Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Beantwortung der Großen Anfrage Drucksache 1414 habe ich folgendes zu sagen.
Frage 1:
Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß die Steigerungen der Lebensmittelpreise nicht so sehr das Ergebnis des freien Spieles von Angebot und Nachfrage als vielmehr der Handhabung der Marktordnung durch die Bundesregierung sind?
Antwort: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Preissteigerungen seit etwa Mitte diesen Jahres auf dem Nahrungsmittelsektor durch die ungewöhnliche Witterung ausgelöst worden sind. Infolge der lang anhaltenden Trockenheit sind, wie in den Nachbarländern, so auch in weiten Teilen der Bundesrepublik, im Ausmaß gebietsweise unterschiedlich, erhebliche Dürreschäden und Ernteausfälle eingetreten, vor allem im Gemüsebau, bei Hackfrüchten sowie bei Rauh- und Saftfutter, das die Grundlage für die Milchwirtschaft bildet. Der seit Mitte dieses Jahres gestiegene Preisindex für Ernährung zeigt im übrigen deutlich, daß dieser Anstieg entscheidend durch Verteuerung der Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs herbeigeführt wurde.
— Kommt gleich! — Die Preise für Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs liegen nämlich innerhalb dieses Indexes bis einschließlich Juli 1959 unter dem Vorjahresstand, während sie inzwischen bis Oktober 1959 im Durchschnitt des Bundesgebietes auf 9,7 % über Oktober 1958 angestiegen sind. Die Nahrungsmittel tierischen Ursprungs haben, insgesamt betrachtet, diesen Preisanstieg von Juli bis Oktober 1959 nicht mitgemacht. Die erwähnten Produktionsausfälle haben selbstverständlich das Angebot beeinträchtigt, u. a. auch die Nachfrage psychologisch in unerwünschtem Sinne beeinflußt und Preissteigerungen in Gang gesetzt. Dies alles gilt jedoch nicht für die Entwicklung der Fleischpreise, die einen Sonderfall darstellen und zweckmäßiger-weise bei den gestellten Einzelfragen behandelt werden.
Für die innerhalb des Preisindexes für Ernährung im Vergleich zum Vorjahr an der Spitze der Teuerung liegenden Nahrungsmittel, wie Obst (+ 53,9%), Kartoffeln (+ 42,3 %) und Gemüse (29,7 % teurer), gibt es keine Marktordnungsregelungen, so daß diese Preissteigerungen auch nicht das Ergebnis einer durch die Bundesregierung etwa falsch gehandhabten Marktordnung sein können. Da Käse im OEEC-Raum seit dem 1. April 1953 liberalisiert ist und daher unbeschränkt eingeführt werden kann, dürften auch hier die Preissteigerungen nicht mit der Handhabung der Marktordnung durch die Bundesregierung zusammenhängen, sondern u. a. darauf zurückzuführen sein, daß in den Lieferländern, beispielsweise in Holland und Dänemark, infolge der auch dort vorhandenen Trockenheit die Exportpreise für Käse ebenfalls gegenüber dem Vorjahr höher lagen. Zur Butter sind noch Einzelfragen gestellt, so daß auf die Buttereinfuhren bei Beantwortung dieser Fragen gesondert einzugehen sein wird.
Mit marktkonformen Mitteln hat die Bundesregierung innerhalb und außerhalb der Marktordnung im jetzt ablaufenden Jahr, wie noch im einzelnen darzulegen sein wird, alles in ihren Kräften Stehende getan, um die Dürrefolgen zu mildern und die Preise für Nahrungsmittel möglichst bald wieder auf ein vertretbares Maß zurückzuführen. Diese Bemühungen haben, wie ich insbesondere zur Frage 10 noch näher ausführen werde, inzwischen erfreu-
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licherweise nachhaltigen Erfolg gehabt. Die Bundesregierung legt in diesem Zusammenhang auch auf die Feststellung Wert, daß in den kritischsten Monaten dieses Sommers und Herbstes sich insbesondere die Marktordnung bei der Trinkmilchversorgung in der Bundesrepublik und in Berlin bewährt hat. Die reibungslose Belieferung der Trinkmilch-märkte durch die Landwirtschaft, die Molkereien und den Milchhandel ist im Rahmen der Marktordnungsbestimmungen dank der Disziplin aller Beteiligten ohne Unterbrechung und zu unveränderten Preisen sichergestellt worden. Dabei war gebietsweise die Beschaffung der erforderlichen Milchmengen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, zumal der Trinkmilchverbrauch während dieses Sommers zeitweise bis zu 9 % über dem Vorjahresverbrauch lag. Insbesondere in den dürregeschädigten norddeutschen Gebieten mußte ein Teil der Trinkmilch aus dem süddeutschen Raum mit zusätzlichen Transportkosten — sie betrugen bis zu 7 Pf je Kilogramm — herangeschafft werden, ohne daß der Verbraucher durch die Frachtkosten belastet worden ist.
Frage 2:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die Verbraucher ein Recht auf ausreichende Butterversorgung zu normalen und stabilen Preisen haben, solange Butter in die Marktordnung einbezogen ist und durch die Einfuhr- und Vorratsstelle mit öffentlichen Mitteln aus dem Markt genommen wird, um den Erzeugerpreis zu stützen?
Frage 3:
Unter welchen Gesichtspunkten hat die Bundesregierung die Vorratshaltung von Butter betrieben, welche Vorstellungen hat sie bezüglich des Interventionspreises und des Verbraucherpreises?
Warum sind nicht rechtzeitig und in einem Umfange, wie es der Entwicklung der Witterung entsprochen hätte, Einfuhren ausgeschrieben worden?
Antwort zu Frage 2 und Frage 3:
Die Bundesregierung bemüht sich, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten für Erzeuger und Verbraucher angemessene Preise zu gewährleisten.
Bereits bei der Agrardebatte in diesem Hohen Hause am 9. Mai 1956 hat die Bundesregierung zur Frage der Bekanntgabe von Butterpreisvorstellungen eingehend Stellung genommen. Da man die preisbildenden Faktoren — Erzeugung, Verbrauch, allgemeine Wirtschaftsentwicklung — schwer voraussehen kann, ist die Bundesregierung wie damals auch heute der Auffassung, daß es im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten besser ist, bestimmte Vorstellungen über Interventions- und Verbraucherpreise für Butter herauszustellen. Ich bin der Ansicht, daß die Butterpreispolitik der Bundesregierung während der letzten Kalenderjahre auf einen Ausgleich der Verbraucher- und der Erzeugerinteressen ausgerichtet war.
Wichtig erscheint mir hierzu die Feststellung, daß der Butterverbrauch pro Kopf in der Bundesrepublik von 7,0 kg im Kalenderjahr 1956 auf 7,9 kg im Kalenderjahr 1959 zugenommen hat. Bei diesem Interessenausgleich darf nicht übersehen werden, daß die Butterpreise auf den Milchauszahlungspreis einen erheblichen Einfluß haben, da 60 % der an die Molkereien gelieferten Milch zu Butter verarbeitet werden. Die Butterpreise wirken sich damit entscheidend auf den Erlös der Milchwirtschaft aus, der wiederum zu rund 28,6 % am landwirtschaftlichen Gesamteinkommen in der Bundesrepublik beteiligt ist und das Rückgrat der bäuerlichen Familienbetriebe bildet.
Nachdem die behördliche Preisbindung für Butter seit dem 1. Juli 1952 aufgehoben ist, bestehen die marktordnenden Maßnahmen im wesentlichen nur noch in begrenzt möglichen Ein- und Auslagerungen sowie darin, die Einfuhrschleuse zu betätigen. Die Grenzen der Buttereinlagerung durch die Einfuhr- und Vorratsstelle ergeben sich aus dem Bundeshaushalt. Die Einlagerungsmöglichkeit beträgt im Höchstfall 10 000 t bei einem Jahresdurchschnitt von 6300 t. Die Einfuhr- und Vorratsstelle hat dabei zu beachten, daß die Einlagerungen, die sie vornimmt, später dem Markt auch wieder zugeführt werden müssen. Geschieht dies nicht rechtzeitig, so kann die Qualität leiden, und es ergeben sich daraus einerseits Nachteile für den Verbraucher und andererseits zusätzliche Kosten für den Fiskus. Bereits im Jahre 1954 hat z. B. die Auslagerung von Butter zu erheblichen Schwierigkeiten geführt, die Anlaß gaben, zur Prüfung der Angelegenheit einen Untersuchungsausschuß des Bundestages einzusetzen. Die geringe Einlagerungsmöglichkeit von jährlich durchschnittlich 6300 t kann nur dazu dienen, bei normaler Produktionsentwicklung größere saisonale Preisschwankungen sowohl für den Erzeuger als auch für den Verbraucher auszugleichen.
Im Jahre 1959 konnte der Verbraucher die Butter bis September preiswerter einkaufen als im gleichen Zeitraum 1957. Das Jahr 1958 kann wegen der außergewöhnlichen Preiseinbrüche nicht zum Vergleich herangezogen werden, Die Butterproduktion der Bundesrepublik lag noch bis zum September 1959 bis auf geringfügige Unterschiede von 0,2 % auf dem hohen Vorjahresniveau. Die Marktlage in der Bundesrepublik war in der Zeit von Mitte August bis Mitte September ausgeglichen, was auch aus der gleichgebliebenen Kölner Notierung von 6,25 DM je kg innerhalb dieser Zeit hervorgeht.
Die Bundesregierung hatte aber inzwischen vorsorglich, und zwar am 27. Juli 1959, die erste Butterausschreibung vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt waren in der Bundesrepublik noch rund 14 000 t Butter verfügbar, davon rund 9100 t bei der Einfuhr-und Vorratsstelle. Weitere Ausschreibungen erfolgten am 25. September und ab 12. Oktober 1959. Hierbei wurden alle Angebote berücksichtigt, die realisierbar erschienen. Mit den drei Ausschreibungen sind insgesamt Einfuhrbewilligungen für 33 500 t Butter erteilt worden. Entgegen den Er-
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wartungen sind aber bis Ende Oktober nur 9600 t Butter davon in die Bundesrepublik eingeführt worden. Infolge dieser Einfuhrausfälle mußte die Einfuhr- und Vorratsstelle ihre restlichen Bestände bis Anfang November auf den Markt geben, um das Ansteigen des Butterpreises in Grenzen zu halten. Im Anschluß an die schon genannten drei Butterausschreibungen wurden weitere Einfuhrmöglichkeiten am 3. und 7. November eröffnet und alle Angebote über insgesamt 31 600 t zugeschlagen. Von August bis einschließlich November wurden aus allen Ausschreibungen mit insgesamt für rund 65 000 t Butter erteilten Einfuhrbewilligungen nur rund 16 000 t Butter eingeführt. In Auswirkung der langanhaltenden Trockenheit stiegen die Butterpreise sowohl in der Bundesrepublik als auch in den benachbarten Lieferländern bis Ende November weiter an. So lagen die Butterpreise Mitte November z. B. in Holland um 60 % und in Dänemark um 40 % höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
In der zweiten Novemberhälfte stieg in der Bundesrepublik die Milcherzeugung schneller als erwartet, und zwar infolge der verstärkten Verfütterung von teurerem Kraftfutter. Dieser Produktionsanstieg im Inland, verbunden mit den nun einsetzenden größeren Einfuhren, als Ergebnis der Einfuhrpolitik der Bundesregierung und der Zollaussetzung, die ab 10. November 1959 wirksam wurde, haben den Preisanstieg angehalten und nunmehr die Preise auf den Vorjahresstand und darunter zurückgeführt.
Frage 4:
Ist die Bundesregierung bereit, nach Klassen getrennt Preise für Schweine und Rinder bekanntzugeben, die sie im Interesse der Erzeuger durch Beschränkung der Einfuhren und durch Käufe der Einfuhr- und Vorratsstelle durchzusetzen bemüht ist?
Antwort: Bereits im Jahre 1956 hat die Fraktion der SPD ebenso wie bei Butter zur Agrarpolitik auch angefragt, welchen Durchschnittserzeugerpreis für Schweine und Rinder die Bundesregierung im Interesse der Rentabilität und der Stetigkeit der Preise für erforderlich halte. Der Sprecher der SPD hat in der mündlichen Behandlung am 9. Mai 1956 vor diesem Hohen Hause ausgeführt, zur Vermeidung von Mißverständnissen wolle er ausdrücklich sagen, daß die SPD nicht auf einen bestimmten fixierten Preis abziele, aber eine Preisidee müsse mitgeteilt werden. Was ich vorher hinsichtlich der bekanntzugebenden Butterpreise ausgeführt habe, gilt gleichermaßen für die Preise für Rinder und Schweine. Gerade das Wirtschaftsjahr, in dem wir uns gegenwärtig befinden, zeigt, wie wenig sinnvoll es gewesen wäre, vorher eine Preisidee zu nennen, wenn sie — durch Witterungseinflüsse bedingt — nicht realisiert werden kann. Die Bundesregierung hält es daher auch für die Zukunft für unzweckmäßig, solche Preise sowohl für Durchschnitte als auch für einzelne Klassen bei Rindern und Schweinen bekanntzugeben.
Frage 5:
Ist die Bundesregierung bereit, dem Bundestag im einzelnen über die Entwicklung der Rinderpreise ab Juni dieses Jahres und im Vergleich zum Vorjahr zu berichten?
Antwort: Im Statistischen Monatsbericht des Bundesministeriums für Landwirtschaft werden monatlich die Preise für Rinder — aufgeteilt nach den einzelnen Klassen — bekanntgegeben. Diese Monatsberichte sind jedem, der sich für sie interessiert, zugänglich. Das darin niedergelegte Material mit fast 300 verschiedenen Zahlen steht daher auch jedem Mitglied des Hohen Hauses auf Wunsch zur Verfügung. Aus diesen Berichten ist folgendes zu entnehmen: Anfang Juni lagen die Preise für die unteren Klassen und Gattungen von Rindern etwa 4 bis 8 % über den Preisen des Vorjahres. Der Rinderdurchschnittspreis lag um 6,1 %, der Schweinepreis um 19 % über dem Vorjahr. Anfang Dezember liegen die Preise für A-Bullen noch über denen des Vorjahres, aber die für die anderen Klassen und für Schweine unter denen des Vorjahres. Die Preise für die einzelnen Rinderklassen sind seit Juni 1959 bis Anfang Dezember 1959 je nach Klasse um 5,5 bis 24,1 % zurückgegangen, für den Durchschnitt aller Klassen um 14,9 % und bei Schweinen c um 1,2 %. Die Preise für Schweine c sind auf den letzten Märkten weiter gefallen.
Frage 6:
Ist die Bundesregierung bereit, im einzelnen mitzuteilen, wann und zu welchen Preisen die Einfuhr- und Vorratsstelle auf dem Rindermarkt durch Aufkäufe zwecks Preisstützung interveniert hat?
Antwort: Aus verständlichen Gründen werden die Preise der Einfuhr- und Vorratsstelle vor ihrer Intervention nicht bekanntgegeben, damit Spekulationen nach Möglichkeit vermieden werden. Die Bundesregierung ist bereit, die Preise, mit denen die Einfuhr- und Vorratsstelle intervenierte, im einzelnen mitzuteilen. Es handelt sich dabei um ein umfangreiches Material aus dem Kauf von 61 346 Rindern, da die Preise für die einzelnen Märkte, an denen die Einfuhr- und Vorratsstelle tätig wird, und für die einzelnen Klassen und Gattungen naturgemäß verschieden sind und sich nach der jeweiligen Marktlage richten müssen.
Zusammengefaßt ist zu sagen: Die Einfuhr- und Vorratsstelle kaufte an 17 verschiedenen Marktorten 20 062 Ochsen, 13 885 Färsen, 3122 Bullen und 16 277 Kühe, insgesamt also 61 346 Rinder — bei einer für das laufende Wirtschaftsjahr zu erwartenden Schlachtung von rund 3,3 Millionen Stück Rindern im Bundesgebiet. Sie legte bei den Käufen einen Durchschnittspreis von 105,8 DM je 50 kg Lebendgewicht an. Die Höhe des Preislimits wurde vom Ministerium für jede Woche und für jede einzelne Gruppe von Märkten angeordnet. Der Einsatzpreis wurde besonders seit Anfang September laufend herabgesetzt. Damit wurde ein allmählicher Preisrückgang nicht aufgehalten, aber ein unerwünschter plötzlicher Preisverfall auf dem Markt verhindert.
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Bundesernährungsminister Schwarz Frage 7:
Trifft es zu, daß solche Marktinterventionen auf eine Weise finanziert wurden, die nicht den Bestimmungen des Bundeshaushalts entspricht, und hat in diesem Falle das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten diesem Verfahren zugestimmt?
Antwort: Die Finanzierung der Rinderkäufe widerspricht nicht den Bestimmungen des Bundeshaushalts.
Die Einfuhr- und Vorratsstelle für Schlachtvieh, Fleisch und Fleischerzeugnisse hat die Rinderkäufe überwiegend in der auch sonst üblichen Weise mit bundesverbürgten Krediten finanziert, daneben vorübergehend auch aus Mitteln der Einfuhr- und Vorratsstelle für Fette, die ihr von dieser im Rahmen der gegenseitigen Finanzhilfe der Einfuhr- und Vorratsstellen auf Weisung des BML zur Verfügung gestellt waren.
Die gegenseitige Finanzhilfe der Einfuhr- und Vorratsstellen geht auf eine Empfehlung des Bundesrechnungshofes zurück. Sie ist bereits seit 1956 üblich und stellt sicher, daß von keiner Einfuhr-und Vorratsstelle neue Kredite für die Warenbeschaffung in Anspruch genommen werden, solange eine andere Einfuhr- und Vorratsstelle noch über freie Mittel verfügt. Auf diese Weise werden Zinskosten eingespart, die sonst als Kosten der Vorratshaltung zu Lasten des Bundeshaushalts gehen würden.
Frage 8:
Ist die Bundesregierung bereit, mitzuteilen, ob und auf welche Weise sie die wachsenden Spannen bei Fleisch und Fleischwaren zwischen den Erzeugerpreisen und den Verbraucherpreisen auf ein gerechtfertigtes Maß zurückführen will?
Antwort: Die Fleischerspannen werden seit 1953 vom Institut für landwirtschaftliche Marktforschung in Völkenrode untersucht. Die Methoden der Berechnung sind mit dem Fleischer-Verband abgesprochen.
Die Ergebnisse werden seit einigen Jahren monatlich veröffentlicht. Durch eine Kostenuntersuchung bei 111 Betrieben des Handwerks über die Kosten im Jahre 1956 haben sich das Bundesministerium für Wirtschaft und das Bundesministerium für Landwirtschaft selbst ein Bild über die tatsächlichen Verhältnisse zu machen versucht. Das Jahr 1956 mit ausgeglichenen Preisen zeigte weder besonders hohe noch besonders niedrige Spannen; auch bestätigte die Untersuchung nach Buchunterlagen die Ergebnisse der Völkenroder Methode. Für 1957 und 1958 sind solche behördlichen Untersuchungen nicht durchgeführt worden, so daß ein Bild über die Spannenentwicklung in diesen Jahren nicht gegeben werden kann. Seit Januar 1959 zeigen sowohl die Ermittlungen von Völkenrode als auch die Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes über Kleinverkaufspreise ständig ansteigende Spannen bei Rindfleisch und seit August auch bei Schweinefleisch.
Die Bundesregierung hat versucht, durch Einwirkung auf den Fleischer-Verband und durch eine im gleichen Sinne an die Länderministerien gerichtete Bitte auf das Fleischergewerbe Einfluß zu nehmen.
Die Bundesregierung besitzt keine rechtliche Handhabe, gegen überhöhte Fleischpreise einzuschreiten. Ein solches Recht, Strafantrag wegen überhöhter Preise oder Spannen zu stellen, steht nach dem Wirtschaftsstrafgesetz — § 2a — in der vom Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Fassung nur den Landesbehörden zu, und zwar nur in solchen Fällen, in denen entweder die Preise unter Ausnutzung einer Mangellage oder infolge Beschränkung des Wettbewerbs oder infolge Ausnutzung der wirtschaftlichen Machtstellung überhöht sind. Eine Mangellage, die hier zur Erfüllung des Tatbestandes am ehesten in Betracht käme, wird man bei der Situation auf dem Fleischmarkt verneinen müssen. Es ist daher in der Tat auch der Bundesregierung kein Fall bekanntgeworden, in dem die Landesbehörden wegen überhöhter Spannen oder Preise im Fleischergewerbe Strafantrag gestellt haben und in einem solchen Verfahren eine Strafe ausgesprochen worden ist.
Frage 9:
Ist die Bundesregierung bereit, eingeführtes Gefrierfleisch und die Bestände der Einfuhr-und Vorratsstellen so auf dem Markt einzusetzen, daß ein Druck auf die Spannen erzielt wird? Wird sie — falls Rechtsgrundlagen in der jetzigen Fassung der Marktordnungsgesetze nicht in ausreichendem Maße gegeben sein sollten — dem Bundestag entsprechende Vorschläge machen?
Antwort: Nach dem Vieh- und Fleischgesetz besteht die Möglichkeit, Auflagen bei der Einfuhr zu erteilen. So kann z. B. die Einfuhr- und Vorratsstelle besondere Bestimmungen über die gebietliche Verteilung und über den Verwendungszweck der zur Einfuhr angedienten Ware treffen. Das ist mehrfach in der Weise geschehen, daß z. B. bestimmte Fleischmengen für Berlin oder zur Verarbeitung oder nicht zur Verarbeitung bestimmt wurden. Bestände der Einfuhr- und Vorratsstelle sind bisher unter dem Gesichtspunkt der Entspannung des Marktes ausgelagert worden. Die gewünschte Einflußnahme auf den Markt konnte dabei auch weitgehend erreicht werden. Eine behördliche Festsetzung von Preisen und Spannen auf dem Fleischsektor ist seinerzeit beim Erlaß des Vieh-und Fleischgesetzes einmütig abgelehnt worden. Eine solche Ermächtigung gegenwärtig vorzuschlagen, erscheint mir weder aussichtsreich noch ohne eine vollständige Reglementierung des gesamten Vieh- und Fleischsektors möglich.
Frage 10:
Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen und welche sind geplant, um
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a) die Lebensmittelpreise im Bereich der Marktordnung auf den früheren Stand zurückzuführen und
b) weitere Preissteigerungen für Lebensmittel außerhalb der Marktordnung zu verhindern?
Antwort: Die Bundesregierung hat auf dem gesamten Ernährungssektor vielfältige und umfangreiche Maßnahmen getroffen, die sämtlich dem Ziel dienen, die preislichen Auswirkungen der Dürre zu begrenzen, weitere Preissteigerungen zu verhindern und besonders die Nahrungsmittelpreise im Bereich der Marktordnung möglichst bald wieder auf den früheren Stand zurückzuführen. Ich fasse diese Maßnahmen im folgenden zusammen:
Parlament und Regierung haben, wie bereits erwähnt, den Butterzoll ab 10. November 1959 bis zum 31. März 1960 ausgesetzt. Über die einzelnen Maßnahmen auf dem Buttermarkt, insbesondere über Einfuhren und Auslagerungen, habe ich bereits zu den Punkten 2 und 3 berichtet. Zusammen mit dem Ansteigen der Butterproduktion haben die Einfuhren und die Zollaussetzung bewirkt, daß seit Ende November die Butterpreise in allen Wirtschaftsstufen einschließlich des Kleinhandels zurückgegangen sind und zurückgehen. Nach der Kölner Notierung vom 4. Dezember ist der Butterpreis in der Großhandelsstufe innerhalb von drei Wochen von 7,05 DM auf 6,25 DM je kg gefallen und hat damit den Anschluß an die normale Entwicklung gefunden. Der Prozeß setzt sich auch heute noch fort.
Käse ist im OEEC-Raum liberalisiert und kann wie bisher unbeschränkt in die Bundesrepublik eingeführt werden. Darüber hinaus hat die Bundesregierung die Einfuhr auch aus anderen lieferfähigen Ländern, wie Australien, Neuseeland, Finnland, eröffnet. Diese großzügig gehandhabten Käseeinfuhren sollen den Markt ausreichend und preiswert mitversorgen. Die an der Kölner Börse notierten ausländischen Käsesorten sind in den letzten Wochen im Preis gefallen, und zwar bis zu 7 %, inzwischen 17 %, gegenüber dem Höchststand der Preise Mitte November 1959. Die Notierungen für inländischen Käse sind ebenfalls bei einer Reihe von Käsesorten rückläufig.
Bei Schweinen und Schlachtrindern sind im laufenden Kalenderjahr gegenüber dem Vorjahr verstärkte Einfuhren vorgenommen worden. Von Januar bis Oktober einschließlich sind im Jahre 1959 gegenüber der gleichen Zeit im Jahre 1958 rund 32 000 t mehr Schweine und Schweinefleisch und rund 43 000 t mehr Rinder und Rindfleisch in die Bundesrepublik eingeführt worden. Die Lebendviehpreise sind schon seit mehreren Monaten rückläufig und liegen inzwischen seit Anfang Oktober unter den Vorjahrespreisen, nach den letzten Meldungen — Dezemberwoche — für Schweine Klasse C bei 131,0 DM je 50 kg und für Rinder im Durchschnitt bei 95,8 DM je 50 kg (Vorjahr: 98,9). Eine preisgünstige Fleischversorgung wird darüber hinaus durch Gefrierfleischimporte und durch die Auslagerung größerer Bestände an Fleischkonserven — 21 Millionen Dosen Schmalzfleisch zu je 400 g — unterstützt. Es wird erwartet, daß die gegenwärtig allmählich sinkenden Fleischpreise der
Anfang einer allgemeinen Rückführung der Ladenpreise sind, entsprechend den seit längerer Zeit gefallenen Lebendviehpreisen. Die Bundesregierung wird den zu erwartenden Fleischanfall aus eigener Erzeugung durch Einfuhren an Rindern und Schweinen in dem notwendigen Umfang ergänzen, um für die Verbraucher ein angemessenes Preisniveau sicherzustellen. Dabei wird sie andererseits darauf Bedacht nehmen müssen, daß ein gegenüber der Landwirtschaft vertretbarer Preis bei Lebendvieh erhalten bleibt.
Die Futtergetreide- und Futtermitteleinfuhren sind in den letzten Monaten besonders großzügig gehandhabt worden, so daß der Markt immer preisgünstiger versorgt wurde. Die Großhandelspreise für ausländisches Futtergetreide sind an den deutschen Börsen von Anfang Juli 1959 bis Ende November 1959 beispielsweise für Gerste von 43,20 DM auf 40,75 DM je 100 kg und für Mais von 46,15 DM auf 40,35 DM je 100 kg zurückgegangen.
Der Kartoffelzoll wurde auf Vorschlag der Bundesregierung vom Parlament mit Wirkung vom 12. Oktober 1959 bis 31. März 1960 ausgesetzt. Die Einfuhrmöglichkeiten wurden bei Kartoffeln in einem Umfang eröffnet, der bis heute nicht einmal zur Hälfte ausgenutzt worden ist. Vermehrte Einfuhren sind dadurch weitgehend erschwert gewesen, daß aus den Lieferländern entweder keine Kartoffeln angeboten wurden oder zu Preisen, die höher lagen als die Preise in der Bundesrepublik. Außerdem bevorzugte der Verbraucher überwiegend die gelbfleischigen Sorten, die in diesem Jahr auf den Sandböden besonders unter der Trockenheit und Hitze gelitten haben, im Ertrag sehr abgefallen sind, durch Ungeziefer am weitestgehenden geschädigt wurden und daher im Preis am höchsten lagen. Die Preise für Speisekartoffeln haben nach dem Höhepunkt während der Einkellerungszeit zwar leicht nachgegeben; aber wesentliche Änderungen der gegenwärtigen Preise für bevorzugte Sorten werden sich bis zur Öffnung der Mieten im Frühjahr wahrscheinlich nicht ergeben und werden auch durch keine weiteren zusätzlichen Maßnahmen der Bundesregierung zu erwirken sein.
Als die ersten Anzeichen der Ernteausfälle in der Bundesrepublik erkennbar wurden, sind alle Einfuhrbeschränkungen für Obst und Gemüse, sofern solche überhaupt noch bestanden, für die diesjährige Saison praktisch aufgehoben worden. Die Einrichtungen der Mindestpreisvereinbarungen mit dem Ausland, die in normalen Erntejahren bezwecken, Einfuhren an Obst und Gemüse mit den inländischen Marktverhältnissen abzustimmen und sie nötigenfalls zu unterbrechen, sind in diesem Jahr in keinem Fall angewendet worden. Die vollständig liberalisierten Südfrüchteimporte setzen gegenwärtig vermehrt ein und werden in den kommenden Wintermonaten das Angebot auf den Obstmärkten in verstärktem Maße ergänzen. Die Einfuhren an Frischobst, Frischgemüse und Südfrüchten werden nach den Schätzungen im ablaufenden Jahr 1959 in allen drei Sparten höher als im Vorjahr liegen, und zwar bei Gemüse um rund 91 000 t, bei Obst um rund 140 000 t und bei Südfrüchten um rund 85 000 t.
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Um den Verbrauchern Ausweichmöglichkeiten zu eröffnen, sind umfangreiche Einfuhrausschreibungen für Obst und insbesondere für Gemüsekonserven vorgenommen worden. Das Einfuhrkontingent für Gemüsekonserven ist inzwischen aufgestockt worden. Insgesamt sind Einfuhrmöglichkeiten für Obst-und Gemüsekonserven im Werte von rund 65 Millionen DM eröffnet. Dem Parlament liegt außerdem der Vorschlag der Bundesregierung vor, jeweils befristet bis zum 31. März 1960, den Zoll für Bohnenkonserven von 27 auf 10 % zu senken und für tiefgefrostetes Gemüse in voller Höhe auszusetzen.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß der Verbraucher in diesem Jahr Geflügel und Eier durchweg billiger als im Vorjahr kaufen konnte. Die Preise sowohl für inländische als auch für ausländische Eier liegen bisher während des gesamten Kalenderjahres 1959 im Durchschnitt um 2 Pf je Stück unter den Vorjahrspreisen. Beim Suppenhuhn und bei Masthähnchen beträgt die Verbilligung im Durchschnitt des Bundesgebietes November 1959 gegenüber November 1958 beispielsweise 25 bis 35 Pf je kg.
Zum Schluß darf ich zusammenfassen, daß die außergewöhnlichen Witterungsverhältnisse dieses Sommers in der Bundesrepublik ebensowenig wie in den anderen davon betroffenen Ländern ohne Folgen auf das Preisniveau bleiben konnten. Diese unerwünschten Auswirkungen auf das geringstmögliche Maß zu beschränken und die Verhältnisse so schnell wie möglich zu normalisieren, ist auch weiterhin ein vordringliches Anliegen der Bundesregierung.
Angesichts der Liste der Redner, die sich zu diesem Thema noch äußern werden, möchte ich diesen Ausführungen nur noch wenige Sätze hinzufügen. Die Ausführungen des Herrn Kollegen Bading haben die allgemeinen Fragen, die zur Debatte stehen, angeschnitten. Ich glaube, sie beantwortet zu haben.
Aber ein sehr schwerer Vorwurf ist erklungen, nämlich der, die Bundesregierung habe sich erst durch die Anfrage der SPD dazu bringen lassen, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen oder Erklärungen abzugeben. Ich darf feststellen, daß das unzutreffend ist.
Ich möchte zunächst kurz nur das eine sagen. Wir haben ,die Dürreperiode dieses Jahres in zwei Teile einzuteilen. Der erste reichte von April bis Juli, dann folgten die Regenfälle im August, und die zweite, sehr schwere Dürrewelle reichte bis spät in den Oktober hinein. Nach der ersten Dürrewelle war klargeworden, daß gewisse pflanzliche Nahrungsgüter schwere Schäden erlitten hatten, in erster Linie die Kartoffeln auf Sandböden, die bereits im Juni keinen Ertrag mehr versprachen.
Deswegen ist von seiten der Bundesregierung bereits Ende August veranlaßt worden, dem Hohen Hause die Streichung des Kartoffelzolls zur Beschlußfassung vorzulegen. Es lag nicht an der Bundesregierung, daß sich die zuständigen Ausschüsse erst nach den Parlamentsferien damit befaßt haben. Die Bundesregierung hat mit dieser ersten Maßnahme zum Ausdruck gebracht, daß sie dein Dingen, die sich auf Grund der ersten Dürrewelle abzeichneten, durchaus auf den Fersen sein wollte.
Im späteren Verlauf und als Ausfluß der zweiten Dürrewelle sind dann unmittelbar weitere Maßnahmen getroffen worden. Ich darf darauf hinweisen, daß das, was ich in den ersten Oktobertagen nach meinem Amtsantritt als allererstes unternommen habe, die Einfuhrmöglichkeiten für Futtergetreide und für Futtermittel betraf und daß wir, was die weiteren Zollsenkungen anlangt, sofort alles vorbereitet haben, um den Dingen entgegenzuwirken, die auf uns und insonderheit auf unser Haus als verantwortliches Ministerium zukamen.
Aus diesem Grunde muß ich den Vorwurf unter allen Umständen zurückweisen, die Bundesregierung habe nichts unternommen, bevor der SPD-Antrag gekommen sei. Wie Herr Kollege Bading erfreulicherweise die Schuldfrage in ihrer großen Breite ausgeklammert hat, so meine auch ich, daß wir weniger von Schuld sprechen als vielmehr gemeinsam versuchen sollten, dem Übel zu steuern.