir machen hier oder da ein Centre d'Etudes auf. Dann können sie die Arbeiten mit ihren eigenen Leuten und mit ihren eigenen Direktoren aufnehmen. Umgekehrt ist das leider bisher noch nicht so möglich, denn in Frankreich bestehen Gesetze — die teilweise bis ins Jahr 1881 zurückgehen —, nach denen die Errichtung ausländischer Kulturinstitute untersagt ist, wenn ein Ausländer als Leiter des Instituts tätig ist. Wollen wir 'also ein deutsches Kulturinstitut in Frankreich eröffnen, so müssen wir uns zunächst eines französischen Leiters versichern, und auch wenn wir ihn gefunden haben, ist die Errichtung in jedem Einzelfall noch einmal genehmigsungspflichtig. Diese Lage hat dazu geführt, daß wir in der Bundsrepublik jetzt weit über 20 sehr gut ausgebaute französische Kulturinstitute haben, während wir selbst in Frankreich gleichwertige Institute nicht besitzen; wir haben eines in Paris, ein zweites in Lyon, und damit hat es sich bereits. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn von seiten des Auswärtigen Amtes bzw. seiner Kulturabteilung dafür Sorge getragen werden könnte, daß sich der Kulturaustausch mit Frankreich nicht so einseitig vollzieht, wie es jetzt der Fall ist. Wir haben den Franzosen auch ein schönes Studentenhaus in der Cite Universitaire in Paris für zwei Millionen DM geschenkt, das ebenfalls von der französischen Fondation verwaltet wird. Das ist eine Frage, über die man sich bei den sich jetzt doch weiterhin vertiefenden guten kulturellen Beziehungen verständigen kann.
    Ich komme zum Schluß. Es war gut, daß sich der Deutsche Bundestag endlich wieder einmal aufgeschwungen hat, die deutsche Kulturarbeit im Ausland zu ,diskutieren, wenn auch von uns Abgeordneten festzustellen ist — ich bitte das nicht als Retourkutsche aufzufassen —, daß ein wesentlicher Träger der deutschen Kulturarbeit, nämlich meine lieben Kollegen von der Presse, heute mehr als spärlich auf der Tribüne vertreten sind. Wir sind uns wohl alle einig -- Herr Kühn und Herr Martin haben das betont —, daß die Kulturpolitik im Ausland kein Gegenstand für Kontroversen ist. Halten wir die Hoffnung hoch, daß sich nach der heutigen Bestandsaufnahme in Sachen Kulturpolitik im Ausland — auch wenn das Wort nicht überall sehr gewünscht wird — über dieses Thema mehr 'und mehr eine Brücke zu einer gemeinsamen Außenpolitik finden läßt. Jedenfalls aber glaube ich, wir alle sind überzeugt, daß eine gute Kulturpolitik im Ausland die Grundlage für eine gute und tragbare politische Zusammenarbeit zwischen den Nationen ist.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)