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ID0310806600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 108. Sitzung Bonn, den 6. April 1960 Inhalt: Erklärung des Bundestages zu dem Bauernlegen in der sowjetisch besetzten Zone Vizepräsident Dr. Schmid . . . . 5887 A Erklärung der Bundesregierung zu dem Bauernlegen in der sowjetisch besetzten Zone Lemmer, Bundesminister . . . . . 5888 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Dr. h. c. Weber, Dr. h. c. Pferdmenges und Bauknecht . . . . . . . 5889 D Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. deutsch-spanische Beziehungen (Drucksache 1663) Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 5890 D Dr. von Brentano, Bundesminister 5896 B Erler (SPD) 5899 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 5902 D Dr. Jaeger (CDU/CSU) . . . . . 5906 D Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . . . 5914 B Entwurf eines Gesetzes über eine Zählung im Handel sowie im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe (Handelszählungsgesetz 1959) (Drucksache 1104) ; Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache 1681) — Zweite und dritte Beratung — 5915 B Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (Drucksache 1669); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 1757) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 5915 C Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen vom 7. August 1958 mit der Islamischen Republik Pakistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen (Drucksache 1329); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1760) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . 5915 D Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen vom 17. April 1959 mit dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener anderer Steuern (Drucksache 1606) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1761) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 5916 A Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen vom 16. Juni 1959 mit dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete (Drucksache 1614) ; Schriftlicher Bericht des Finanz- II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. April 1960 ausschusses (Drucksache 1762) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . 5916 B Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen vom 18. März 1959 mit der Regierung von Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens (Drucksache 1615) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1763) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . 5916 C Entwurf eines Gesetzes über die Vereinbarung vom 30. Juni 1958 mit der Regierung des Königreichs der Niederlande über Gastarbeitnehmer (Drucksache 1741) — Erste Beratung — . . . . . . . . 5916 D Entwurf eines Gesetzes über die Vereinbarung vom 4. Dezember 1957 mit der Regierung des Großherzogtums Luxemburg über den Austausch von Gastarbeitnehmern (Drucksache 1742) — Erste Beratung — 5917 A Entwurf eines Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1958 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (Drucksache 1743) —Erste Beratung— 5917 A Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Vorschriften des Lastenausgleichsrechts im Saarland (LA-EG-Saar) (Drucksache 1744) — Erste Beratung — . . . . . . 5917 B Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksache 1748) — Erste Beratung — . . . . . . . . . . . 5917 B Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (Drucksache 1749) — Erste Beratung — . . . . . . . . . . . . 5917 B Entwurf eines Gesetzes über die am 31. Oktober 1958 in Lissabon beschlossene Fassung der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. März 1883 und über die am 31. Oktober 1958 in Lissabon beschlossene Fassung des Madrider Abkommens vom 14. April 1891 über die Unterdrückung falscher oder irreführender Herkunftsangaben (Drucksache 1750) — Erste Beratung — . . . . . . . . . . . . 5917 C Sammelübersicht 18 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache 1699) . . . . . . . . . . . 5917 C Entwurf einer Dreiundzwanzigsten Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Spezialwalzdraht); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1641, 1740) 5917 D Ubersicht 12 des Rechtsausschusses über Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 1745) 5917 D Antrag betr. Eisenbahnverkehr zwischen Breisach und Colmar (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal], Bading, Margulies, Dr. Schild u. Gen.) ; Mündlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksachen 1389, 1754) 5918 A Antrag betr. Autobahn Schwabach—Heilbronn (Abg. Frau Strobel, Seidel [Fürth], Kurlbaum, Höhne, Bazille u. Gen.) ; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksachen 1631, 1756) 5918 A Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Haushaltsgesetz 1959; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 1755, Umdruck 322) 5918 A Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abg. Dr. Bechert 5918 B Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abg Etzenbach (Drucksache 1776) 5918 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1960 (Haushaltsgesetz 1960) (Drucksache 1400) ; Berichte des Haushaltsausschusses — Zweite Beratung — 5918 D Einzelplan 01, Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksache 1700) . . Einzelplan 02, Deutscher Bundestag (Drucksache 1701) Ritzel (SPD) 5919 A Frau Rösch (CDU/CSU) . . 5919 B Einzelplan 03, Bundesrat (Drucksache 1702) Dr. Schild (DP) . . . . . . . . 5919 D Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksache 1703, zu 1703) Rasner (CDU/CSU) 5920 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. April 1960 III Erler (SPD) 5926 B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5937 A Lenz (Trossingen) (FDP) 5940 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 5942 B Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen 1704, zu 1704) Majonica (CDU/CSU) 5946 C Ritzel (SPD) . . . . . . . . 5948 A Scheel (FDP) 5950 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . 5953 A Dr. von Brentano, Bundesminister 5955 A Reitzner (SPD) . . . . . . . 5957 D Dr. Vogel (CDU/CSU) . . . . . 5958 A Einzelplan 06, Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen 1705, zu 1705); in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen (Drucksache 1734) — Erste Beratung — und Einzelplan 36, Zivile Notstandsplanung (Drucksachen 1726, zu 1726) sowie Antrag betreffend Gesetz über zivile Notstandsplanung (Abg. Heye, Frau Dr. h. c. Weber [Essen], Frau Dr. Hubert, Blachstein und Gen.) (Drucksache 1588) Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) . . . . 5959 A Dr. Schäfer (SPD) . . . 5961 D, 5974 B Eilers (Oldenburg) (FDP) 5965 B Matzner (SPD) . . . . . . . 5966 A Kühn (Bonn) (FDP) 5967 B Kühlthau (CDU/CSU) 5968 C Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 5970 B, 5971 B Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 5970 C, 5972 B Reitzner (SPD) . . . . . . . . 5971 B Dr. Schröder, Bundesminister . . 5973 A, 5975 B Nächste Sitzung 5976 C Anlagen 5977 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. April 1960 5887 108. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. April 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Atzenroth 6. 4. Dr. Baade 30. 4. Frau Dr. Bleyler 6. 4. Börner 10. 4. Brüns 2. 7. Dr. Burgbacher 9. 4. Cillien 9. 4. Frau Döhring (Stuttgart) 9. 4. Dr. Dr. h. c. Dresbach 9. 4. Even (Köln) 9. 4. Dr. Friedensburg 6. 4. Gedat 9. 4. Dr. Greve 15. 4. Dr. Gülich 16. 4. Günther 20. 4. Dr. von Haniel-Niethammer 7. 4. Holla 9. 4. Dr. Hoven 7. 4. Jacobs 6. 4. Jahn (Frankfurt) 23. 4. Dr. Jordan 9. 4. Kalbitzer 9. 4. Frau Klemmert 15. 5. Kramel 9. 4. Krammig 10.4. Leber 9. 4. Leonhard 6. 4. Lohmar 9. 4. Dr. Löhr 9. 4. Maier (Freiburg) 16.4. Dr. Martin 16. 4. Meitmann 9. 4. Neumann 9. 4. Ollenhauer 15. 4. Dr. Pflaumbaum 9. 4. Ramms 9. 4. Rasch 9. 4. Dr. Ratzel 30. 4. Richarts 9. 4. Dr. Ripken 15. 5. Scheuren 9. 4. Schröter (Berlin) 9. 4. Seither 9. 4. Spitzmüller 6. 4. Stenger 6. 4. Vogt 30. 4. Walter 9. 4. Worms 7. 4. b) Urlaubsanträge Dr. Becker (Hersfeld) 24. 4. Blachstein 20. 5. Dr. Bucerius 15. 5. Döring (Düsseldorf) 3. 5. Dowidat 30. 4. D. Dr. Gerstenmaier 14. 4. Dr. Görgen 20. 5. Köhler 30. 4. Kraft 9. 5. Dr. Mende 13. 4. Dr. Mommer 13. 4. Paul 20. 4. Dr.-Ing. Seebohm 30. 4. Dr. Serres 13. 4. Zoglmann 30. 4. Anlage 2 Entschließung des Bundesrates zum Straßenbaufinanzierungsgesetz. Die Zuschüsse des Bundes an die Länder für die Entwurfsberatung und Bauleitung für Baumaßnahmen an Bundesfernstraßen betragen zur Zeit 3 % der Bausumme. Dieser Prozentsatz steht heute nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu den durch die Planung und Bauausführung entstehenden Kosten, die für die ständige Weiterentwicklung der Straßen- und Brückenbautechnik erheblich gestiegen sind. Die Länder sind daher nicht mehr in der Lage, diese erhöhten Kosten allein weiterzutragen. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, den Satz von 3 % entsprechend den tatsächlichen Verhältnissen auf mindestens 5 % zu erhöhen. Anlage 3 Schriftlicher Bericht des Abgeordneten Dr. Seume zum Entwurf eines Gesetzes über eine Zählung im Handel sowie im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe (Handelszählungsgesetz 1960) (Drucksachen 1104 und 1681). Im Jahre 1956 stand die Absatzwirtschaft, repräsentiert durch den Groß- und Einzelhandel, mit einer Wertschöpfung von rund 20 Milliarden DM in der Aufbringung des Sozialproduktes an zweiter Stelle nach der Industrie. Aber im Gegensatz zu Industrie und Handwerk liegt für das Gebiet der Absatzwirtschaft kein umfassendes statistisches Untersuchungsmaterial vor. Seit 1950 fehlen statistische Grundlagen zur Erkenntnis und Darstellung der Strukturverhältnisse der Absatzwirtschaft, die in den letzten Jahren auch bei uns neue Vertriebsformen geschaffen und andere weiter entwickelt- hat, wie z. B. Selbstbedienungsläden, Versandhandel, Einkaufsverbände usw. Dadurch werden Umsatzgrößen und Zahl der Betriebe sowie der Beschäftigten in völlig neue Relationen zueinander gebracht, die zu kennen für die Wirtschaftspolitik, insbesondere für die Kredit- und Investitionspolitik und auch für die Sozialpolitik unerläßlich ist. Repräsentative Erhebungen allein können die erforderlichen Grundlagen nicht mehr vermitteln. Daher sieht dieser Gesetzentwurf in seinem Hauptteil eine einmalige Gesamterhebung vor. Sie findet statt im Rahmen der von den Vereinten Nationen für 1960 empfohlenen Volks- und Arbeitsstättenzählungen, der sogenannten Großzählungen. Der vorliegende, auf dem Gesetz über Statistik für Bundeszwecke vom 3. September 1953 beruhende Gesetzentwurf erfaßt bei allen Unternehmen des Groß- und Einzelhandels, der Handelsvermittlung sowie des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes u. a. Umsatz und Außenstände, Wareneingang und Warenbestand, Beschäftigte, Löhne, Gehälter und Sozialaufwendungen. Neben dieser Gesamterhebung ist eine repräsentative Ergänzungserhebung vorgesehen, die sich nur auf 15 % der Unternehmen erstreckt und von der die große Anzahl der Kleinbetriebe nicht erfaßt wird. Diese Ergänzungserhebung untersucht z. B. den Umsatz nach Abnehmerkreisen und nach dem Zahlungsmodus, die Zusammensetzung des Wareneingangs und die Investitionstätigkeit. Der Bundestag hat in der Sitzung vom 11. Juni 1959 den Entwurf dieses Gesetzes dem Wirtschaftsausschuß als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Mittelstandsfragen zur Mitberatung überwiesen. Die wesentlichen Änderungen gegenüber der Vorlage der Bundesregierung, die aus der Drucksache 1681 ersichtlich sind, beruhen auf besserer begrifflicher Abgrenzung durch den Wirtschaftsausschuß, auf seinem Bestreben, materiell wichtige Tatbestände deutlich im Gesetzestext zu verankern und nicht nur in der Begründung zum Gesetzentwurf zum Ausdruck zu bringen, sowie der Übernahme einer Reihe von Wünschen des Bundesrates. Der Wirtschaftsausschuß schlägt dem Hohen Hause vor, in § 4 den Abs. 1 a aufzunehmen und dadurch diejenigen Handwerksbetriebe in die Erhebung einzubeziehen, die Handel mit fremden Erzeugnissen, Handelsvermittlung oder Gaststätten betreiben. Mit Rücksicht auf die Kosten und auf die erst vor einigen Jahren, nämlich im Jahre 1956, erfolgte Handwerkszählung sollen nur 60 000 von den in Fragen kommenden 750 000 Betrieben erfaßt werden. Der Wirtschaftsausschuß hält es für zweckmäßig, für die Zukunft Teilzählungen in den Bereichen Handel und Handwerk wegen ihrer vielfachen Berührungen in kombinierter Form zu planen, und zwar im Anschluß an vorangegangene Volkszählungen. Um bezüglich der Wirtschaft des Saarlandes vergleichbare Ergebnisse erhalten zu können, schlägt der Wirtschaftsausschuß vor, den § 7 b, wie in DruckDrucksache 1681 vorgesehen, einzufügen, wodurch der bisherige § 9, der alte Saarparagraph, entfällt. Der mitberatende Ausschuß für Mittelstandsfragen hatte gegen die Fassung des Regierungsentwurfes keine Einwände zu erheben; seinen weiteren Anregungen wurden vom Wirtschaftsausschuß in vollem Umfange entsprochen. Die ursprünglichen Bedenken des Bundesrates wegen der Kosten, die im Rahmen der Gesamtaufwendungen für die Großzählungen in den Jahren 1959 bis 1962 mit etwa 113 Millionen DM zum weitaus größten Teil auf Länder und Gemeinden entfallen würden, sind durch eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, die auch für dieses Gesetz gilt, ausgeräumt worden. Hiernach sind Bund und Länder mit je 50 % an den effektiven Kosten beteiligt. Die Aufnahme einer Bestimmung in dieses Gesetz über die Kosten erübrigt sich daher. Namens des Wirtschaftsausschusses bitte ich, dem Handelszählungsgesetz in der in der Bundestagsdrucksache 1681 vorgesehenen Form zuzustimmen. Anlage 4 Umdruck 599 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1960, hier: Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen 1400 Anlage, 1703). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 04 03 Tit. 300 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers zur Förderung des Informationswesens — wird der Ansatz von 13 000 000 DM um 5 000 000 DM auf 8 000 000 DM gekürzt, erhält der Haushaltsvermerk folgende Fassung: „Die Mittel sind übertragbar. Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels unterliegt der Prüfung durch den Rechnungsprüfungsausschuß des Deutschen Bundestages und durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärung des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung." Bonn, den 6. April 1960 Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 Umdruck 510 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes, hier: Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen 1400 Anlage, 1705). Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. April 1960 5979 Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 06 02 — Allgemeine Bewilligungen I. In Tit 614 — Förderung der Wissenschaft a) Allgemeine und langfristige Förderung — wird der Ansatz von 158 471 700 DM um 23 000 000 DM auf 181 471 700 DM erhöht. Nr.2 der Erläuterungen erhält folgende Fassung: „2. Zusätzliche Förderung dringender Bedürfnisse der Wissenschaft 143 000 000 DM Der Bundesminister des Innern ist ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen über den Haushaltsansatz hinaus weitere Verpflichtungen für künftige Rechnungsjahre einzugehen bis zu 62 000 000 DM." 2. In Tit. 614 Förderung der Wissenschaft b) Förderung von wissenschaftlichen Institutionen von überregionaler Bedeutung — wird der Ansatz von 17 203 500 DM um 42 000 DM auf 17 245 500 DM erhöht. Nr.6 der Erläuterungen erhält folgende Fassung: „6. Zuschuß an die Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 210 000 DM" 3. In Tit 616 - Förderung der Kultur, soweit es sich um eine repräsentative Vertretung des Bundes oder um die Wahrung von Belangen gesamtdeutscher oder internationaler Bedeutung handelt wird der Ansatz von 4 380 000 DM um 800 000 DM auf 5 180 000 DM erhöht. Nr. 1g) der Erläuterungen erhält folgende Fassung: ,1 g) Aktion „Künstlerhilfe" 1 000 000 DM' Zu Kap. 06 09 — Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln — 4. In Tit. 300 — Für Zwecke des Verfassungsschutzes — erhält der letzte Absatz des Haushaltsvermerks folgende Fassung: „Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes; die Erklärung des Unterausschusses des Haushaltausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung." Zu Kap. 06 25 — Bundesgrenzschutz — 5. In Kap. 06 25 wird nach der Überschrift „II. Ausgabe" folgender Haushaltsvermerk eingefügt: „Die Bundesregierung ist ermächtigt, aus dem Kap. 06 25 zur Verstärkung der Bereitschaftspolizei der Länder bis zu 25 000 000 DM für Personal- und Sachausgaben zu leisten." Zu Kap. 06 34 Institut für Ost-Westforschung in Köln —Kap. 06 34 wird gestrichen. Zu Kap. 06 35 — Bundeszentrale für Heimatdienst in Bonn —7. In Tit. 300 — Für die Sacharbeit der Bundeszentrale für Heimatdienst — wird der Ansatz von 7 075 000 DM um 845 000 DM auf 7 920 000 DM erhöht. Zu Kap. A 06 02 — Allgemeine Bewilligungen — 8. a) Tit. 571 erhält die folgende Bezeichnung: „Tit.571 Darlehen zur Deckung des Nachholbedarfs der Krankenanstalten b) In Tit. 571 wird der Ansatz von 25 000 000 DM um 25 000 000 DM auf 50 000 000 DM erhöht. Die Erläuterung erhält folgende Fassung: „Zu Tit. 571 Zur Deckung des Nachholbedarfs der Krankenanstalten, insbesondere zur Rationalisierung von Einrichtungen im medizinischen und im Wirtschafts- und Versorgungsbereich sollen in den Jahren 1960 bis 1965 zinslose Darlehen im Gesamtbetrage von 300 000 000 DM gewährt werden. Für 1960 werden für diesen Zweck erstmalig 50 000 000 DM bereitgestellt. Die Darlehen sind bei einem Freijahr mit 2 vom Hundert jährlich zu tilgen." Bonn, den 6. April 1960 Ollenhauer und Fraktion Anlage 6 Umdruck 521 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1960, hier: Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 1400 Anlage, 1701). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 01 wird folgender neuer Tit. 952 ausgebracht: „Tit. 952 Für die Schaffung eines Wohn- und Altersheimes zur Unterbringung alter und kranker pflegebedürftiger deutscher Emigranten, die als Opfer des Nationalsozialismus in Brüssel leben DM Bonn, den 6. April 1960 Ritzel Kühn (Köln) Ollenhauer und Fraktion Anlage 7 Umdruck 527 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1960, hier: Einzelplan 05 Geschäftsbereich des 5980 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. April 1960 Bundesministers des Auswärtigen (Drucksachen 1400 Anlage, 1704). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 05 02 — Allgemeine Bewilligungen — Nach Tit. 679 wird folgende Überschrift eingefügt: „Einmalige Ausgaben". Darunter wird folgender neuer Tit. 950 eingefügt: „Tit. 950 Beitrag der Bundesrepublik zum Weltflüchtlingsjahr 5 000 000 DM Zu Tit. 950 Einmaliger Beitrag der Bundesrepublik für das Flüchtlingshilfeprogramm der Vereinten Nationen (UNREF) im Rahmen des Weltflüchtlingsjahres." Bonn, den 6. April 1960 Ollenhauer und Fraktion Anlage 8 Umdruck 532 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1960, hier: Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes (Drucksachen 1400 Anlage, 1704). Zu Kap. 05 02 — Allgemeine Bewilligungen In Tit. 604 — Zuschuß an die Deutsche Atlantische Gesellschaft — wird der Ansatz von 30 000 DM auf 60 000 DM erhöht. Bonn, den 6. April 1960 Dr. Krone und Fraktion
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    Rede von Will Rasner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Bundestagsfraktion der CDU/CSU darf ich erklären, daß wir dem Etat des Bundeskanzlers zustimmen werden. Das zwingt dazu, einerseits über die Leistungen des Bundeskanzlers und seiner Regierung zu sprechen, aber das darf nicht das einzige sein. Ich will diese Debatte auch in eine andere Richtung ausweiten. In meiner schleswig-holsteinischen Heimat steht dem Regierungschef der Führer der Opposition gegenüber. Hier in Bonn kennen wir diese Institution nicht; leider, wie ich sagen will.

    (Zuruf von der SPD: Ihr Fehler!)

    Herr Kollege Mende möchte das nicht. Die Rolle
    der FDP in diesem Hause ist ja auch nicht ganz einfach.

    (Heiterkeit.)

    Aber weil es ,die Institution des Führers der Opposition nicht gibt und weil wir auch keine Großen Anfragen an die Opposition richten können, muß man sich beim Haushalt des Bundeskanzlers mit der Opposition im ganzen als dem Gegenspieler der Regierungsmehrheit auseinandersetzen, und das bedeutet nun einmal: im wesentlichen mit der SPD. Eine Personifizierung ist ,da nicht ganz einfach. De jure ist wohl der Kollege Ollenhauer Nummer 1, de facto scheint uns der Kollege Wehner Nummer 1 zu sein. Wer Nummer 1 in den Augen ides umworbenen Wählers sein soll, steht wohl auf der linken Seite noch nicht ganz fest. Im Augenblick liegen wohl Professor Schmid und Willi Brandt gut im Rennen. Bei uns ist die Situation mit Konrad Adenauer wesentlich einfacher.

    (Beifall' und Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Aber noch einmal: Beim Haushalt des Bundeskanzlers muß nicht nur über Konrad Adenauers Politik gesprochen werden, sondern auch über die Politik der Opposition. Ich nehme an, daß das nicht bestritten wird. Ich sage jetzt schon, daß dieses Kapitel leider nicht ganz kurz sein kann. Kritik muß in der Sache hart sein; in der Form will ich mich bemühen, kollegial Konzilianz zu üben. Für ein entsprechendes Zuhören wäre ich dankbar.

    (Zurufe von der SPD.)

    Aber zunächst noch einmal direkt zum Etat des Bundeskanzlers! Die Verlockung ist groß, zu Beginn
    der Beratungen über den Haushalt Dr. Adenauers einen — dann wahrhaft stolzen — Leistungsbericht zu geben, das um so mehr, als in das vergangene Haushaltsjahr die zehnte Wiederkehr des Tages der Gründung der Bundesrepublik fiel, Alle Fraktionen im Ältestenrat haben sich darauf geeinigt, im Plenum tunlichst nicht das vorzutragen, was ohnehin nachzulesen ist. So will auch ich mich auf einige wenige Zahlen beschränken. Bei der Beratung der einzelnen Ressorts kann das dann immer noch umfangreich, wenn gewünscht, ergänzt werden.
    Man kann sogar Außenpolitik in Zahlen wiedergeben. 1949 war die Bundesrepublik, wie wir uns alle noch erinnern können, außenpolitisch völlig isoliert. Heute unterhalten wir zu 73 Staaten diplomatische Beziehungen und zu weiteren 7 konsularische. Über die Bündnissysteme, an denen die Bundesrepublik zur Verteidigung der gemeinsamen Freiheit aller Vertragspartner beteiligt ist, wurde in diesem Hohen Hause schon oft gesprochen, so daß ich mir eine Aufzählung ersparen kann.
    Einige innenpolitische Fakten und Zahlen! Ich mache es kurz. Das Sozialprodukt des Jahres 1950 betrug 97,2 Milliarden DM, das des Jahres 1959 236,3 Milliarden DM.

    (Abg. Rösing: Hört! Hört!)

    Während die Zahl der Arbeitslosen von 8,8 % der Arbeitnehmer im Jahre 1949 auf 0,9 % der Arbeitnehmer heute herunterging, stieg die Zahl der Beschäftigten von 20,1 Millionen auf 25,3 Millionen und die der Arbeitnehmer von 13,6 auf 20,1 Millionen. Nach dem heute veröffentlichten Bericht stehen 256 000 Arbeitslosen 453 000 offene Stellen gegenüber.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Der Wert der deutschen Ausfuhr betrug im Jahre 1950 8,4 Milliarden DM, im Jahre 1959 40,7 Milliarden DM. Bei der Einfuhr lauten die entsprechenden Zahlen 11,4 und 35,1 Milliarden DM.
    Eindrucksvoll sind auch die Zahlen über den Gold-und Devisenbestand. Während 1950 Devisen im Werte von 1,1 Milliarden DM vorhanden waren und die Deckung der Währung durch Gold praktisch entfiel, besagen die Ziffern des jüngsten Berichtes der Deutschen Bundesbank, daß wir über Devisen in Höhe von 24,34 Milliarden DM und darüber hinaus über Gold im Werte von 11 Milliarden DM verfügen. Das bedeutet, daß der Bargeldumlauf zu reichlich 120 % gedeckt ist.
    Ebenso eindrucksvoll ist das Kapitel der Sozialleistungen. Die gesamten Sozialleistungen der Bundesrepublik betrugen im Jahre 1949 9,9 Milliarden DM, im Jahre 1959 32,3 Milliarden DM.
    Und hier gleich noch eine Zahl: für Leistungen aus dem Soforthilfe- bzw. dem Lastenausgleichsfonds ist bis zum März 1959 die ungewöhnliche Summe von 30 Milliarden und 913 Millionen DM ausgegeben worden.

    (Abg. Rösing: Hört! Hört!)

    Ich halte es in diesem Zusammenhang aber auch für nötig, die Wiedergutmachungsleistungen zu nen-



    Rasner
    nen. Sie erreichten insgesamt die Höhe von 11 Milliarden und 135 Millionen DM. Die Ziffern sind errechnet auf der Basis vom 31. Dezember 1959, wobei der Hauptposten in Höhe von 7,255 Milliarden DM auf das Bundesentschädigungsgesetz entfällt, während auf den Israel-Vertrag 1,9 Milliarden DM entfallen.
    Mit diesen Zahlen mag es schon sein Bewenden haben. Erinnern Sie sich aber in diesem Augenblick alle wirklich noch des Jahres 1949? Meine Damen und Herren, wir haben auch heute noch Sorgen, und wahrlich nicht geringe. Aber seien wir doch ehrlich: Was sind die Sorgen von heute, die Sorge über die Überhitzung der Konjunktur, die Sorge über den Devisenüberschuß, die Sorgen im Gefolge von Vollbeschäftigung und Mangel an Arbeitskräften, was sind diese Sorgen im Vergleich zu denen um Währungsverfall und Millionenheere von Arbeitslosen? Säße uns nicht Tag und Nacht die brennende Not des geteilten Deutschlands im Nacken, meine Damen und Herren, es wäre eine Freude, sich immer wieder neu an der Bewältigung dessen zu versuchen, was wir heute in der Bundesrepublik unsere Sorgen, unsere Nöte nennen müssen!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren von der Opposition, räumen Sie das doch endlich auch einmal ein! Ist denn eigentlich das Anerkennen von Leistungen der Regierung einer anderen Partei wirklich so schwierig? Gehört denn wirklich so viel Mut dazu, einmal dem anderen zu sagen: Das hast du gut gemacht?

    (Abg. Schoettle: Was soll denn diese demagogische Frage?)

    — Vom Nein zum Ja, Herr Kollege Schoettle —(Abg. Schoettle: Das ist eine sehr demagogische Frage!)

    — Das ist keine demagogische Frage. Ich finde, das ist ein sehr positives Ansprechen. Ich räume ein, Herr Kollege Schoettle, vom Nein zum Ja ist es ein weiter und nicht einfacher Weg. Dazwischen liegen das Nörgeln, das halbe Ja und dann wieder das Bohren in Kleinigkeiten, das Sticheln, das Vor und Zurück, das Schwanken.
    Dafür ein Beispiel aus der Außenpolitik. Ich spreche hier über die Ausgestaltung des deutschfranzösischen Verhältnisses durch die Regierung Adenauer und die Haltung und Einstellung der SPD zu dieser Frage. Leider muß gesagt werden, daß die verschiedenen Etappen einer deutsch-französischen Annäherung, die schließlich zur deutsch-französischen Freundschaft geführt haben, in diesem Hohen Hause nicht die geschlossene Zustimmung fanden, die sie verdient gehabt hätten. Hier hat die deutsche Sozialdemokratie eine geschichtliche Aufgabe verpaßt. Nichts hätte näher gelegen als ein Versuch der Opposition, bei dieser Politik die Führung zu übernehmen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Statt dessen gefiel sich die SPD in der Rolle des Bremsers.
    Der Eintritt der Bundesrepublik in den Europarat, die Gründung der Montanunion mußten gegen die
    sozialdemokratische Opposition durchgesetzt. werden. Es ist meines Erachtens unbestreitbar, daß, wäre der EVG-Vertrag in Bonn rasch und reibungslos ratifiziert worden, Frankreich die Europäische Verteidigungsgemeinschaft nicht hätte scheitern lassen. Wie anders sähe es in Europa heute aus, wenn die militärische Integration damals vollzogen warden wäre, und wieviel weitschauender handelten die französischen, belgischen und niederländischen Sozialdemokraten als die vom Anti-Adenauer-Komplex besessene SPD!
    Sagen Sie bitte nicht, meine Damen und Herren von der SPD, Sie hätten mit Ihrem Nein der Sache der Wiedervereinigung einen guten Dienst geleistet. Das Gegenteil ist wahr. Wieviel schwerer könnten die Sowjets einem vereinigten Europa das verweigern, was sie dem deutschen Volk vorenthalten zu können glauben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. Abg. Mattick: Das ist eine Neuauflage!)

    — Das ist keine Neuauflage, sondern das sind genau die politischen Punkte, die beim Haushalt des Bundeskanzlers, insbesondere dann, wenn wir Veranlassung haben, auf 10 Jahre Politik zurückzublicken, ausgesprochen werden müssen, gleichgültig, ob Ihnen das schmerzhaft ist oder nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Es war nach meiner Überzeugung ein folgen- schwerer Fehler der Opposition, Europa gewissermaßen zurückstellen zu wollen, statt es für die Anliegen auch des deutschen Volkes zu aktivieren. Aber nachdem die SPD wenigstens den Weg der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zunächst mit uns gegangen ist, mußte man in letzter Zeit den Eindruck haben, daß sie auch darin wieder unsicher wurde.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Sind Sie — ich denke an Herrn Professor Erhard — denn wirklich so sicher?)

    Lassen Sie mich aber auch zu denjenigen ein Wort sagen, die die Politik der deutsch-französischen Freundschaft, diese grundlegende Voraussetzung für eine allmähliche Einigung des freien Europas, ständig mit Karl dem Großen und dem Reich der Karolinger in Verbindung bringen, um sie abzuwerten und zu diffamieren. Das Häßliche ist, daß dabei auch immer wieder auf die Konfessionsfrage angespielt wird, und zwar nicht, um zu versöhnen, sondern im Gegenteil, um Mißtrauen zu säen und zu spalten. Ist Opposition denn eigentlich wirklich nichts anderes, als, koste es, was es wolle, die Regierung zu verdächtigen und herabzusetzen?

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD: Die Wahrheit zu sagen!)

    Mir scheint, daß wir uns die deutsche Situation zu selten so klarmachen, wie sie tatsächlich ist und wie sie übrigens von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung instinktiv richtig gesehen wird.
    Auf deutschem Boden — Herr Kollege Erler, Sie haben heute morgen auch davon gesprochen —,



    Rasner
    nämlich in Mitteldeutschland, hat eine fremde Macht ein Bürgerkriegsregime errichtet und hält es gegen den Willen des deutschen Volkes aufrecht, Dieses Regime terrorisiert nicht nur 17 Millionen Deutsche, es ist auch fortwährend bemüht, die innere Ordnung in den freien Teilen Deutschlands zu unterminieren und zu erschüttern. Jährlich wendet es 350 Millionen Mark für seine dortigen kommunistischen Tarnorganisationen auf. Monatlich liefert es schätzungsweise 10 Millionen Druckschriften ins Bundesgebiet. Man sieht daran, daß sich die sogenannte DDR im Gegensatz zu dem Anspruch, den sie auf internationaler Ebene erhebt, selbst gar nicht als einen auf einen Teil Deutschlands beschränkten Staat ansieht, sondern als eine umstürzlerische Macht, die sich auf ganz Deutschland ausdehnen möchte.
    Die neue deutsche Demokratie steht hiergegen in einem harten, unerbittlichen Existenzkampf. Sie ist fest verankert auch in den Herzen der in der sowjetisch besetzten Zone lebenden Deutschen. Provisorisch ist der Regierungssitz Bonn. Die deutsche Hauptstadt ist und bleibt Berlin. Die Bundesregierung aber hat das international in der freien Welt anerkannte Recht, als einzige deutsche Regierung mit demokratischer Legitimation für das ganze Deutschland zu sprechen. Deshalb ist es unmöglich, die Bundesregierung und die sowjetischen Satrapen von Pankow auf eine Ebene zu stellen. Ich wiederhole, daß dieses Pankower Regime ein Bürgerkriegsregime ist, mit dem die deutsche Demokratie niemals paktieren kann, es sei denn, daß sie bereit wäre, sich selber aufzugeben.
    Ein Wort zur „Hallstein-Doktrin" , die es überhaupt nicht gibt. Es ist nicht wahr, daß die Bundesrepublik aus Prinzip keine Beziehungen zu den Satellitenstaaten aufnehmen könnte. Diese Staaten haben keine Handlungsfreiheit, und wir sind bereit, ihre besondere Lage in Rechnung zu stellen und zu prüfen. Wer aber die volle außenpolitische Handlungsfreiheit besitzt und trotzdem dem deutschen Volk mit der Anerkennung des Sowjetzonenregimes in den Rücken fällt, der kann nicht unser Freund sein und bleiben.
    Ich komme zu einem anderen Kapitel. Dieses Hohe Haus ist hervorgegangen aus allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl und hat dann mit absoluter Mehrheit Konrad Adenauer zum Bundeskanzler gewählt. Dr. Adenauer hat darauf vor diesem Haus seinen Eid geleistet. Warum sage ich das? Weil Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, deren Partei so gern für sich in Anspruch nimmt, besser als alle anderen zu wissen, was freiheitliche Demokratie denn nun wirklich ist, sich unverändert bis zum heutigen Tag nicht abgefunden haben mit dem Wahlergebnis von 1957, nicht abgefunden haben mit der Tatsache, daß Konrad Adenauers Kanzlerschaft dem frei geäußerten Willen der Mehrheit unseres Volkes entspricht. Der Respekt aber vor diesem Willen des Volkes, von dem alle Staatsgewalt ausgeht, der Respekt auch vor dem Eid des Bundestagskollegen Dr. Adenauer sollte Sie eigentlich die Verpflichtung spüren lassen, den Regierungschef vor den Augen des Inlands wie des Auslands nicht derart teils leichtfertig, teils haßerfüllt politisch wie menschlich herabzusetzen, wie das jetzt schon seit zehn Jahren geschieht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Als Dr. Adenauer am 5. Januar dieses Jahres seinen 84. Geburtstag feierte, da kommentierte das der offizielle Pressedienst der SPD, für den Kollege Wehner hier im Hause die presserechtliche Verantwortung trägt, mit Feststellungen wie: der Bundeskanzler ermangele jeder Achtung vor der Würde der parlamentarischen Institution, er füge dem Geist des Grundgesetzes schweren Schaden zu, er täusche das Parlament, und sogar, er trage mit die Verantwortung für die Gefahr, die heute Berlin droht.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! — Pfui!)

    Ich will nicht auf die menschliche Seite dieses Geburtstagsgrußes an einen 84jährigen Kollegen eingehen.

    (Zuruf von der SPD: Ach nee!)

    Dr. Adenauer hat am Tag nach Erscheinen dieser „Gratulation" dennoch einen Blumenstrauß der SPD angenommen. Das war die Haltung eines souveränen Staatsmannes. Ich wünsche mir selber einmal só viel Gelassenheit! Ich will hier jedoch sprechen über die politische Bedeutung giftiger Herabsetzungen des Regierungschefs am Vorabend großer internationaler Konferenzen, bei denen das Schicksal Berlins und der Bundesrepublik zur Debatte steht: Wo gibt es das in der freien Welt, daß man den Sowjets die Vokabeln zum Angriff auf die eigene Regierung so frei Haus liefert?! Man braucht schließlich nur die Leitartikel des SPD-Kollegen Behrisch zu lesen — wenn Sie wollen, ich habe die Zitate hier —, um geradezu erschreckende Parallelen zum Jargon von drüben zu finden. Tröstlich ist es allenfalls, daß es über diese Art von Journalismus auch in der SPD-Fraktion Erschrecken gibt, und gelegentlich warnt dann wohl auch einmal einer vor allerlei trojanischem Getier. Wir haben uns natürlich immer wieder nach der Ursache der Verhärtung in der parteipolitischen Auseinandersetzung gefragt.

    (Abg. Jahn [Marburg] : Wer soll Ihnen denn das glauben, Herr Rasner?)

    — Ich komme darauf zurück, ich weiß gar nicht, ob Sie opponieren werden. Mit der beliebten Ausrede, der andere habe angefangen, ist gar nichts getan. Ich glaube, man muß da weit zurückgehen, und vielleicht halten Sie folgenden Gedankengang nicht für abwegig.
    Nach der Kapitulation — das ist zumindest meine Meinung — hat der verstorbene erste Vorsitzende der SPD, Kollege Kurt Schumacher — aus seiner Sicht verständlich — es für eine Frage geradezu der Gerechtigkeit vor der Geschichte gehalten, daß die deutsche Sozialdemokratie von der Historie die Chance erhielt, den freien Teil Deutschlands aus dem Dreck, aus der Not herauszuführen. Hinzu kam, daß dieser bedeutende Mann, dem Krieg und Naziterror furchtbar zugesetzt hatten, wohl wußte, daß seine eigene Zeit bemessen war; eine wahrhaft tragische Situation. Als dann 1949 der Wähler gegen die traditionsreiche SPD entschied — eine



    Rasner
    SPD, die gerade ein historisch bedeutsames Nein zur Verschmelzung von SPD und KPD zur SED in den drei Westzonen ausgesprochen hatte, ein Nein, das die Geschichtsbücher zu vermelden haben werden —

    (Abg. Erler: Auch in der Sowjetzone!)

    — auch in der Sowjetzone —, als diese Wähler einer jungen, neuen, einer aus Trümmernot geborenen modernen Partei, der CDU/CSU, den Vorzug gaben, da wurde das innerhalb der Sozialdemokratie als ein Unrecht vor der Geschichte empfunden, und Bitternis kam auf.

    (Zuruf von der SPD: Tiefenpsychologie!)

    Aus der Bitternis erwuchs das Nein, und als hinter dem Nein nicht mehr das politische Feuer Kurt Schumachers stand, wurde die Negation zur sturen Gewohnheit und griff vom sozialdemokratischen Nein zur Politik über zum Nein zu den Menschen in der CDU, zum pausenlosen Nein nicht nur zum Bundeskanzler, sondern auch zum Bundestagskollegen und Menschen Adenauer.

    (Abg. Dr. Schäfer: Und der Fraktionssekretäre auch!)

    — Der Fraktionssekretäre auch. Sie bestätigen zum mindesten die Richtigkeit der These.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schäfer: Sie machen es einem auch leicht!)

    Von dem bösen Wort „Bundeskanzler der Alliierten" angefangen bis zum heutigen Tage wurden die Vokabeln auch im Menschlichen immer härter, zugegeben: nicht nur bei der SPD.

    (Zurufe von der SPD: Na also!)

    Ich selber bekenne mich gern zur harten politischen Auseinandersetzung. Wo gerungen wird um den richtigen Weg für unser Volk und seine Freiheit, da ist auch Härte am Platz. Aber es gibt Grenzen, wenn wir nicht wieder entweder zur Radikalisierung oder zur Parteiverdrossenheit treiben wollen. Glauben Sie mir, gerade wir Jüngeren fühlen das, und ich erinnere in diesem Zusammenhang in positivem Sinne

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Sie sollten es etwas deutlicher machen, wenn Sie ablesen und wenn Sie zitieren!)

    an den letzten Artikel des Kollegen Lohmar im „Vorwärts", der dort Dr. Adenauer unter die wünschenswerten Vorbilder für unsere Bundeswehr einreihte.

    (Abg. Dr. Schäfer: Nennen Sie auch die anderen, wegen des Protokolls!)

    — Natürlich! Ich sagte „unter anderem", ich kann ihn verlesen.

    (Abg. Schäfer: Nennen Sie die anderen ruhig mit fürs Protokoll!)

    — Ich wurde aufgefordert, die anderen wegen des Protokolls mit zu nennen. Ich zitiere den Artikel gern:
    Man sollte deshalb die Männer der ersten demokratischen Revolution in Deutschland im
    Jahre 1848 ebenso zu Vorbildern der Bundeswehr wählen wie die demokratischen Führer der Weimarer Republik oder die politischen Repräsentanten des 20. Juli. Wir denken dabei etwa an Friedrich Ebert, Carl Goerdeler, Dietrich Bonhoeffer, Pater Delp oder Julius Leber und Stauffenberg. Auch an Männern wie Kurt Schumacher, Ernst Reuter oder später Theodor Heuss und Konrad Adenauer kann die Bundeswehr nicht vorbeigehen.
    Ich habe diesen Artikel in absolut positivem Sinne und bewußt erwähnt.

    (Zuruf von der SPD: Paßt doch gar nicht! — Abg. Jahn [Marburg] : Sie dementieren sich ja selbst! — Weiterer Zuruf von der SPD: Da haben Sie die falsche Form gewählt!)

    — Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Wenn ich mich hier bemühe, darzutun, daß gerade jüngere Kräfte auf allen Seiten dieses Hauses wissen, daß man sich hart politisch auseinandersetzen muß, daß es aber eine Grenze gibt um des Ansehens unseres' Staates willen, dann hätte ich nicht — wenn ich dann noch ein Beispiel aus Ihrer Fraktion wähle — Kritik und Zwischenrufe auf Ihrer Seite erwartet, sondern Zustimmung. Aber Beifall für einen CDU-Politiker ist bei Ihnen nicht drin.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Erler: Haben Sie heute früh nicht den Beifall gespürt, den Minister Lemmer auch von uns bekam?)

    — Das war etwas ganz anderes. (Lachen und Zurufe bei der SPD.)

    Es ist überhaupt in diesen Tagen recht viel die Rede vom Generationsproblem.

    (Abg. Metzger: Sie sind kein Junger, sie sind bereits ein Alter, Herr Rasner!)

    München und Regensburg sind da zwei Angelpunkte geworden. Mir scheint, daß hier im Augenblick die Gefahr besteht, die Optik von heute könne die Tatsache von gestern verdunkeln. Die CDU/CSU
    — und das muß hier auch einmal gesagt werden — unternahm und unternimmt seit ihrer Gründung den großartigen Versuch, als betont christliche, als nichtsozialistische Partei, den Bogen nicht nur zu spannen über die Konfessionen und Stände, sondern auch über die Generationen, und wir christlichen Demokraten sind hier — nehmt alles nur in allem, und Ausnahmen bestätigen die Regel — weiter als die SPD. Sie, Herr Bundeskanzler, haben mit Ihren gesegneten 84 Jahren wahrlich in bedeutenden Schlüsselfunktionen Ihres Kabinetts den Vierzigjährigen die Möglichkeit zu erfolgreicher Arbeit eingeräumt,

    (lebhafter Beifall in der Mitte)

    lange bevor einige bayerische Kommunalpolitiker Ihnen das Rezept abgeguckt hatten.

    (Anhaltende Zurufe von der SPD.)

    Die Ressorts Inneres mit Herrn Schröder, Verteidigung mit Herrn Strauß, Wohnungsbau mit Herrn Lücke sind von Männern in den Vierzigern besetzt. Der Gefahr der Überalterung sind CDU/CSU, ist



    Rasner
    unsere Regierung wahrlich nicht ausgesetzt, im Gegenteil. Beide waren und sind auf diesem Gebiet Wegbereiter der Zusammenarbeit zwischen der Generation des ersten und der Generation des zweiten Weltkrieges, wenn ich mich so ausdrücken darf.

    (Zurufe von der SPD: Herrn Oberländer haben Sie vergessen! — Lachen bei der SPD.)

    - Wenn ich recht unterrichtet bin, wollten wir morgen über Herrn Oberländer sprechen. Wenn Sie wünschen, können wir es auch heute tun.
    Ich habe vorhin schon einmal davon gesprochen, daß sich die SPD das Amt des Richters in Fragen der demokratischen Zuverlässigkeit, in Sachen politischer Moral und ähnlichen Bereichen anmaßt.

    (Zurufe von der SPD: Da müssen wir wieder „Oberländer" rufen! — Zuruf des Abg. Erler.)

    — Das sieht in der Praxis, Herr Kollege Erler, im allgemeinen so aus: Wenn sich die SPD mit der politischen Vergangenheit von CDU-Abgeordneten, Ministern und Staatssekretären beschäftigt, dann geschieht das „um der Sauberkeit des öffentlichen Lebens willen", geschieht „mit Rücksicht auf das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland" und wie die Formeln heißen. Wenn die CDU das gleiche tut — und sie tut das sehr selten, wie ich hier betonen möchte —, dann ist das etwas ganz anderes. Dann ist das „Rufmord", „Niederträchtigkeit", „Zweifel an der glaubhaften Wandlung eines Kollegen". Wir kennen das Vokabular.

    (Beifall in der Mitte.)

    Das sieht im Endergebnis so aus — entschuldigen Sie, man muß es einmal aussprechen —: Jeder ehemalige Pg. in den Reihen der CDU bleibt ein schlechter Demokrat, und jeder ehemalige Pg. oder ehemalige Kommunist in den Reihen der SPD ist ein guter Demokrat. So geht das nicht.

    (Beifall in der Mitte. Abg. Erler: Es kommt immer darauf an, w i e sich einer mit der Vergangenheit auseinandersetzt!)

    Ihre offiziellen Pressedienste — um ein klassisches Beispiel zu nennen — wärmen unverdrossen die gleichen Vorwürfe gegen Staatssekretär Globke auf, obwohl von jüdischen Verfolgten wie von den Kirchen, vom Ausland wie vom Inland seit Jahren Zeugnisse in großer Zahl vorliegen, die erweislich Ihre Schlußfolgerungen widerlegen. Was sollen diese Angriffe eigentlich? Wenn Sie jeden ehemaligen Nationalsozialisten, der seinen politischen Irrtum längst eingesehen hat — und dann bitte auch jeden Kommunisten —, von der Mitarbeit am Aufbau unseres neuen demokratischen und sozialen Rechtsstaates ausschließen wollen, dann sagen Sie das bitte und dann fangen Sie bei sich selber an!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber unterlassen Sie dieses Messen mit zweierlei Maß! Es ist undemokratisch und es verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und damit auch das klar ist: Im Programm der CDU/CSU steht kein neues Entnazifizierungsgesetz.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dabei gleich noch eins: Moskau, Prag und Pankow sind seit 1945 im Besitz zahlreicher Dokumente aus der NS-Zeit. Ginge es ihnen um Recht und Gerechtigkeit, um die Aburteilung von Verbrechen, nun, sie hätten längst diese Dokumente den Justizbehörden in der Bundesrepublik zuleiten können, und unsere Gerichte — dessen sind wir doch wohl alle sicher — hätten Recht gesprochen.

    (Abg. Erler: Das war ein Zitat von Dr. Arndt!)

    — Ich greife auch gerne einen guten Gedanken von Herrn Dr. Arndt auf. — Man braucht doch kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, warum der Osten jetzt diese Dokumente, gefälschte wie auch einige echte, in die Debatte einführt, jetzt, am Vorabend der Gipfelkonferenz, am Vorabend eines Stichtages, an dem zahlreiche Verjährungsfristen ablaufen.
    Noch ist die Vergangenheit nicht bewältigt, ganz gewiß. Aber Moskau und seine Handlanger wollen, daß wir v o n unserer Vergangenheit überwältigt bleiben, weil man ,das dort für eines von den vielen Mitteln hält, uns in der Gegenwart schließlich doch noch im bolschewistischen Sinne selber über wältigen zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich spreche beim Haushalt des Bundeskanzlers über diese Dinge, weil die Opposition auch in dieser Frage dem Bundeskanzler restaurative Politik vorwirft. Was das Böseste dabei ist: Sie wissen, daß Sie das zu Unrecht tun. Sie müssen es wissen; denn glauben Sie, daß Eisenhower und Dulles, daß Churchill und Macmillan, daß Henri Spaak und Dänemarks und Norwegens Ministerpräsidenten — um einmal sozialdemokratische ausländische Politiker zu nennen —, glauben Sie, daß David Ben Gurion sich mit diesem Bundeskanzler betont, bewußt, demonstrativ, freundschaftlich und vertrauensvoll an einen Tisch setzen würden, wenn Dr. Adenauers Politik der Restauration nazistischer Tendenzen diente?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie lehnen die Politik der CDU/CSU, die Politik Konrad Adenauers ,ab. Das ist Ihr gutes Recht. Haß ist aber dabei ein schlimmer Ratgeber.
    In das Haushaltsjahr 1959/60 fällt der Entschluß Dr. Adenauers, nicht, wie vorher erwogen und geäußert, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren. Das waren turbulente Wochen damals, und wir alle erinnern uns noch.

    (Abg. Metzger: Dunkle Wochen!)

    — Dunkle nicht, turbulente! Ich komme darauf zurück. In diesem Zusammenhang macht es nachträglich ein gewisses Vergnügen, Herr Kollege Erler, Ihre Rede zum Haushalt des Bundeskanzlers vom vergangenen Jahr nachzulesen, in der Sie so nachdrücklich auf die Tatsache hingewiesen haben, daß der Bundeskanzler und er allein die Richtlinien der



    Rasner
    Politik zu bestimmen habe. Aber unser Volk hat dann nach mancherlei erregten Debatten den freien, vor dem eigenen Gewissen verantworteten Entschluß Dr. Adenauers zunächst respektiert und anschließend begrüßt.

    (Zurufe von der SPD: Woher wissen Sie das?)

    — Als Präsident Eisenhower und der Bundeskanzler
    durch die Straßen von Bonn und Godesberg fuhren,

    (Lachen bei der SPD)

    wollen Sie anzweifeln — Sie lachen —, daß unser Volk neben Präsident Eisenhower den Regierungschef seines besonderen Vertrauens stehen sah und diesem Gefühl bewegenden Ausdruck gab?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und dann die vielen Versuche, Adenauer gegen Erhard, Erhard gegen Adenauer auszuspielen!

    (Lachen bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Dazu brauchen wir keine SPD!)

    Es gab Gegensätze; aber warum denn nicht? Wir sind keine uniforme Partei gutdisziplinierter Funktionäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir sind — ich darf das wohl sagen — eine junge Partei voller Leben und Farbe.

    (Lachen bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Eine Farbe!)

    Und zwischen Männern kann es wohl auch gerade um der Sache willen einmal Krach geben

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    — und nun hören Sie zu! —, vor aller Öffentlich-knit und nicht in camera caritatis wie etwa beim Krach zwischen Wehner und Mommer, der in Ihrer Parteizentrale unter Ausschluß jeder Öffentlichkeit mühsam ausgebügelt wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie sind beide die unseren, der Kanzler und sein Stellvertreter Erhard. Ich weiß, daß Ihre Sorgen gerade deswegen im Hinblick auf 1961 nicht geringer sind als 1957.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dabei gleich noch eines zur inneren Struktur unserer Partei. Der sogenannte Deutschland-Plan der SPD war nach Ihrer eigenen Darstellung eine Gemeinschaftsarbeit vieler und ist von einer großen Anzahl offizieller Parteigremien geradezu spektakulär-feierlich angenommen worden. Die Beerdigung ohne Anhören dieser Gremien nahm dann allerdings ein einzelner vor und, bums, war es aus mit dem Plan. Meine Damen und Herren, so einsame Entschlüsse wie Herr Wehner faßt nicht einmal der Bundeskanzler.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Herr Rasner, Sie können nicht einmal Zeitungsartikel lesen! — Lachen bei der CDU/CSU.)

    - Ich wollte Sie gar nicht tief schmerzen.

    (Abg. Dr. Deist: Das hat aber nicht geschmerzt! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Aber, Herr Bundeskanzler, in der Haushaltsrede zu Ihrem eigenen Etat kann und muß vom Sprecher der Regierungsmehrheit auch etwas Kritisches gesagt werden, wo Kritik einmal am Platz ist, insbesondere dann, wenn sich diese Kritik gleichzeitig an die Adresse der eigenen Partei, also an die CDU/CSU richtet. Ich glaube, die von uns getragene Regierung wie unsere Partei gehören, was politische Propaganda anbelangt, zu den unterentwickelten Gremien.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich rede jetzt nicht von der Informationsarbeit im Ausland. Aber wie sieht es eigentlich aus mit der notwendigen Aufklärung unseres eigenen Volkes über das, was geleistet wurde?

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Die Regierung, Herr Bundeskanzler, kann nicht sehr gut die Trommeln rühren; da sind andere viel tüchtiger. Hätte eine sozialdemokratische Regierung geleistet, was die Regierung Adenauer geleistet hat, die SPD hätte propagandistisch etwas anderes daraus gemacht.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    — Ich komme gleich darauf. — Nehmen Sie als Beispiel den Bau des neuen Stadtteils von Bremen! Na, dort baut Kaisen, dort baut die SPD; so war ja wohl der Wahlkampf angelegt. Wieviel ungezählte Millionen für dieses Objekt vom Bund kamen, Herr Kollege Lücke, das steht an keiner der Tafeln, die als Bauherrn das Land Bremen angeben und jede Firma, jeden Architekten nennen. Daß das Geld von Bund, Ländern und Gemeinden für den Wohnungsbau nur dank Ludwig Erhards Wirtschaftspolitik aufgebracht werden konnte, —(Zuruf des Abg. Mattick.)

    — Herr Kollege Mattick, erinnern Sie sich eigentlich noch dessen, was der Kollege Nölting hier in diesem Hause uns allen an Not, Elend, Massenarbeitslosigkeit im Gefolge der Wirtschaftspolitik Ludwig Erhards prophezeit hat? —

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Nein, auch diese Leistungen verkünden keine Tafeln. So gesehen ist es geradezu neckisch, wenn auch raffiniert, von der SPD immer wieder Kritik über massive Regierungspropaganda aus Staatsmitteln zu hören. Herr Bundeskanzler, das können Herr Kaisen und Herr Zinn besser, von Herrn Brandts Begabung auf dem Gebiet der Public-RelationsArbeit einmal ganz abgesehen.

    (Heiterkeit hei der CDU/CSU.)

    Die letzte Nummer des „Vorwärts" enthielt allein aus dem Raum Hessen — natürlich aus Hessen —Anzeigen im Werte von vielen Zehntausenden von Mark. Die CDU-Parteipublikationen erscheinen praktisch ohne Anzeigen.

    (Lachen und Rufe: Na, na! bei der SPD.)

    - Schauen Sie sich doch unsere Publikationen an, das „Monatsblatt", die „Union in Deutschland"! Sie wissen doch, daß das wahr ist, was ich sage.

    (Abg. Eder: „Der Rheinische Merkur!)




    Rasner
    — Das ist doch keine CDU-Publikation.

    (Lachen bei der SPD. — Abg. Erler: Sie können doch nicht eine Wochenzeitung mit einem Hintertreppenblättchen vergleichen!)

    Die Bundesregierung auf der einen Seite und die CDU/CSU auf der anderen Seite sollten sich vornehmen, endlich einmal bei der notwendigen Informations- und Aufklärungsarbeit mehr und Besseres zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, eigentlich im vergangenen Jahr zum Haushalt des Bundeskanzlers an politischen Grundsatzfragen vorgebracht? Der Herr Bundeskanzler selbst meinte damals, er sei ja sehr glimpflich davongekommen. Wenn ich einmal von den Abschiedsbemerkungen des Kollegen Erler an den Bundeskanzler absehe,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    dann handelte es sich um relativ vage Berner-kungen zur Außenpolitik, insbesondere zu den Beziehungen zu Großbritannien, um die Apostrophierung des Deutschland-Planes — das werden Sie heute sicher weglassen, Herr Kollege Erler —,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    um Beschwerden über die Behandlung der Opposition, um die übliche, aber deswegen nicht gehaltvoller werdende Behauptung, die öffentliche Meinung werde bei uns manipuliert — Stichwort: Reptilienfonds —, um ein paar nicht sehr tiefgehende Bemerkungen über das Parteiengesetz und um die Bitte, die erfüllt ist, die Regierung möge sich über ihre Pläne hinsichtlich der Notstandsgesetzgebung äußern. Das war alles. Wir möchten nicht, daß es Ihnen auch in diesem Jahr so an Stoff mangelt. Deshalb unsere heutigen Anregungen für den weiteren Ablauf der Debatte!
    Ich sage für die Fraktion der CDU/CSU noch einmal: Wir werden dem Etat des Bundeskanzlers geschlossen zustimmen. Diese Zustimmung ist für uns keine bloße Formalität. Sie ist der Ausdruck unseres persönlichen Respekts vor der bisherigen Leistung Konrad Adenauers.

    (Zuruf von der SPD.)

    — Sehen Sie, das sind die Vokabeln und die Unterstellungen, in denen Sie groß sind. —

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie ist der Ausdruck unseres Dankes für die Arbeit im vergangenen Haushaltsjahr. Vor allem aber ist diese Zustimmung der Ausdruck unseres Vertrauens in den Bundeskanzler für die im neuen Jahr vor uns liegende Arbeit.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir aufrichtig leid, daß die Christlich-Soziale Union in Bayern
    allem Anschein nach den Kollegen Rasner im dortigen Kommunalwahlkampf ungenügend hat zu Worte kommen lassen, so daß er seine Rede, die dort gut hingepaßt hätte, nun verspätet hier abgeladen hat.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Ich kann seinen Kummer verstehen. Er mußte ihn sich wohl vom Halse reden. Aber in allem Ernst, Herr Kollege Rasner: meinen Sie wirklich, daß dieser Auftakt, den Sie heute hier für die Haushaltsberatungen gegeben haben, im Einklang mit dem ist, worum der Fraktionsgeschäftsführer der CDU/CSU — ich glaube, er heißt Rasner — alle anderen Parteien gebeten hat, nämlich bei der Beratung in diesem Jahr sich Mühe zu geben, daß wir den Haushaltsplan möglichst fristgemäß verabschieden können? Ich habe nicht den Eindruck, daß die Ausweitung, die Sie versucht haben, und der Stil, in dem Sie sie versucht haben, einen Beitrag dazu geleistet haben. Wir werden auf jeden dieser Punkte eingehen, auch bei den anderen Einzelplänen. Wann der Haushaltsplan dann verabschiedet wird, das haben Sie zu verantworten, nicht wir.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren! Die Regierung ist von einer großen Reise wieder zurückgekehrt. Ich habe bewußt nicht etwa gesagt: der Bundeskanzler und der Außenminister, sondern: die Regierung ist von der großen Reise zurückgekehrt. Denn nicht ohne Grund kann man ja wohl feststellen, daß wir es in Wahrheit mit einem Einmannkabinett zu tun haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Rückkehr der Regierung hat ja auch den Kollegen Rasner offenbar beflügelt, heute eine wieder recht „mutige" Rede zu halten.
    Mir fällt dabei die Anekdote ein, die vor einigen Jahren kursierte, als der Regierungsapparat noch nicht so voll ausgebaut war, und die deshalb heute nicht mehr wörtlich angewandt werden kann, aber sicher in übertragenem Sinne immer noch eine gewisse Geltung beanspruchen kann. Damals hatten wir zwar den Bundeskanzler, aber wir hatten keinen Bundesaußenminister; dieses Amt mußte der Bundeskanzler selber wahrnehmen. Wir hatten auch noch keinen Verteidigungsminister; es gab noch nicht einmal die Dienststelle mit dem langen Namen, die dann später dem Kollegen Blank übertragen wurde. Um deren Besetzung ging es. Da stand also eines Morgens der Herr Bundeskanzler vor dem Spiegel und unterhielt sich mit seinem Außenminister

    (Oh-Rufe von der CDU/CSU)

    — ja, ja, mit seinem Außenminister! —, wer wohl Verteidigungsminister werden sollte,

    (Zuruf von der CDU/CSU: So'n Bart!)

    und kam dann zu dem Entschluß: „Einer von uns beiden wird es ja wohl machen müssen."

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)




    Erler
    Meine Damen und Herren, wenn das auch nicht mehr wörtlich zutrifft, in der Sache ist das leider immer noch so geblieben.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    In entzückender Weise wird dieser Zustand heute in der Züricher „Tat" beschrieben.

    (Zuruf.)

    — Die Schweiz ist ein altes demokratisches Land, von dem können wir eine ganze Menge lernen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie wäre es mit der „Zürcher Zeitung"?)

    — Die habe ich Ihnen ja heute schon einmal vorgehalten. Offenbar waren Sie nicht dabei. Es war ein sehr ,guter Beitrag in der „Zürcher Zeitung". Es ist ja nicht alles von Luchsinger.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.) In der „Tat" heißt es:

    Je länger desto mehr scheint die Bundesrepublik
    — er schreibt: „die Bundesrepublik"; das war offenbar ein falscher Federschlag, Zungenschlag kann man da wohl nicht sagen; er meint wohl die Bundesregierung, ich will es also in das Richtige bringen:
    Je länger desto mehr scheint die Bundesregierung einer riesigen Maschinenhalle zu gleichen, die ihren Strom aus einem einzigen leistungsfähigen Motor bezieht; fällt die Kraftquelle aus, dann ist sie auf schwache und bloß sporadisch arbeitende Hilfsmotoren angewiesen und droht alsobald zu erliegen.
    Ich betrachte mir also nun die Bank dieser so apostrophierten Hilfsmotoren hier.

    (Großer Beifall und Heiterkeit bei der SPD.) Dann heißt es in der „Tat" weiter:

    Man mag diese Feststellung, die sich gerade in diesen Tagen jedem Beobachter aufdrängt, als ein Kompliment für Adenauer auffassen. Man kann darin allerdings ebensogut ein einigermaßen erschreckendes Symptom für jene tiefsitzende und überaus bedenkliche Konstruktionsschwäche sehen, die der deutschen Kanzler-Demokratie innewohnt.
    Ich wollte Ihnen diesen nachdenklichen Satz nicht vorenthalten, weil ich nachher in einem anderen Zusammenhang darauf zurückkommen muß.
    Meine Herren, Sie alle wissen es ja doch auch, und Sie alle sind ja nicht immer so ungebärdig wie im Plenarsaal, wenn wir uns hier gegenübersitzen. Es gibt ja viel mehr, als Herr Kollege Rasner glaubt, auch persönliche Besprechungen — erfreulicherweise —, da schüttet mancher auch einmal bei uns sein Herz aus — auch umgekehrt —, und daher wissen wir, daß nicht alles so heiß gegessen wird, wie Sie es hier kochen, auch in Ihren eigenen Betrachtungen über das Verhältnis Ihrer Partei und der Mitarbeiter des Bundeskanzlers zum Regierungschef.
    Als der Außenminister einmal eine gewisse Initiative auf Auflockerung unserer Ostbeziehungen entfalten wollte, wurde er sehr rasch vom Bundeskanzler zurückgepfiffen; denn damals hatte der
    Kanzler wohl den Eindruck — von Wahlen versteht er etwas, das gebe ich zu , es könnten unter Umständen doch mit Hilfe der Vertriebenenverbände allerhand Bestrebungen mobil gemacht werden, die sich möglicherweise wahlpolitisch schlecht auszahlen würden. So unterblieb etwas, was eigentlich notwendig gewesen wäre, nämlich dafür zu sorgen, daß das Wort des freien Deutschland auch in jenem Teil Europas vernehmbar ist, in dem wir heute die deutsche Stimme Herrn Ulbricht überlassen. Den Schaden tragen nur wir, sonst niemand.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie haben vorhin dargelegt, es gebe gar keine Hallstein-Doktrin. Sie haben ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß man jene Staaten, die in Wahrheit nicht über volle außenpolitische Unabhängigkeit verfügen, sondern die mehr oder weniger in einem Suzeränitätsverhältnis zu einer anderen Weltmacht stehen, anders behandeln müsse als die, die wirklich voll entscheidungsfrei sind.

    (Abg. Rasner: „Prüfen" habe ich gesagt!)

    — Nachdem Sie das gesagt haben, ist es mir nahezu unverständlich, warum man sich denn mit der Prüfung dieser für uns lebenswichtigen Frage so viele Jahre Zeit genommen hat, statt zu handeln, solange es noch Zeit war; dann würde nämlich manches für die Bundesrepublik Deutschland in West und Ost längst besser aussehen.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Nach Ihrer Auffassung!)

    Ein zweiter Punkt, der auch zeigt, wie der Bundeskanzler eben auf Grund seiner Auslegung der Richtlinien der Politik seine Minister in jene Hilfsmotoren verwandelt, von denen in der „Tat" die Rede war: Der Herr Wirtschaftsminister beurteilt die möglichen Spannungen und Schwierigkeiten durch das Auseinanderbrechen des noch freien Europas in zwei vielleicht miteinander rivalisierende Wirtschaftsblöcke ähnlich wie wir Sozialdemokraten. Sie haben wegen unserer kritischen Anmerkungen zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihrem derzeitigen Kurs — nicht zum Prinzip, sondern zu ihrem derzeitigen Kurs — warnend den Finger erhoben und gesagt: „Da sieht man mal wieder die Feindschaft der Sozialdemokraten gegen Europa." Sie wissen doch genauso gut wie wir, daß das ein Problem ist, das nicht nur uns, sondern auch Ihnen bis auf die Regierungsbank hinauf Kopfschmerzen bereitet. Wer hat denn eigentlich die Inserate in den Zeitungen losgelassen, die vor einer Spaltung Europas in einen Block der Sieben und der Sechs gewarnt haben? Unter diesen Inseraten war doch der Name Erhard und nicht der Name Ollenhauer zu lesen; oder haben mich meine Augen so getrogen?

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun ist der Bundeskanzler wieder zurückgekommen, und damit ist auch diese Auflehnung des Ressortministers in einer wirtschaftlich für uns außerordentlich wichtigen Frage ihrem Ende zugegangen. Es hat heute wieder in den Zeitungen geheißen, er habe seinen Widerstand noch nicht aufgegeben. Ich
    5928 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode - 108, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. April 1960
    Erler
    möchte hoffen, daß die Bundesrepublik ihr Wort einlöst, das sie vielen Staatsmännern gegeben hat, die in Bonn zu Gast waren, daß sie sich nämlich ehrlich um den Brückenschlag zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Kleinen Freihandelszone, den äußeren Sieben, bemühen wird. Dieses ehrliche Bemühen kann nicht darin bestehen, daß man das von Zeit zu Zeit ausspricht, sondern nur darin, daß man dort, wo man zu handeln berufen ist, nämlich im Ministerrat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und in den anderen Körperschaften, in denen es um die europäische Zusammenarbeit geht, sich auch entsprechend verhält.
    Sie haben in diesem Zusammenhang einige weit zurückliegende außenpolitische Entscheidungen aufgegriffen. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: ich halte es nach wie vor für ungerecht, daß Sie jener Partei, die sich in der deutschen Geschichte wie keine zweite für die deutsch-französische Verständigung, für das Zusammenwachsen mit unserem Nachbarvolk eingesetzt hat, wegen der ganz konkreten Ablehnung eines bestimmten militärischen Projektes, nämlich der gescheiterten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, glauben nachsagen zu können, sie habe das aus grundsätzlicher Abneigung gegenüber unserem französischen Nachbarvolk und deswegen getan, weil sie nichts von der europäischen Zusammenarbeit und vom europäischen Zusammenwachsen halte. Darum geht es doch nicht. Wir haben uns der EVG widersetzt, genauso wie wir uns den Pariser Verträgen widersetzt haben. Das geschah aus einem ganz einfachen Sachverhalt heraus, den Sie bis heute auch nicht haben widerlegen können, nämlich daß mit jedem Tage, an dem die beiden Teile Deutschlands immer unlösbarer in die Militärapparaturen von Ost und West eingeschmolzen werden, daß mit jedem Tage, an dem die beiden Teile Deutschlands anfangen — der eine im Bereich der westlichen Militärorganisation und der andere im Bereich der östlichen —, eine immer wichtigere, für die jeweiligen Partner unentbehrlicher werdende Rolle zu spielen, die Chancen für die schließliche Wiedervereinigung unseres Landes in gesicherter Freiheit nicht größer, sondern immer geringer werden. Das beobachten wir doch in den letzten Jahren.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Das war der wesentliche Punkt, um den es ging.

    (Abg. Dr. Vogel: Eine reine Hypothese!)

    — Sie können es Hypothese heißen; das waren unsere Motive, wir lehnen nicht etwa die Zusammenarbeit in Europa ab.
    Wir haben Sie beschworen, bei der europäischen Zusammenarbeit daran zu denken, daß Europa durch den Eisernen Vorhang schon gespalten genug ist und daß man sich infolgedessen darum bemühen sollte, Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln, welche in diesem freien Europa nicht neue Gräben aufreißen. Ist es nicht so, daß genau das heute das Problem ist, das uns bewegt? Haben wir nicht eine bemerkenswerte Trübung unseres Verhältnisses zu Großbritannien zu verzeichnen? Wir wollen gar
    nicht untersuchen, ob die Verantwortung dafür immer nur die eine Seite trifft. Es ist sicherlich auch manches auf der anderen Seite bedenklich. Aber ich warne angesichts der deutschen Geschichte vor einer Unterschätzung der Wichtigkeit guter und anständiger deutsch-britischer Beziehungen. Jawohl, wir haben uns ausgesprochen für den dringend notwendigen Ausgleich unseres Volkes mit den früheren Kriegsgegnern im Westen. Wir waren der Meinung, daß es die Lage unseres Volkes nicht erleichtern würde, wenn wir diesen Ausgleich mit einer durch die Umstände nicht unbedingt gebotenen Zuspitzung unseres Verhältnisses nach Osten verbänden.
    Leider ist der Weg so gegangen — gegen unseren Widerstand! Jetzt stehen wir wieder an einem ähnlichen Punkt, wo die Frage gestellt werden muß, ob die unbedingt notwendige Freundschaft zwischen zwei Völkern, die jahrhundertelang miteinander verfeindet waren, zwischen den Deutschen und den Franzosen, ob die unbedingt notwendige Zusammenführung dieser beiden Völker so gestaltet werden muß, daß wir für die deutsch-französische Freundschaft zahlen mit der Entfremdung Großbritanniens.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das ist ein wesentliches außenpolitisches Problem. Das sollte Ihnen mindestens genauso viel Kummer machen wie uns. Darüber können wir nicht mit einigen Floskeln über die europäische Zusammenarbeit und über Karl den Großen mit seinem langen Bart hinweggehen. Hier geht es einfach darum, daß Europa schon so klein geworden ist, daß Großbritannien und Skandinavien als blühende Teile dieses Europas in diesem Europa auch ihren Platz haben müssen, nicht nur um ihretwillen, sondern auch um unsertwillen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich halte es eben einfach nicht für auf die Dauer durchhaltbar, daß wir den Briten gegenüber in eine Position geraten, die ein britischer Politiker mir mit den dürren, etwas bösen Worten etwa so gekennzeichnet hat: Wirtschaftlich und politisch wollt ihr uns vom Kontinent wegboxen, aber unsere Soldaten sollen dableiben. Das geht auf die Dauer nicht. Hier muß man sich vielmehr überlegen, daß doch das Engagement Großbritanniens in Europa und in Deutschland in der Zeit, in der wir leben, nicht begleitet sein kann von jenem Entfremdungsprozeß, der in den letzten Monaten bedenkliche Fortschritte gemacht hat.
    Doch zurück zu dem Thema der Behandlung der Minister durch den Bundeskanzler. Wir sprechen ja zunächst über den Haushalt des Bundeskanzlers. Ein weiterer Mann, der sicher in seiner Politik manchen Angriff von uns hat erdulden müssen, wenn wir anderer Meinung waren als er, der aber von uns immer als ein rechtschaffener und sachkundiger Mann geschätzt worden ist und wird, hat erleben müssen, daß der Bundeskanzler mit hoher Hand in sein Ressort eingriff, als gäbe es diesen Minister gar nicht. Ich erinnere an die Auseinandersetzungen um die Subventionen im Bundeshaushalt. Da hat der Herr Bundesfinanzminister eine sehr klare und für unsere Finanzpolitik erfreuliche Hal-



    Erler
    tung eingenommen. Was geschah? Es erschienen ein paar wichtige Verbandsvertreter, hinter denen sich eine gewisse geballte Wählermacht ansammelt, beim Bundeskanzler. Dann hat der Bundeskanzler so entschieden, als wäre er der Finanzminister, und die Pläne wurden entsprechend geändert. Meine Damen und Herren, glauben Sie wirklich, daß diese Art im Umgang mit nächsten Mitarbeitern dazu angetan ist — zumal wenn dann auch noch in der Öffentlichkeit vom Bundeskanzler Bemerkungen über den wirklichen Wert eines Ministeramtes fallen, wie das kürzlich in Köln geschah —,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    den Respekt vor den Einrichtungen des demokratischen Staates, von dem der Herr Kollege Rasner sprach, zu erhöhen?
    Der Unterschied zwischen uns ist offenbar der, daß wir selbstverständlich akzeptieren, daß auf Grund einer klaren Wahl und einer klaren Mehrheit Sie die Regierungspartei sind und die Regierung stellen und der Bundeskanzler ihr Chef ist. Das ist selbstverständlich. Genauso selbstverständlich respektieren wir, daß zu diesem Amte, das ja eine Einrichtung des Staates ist, auch das Ansehen gehört, das damit verbunden ist. Wir respektieren aber nicht, daß der Staat und die Regierung mit einem einzigen Manne identifiziert werden, als wäre er der Staat. Auch er ist ein gewählter Vertreter der Mehrheit dieses Hauses. Aber die Volksvertretung im ganzen muß auch auf ihren Rang bedacht sein

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    und darf nicht in Gefahr geraten, von einem Manne so auf die Seite geschoben zu werden, wie es nach Ihrer Rede fast den Anschein hatte. Vor diesem Wege möchte ich warnen, einfach weil es im deutschen Volk bei unserer beklagenswerten Geschichte immer noch allzu viele antiparlamentarische Ressentiments und Gefühle gibt, die wir nicht ohne Not virulent machen sollten. Deshalb muß dieses Parlament um seine Rolle auch im Bewußtsein der öffentlichen Meinung ringen. Deshalb darf es nicht einfach einem blinden Führerkult verfallen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Damit bin ich bei dem Verhältnis des Bundeskanzlers zum Parlament. Der Bundeskanzler ist von einer großen Reise zurückgekehrt. Wir sprechen heute über seinen Haushalt. Ich hatte erwartet — ich war eigentlich darauf eingerichtet —, daß der Herr Bundeskanzler diese ihm wie von selbst zugeflogene, durch keine Verfassung oder Geschäftsordnung behinderte Möglichkeit wahrnehmen würde, urn in ein paar Sätzen der Volksvertretung die wesentlichen politischen Ergebnisse seiner Reise vorzutragen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Dieses Ansehen haben Sie dem Parlament nicht zu verschaffen gewußt. Der Bundeskanzler ist offenbar nicht bereit, es dem Parlament zu geben, indem er dieser selbstverständlichen Verpflichtung ohne Ermahnung von sich aus nachgekommen wäre, statt zunächst einmal ans Fernsehen zu gehen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    So haben wir in Ermangelung einer Rede des Kanzlers über seine Politik zur Einbringung seines Haushalts eine Rede des Kollegen Rasner über die Politik der Opposition gehört: eine merkwürdige Verschiebung der Fronten. Aber das wird ja in diesem Hause modern. Wenn die Regierung zu bestimmten politischen Fragen keine Dokumente vorzulegen hat, wie in der Deutschlandfrage, nimmt man als Ersatz Dokumente der Opposition, damit man überhaupt über etwas zu reden hat.

    (Erneuter lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Ich möchte gleich eine Sache ein bißchen geraderücken, die Sie erwähnt haben. Sie haben geglaubt, ich würde nach dem Aufsatz meines Freundes Herbert Wehner im „Vorwärts" über den Deutschlandplan kein Wort mehr sagen. Aber nachdem Sie davon gesprochen haben, bin ich gern dazu bereit. Herbert Wehner hat in seinem Artikel — ich hoffe, Sie haben ihn ganz gelesen; wenn nicht, kann ich Ihnen das nur dringend empfehlen — klargestellt, was der Deutschlandplan bedeutet hat und was nicht. Er hat klargestellt, daß vieles, was Sie und was die Kommunisten in ihn hineingelesen haben, niemals darin gestanden hat. Er hat klargestellt, daß es sich dabei um einen Beitrag zu einer ganz aktuellen außenpolitischen Situation gehandelt hat, in der eine große Partei wie die unsere verpflichtet gewesen ist, wenigstens zu versuchen, den Regierungen einige Hinweise darauf zu geben, wie man möglicherweise

    (Abg. Dr. Heck [Rottweil]: Kapituliert!)

    fangen Sie doch nicht wieder mit dieser schäbigen Verleumdungskampagne an! — den toten Punkt in der Frage der deutschen Einheit überwinden könnte. Hören wir doch mit diesen Unterstellungen auf!

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Mattick [zu Abg. Dr. Heck] : Das hätte von Ihnen eigentlich nicht kommen dürfen!)

    Herbert Wehner hat also klargestellt, was dazu in dem Deutschland-Plan stand und was nicht darin stand. Und wenn Sie es genau wissen wollen: ich bin der Meinung, daß einige wesentliche Grundgedanken dieses Planes auch heute noch Gültigkeit haben, so z. B. der Gedanke, daß das wiedervereinigte Deutschland, wenn es überhaupt zustande kommen soll, naturnotwendig einen anderen militärischen Status haben muß als die Teile heute; denn es ist weltpolitisch ausgeschlossen, daß sich die Bundesrepublik vom Warschauer Pakt fressen läßt oder daß die Sowjetunion die Volksarmee dem General Norstad unterstellt. Beides ist ausgeschlossen. Infolgedessen wird das wiedervereinigte Deutschland einen anderen Status haben müssen, als die Teile ihn heute haben. Dieser Gedanke wird bleiben, solange die deutsche Frage nicht gelöst ist. Wenn Sie diesen Gedanken einmal begraben müßten, weil er unerfüllbar geworden wäre, würde das die Verantwortung derer sein, die damit die Spaltung Deutschlands und das Auseinanderreißen in zwei Staaten auch für die Zukunft zementiert haben.

    (Beifall bei der SPD.)




    Erler
    Übrigens — das wissen ja alle diejenigen, die sich in Ihren Reihen mit den Problemen beschäftigt haben, genauso gut wie wir — dreht es sich lediglich um den Weg dahin. Deswegen betrübt es mich immer wieder, daß selbst dieser Endzustand in Ihren Reihen in Zweifel gezogen wird. Wer aufmerksamer liest, was etwa der Verteidigungsminister Strauß über den möglichen Status eines wiedervereinigten Deutschlands gelegentlich gesagt und geschrieben hat, der wird finden, daß er in diesem Punkte zu den Nachdenklicheren gehört.
    Davon abgesehen gibt es immer noch Punkte zwischen uns, in denen Diskussion und Streit sein mag. Aber daß das wiedervereinigte Deutschland nicht en bloc in die NATO marschieren kann, darüber sind sich alle, die sich mit den weltpolitischen Problemen ernsthaft befaßt haben, vollkommen klar. Wer nicht bereit ist, diese Klarheit zu akzeptieren, der hat sich eben in Wahrheit mit der Spaltung unseres Landes abgefunden.

    (Abg. Dr. Heck [Rottweil] : Das ist keine Unterstellung?)

    — Nein! Bitte, Kollege Heck, ich bin bereit, über dieses Problem zu diskutieren, wenn wenigstens aus Ihren Reihen Gedanken geäußert werden, wie man den toten Punkt überwinden will, an dem die deutsche Frage steht.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der SPD: Wollen sie ja gar nicht!)

    Der zweite Gedanke des Deutschland-Plans, der von Bestand sein wird, ist folgender. Die beiden
    Teile Deutschlands haben sich auch und gerade durch die jetzt immmer sichtbarer werdende schreckliche Unterdrückungspolitik des Ulbricht-Regimes innerlich — ich meine jetzt in ihrer innenpolitischen Verfassung, nicht in der seelischen Lage der Bevölkerung — so weit auseinanderentwickelt, daß das Wiederzusammenfügen nicht einfach ein einziger revolutionärer Donnerschlag sein kann, wenn wir dabei einen bewaffneten Konflikt ausschalten. Das heißt, es wird sich dabei um einen langwierigen Weg handeln müssen. Über die Einzelheiten kann man reden. Ich spreche jetzt in der gemeinsamen Diktion des Deutschland-Planes der Sozialdemokratischen Partei und des Friedensplanes der drei Westmächte, dem die Bundesregierung ihre Zustimmung gegeben hat.

    (Abg. Majonica: Da ist aber euch nur die Diktion gemeinsam!)

    — Lesen Sie lieber beides noch einmal nach! (Abg. Majonica: Habe ich getan!)

    Nach dieser gemeinsamen Diktion wird es sich um ein stufenweises Wiederzusammenfügen handeln müssen.

    (Abg. Majonica: Es kommt auf die Stufen an!)

    - Eben, eben! Über jede dieser Stufen, über jede
    einzelne Frage kann man reden und wird man zu gegebener Zeit wieder reden müssen. Aber Sie haben sich ja gar nicht darum bemüht, ernsthaft mit uns über das ganze Problem zu sprechen, sondern
    Sie haben sich lediglich darum bemüht, mit Hilfe von einzelnen aus dem Zusammenhang herausgerissenen Bruchstücken zu beweisen, worauf es Ihnen ankam: daß die Sozialdemokraten eine Art gehobener Zwillingsbruder der Kommunisten seien. Darauf kam es Ihnen an und nicht auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Dokument; sonst hätten Sie Gegen-Ideen vorgebracht, über die man hätte reden können. Auf die warten wir heute noch.

    (Abg. Majonica: Nur wegen der aus dem. Zusammenhang gerissenen Sachen haben Sie ihn zurückgezogen?)

    Lesen Sie doch einmal den Aufsatz von Herbert Wehner! Da keine Regierung bereit gewesen ist, sich mit dem Grundgedanken dieses Plans ernsthaft auseinanderzusetzen, auch die sowjetische nicht, muß man bei der schnellflüssigen internationalen Situation zu jeder neu entstehenden außenpolitischen Lage seine Gedanken anders formen. Sie wissen genauso gut wie wir, wie schnellflüssig die Außenpolitik ist. Sie wissen genauso gut wie wir, daß wir auf der kommenden Konferenzserie wieder eine andere und leider Gottes keine bessere Situation haben werden als im vergangenen Jahr.

    (Beifall bei der SPD.)

    Herr Kollege Rasner sollte etwas weniger die Bonner „Dünste" lesen, die verschiedenen „Dienste", die da fabriziert werden und die den Umgang von führenden Sozialdemokraten untereinander in der Form spannender Kriminalromane darstellen. Ich kann Ihnen versichern: Sie können gelegentlich ruhig einmal einen Besuch bei uns machen. Wir werden Ihnen keine Schau vorführen. Wenn Sie sich an einer durchaus normalen Arbeitssitzung unserer Körperschaften beteiligten, würden Sie sehen, daß es da weniger wild und weniger dramatisch zugeht, als es der Öffentlichkeit vorgestellt zu werden beliebt.

    (Abg. Rasner: Ich nehme die Einladung an!)

    — Gut, wir werden uns über den Termin verständigen.
    Zurück zu dem Verhältnis des Bundeskanzlers zum Parlament! Solange die Mehrheit dieses Parlaments nicht bereit ist, seinen Anspruch auch der Regierung gegenüber zu vertreten und notfalls durchzusetzen, nützt doch alles Geschrei über die Parlamentsreform nichts. Sie sind ja ein Spezialist und Hüter der parlamentarischen Sitten. Jedenfalls hören wir gelegentlich von Ihnen immer mal wieder
    — entweder hier oder draußen in der Presse — das schöne Wort vom „parlamentarischen Stil" und von dem, was nach der Meinung des Kollegen Rasner dazu gehöre und was nicht. Entschuldigen Sie, das Kernübel können Sie doch nicht aus der Welt schaffen, indem Sie eine neue Sitzordnung oder ähnliches hier einführen. Das Problem dieses Bundestages ist vielmehr das Problem seines Selbstbewußtseins, auch der Regierung gegenüber. Die Regierung wird vom Parlament gebildet. Auch wenn sie dann ein eigenes Verfassungsorgan ist, ist sie der Kontrolle dieses Parlaments unterworfen und ihm rechenschaftspflichtig und nicht etwa umge-



    Erler
    kehrt das Parlament bzw. seine Mehrheit ein Ausführungsorgan des Willens des Regierungschefs.
    Jetzt haben Sie erfreulicherweise Zustimmung bekundet. Aber Ihre Rede klang eher in die andere Richtung. Sie ging eher in die Richtung, coûte que coûte, den Willen des Regierungschefs auch in denjenigen Fragen zu vertreten, in denen in Ihrem Kreis die Meinungen noch geteilt sind.
    Ich habe mich damals einmal etwas über den Mut des Kollegen Kiesinger, der leider nicht mehr in diesem Hause ist, aber ein erfreuliches Wirkungsfeld in Stuttgart gefunden hat, gefreut, mit dem er einen unguten Sachverhalt öffentlich ausgesprochen hat. Auf der anderen Seite habe ich beklagt, daß er sich so leichthin damit abfand. Er hat das Verhältnis so charakterisiert: „Den alten Herrn, den ändern wir nicht mehr. Er will eben allein regieren. Und da er es bisher gut gemacht hat, wollen wir ihm das auch nachsehen." Sehen Sie, der erste Satz war eine zutreffende Tatbestandsbeschreibung, der zweite Satz war eine Kapitulationsurkunde.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber die hat er ja nicht nur für sich unterschrieben. Sie haben ja auch die Vorgänge um den Wechsel der Kandidatur für die Präsidentschaftswahl erlebt, wie der Bundeskanzler im vergangenen Jahr den Bundestag düpiert hat, hier eine Debatte über seinen Haushalt einfach abrollen ließ und in Wahrheit einigen Freunden schon gestanden hatte, daß die ganze Debatte sich im leeren Raume bewege, weil er seinen Entschluß rückgängig gemacht habe. Auch ein Zeichen dafür, wie man mit der Volksvertretung umgeht: daß solche Beschlüsse nicht hier verkündet werden, sondern abends im Restaurant des Bundeshauses zu erfahren sind!

    (Beifall bei der SPD.)

    Weiter hat Ministerpräsident Kiesinger gesagt, bei den Vorgängen um die Wahl des Bundespräsidenten habe nicht so sehr der Bundeskanzler versagt als vielmehr die christlich-demokratische Bundestagsfraktion. Auf diesen Punkt wollte ich Sie hinweisen, weil wir hier in diesem Haus unseren Rang angesichts mancher obrigkeitsstaatlicher Anwandlungen, die immer noch in unserem Volk herumspuken, nur werden behaupten können, wenn das Parlament als die gewählte höchste Körperschaft dieser Demokratie seinen Rang gegenüber der Regierung und gegenüber der Öffentlichkeit sichtbar geltend macht. Der derzeitige Regierungsstil ist nicht bekömmlich für die Entwicklung eines demokratischen Selbstbewußtseins unserer Bürger. Sicher ist das ein schwieriger Vorgang. Warum? Wir Deutschen haben das Unglück gehabt, daß wir uns nicht im Ringen mit unseren eigenen obrigkeitsstaatlichen Gewalten die parlamentarische Demokratie erkämpft haben, sondern die parlamentarische Demokratie ist bei uns zweimal als das Ergebnis einer schweren nationalen Niederlage in Erscheinung getreten, übrigens der Niederlage gerade jenes Obrigkeitsstaates in zweifacher Auflage, der unser Volk in Katastrophen hineingestürzt hat und dessen Katastrophenpolitik unser Vaterland immer kleiner werden ließ und auch noch zur schmerzlichen Zerreißung unseres Vaterlandes geführt hat. Diese Entstehungsgeschichte unserer Demokratie hat nicht gerade dazu beigetragen, daß sich die Demokratie in unserem Volk der Wertschätzung erfreut, ,die .das Selbsterrungene nun einmal hat.
    Um so wichtiger ist es, daß wir alle miteinander in einem Erziehungsprozeß .das Selbstbewußtsein der Bürger stärken, einen Beitrag dazu leisten, daß der „Untertan" überwunden und daß aus dem Untertan der Staatsbürger wird. Das geschieht natürlich nicht, wenn eine mehr oder minder autokratische Regierungsweise immer wieder die Neigungen obrigkeitsstaatlicher Art in unserem Volke begünstigt, das geschieht nicht, wenn der Regierungschef nicht ein Klima der Zusammenarbeit ausstrahlt, sondern wenn es bei ihm auf die Unterwerfung der anderen ankommt, wenn sogar gelegentlich einmal auch rechtsstaatliche Prinzipien etwas leichtherzig dadurch in Frage gestellt werden, daß man zur Selbstjustiz, zur Lynchjustiz aufruft

    (Zurufe von der CDU/CSU: Oho! — Übertreibung!)

    und dadurch kein gutes Beispiel für die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien gibt.
    Diese Art führt erklärlicherweise von Zeit zu Zeit auch zu Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Staaten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hören Sie auf!)

    — Entschuldigen Sie, wir haben Herrn Rasner angehört, als es um unsere Politik ging; jetzt werden Sie es ertragen müssen, einen Oppositionssprecher anzuhören, wenn es um Ihre Politik geht.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Da kam eben der freundliche Zwischenruf „Hören Sie auf". Ich freue mich, daß die Kollegen auf den vorderen Bänken anderer Meinung sind als die dahinten.

    (Abg. Niederalt: Was ist hier schon dazwischengerufen worden!)

    — Schön! Die Zwischenrufe sind das Salz der Rede. Aber dann müssen Sie es sich auch gefallen lassen, daß Ihnen geantwortet wird. Man läßt doch keinen Zwischenruf ungeschoren davonkommen! Kollege Rasner tut das ja auch nicht.
    Als wir lasen, wie es in Japan zu einem bedauerlichen Zwischenfall gekommen ist, haben wir daran denken müssen, daß es im Umgang mit anderen Völkern nicht immer nur darauf ankommt, die Sympathie der führenden Männer allein zu haben, sondern daß wir Freundschaft suchen müssen mit den Völkern und nicht nur mit den doch mitunter vergänglichen jeweiligen Regierungen, so wichtig es für die Regierungen auch ist, daß sie miteinander kooperieren. Deshalb bedauere ich ein wenig —Entschuldigen Sie, seit wann steht denn eigentlich der Bundeskanzler in seiner Tätigkeit unter Naturschutz? Es wird doch wohl möglich sein, eine Frage, die für das außenpolitische Ansehen des deutschen



    Erler
    Volkes wichtig ist., in allem Freimut anzusprechen und ein Wort der Kritik zu sagen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wozu die Aufregung? — Weitere Zurufe.)

    Solange es einen gewissen Gleichklang der Interessen gibt, werden solche Schwierigkeiten mitunter überdeckt. Schwierig wird es, wenn dieser Gleichklang der Interessen durch objektive Umstände einmal nicht mehr in vollem Ausmaß gegeben ist. Deshalb möchte ich hier in Erinnerung rufen, wie wichtig es uns jedenfalls erscheint, daß der Bundeskanzler auch durch sein Verhalten, auch durch die Art, wie er fremde Zeitungen behandelt, durch den Hinweis, es handle sich um Drahtzieher, die das deutschenglische Verhältnis störten, und ähnliches die deutsch-britischen Beziehungen in einer unseren Interessen abträglichen Weise belastet hat. Ich möchte hoffen und richte einen Appell in diesem Sinne an den Herrn Bundeskanzler, daß er sich gerade wegen der solidarischen Gemeinschaft, die wir auf der kommenden Gipfelkonferenz brauchen, auch um ein besonders enges Vertrauensverhältnis zu Großbritannien bemüht. Ich habe Anlaß, diesen Wunsch an dieser Stelle und am heutigen Tage besonders nachdrücklich vorzutragen.
    Ich möchte auch ein Wort der Warnung vor allzu plötzlichen Einfällen sagen. Man muß nicht gleich mit einem Einfall, den man am Frühstückstisch hat, an die Öffentlichkeit gehen, zumal wenn es sich um heikle, delikate Fragen handelt, die mit den Schicksalsfragen unseres Landes und unserer Hauptstadt in Verbindung stehen.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Sonst wird immer Phantasielosigkeit vorgeworfen!)

    — Hier handelt es sich eben nicht darum, daß ich beim Bundeskanzler in dieser Frage Phantasielosigkeit beklage, sondern darum, daß man nicht beim Regierungschef eines befreundeten Staates ein langes Gespräch über alle wesentlichen Fragen haben kann, um es ihm dann zu überlassen, am nächsten Tag in der Zeitung zu lesen, daß einem beim Frühstück ein wichtiger Punkt nachträglich eingefallen ist. Das ist schlecht.

    (Zuruf von der Mitte: Aber eingefallen!)

    Meinen Sie vielleicht, es sei für das Klima in dem betreffenden Lande ein Aktivum, wenn man den Regierungschef, auf dessen Verhalten es für uns jetzt sehr ankommt, in dieser Weise behandelt? Ich bitte, auch darüber ein wenig nachzudenken und hier nicht einfach nur Weihrauch zu streuen. Es kommt uns doch darauf an, Dinge, die uns gefährlich werden können, in der Zukunft zu vermeiden. Vor allem: wenn schon wichtige Dinge der Öffentlichkeit unterbreitet werden — immer wieder, Herr Rasner, auch wenn es Sie langweilt, auch wenn Sie gesagt haben, das hätten wir jedes Jahr gesagt —, erneuern wir unsere Bitte: wesentliche Entscheidungen erörtert man, bevor sie der Öffentlichkeit unterbreitet werden, mit denen, die es angeht, und nicht hinterher. Wesentliche politische Entscheidungen, die für uns alle von Belang sind, versucht man auch mit den anderen politischen Kräften in unserem Volk zu erörtern. Sie sind es doch, die immer die Gemeinsamkeit in den Lebensfragen der Nation heraufbeschwören. Diese Gemeinsamkeit kann eben — ich wiederhole es bis zum Uberdruß — nicht bloß darin bestehen, daß ein Mann glaubt, er allein erfinde die Politik und die Gemeinsamkeit bestehe darin, daß alle anderen sich hinten anzuschließen hätten; sondern dann muß miteinander diskutiert, müssen die Meinungen ausgetauscht werden. Dann hat immer noch der Regierungschef die Vollmacht, zu entscheiden, aber nicht anders herum.
    Dann haben Sie sich dem innerpolitischen Kampf zugewendet und gesagt, wir verstünden da manches besser als Ihre Partei. Sie können sich doch eigentlich nicht über einen zu sanftmütigen Bundeskanzler beschweren, der die Parole ausgegeben hat, in diesen innerpolitischen Auseinandersetzungen dürfe man im Umgang mit der Macht nicht zu „pingelig" sein. Meine Damen und Herren, Macht ist nicht gut oder böse, es kommt ganz darauf an, was man damit anfängt. Daß es in der Politik immer um Macht geht, ist selbstverständlich und wird Ihnen niemand verübeln. Dabei geht es um die Erringung und um den Gebrauch der Macht, jawohl, aber es geht dann auch darum, daß die Macht, über die man im Staate verfügt, nicht dazu gebraucht wird, um die Macht der Partei zu verlängern. Um das Verständnis bei den Wählern muß sich die Par t e i bemühen. Die Regierung hat zu informieren. Sie hat aus Steuermitteln keine Parteipropaganda zu betreiben; denn die Steuern werden nicht nur von den CDUMitgliedern, sondern von allen Staatsbürgern und auch von sozialdemokratischen Wählern erhoben.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Stoltenberg: Das gilt auch in Dortmund und Essen!)

    — Das gilt für alle, selbstverständlich, und wieweit Sie es da ernst nehmen, daß man auch gerade im Bunde endlich einmal den bestehenden Mißständen ein Ende setzt, werden Sie bei der Abstimmung über unseren Umdruck 509 beweisen können.
    Der Bundeskanzler hat schon im vergangenen Jahr versucht, die Parole auszugeben, es gelte nun, zum Sturm auf die Rathäuser anzusetzen. Ich kann ihm das nachfühlen; der Sturm ist nicht ganz geglückt. Inzwischen sind sogar noch ein paar andere Rathäuser für seine Partei verlorengegangen. Aber vielleicht verstärkt das nunmehr in Ihren Reihen den Versuch, die Meinungsbildung noch weiter zu gängeln. Da stehen einige Projekte zur Erörterung, über die heute Klarheit geschaffen werden sollte.
    Es heißt z. B., daß die geplante — oder schon eingerichtete — Koordinierungsstelle im Bundeskanzleramt eine Idee des Bundeskanzlers selber gewesen sei. Man will dort eine zentrale Planungsstelle für Informationswesen schaffen. Als ob es kein Bundespresse- und Informationsamt gäbe, mit einem recht aufgeblähten Apparat! Ich brauche Ihnen die Zahlen nicht noch einmal vorzutragen; wir kennen sie alle. Wenn der Bundeskanzler mit Herrn von Eckardt nicht zufrieden ist, soll er ihn in die Wüste schicken und durch einen anderen Mann ersetzen, der in stärkerem Maß sein Vertrauen hat. Aber dann

    Erler

    (loch nicht an, nunmehr einen Eckardt" zu schaffen! Man will nach der Reorganisation des Bundeskanzleramtes davon ausgehen, daß die Koordinierung der Regierungspolitik der Leitung von Staatssekretär Globke unterstehe, Zu allem Unglück sei nun das Bundespresseund Informationsamt Herrn Globke nicht unterstellt, weil es dort einen anderen Staatssekretär gebe. Deshalb könne das Bundespresseund Informationsamt diese Aufgabe nicht wahrnehmen. Mit anderen Worten: Der Herr Bundeskanzler legt Wert darauf, Herrn Globke zu einer Art Bundespressekanzler zu machen, noch über den Bundespressechef hinaus. Meine Damen und Herren, ich möchte warnen. In unserem Staate gibt ,es allzu leicht die Tendenz, wenn irgendwo eine Dummheit passiert, dann nicht etwa dafür zu sorgen, daß die Dummheit abgestellt wird, sondern zunächst die Frage zu stellen: Wer hat gepetzt, und wie ist es herausgekommen? Das ist ein unguter Zustand. Es ist die Aufgabe einer wachen öffentlichen Meinung, Dinge, die nicht in Ordnung sind, zur Aussprache zu stellen, damit sie abgestellt werden können. Wenn einmal dieses Ventil der öffentlichen Meinung zerstört ist, werden Sie rasch merken, wie schwankend der Grund wird, auf dem wir uns bewegen, und wie unkontrolliert dann auch jene Behörden eine Tages arbeiten könnten, an deren verantwortlicher Führung auch Ihnen gelegen sein sollte. Wir haben in der Rede des Kollegen Schneider in der Spaniengeschichte vorhin gehört, was er vom Pressewesen im allgemeinen und dem ausländischen Pressewesen im besonderen hält und was er sich von der Loyalität der Presse im Bereich der NATO verspricht. Um Gottes willen, wenn jetzt die Rezepte des Bundeskanzleramts auch noch international Mode werden, könnte man versuchen, so eine Art von internationalem NATO-Presseorgan zurechtzuschustern, um der Presse beizeiten die notwendigen Maulkörbe zu verpassen. Ich meine, daß es so nicht geht. Die Ressorts müssen die Möglichkeit haben, ihre Planungen, solange sie noch nicht endgültig spruchreif sind, auf dem normalen, bisher üblichen Wege in die öffentliche Diskussion hineinzubringen, weil wir bisher immer noch davon gelernt haben, was durch eine solche allgemeine politische und auch wissenschaftliche Auseinandersetzung herausgekommen ist. In diesen Zusammenhang gehört auch der Versuch, rechtzeitig vor dem Bundeswahljahr 1961 das Fernsehen zu bändigen. Ich will heute keine Fernsehdebatte entfesseln, sondern nur ein Prinzip aufstellen, von dem ich jedenfalls hoffe, daß auch der Kollege Heck als Sachverständiger seiner Fraktion dafür Verständnis hat. Laßt uns also nicht über Gebühren und auch nicht über unsere Gegensätze in der Frage des Werbefernsehens reden. In dieser kulturpolitischen Frage sind wir erfreulicherweise mit den großen Religionsgemeinschaften einig, und diese müssen es mit der CDU verderben. Laßt uns vielmehr zu dem entscheidenden Punkt kommen, den man ganz einfach so umschreiben kann: Heute ist es in Rundfunk und Fernsehen so, daß ich mich gelegentlich kräftig über den Rundfunk ärgere. Aber ich tröste mich dann damit, daß ich weiß, Herr Strauß und Herr Schröder ärgern sich über den Rundfunk ebenfalls. — Nehmen Sie kein Bandmaß, das ist wirklich zu kleinlich. (Abg. Niederalt: Aber der Proporz ist wichtig! — Weitere Zurufe von der Mitte.)


    (Heiterkeit.)


    (Zurufe von der Mitte: Viel mehr!)

    Wenn Sie die Sendungen einmal untersuchten
    und nach Regierungsfreundlichkeit und wirklicher Opposition einteilten, würden Sie rasch merken, daß Sie dabei noch über Ihre Wählerzahl hinaus gut abschneiden. Daß Sie im Verhältnis zur Sozialdemokratie so wenige Mitglieder haben, ist doch nicht unsere Schuld, und daß also mancher CDUPropaganda macht, ohne das CDU-Parteibuch in der Tasche zu haben, ist ebenfalls nicht unsere Schuld.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, sorgen Sie dafür, daß Sie Ihre Leute organisieren! Dann kommt der Proporz schon in Ordnung. Mir kommt es auf das folgende Prinzip an. Solange wir beide uns ärgern, ist es gut. Wenn wir beide uns nicht mehr ärgerten, wären Funk und Fernsehen so langweilig, daß die Hörer abschalten könnten. Aber wenn nur noch einer von uns beiden sich ärgern muß, dann hat unser Volk seine Freiheit verloren.

    (Beifall bei der SPD.)

    Deshalb müssen wir zäh darum kämpfen, daß Funk und Fernsehen ihre Unabhängigkeit insoweit bewahren, als sie bei der Erörterung der Probleme nicht nur eine Seite zu Wort kommen lassen dürfen, sondern immer die bunte Fülle des Lebens und die verschiedenen Ansichten unserem Volke offen vorlegen müssen.

    (Beifall bei der SPD. — Demonstrative Zustimmung in der Mitte. — Abg. Majonica: Ein sehr gutes Zukunftsprogramm!)

    Jetzt zu unserem Antrag Umdruck 509. Nach ihm sollen die Mittel, die dem Bundeskanzler zur Förderung des Informationswesens zur Verfügung stehen, von 13 Millionen DM um 5 Millionen DM auf 8 Millionen DM gekürzt werden. Wir verlangen selbstverständlich nicht die Streichung, weil ein jeder Staat über Mittel zur Förderung des Informationswesens für eine ganze Reihe von Aufgaben verfügen muß. Das ist unbestritten. Wir sind aber der Meinung, die bisherige Tätigkeit des Amtes läßt nicht darauf schließen, daß die bisher verausgabten erheblichen Beträge tatsächlich in einer an-



    Erler
    gemessenen Weise nur der Information und nicht auch der Propaganda zugeführt worden sind.
    Zum zweiten beantragen wir, in den Vermerk die Fassung aufzunehmen:
    Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels unterliegt der Prüfung durch den Rechnungsprüfungsausschuß des Deutschen Bundestages und durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärung des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung.
    Warum dieser Antrag? Wir wollen mit ihm erreichen, daß die Mittel aus diesem Fonds für Staat und Volk und nicht zugunsten einer Partei verausgabt werden. Da haben Sie nichts zu fürchten. Es gibt erheblich delikatere Einrichtungen in unserem Staate, bei denen eine solche Kontrolle geübt wird. Was denen recht ist, sollte diesem Propagandafonds billig sein. Falls Sie die Kürzung nicht mitmachen wollen, können wir über den Antrag Umdruck 509 notfalls auch getrennt abstimmen. Wenn Sie den Antrag wegen des Haushaltsvermerks ablehnen, müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, daß mit den Mitteln aus diesem Fonds in unkontrollierter Weise Propaganda getrieben wird.
    Diesen Vorwurf können Sie nicht dadurch entkräften, daß Sie hier sagen: „Nein, nein, wir sind so edle Leute, wir tun so etwas nicht", sondern den können Sie nur dadurch entkräften, daß Sie einer Gruppe zuverlässiger Abgeordneter dieses Hauses — die doch wohl mindestens genauso zuverlässig sind wie die damit befaßte Bürokratie — Einblick in die Verwendung dieser Mittel geben. Das ist einfach ein Gebot demokratischen Anstands, meine Damen und Herren.
    Wie sich das in der Praxis auswirkt, dafür hier ein Beispiel, das durch eine Kleine Anfrage der Freien Demokraten zutage gefördert worden ist. Da wurde gerade jetzt nach einer Veröffentlichung der Gemeinschaft für christlich-soziale Schulung und öffentliche Meinungsbildung e. V. „Kurz und Aktuell" gefragt. Es ging darum, ob diese Schrift direkt oder indirekt, ganz oder teilweise mit Haushaltsmitteln finanziert worden ist; danach wird man ja wohl noch fragen dürfen.
    Die Antwort darauf ist geradezu schnoddrig. Darin wird erst einmal der Haushaltstitel geschildert, und dann heißt es:
    Nach dem Haushaltsvermerk unterliegt die Jahresrechnung ... nur der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs. Es würde dem Sinne dieser gesetzlichen Vorschrift zuwiderlaufen, wenn die Bundesregierung über die Verwendung dieser Mittel Auskünfte an andere Stellen geben würde als an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Bundesregierung kann deshalb eine detaillierte Auskunft zu der vorliegenden Anfrage
    — meine Damen und Herren, sogar das Deutsch ist schauerlich —

    (1 weise Finanzierung der genannten Veröffentlichung aus Haushaltsmitteln keine Auskunft erteilen. Schon das Deutsch ist geradezu sagenhaft mit dem „kann eine detaillierte Auskunft ... keine Auskunft erteilen". Aber lassen wir das. Hierzu nur ein paar Bemerkungen. Nach diesem Verfahren können wir also überhaupt nicht mehr erfahren, bei keinem Bereich des Bundeshaushalts, ob irgendein Vorhaben aus öffentlichen Mitteln finanziert worden ist oder nicht. Man kann immer sagen: Da diese Mittel nicht der Auskunftspflicht unterliegen, können wir natürlich auch bei anderen keine Auskunft erteilen. Das ist ein geradezu lebensgefährliches Unterfangen. Sie können diese Praxis, dem Parlament die Anfrage darüber zu erschweren, ob irgendein Vorhaben mit öffentlichen Mitteln finanziert worden ist, nur dadurch beenden, daß Sie endlich einer kleinen Gruppe des Haushaltsausschusses Einblick geben. Dann noch etwas zu der Art der Unterschreibung dieser Antwort. Herr Abgeordneter Erler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Memmel? Herr Abgeordneter Erler, Sie haben gerade von einer Gruppe „zuverlässiger" Abgeordneter gesprochen. Ich darf doch annehmen, daß das ein lapsus linguae war? Sie meinen wahrscheinlich sachkundige Abgeordnete. Sie wollen doch nicht das Haus in zwei Gruppen einteilen, zuverlässige und unzuverlässige Abgeordnete? Natürlich nicht, zumal es durchaus möglich ist, daß jede Fraktion in den Haushaltsausschuß und infolgedessen auch in den Rechnungsprüfungsausschuß diejenigen Mitglieder entsendet, die ihr nach der Sachkunde geeignet erscheinen; selbstverständlich. Ich wollte nur klarstellen, daß die Abgeordneten des Bundestages wohl auch nach Ihrer Meinung mindestens ein genauso hohes Maß an staatspolitischer Zuverlässigkeit zugesprochen bekommen müssen wie die Bürokratie, die sich mit der Verwendung dieser Mittel beschäftigt. Das ist der Punkt, auf den es hier ankommt. Aber unterschrieben ist jene Auskunft nicht etwa von dem verantwortlichen Ressortchef, vom Bundeskanzler, auch nicht von seinem Staatssekretär, (Bundeskanzler Dr. Adenauer: Um die Sachen bekümmere ich mich überhaupt nicht!)


    (Zurufe von der CDU/CSU: Wieso?)