Herr Kollege Ritzel, das haben Sie schon gesagt, insofern verstehen wir uns. Aber ich darf wiederholen: Herr Oberländer — ich kenne die tatsächlichen Vorgänge nicht, ich habe das Material auch nicht gesehen — erklärt auf diesem Zettel ausdrücklich, er habe in die Hände von Herrn Kollegen Ollenhauer Material gegeben, das diese Zusammenhänge widerlege. Zum zweiten erklärt Herr Oberländer, wenn er einer Teilhaberschaft am „Mythos des 20. Jahrhunderts" von Rosenberg bezichtigt worden sei, so sei auch diese Behauptung — ich selber habe Sie nicht so verstanden, das will ich ausdrücklich sagen — nicht einmal von der SED aufgestellt worden. Ich glaube, Sie haben es auch nicht so gesagt; da ist anscheinend ein Irrtum unterlaufen.
Ich möchte also noch einmal sagen und auch für die Bundesregierung feststellen, daß nach unserer Auffassung Ihre Befürchtungen keinerlei sachliche und materielle Grundlagen haben. Wir haben Vertrauen zu Herrn Oberländer. — Das zu diesem Thema.
Nun erlauben Sie mir, daß ich zu der Diskussion in großen Zügen Stellung nehme und einige Fragen beantworte. Die Herren Kollegen Vogel und Niederalt haben so viel Positives zu meinen Ausführungen gesagt, daß sie mir sicher verzeihen, wenn ich meinerseits nicht noch einmal zu dem, was sie vorgetragen haben, Stellung nehme. Aber die beiden Redner der Opposition haben Anspruch darauf, daß ich wenigstens ein paar Sätze sage.
Herr Kollege Ritzel, Sie haben gewisse Bedenken gegen den Überrollungshaushalt vorgebracht und haben gesagt, daraus könnten sich einige Gefahren entwickeln. Sie haben völlig recht. Ich glaube, die Bundesregierung sollte nicht den Ehrgeiz haben, zu häufig Überrollungshaushalte aufzustellen. Auch darin könnte eine Einschränkung der Rechte des Parlaments liegen. Wenn wir diesmal einen Überrollungshaushalt aufgestellt haben, so hat das den natürlichen Grund, daß wir praktisch in einem Jahre uns selbst und auch Ihnen drei Haushalte vorlegen müssen: den laufenden, der gerade abgeschlossen ist, den für 1960, und der für 1961 kommt ja auch. Da war es der Wunsch des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses und auch des Parlaments, man möge den Haushalt 1960 als Überrollungshaushalt vorlegen. Dagegen haben Sie auch nichts gesagt, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Aber wir wollen daraus kein Gewohnheitsrecht herleiten; insofern gehe ich mit Ihnen einig.
Was die allgemeine Kürzung um 6 % anlangt, so haben Sie, glaube ich, beide zu diesem Thema Stellung genommen. Ich möchte hier ausdrücklich wiederholen, was ich schon im Haushaltsausschuß gesagt habe: von diesen allgemeinen Kürzungsmöglichkeiten wollen wir — als Regierung jedenfalls — in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen, sondern wir wollen, wenn auch wir etwas mehr Zeit haben, die Positionen mit den Ressorts einzeln ausdiskutieren und bereits in der uns im Endeffekt richtig
erscheinenden Größenordnung dem Hohen Hause vorlegen. Wenn wir hier die allgemeine Kürzungsklausel vorgelegt haben, dann ganz einfach deswegen, weil in der kurzen Zeit eine solche umfangreiche Diskussion außerordentlich erschwert worden wäre und uns vielleicht nicht in die angenehme Situation gebracht hätte, den Haushalt so zeitig vorzulegen, — was ja, glaube ich, auch in Ihrem Interesse liegt.
Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Kollege Ritzel, daß auch Sie die Steuererwartungen des Finanzministers für begründet halten. Wenn sie nach meiner Auffassung nicht begründet wären, hätte ich sie auch nicht so vorgetragen.
Dann haben Sie mir gesagt: Ja, aber ich habe dich Bruder im Verdacht, daß du sagst, du wolltest bis 1961 keine Steuererhöhungen, aber — „Nach mir die Sintflut" — nachher mit Steuererhöhungen kommen willst. — Herr Kollege Ritzel, wenn ich gesagt habe: für die nächsten vier Jahre ist es meine Politik, keine Steuererhöhungen zu machen, dann ist das das mir notwendig erscheinende Maß an Bescheidenheit; denn ich weiß nicht, ob ich in fünf, sechs, sieben, acht Jahren noch Finanzminister bin.
ich darf also Erklärungen nur für diese Zeit abgeben. Ich spreche nicht von der gegenwärtigen Regierungskoalition; ich spreche von mir selbst. Ich weiß nicht, ob ich in vier Jahren noch die Finanzpolitik zu vertreten habe und ob mein Nachfolger nicht anderer Meinung ist. Das ist der Inhalt meiner Erklärung. Aber lesen Sie aus ihr nicht heraus, daß ich nach 1962 für eine Steuererhöhung sein wollte!
Dann, Herr Kollege Ritzel, haben Sie ein wichtiges Wort ausgesprochen. Sie haben gesagt, nicht nur die Notenbank, nicht nur der Finanzminister, sondern auch das Parlament sei Hüter der Währung. Ich bin durchaus dieser Meinung. Die größte Funktion, die Währung zu hüten, muß das Parlament darin sehen, daß es für einen ausgeglichenen Haushalt sorgt. Hier ist die entscheidende Basis Ihrer Tätigkeit, und nur das echte Zusammenspiel zwischen Regierung und Parlament in seiner Funktion, die Währung zu hüten, bildet die Basis für eine stabile Währung. Das ist auch meine Auffassung.
Sie teilen die Auffassung des Bundesrates über den Inhalt des außerordentlichen Haushaltsplans nicht. Ich stimme Ihnen da weitgehend zu. Ich habe heute morgen gesagt: im Grundsatz bin ich mit dem Zentralbankrat einverstanden, aber keineswegs in allen Einzelheiten. Ich bin vor allen Dingen der Meinung, daß das vorgeschlagene Mittel der Steuererhöhung in diesem Augenblick verfrüht wäre. Die Steuererhöhung aus konjunkturpolitischen Gründen sollte die letzte Möglichkeit konjunkturpolitischer Einwirkung sein, nicht aber die erste. Zunächst einmal müßte die Bundesbank die konjunkturpolitischen Mittel, die sie noch hat, verschärft einsetzen, wenn sie das überhaupt für notwendig hält.
Sie haben scharfe Kritik an meiner Haltung gegenüber den Gemeindefinanzen geübt. Sie haben
5174 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959
Bundesfinanzminister Etzel
von einer „laxen Haltung" des Bundesfinanzministers gesprochen. Ich weiß, daß darin keine persönliche Beleidigung liegen soll, sondern eine sachliche Kritik. Aber, Herr Kollege Ritzel, meine Haltung gegenüber den Gemeindefinanzen ist nicht lax. Wir schneiden hier ein sehr ernstes Problem an. Das Wesen der Selbstverwaltung beruht seit dem Freiherrn vom Stein darin, daß die Gemeinden auch eine eigene Verantwortung für ihre Finanzen übernehmen müssen. Das habe ich heute morgen herausgestellt. Soweit die Gemeinden in der Lage sind, ihre finanzielle Situation durch Beschlüsse ihrer eigenen Parlamente zu sanieren, sollten die Verwaltungen und die Parlamente das schon erzwingen, um dafür zu sorgen, daß nicht unnütze Ausgaben in größtem Maße gemacht werden, was man ja vielen Gemeinden vorwirft, wenn es sicher auch nicht für jede Gemeinde gilt. Ich habe mit Hunderten Gemeindeparlamentariern gesprochen, die gerade diesen Grundsatz in vollem Umfang anerkannt haben.
Was fehlt denn den Gemeinden? Ich habe heute morgen gesagt, daß sie natürlich große Ansprüche haben. Darüber könnte man sehr viel sagen und noch stundenlang reden.
- Sicher werden Sie das noch tun; denn man kann darüber eine ganze Menge reden. Aber eines ist sicher nichtig: Ein Teil der Ansprüche ist überhöht. Ich habe heute morgen gesagt: 400 Millionen würde ich anerkennen. Ich habe weiter nachgewiesen, daß bereits in wenigen Jahren eine Mehreinnahme von 400 Millionen aus Sonderzuwächsen entsteht und daß wir in diesem einen Jahr bereits die gleiche Summe noch einmal aus der Gewerbesteuer gehabt haben.
Das Problem der Verteilung der Finanzmasse auf die Gemeinden insgesamt, der Ausgleich zwischen Arm und Reich, steht daneben als ein besonderes Problem, das die Länder lösen müssen und das wir ganz sicher nicht lösen können.
Sie haben die Frage gestellt: Wo bleibt die Denkschrift? Ich habe heute morgen gesagt: die Denkschrift kommt; sie ist so gut wie fertiggestellt. Wir werden sie also in Kürze veröffentlichen, und ich habe zugesagt, darüber zu diskutieren.
Sie haben weiter erklärt, der Haushaltsausschuß sollte mitwirken, wenn ordentliche Deckungsmittel zur Finanzierung außerordentlicher Ausgaben herangezogen werden, also praktisch die 1,2 Milliarden Steuermehreinnahmen zur Verringerung des Betrages von 1,8 Milliarden dienen sollen. Ich glaube, in diesem konkreten Fall des laufenden Haushaltsjahres ist das ganze kein Problem; denn wenn ich 3 Milliarden decken soll und ich allein 1,2 Milliarden Steuereinnahmen mehr habe, dann bleibt ein Rest von 1,8 Milliarden, und wenn ich die schwer bekomme, dann ist der Weg, den der Bundesfinanzminister dank Ihrer Bewilligung zu gehen hat, ziemlich eindeutig: er muß zunächst einmal die Mittel auf die gegebenen Bewilligungen verteilen. Das ist mein Weg. Ihr Hauptanliegen scheint zu sein, daß
in einem Augenblick, wo der Finanzminister mangels erteilter Bindungszusagen auch die 3 Milliarden nicht mehr auf die Beine bringt, er souverän einfach sagt: Du kriegst etwas, du kriegst nichts. Dazu hätte er formell sicherlich das Recht. Ich will Ihnen aber gern zusagen, daß ich in einem solchen Falle eine Fühlungnahme mit dem Haushaltsausschuß suchen würde, und zwar schon aus dem Respekt heraus, den ich diesem Hause schulde und von dem ich heute eingangs meiner Ausführungen gesprochen habe.
Sie haben dann sehr hart gesagt, Sie erblickten eine Mißachtung des Parlaments darin, daß ich einen angeblichen Beschluß, der in der gestrigen Kabinettssitzung hinsichtlich des Dillon-Besuches gefaßt worden sei, nicht bekanntgegeben hätte. Ich habe Ihnen schon in einer privaten Unterhaltung gesagt und kann das ruhig hier wiederholen: einen solchen Beschluß, von dem in der Zeitung die Rede war, hat es nicht gegeben. Natürlich hat sich das Kabinett über den Dillon-Besuch unterhalten. Wir werden mit Herrn Dillon Gedanken austauschen. Aber diese Gedanken sind noch nicht beschlußreif. Wenn sie beschlußreif sind, werden wir Sie sehr gern — wie das geboten ist — darüber informieren. Hier tauchen in der Tat schwierige Probleme auf. Aber ich glaube, es war nicht Ihre Absicht, zu verlangen, daß interne Besprechungen des Kabinetts über eine erst morgen stattfindende Zusammenkunft schon heute im Parlament bekanntgegeben werden. Von einer Mißachtung des Parlaments kann hier gar nicht gesprochen werden.
Dann haben Sie mir vorgeworfen, Herr Kollege Ritzel, ich zeigte mich zuwenig in den Ausschüssen. Ich war darüber etwas bestürzt.
-- Dann liegt ein Mißverständnis vor. Ich darf mir einbilden, daß ich so oft komme, wie ich eben kann. Wenn Sie den Wunsch haben, mich zu sehen, bin ich jederzeit bereit, zu Ihnen zu kommen.
— Danke schön.
Das Problem der Reste, Herr Kollege Ritzel, will ich nicht noch einmal groß aufwerfen; es ist ein schwieriges Problem. Sie haben vorgeschlagen, die Reste zu töten. Auch Herr Lenz ist auf dieses Problem zu sprechen gekommen. Ich stelle mir vor, daß wir mit den Resten, wenn wir das nicht machten, was sie sagten, auch in drei Jahren fertig sein könnten. Wir wollen auch jetzt wieder 2 Milliarden absetzen. Wir werden dann Ende des Haushaltsjahres noch 8 Milliarden haben. Sie haben ausgerechnet, daß ungefähr 2 Milliarden normal seien. Wir hätten also noch 6 Milliarden wegzubringen. Wenn wir jedes Jahr 2 Milliarden wegbekommen, haben wir diese 6 Milliarden in drei Jahren beseitigt. Ich glaube, daß wir auf diesem Wege die Reste auch wegbringen können.
Hier kann ich gleich auf etwas eingehen, was Sie, Herr Kollege Lenz, angesprochen haben, nämlich
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Bundesfinanzminister Etzel
auf das Problem der Globalbewilligungen im Einzelplan 14. Ich habe heute morgen schon gesagt, daß diese großzügige Handhabung vielleicht in einer gewissen Übergangszeit notwendig war, in der keine Bremsen angelegt werden sollten. Ein schöner Zustand ist das nicht. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß er zur Wahrung der Kontrollrechte des Parlaments so schnell beseitigt werden muß, wie das nur irgend möglich ist.
Herr Kollege Ritzel, ich erspare mir, auf Ihre Bemerkungen zu den Einzelplänen einzugehen. ich bin auch der Meinung von Herrn Kollegen Lenz, daß solche Bemerkungen sehr nötig sind, glaube aber, daß ich dazu nicht Stellung zu nehmen brauche.
Eine Ausnahme möchte ich allerdings machen: zu Ihren Bemerkungen über die Bundeszuschüsse für die Rentenversicherungsträger möchte ich etwas sagen. Sie haben meinem Kollegen Blank den Vorwurf gemacht, daß er das Haus vielleicht sogar getäuscht habe. Ich glaube, das ist nicht richtig. Wir haben über dieses Thema schon anläßlich der Debatte über den Abschluß des Jahreshaushaltsplans 1959 gesprochen. Wir haben damals gesagt, es sollten 200 Millionen Schuldbuchforderungen in einer Situation gegeben werden, in der die Kassen das Geld noch gar nicht brauchten. In einer solchen Situation sind diese Forderungen dann so gut wie bares Geld, denn dieser Schuldner, der Bund, muß zahlen; er wird in dem Augenblick zahlen, in dem die Gelder benötigt werden.
Das Problem der Gemeindestraßen sollten wir einmal in einem anderen Zusammenhang behandeln. Es ist ja sehr vielfältig.
Die Behauptung, daß die Steuersenkungen der Vergangenheit eindeutig den Empfängern höherer Einkommen zugute gekommen seien, stimmt weder in bezug auf die Summe noch in bezug auf die Masse. Im Einzelfalle bekommt natürlich der, der mehr verdient, auch eine höhere Ermäßigung. Das ist ganz natürlich und liegt im Wesen unseres progressiven Systems. Praktisch sind die Steuersenkungen aber der Zahl und der Summe nach den Empfängern der mittleren und kleinen Einkommen zugute gekommen.
Das Gesetz der wachsenden Staatsaufgaben ist mir hier mit klassischen Zitaten bestätigt worden. Es scheint ein sehr altes Gesetz zu sein. Auch Herr von Goethe war Staatsminister und mußte auf diesem Gebiet wahrscheinlich ebenfalls seine besonderen Erfahrungen sammeln. Ich erkläre Ihnen freimütig: als ich mit jugendlichem Optimismus vor nunmehr stark zwei Jahren Finanzminister wurde, bildete ich mir ein, ich könne die Ausgaben total anhalten. Daß ich aber durch Gesetze, die dieses Hohe Haus gemacht hat, Herr Kollege Ritzel, gebunden war, habe ich sehr bald merken müssen; das ist die Tragik eines jeden Finanzministers.
Daß wir sie mitgemacht haben, bestreite ich gar nicht. Ich habe von diesem Hohen Haus, nicht von der SPD gesprochen.
Noch ein paar Worte zu dem, was ,der Herr Kollege Lenz hier vorgetragen hat. Er hat gesagt: Herr Etzel, deine Grundsätze sind ja alle ganz gut, aber die Anwendung läßt zu wünschen übrig. Zum Schluß hat er gesagt: Etzel, bleibe hart! Oder er hat gesagt: Werde hart! Vielleicht hat er sogar beides gesagt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, daß ich Grundsätze aufstelle, um sie auch anzuwenden, ist selbstverständlich. Daß ich sie auch mit Härte anzuwenden gewillt bin, habe ich in sehr vielen Fällen bewiesen. Wenn ich in einem Falle, der mir gern immerzu aufs Butterbrot geschmiert wird, nämlich im Falle der Kriegsopferversorgung, eine Lösung vesucht habe, so entsprang das dem Respekt vor dem Parlament, weil große Teile dieses Hauses gesagt haben: Die Regierungsvorlage machen wir nicht mit, die befriedigt uns nicht. In voller Harmonie mit meinem Kollegen habe ich dann diese neue Lösung versucht, die nicht durch eine Geldneuschöpfung, sondern durch die Terminverschiebung ermöglicht wurde.
Ich bin der Auffassung, daß wir gute Grundsätze, die Sie anerkennen, hart anwenden müssen. Dazu bedarf ich aber, meine Damen und Herren, Ihrer Hilfe. Ich will hier niemanden ansprechen. Aber wenn selbst am grünen Holze solche Dinge geschehen, daß Gesetzesvorlagen, die Milliarden von Ausgaben vorsehen, mit der „klassischen" Begründung kommen, das Geld — es handelte sich in dem Falle, den ich im Auge habe, um 3 Milliarden -
müsse ja in einem 40-Milliarden-Haushalt vorhanden sein, und wenn in einer anderen Situation in einem großen Einfuhrförderungsgesetz 4 Milliarden von mir verlangt werden, dann stehe ich allerdings vor der Schwierigkeit, gute Grundsätze nicht anwenden zu können.
Ich weiß, meine Damen und Herren, daß für die schlechte Praktizierung dieser Grundsätze nicht immer die Redner persönlich verantwortlich sind, die heute hier aufgetreten sind, und ich weiß auch, daß man sich — ich beziehe mich dabei durchaus mit ein — nicht immer in der Fraktion durchsetzen kann. Aber wir sollten bei der Gesamtkonzeption, die wir bei den Haushaltsplänen diskutieren, die Grenzen unserer Möglichkeiten sehen und dafür sorgen, daß als gut anerkannte Grundsätze auch realisiert werden.
Nun ein Wort zur Konjunktur. Herr Kollege Lenz, Sie haben gesagt, die Entwicklung gehe immer weiter dahin, daß sich auch die Finanzminister in die Maßnahmen zur Beeinflussung der Konjunktur durch ein antizyklisches Verhalten einschalteten. Nun, mein österreichischer Kollege Kamitz hat das mit großem Erfolg praktiziert, mein belgischer Kollege van Houtte praktiziert es augenblicklich, und mein luxemburgischer Kollege Werner tut es auch; sie haben Steuern erhöht, um damit die Konjunktur zu beeinflussen. Wir haben — ein gebranntes Kind scheut das Feuer — von dem heute zum erstenmal gelobten Juliusturm her allerdings schlechte Erfahrungen gemacht, und ich bin nicht ganz sicher, meine sehr verehrten Damen und Herren, ob sich die schlechten Erfahrungen nicht wiederholen wür-
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Bundesfinanzminister Etzel
den, wenn eines Tages irgendwo wieder ein Juliusturm entstünde und wir dann alle mitschuldig würden. Dieser Gesichtspunkt sollte in der Polemik nicht unbeachtet bleiben.
Herr Kollege Lenz, Sie haben gesagt, es gefalle Ihnen nicht, daß wir in unserer Haushaltssituation immerzu auf den Wellen der Konjunktur balancierten. Sie haben völlig recht. Wir sollten in der Tat die letzten Chancen der Konjunktur nicht immer haushaltsmäßig ausnutzen. Wenn eines Tages die Konjunktur zurückschlüge, kämen wir in der Tat in große Schwierigkeiten. Das kann ich nicht bestreiten; ich kann es nur bestätigen.
Sie haben mich dann „Franz im Glück" genannt. Ich will Ihnen, Herr Kollege Lenz, dazu reine kleine Geschichte vom Alten Fritz erzählen. Er ging eines Abends durch die Lagergasse und traf einen Offizier auf Posten an, der keine Dekoration hatte. Er fragte ihn: Wie lange bist du schon da? — Soundso viele Jahre! — Warum hast du keinen Orden? — Ja, einmal war ich gerade nicht da, als ich einen bekommen sollte, dann war ich krank, dann wurde ich abgelöst, so habe ich nie einen Orden bekommen. — Darauf schickte der Alte Fritz seinen Adjutanten, dem Offizier einen Orden zu geben. Am nächsten Tage lief ihm der Kerl wieder in der Lagergasse über den Weg — und trug wieder keinen Orden. — Warum trägt er keinen Orden? Ja, Majestät, ich war gestern abend gerade abgelöst, als ich den Orden bekommen sollte. — Da sagte der Alte Fritz: Scher er sich weg, er hat kein Glück, ich kann ihn nicht brauchen! — Seien Sie also froh, wenn Ihre Politiker, Ihre Minister in der politischen Wirksamkeit auch Glück haben! So ganz einfach ist das mit dem „Franz im Glück" allerdings auch nicht. Das will ich aber nicht im einzelnen begründen.
Warum ich Heizölsteuer und Lohnsteuer nicht eingesetzt habe, Herr Kollege Lenz, habe ich schon heute morgen in der Haushaltsrede diskutiert. Ich kann jetzt vielleicht darüber hinweggehen.
Von dein globalen Bewilligungen habe ich schon gesprochen.
Das Thema der Subventionen ist von beiden Herren angesprochen worden. Man hat mir bescheinigt: Du hast ja im Grunde recht; aber was willst du tun? Nun, etwas ist schon im agrarischen Sektor geschehen: die Roggenprämie wird jetzt statt mit 30 DM nur noch mit 10 DM subventioniert, und bei der Düngemittelsubvention haben wir bereits eine Kürzung von 20 % auf 14 % letztmalig vorgenommen. Es sind neue Maßnahmen in Vorbereitung; Sie werden also in Kürze auch hier, glaube ich, etwas erfahren können. Im übrigen wollen wir dem Subventionsproblem jetzt ernsthaft an den Hals gehen. Ich denke, daß ich Ihnen sehr bald dazu Vorschläge werde machen können.
Ich werde gerade gebeten, nicht mehr so lange zu reden; meine Fraktion schickt mir einen dahin gehenden Wunsch, und ich glaube, es ist der Wunsch des ganzen Hauses. Wem das Herz voll ist, dem läuft der Mund über. Ich mache also Schluß.
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich noch einmal für den Geist dieser Verhandlung.