Rede von: Unbekanntinfo_outline
Am nächsten Morgen kurz nach 5 Uhr rollt der
Transport über den Brenner, kurz vor 6 Uhr
trifft er in Franzensfeste ein. In Innsbruck zeigte
das Thermometer 2 Grad, auf dem Brenner 11 Grad, in Franzensfeste 4 Grad unter Null. Die wärmende Heu- und Strohunterlage in den Waggons ist fast ganz verzehrt. Die Pferde stehen dicht aneinandergedrängt. Sie frieren.
Es vergehen mehr als fünf Stunden, bis das letzte Pferd ausgeladen ist. In Italien hat man Zeit, viel Zeit. Wiehernde, trampelnde, frierende Pferde warten noch Stunden nach der Ankunft in den Waggons. Das Pferd ist zur Ware herabgedrückt worden.
So ungefähr steht es auch in den deutschen Bedingungen: das Pferd ist eine Ware geworden, es ist nicht mehr eine lebende Kreatur, es ist verkauft und nicht mehr interessant.
In welcher Größenordnung spielt sich das ab? In der ersten Januarhälfte dieses Jahres gingen nach meinen Informationen mehr als 1000 deutsche Pferde nach Italien, von August bis Oktober 1959 rund 1500 Pferde aus der Sowjetzone über Rosenheim zum Weitertransport nach Italien. Die Transporte, die Exporte, erhöhen sich ständig.
Meine Damen und Herren! Um Ihnen zusätzlich einen Einblick in die Verhältnisse zu geben, unter denen diese Transporte vor sich gehen, darf ich aus einem Augenzeugenbericht folgendes vortragen:
Das Heu ist in einer halben Stunde verzehrt, und vor dem Abtransport werden die Anbindestricke gerettet, die Tiere also frei im Wagen gelassen. Daß der Hufschlag eines aufgeregten oder bösen Pferdes auch ohne Eisen schlimme Folgen haben kann, besonders bei den mitverladenen kleineren Pferden oder Fohlen, ist bekannt, und daß die geängstete Kreatur plötzlich im rüttelnden, dunklen Waggon, sich untereinander fremd, von Panik ergriffen werden kann, ist ebenso bekannt.
Meine Damen und Herren, diese Schilderungen — die sich nach Belieben vermehren ließen — sind schrecklich.
Darüber, wie die Pferde in Tirol ankamen, berichteten Augenzeugen. Ein Akademiker aus Innsbruck erwähnt einen Transport von Pferden, der am Brenner die Grenze passierte. Die Pferde stammten aus Lübeck und Bayern. Sie waren nicht angebunden. Ein Pferd stürzte. Die Tiere waren nicht gefüttert und getränkt. Niemand konnte helfen. Erst nach sechs Tagen erfolgte die Entladung, so daß die Pferde während dieser ganzen Zeit ohne Futter und Wasser waren. — Der Regierung steht der Name des Verfassers dieses Schreibens zur Verfügung.
Ein anderer Südtiroler berichtet — ich zitiere —: Ich habe als Geschäftsmann oft Gelegenheit, an Bahnhöfen die Ausladungen der sogenannten Schlachttiere aus Deutschland zu sehen. Ich muß schon sagen, leider — leider! Was man da zu sehen bekommt, fist das Scheußlichste, was man sich denken kann. Meist wenden die Tiere aus dem Waggon geworfen, denn sie sind, wie mir ein Bahnbeamter sagte, meist vier bis sieben Tage unterwegs und können kaum stehen. Blutend, hungrig, zitternd am ganzen Körper,
Ritzel
können sie sich kaum bewegen. Bei der Verladung auf Transporter oder .auf die Straße geht es los. Da wird von allen Seiten mit Ochsenziemern und Stöcken dareingeschlagen, meistens auch auf den Kopf, und blutig fallen die Pferde um. Dann geht das Schlagen erst recht an, und italienische Passanten helfen sogar mit.
Muß es sein, daß Deutschland Pferde nach Italien verkauft? Ich glaube, sie würden es alle unterlassen, wenn sie Einblick hätten, wie die Tiere zugrunde gemartert werden.
Ein Forstmeister schrieb mir: „Wenn man einem Pferd das Gnadenbrot nicht geben kann oder will, gebührt dem Pferd ein schmerzloser Tod." Darin sehen wir den Ausweg. Wir, die Antragsteller, sehen aber den ersten Ausweg in dem Versuch, durch die Verhinderung der Ausfuhr den armen gequälten Tieren zu helfen, sie zu retten. Ein Ausfuhrverbot ist in der Tat eine rettende Tat zugunsten eines der treuesten Gehilfen des Menschen in guten und in bösen Tagen.
Meine Damen und Herren! Unter den vielen Briefen befand sich auch ein Brief des Filmschauspielers O. W. Fischer, dem ich dafür danke, daß er mir in Wort des Dichters Edwin Erich Dwinger in Erinnerung gerufen hat, das lautet:
Ich glaube, daß wir ohne Tierliebe nie eine Kultur erhalten werden. Wir haben diese nicht, weil wir jene nicht haben, werden sie auch nie bekommen, solange es nicht Allgemeingut wird, zum Tier gut zu sein.
Zum Schluß dieser kurzen Begründung lassen Sie mich auf einen Brief hinweisen, den ich von einem Herrn erhielt, der von dem Herrn Bundespräsidenten wegen seines aktiven Tierschutzes ausgezeichnet worden ist. Es ist Herr Karl Peter in Quickborn in Holstein. Er ist auf dem gleichen Standpunkt wie die Antragsteller, die um Ihre Zustimmung zur Beseitigung dieses ungeheuerlichen Mißstandes bitten. Er schreibt mir u. a., daß er dafür sei, weil ihm bekannt sei, wie manches ausgediente Arbeits- und Grubenpferd in Südfrankreich in Kampfarenen —in Stierkämpfen — Dienst tun müsse, um elendig zerfetzt zu werden.
Meine Damen und Herren! Wir haben als Gesetzgeber das Recht und die Möglichkeit, diese Verhältnisse nachzuprüfen, und wir sollten uns bei dem, was wir tun, an ein Wort Goethes erinnern — und ,dieses sollte auch bei der Entscheidung Leitstern unseres Handelns sein —: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.