Herr Sander, ich habe hier weiter nichts gesagt, als daß das, was Sie im Ausschuß festgestellt haben, nicht stimmt. Sie haben uns im Außenhandelsausschuß gesagt — Sie wollten damit Ihre Ansicht begründen, daß der Zoll für Gemüsekonserven nicht ermäßigt werden dürfe —, daß Grobgemüse in ausreichender Menge und zu normalen Preisen zur Verfügung stehe. Nur von dieser Ihrer Behauptung habe ich gesprochen. Im übrigen, Herr Sander: ich habe das Verbraucherreferat im Wirtschafts- und im Ernährungsministerium nicht, und ich bin auch gar nicht in der Lage, die Verhältnisse bis ins kleinste zu übersehen. Ich bin der Meinung, daß Herr Minister Schwarz uns einmal Auskunft darüber gehen sollte. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das Grobgemüse, wenn es reichhaltig gewachsen ist und wenn der Import frei ist, 40 Pf statt 14 Pf pro Pfund kosten muß. Nur das wollte ich mit meinen Ausführungen sagen. Wir haben das Recht, von dem Herrn Minister eine Erklärung hierzu zu erbitten.
Ich wollte Ihnen diese Preise einmal nennen, damit Sie eine Anschauung davon haben, um was es sich hier dreht, damit es keine ausdeutbare Diskussion gibt und man nicht später sagt: Ach Gott, das ist alles übertrieben. Das ist es wirklich nicht. Man kann auch nicht sagen, es handle sich nur um eine Preiszuspitzung im November 1959. Auch bis November 1958 hat es schon eine beträchtliche Preissteigerung gegeben. Es handelt sich also nicht nur um eine Tendenz in diesem Jahr.
Da hier schon so viele Berichte des Bundeswirtschaftsministeriums zitiert sind, erlauben Sie mir, daß ich Ihnen noch eine Passage daraus vorlese. Das Bundeswirtschaftsministerium äußert in einem, im Bulletin vom 28. November 1959 veröffentlichten Bericht über die wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik:
Höhere Preise als im September erzielten die Landwirte vor allem für Gemüse und Obst; auch die Kartoffelpreise sind von ihrem hohen September-Stand aus im Oktober nochmals gestiegen. Gegenüber der gleichen Vorjahreszeit macht die Verteuerung der ebengenannten Waren 109 v. H., 55 v. H. und 32 v. H. aus.
Diese Zahlen stellen zweifellos obendrein nur den Durchschnitt dar. Sie kennzeichnen nur die Veränderung der Preissituation vom vergangenen zu diesem Jahr. Ich habe Ihnen auch den Vergleich gegenüber 1957 gebracht, weil ich der Meinung bin, daß wir ein bißchen weiter zurückblicken sollten, um den Trend zu erkennen, auf den es in dieser Frage doch ankommt.
Herr Minister Schwarz hat gesagt, wir sollten nicht suchen, wer schuld an diesen Dingen sei. Ich
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Frau Keilhack
bin nicht unbedingt darauf erpicht, einen Schuldigen zu suchen und ihn festzunageln. Aber wenn man etwas aus dem lernen will, was man falsch gemacht hat, muß man sich einmal ansehen, wer es falsch gemacht hat oder was unterlassen worden ist. Herr Minister Schwarz, die Dürre war tatsächlich bereits im Juni 1959 erkennbar. Der Beweis dafür liegt darin, daß bereits zu diesem Zeitpunkt dem Bundestag von Herrn Struve ein Antrag über die Abgeltung von Dürreschäden vorgelegt worden ist. Es wäre also möglich gewesen, schon damals ungefähre Ernteschätzungen vorzunehmen. Warum ließ man dann z. B. die Preise für Kartoffeln laufen, zumal Sie jetzt selber sagen, daß die Kartoffelpreise von irgendwelchen Kreisen, von denen ich annehme, daß Sie sie sehr genau kennen, spekulativ hochgetrieben sind. Herr Professor Erhard hat bei früheren Debatten immer von dem Dolch im Gewande gesprochen, den er brauche, um gewissen Dingen entgegenzutreten. Ich meine, Herr Minister Schwarz, Ihnen fehlt auch ein solcher Dolch im Gewande, und Sie sollten darüber nachdenken, ob Sie sich ihn nicht beschaffen können.
Man kann wohl auch nicht alles, was Sie zur Einfuhr und zur Vorratslagerung gesagt haben, so hinnehmen, Herr Minister Schwarz. Ich erinnere an die schwierige erste Phase der Situation bei der Butter, als man schon sagte, die Buttermärkte seien für uns verschlossen. Ich weiß, daß damals Hamburger Importeure — mir ist nicht bekannt, ob sie besonders tüchtig sind — aus Australien laufend Butter beziehen konnten. Man konnte sie damals nicht loswerden — die Butterimporteure durften sie hier nicht hereinlassen — und hat sie deswegen nach Italien weitergeschleust. Als die Lage zu schlimm wurde und die Regierung den Butterpreis nicht mehr verantworten konnte, haben die gleichen Importeure die von ihnen nach Italien verkaufte Butter in Italien wieder aufgekauft, und zwar mit einem Aufschlag von 30 bis 40 %. Das ist doch wohl nicht sehr sinnvoll. Solche Dinge sollte man für die Zukunft verhindern.
Herr Minister Schwarz, ich habe noch eine Sache, die vielleicht nicht ganz in die Butterbevorratungspolitik paßt, aber doch immerhin in den Rahmen der Debatte. Sie wissen, daß wir in Hamburg zeitweise in den Genossenschaften überhaupt keine Butter bekommen konnten und daß auch unsere Krankenhäuser keine Butter hatten. Da hat man in Hamburg gesagt: Beschafft uns wenigstens die von den Dänen angebotene Butter, damit wir in Hamburg ein gewisses Angebot haben. Darauf wurde gesagt: Nein, diese Butter dürft ihr nicht haben, das ist nämlich verpackte Butter, sie ist von den Dänen verpackt und mit allen Bezeichnungen ihrer Qualität versehen, und dänische Butter ist eine erstklassige Butter, wenn wir eine solche gute Butter hereinlassen, dann wollen die Leute, weil sie ja sehen, daß es dänische Butter ist, überhaupt nur noch dänische Butter haben, und das ist ein unlauterer Wettbewerb gegenüber der deutschen Butter.
Ich meine, daß das eine sehr schlechte Sache war.
Sie haben sich nachher insofern bekehren lassen,
Herr Minister — oder ich will lieber sagen: Ihr Referat —, als Sie wenigstens gestattet haben, diese Butter für die Krankenhäuser hereinzulassen, damit der größte Notstand beseitigt war. Aber ich glaube, man kann das als symptomatisch für die mangelhafte Bewältigung der Preis- und Versorgungssituation bezeichnen.
Ich meine auch, daß Sie die Kartoffelspekulation nicht so weit hätten kommen zu lassen brauchen. Sie hätten ihr mit psychologischen Mitteln entgegentreten müssen. Sie haben gesagt: „man hat es hochgespielt". Sie hätten auch Futtergetreide hereinlassen sollen, damit die Bauern ihre Kartoffelernte, die übrigens im ganzen gar nicht so schlecht war — sie war nur gebietlich unterschiedlich —, an den Markt gegeben und nicht vielleicht für Fütterungszwecke bei sich gelagert hätten.
Ich meine, daß man manche Dinge im Ministerium falsch macht, weil man sie so lange treiben läßt. Mit den Gemüsekonserven ist es jetzt ähnlich, Herr Minister Schwarz. Jetzt, wo es notwendig ist, durch Importe von zollfreien Gemüsekonserven korrigierend auf die Preissituation einzuwirken, geht die geballte Nachfrage der Importeure auf den internationalen Markt. Diese sind auch nicht so dumm und bieten uns das dann zu normalen Preisen an, sondern sie schleusen sie nach dem Wettbewerbsprinzip genau wie hier so hoch, daß sich dann Importgemüsekonserven fast nicht mehr lohnen, jedenfalls nicht vom Gesichtspunkt der Preisregulierung her.
Ich darf auch noch einmal auf die Situation beim Gefrierfleisch kommen, Herr Minister Schwarz, gerade weil es bei ,diesen Produkten um Regulative für die Versorgungs- und Preissituation geht. Unsere Hamburger Genossenschaft, die außerordentlich groß ist, hat normalerweise 80 % ihres Rindfleisches als Gefrierfleisch verkauft. Sie hat jetzt allenfalls einen Anteil von 30%. Das muß sich natürlich preisverteuernd für die Käufer auswirken, denn jetzt fehlt das billigere Fleischangebot, was natürlich die Metzger dazu verführt, höhere Preise zu nehmen.
Ich kann verstehen, daß Ihnen das auch nicht lieb ist. Aber ich glaube, es gibt eine ganze Menge Mittel. Es fehlt heute noch argentinisches Fleisch, das qualitativ besser und preislich billiger ist. Wenn man in den Läden heute Gefrierfleisch bekommt, dann ist es von Ihnen ausgelagertes, im Juli oder noch vorher zu relativ hohen Kosten eingelagertes Fleisch. Es ist qualitativ nicht so gut und obendrein teurer.
Ich meine auch, Herr Minister Schwarz, daß man die Auslagerung von Fleischdosen nicht wochenlang ankündigen kann, ohne daß etwas folgt. Man hat mir gesagt: Vor Januar ist überhaupt nicht damit zu rechnen. Wenn das Fleisch jetzt nicht kommt, wo man vielleicht zu Weihnachten wieder eine neue Preiswelle befürchten muß, wenn es nicht in den vorigen Wochen auf die Handelsspannen drücken konnte, dann weiß ich nicht, ob es im Januar im Hinblick auf eine Preisregulierung noch großen Wert hat.
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Es gibt jedenfalls eine Fülle von Eingriffsmöglichkeiten, von denen nur ein ganz kleiner Teil angewendet worden ist. Ich darf nur hoffen — das möchte ich vor allen Dingen Herrn Minister Schwarz sagen, weil er durch unsere Anfrage im wesentlichen angesprochen ist —, daß diese Debatte dazu beiträgt, als eine besondere Art von Weihnachtsgeschenk für die Festtage auf jeden Fall wenigstens eine neue Preiswelle zu inhibieren. Sie ist, wie ich glaube, durch eine feste, unzweideutige Haltung der Regierung mit ebenso unmißverständlichen Maßnahmen der Regierung zu verhindern.
Herr Minister Schwarz, der Verbraucher mußte seit dem Wiederaufbau unserer Wirtschaft seinen Buckel oft für all die Dinge hinhalten, die bei uns passieren, weil er über keine Kartelle oder über keine machtvollen Wirtschaftsverbände verfügt. Ihm sollte auf alle Fälle eine neue Preiswelle erspart werden; denn auf seinem Buckel, auf dem der Arbeitnehmer, ist doch der Wirtschaftsaufbau praktisch erfolgt. Er ist doch der Finanzier des sogenannten Wirtschaftswunders gewesen, weil die Preise zu hoch waren und die Löhne zu niedrig.
Wir brauchen uns darüber nicht mehr zu streiten. Es liegen genug Beweise dafür vor, Beweise in Form des neu geschaffenen riesigen Eigentums, an dem der Arbeitnehmer nicht partizipiert hat. Es handelt sich nur um ein Äquivalent, Herr Minister Schwarz, wenn Sie den Verbraucher jetzt dafür entschädigen, daß er die ersten Jahre mit dem hohen Preisniveau über sich hat ergehen lassen müssen, und ihm jetzt wirklich das Maß an Sicherung verschaffen, das überhaupt menschenmöglich ist. Damit Herr Dr. Bürgbacher mich nicht noch darauf anspricht, möchte ich hinzufügen, daß ich dabei die Relativität eines stabilen Preisniveaus durchaus einsehe. Ich meine vor allen Dingen die spekulative Preistreiberei. Es kann vor allem von diesem Gesichtspunkt aus gar nicht gegen die Landwirtschaft gemünzt sein. Ich bedaure sehr, daß die Bauern nicht mehr mit den Konsumenten gehen; denn nur eine solche Front schützt den Konsumenten gegen die spekulative Preisausbeutung und gewährleistet die gerechte Preisgestaltung, die die Landwirtschaft auch für sich fordern kann. Ich bin immer wieder erstaunt über die völlig falsche Frontstellung, die die Landwirtschaft einnimmt.
Die Situation auf dem Gebiet der Buttererzeugung wird der Landwirtschaft doch wahrscheinlich schwer ins Portemonnaie gehen. Ich weiß, daß die Verbraucher zu 20 bis 40 % von der Butter zur Margarine abgewandert sind. Es fragt sich, ob jemals auch nur annähernd wieder eine solche Rückwanderung zur Butter erfolgt. Ich sehe schon den Zeitpunkt kommen, da wir uns im Ernährungsausschuß die Köpfe darüber zerbrechen, wie wir den 30%igen Anteil der Milchwirtschaft am landwirtschaftlichen Einkommen durch entsprechende Erhöhung des Trinkmilchverbrauchs oder durch einen verbesserten Butterabsatz erhalten können. Ich finde die jetzige Preispolitik auch für die Bauern außerordentlich unklug. Das trifft ebenso auf
die Kartoffellage zu. Die Landwirtschaft selbst hat ja schon erklärt: Das sind spekulative Preise, die wir nicht wollen und die wir nicht brauchen; sie schaden uns nur. Deshalb sollte hier niemand von der Landwirtschaft aufstehen und diese Preise noch verteidigen.
Die Bundesregierung müßte sich viel mehr Sorgen um das Recht des Verbrauchers machen. Sie allein hat nämlich die politischen, wirtschaftlichen und psychologischen Eingriffsmöglichkeiten, um den Verbraucher zu schützen. Es gibt eine ganze Menge Möglichkeiten. Ich ersehe hier z. B. aus einer landwirtschaftlichen Nachricht, daß sich die französische Regierung wirklich Sorgen um den Verbraucher macht. Dort steht - ich finde das geradezu beispielhaft —:
Die Regierung hat ein ministerielles Preiskomitee gebildet, das jeden Dienstag unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten zusammentritt, um die Preisentwicklung zu prüfen und um eventuell binnenwirtschaftliche oder handelspolitische Sofortmaßnahmen zu treffen. Dazu gehören u. a. Zollsenkungs- und Einfuhrmaßnahmen. In der letzten Novemberwoche hat eine im ganzen Land von über 50 000 Verkaufsstellen durchgeführte sogenannte PreisBaisse-Aktion bei 51 Gebrauchsartikeln begonnen.
Da hat es die Regierung also fertiggebracht, Erzeuger, Groß- und Einzelhändler zusammenzubringen, um etwas gegen die unberechtigten spekulativen Preisbewegungen tun zu können. Ich glaube, die französische Regierung hat sehr klug gehandelt. Frankreich hat ja besonders unter Preissteigerungen zu leiden. Aber auch wir leiden ganz außerordentlich darunter.
Vielleicht können Sie sich auch einmal Gedanken darüber machen, Herr Minister Schwarz, was seit vielen Jahren in den USA mit Erfolg praktiziert wird. Ich denke an die normierten und standardisierten Waren, deren Qualität man kennt und die der Verbraucher deshalb natürlich auch zu einem ausgezeichneten Preisvergleich heranziehen kann.