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ID0309302100

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Metadaten
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    Vokabeln: 12
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 93. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1959 Inhalt: Nachruf auf die Opfer der Staudammkatastrophe bei Fréjus . . . . . . . 5119 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Diel und Wittmer-Eigenbrodt . . . 5119 A Begrüßung der Senatoren Johnston und Case des amerikanischen Senats . . . 5132 A Wahl des Abg. Niederalt in den Schuldenausschuß bei der Bundesschuldenverwaltung 5119 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das .Rechnungsjahr 1960 (Haushaltsgesetz 1960) (Drucksache 1400) — Erste Beratung — Etzel, Bundesminister . . 5119D, 5172 A Ritzel (SPD) 5137 D, 5172 D Dr. Vogel (CDU/CSU) 5151 C Lenz (Trossingen) (FDP) . . . . 5161 D Niederalt (CDU/CSU) 5167 C Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Rechnungsjahres an das Kalenderjahr (Drucksache 1435) ; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 1448) — Zweite und dritte Beratung — Ritzel (SPD) 5133 D Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (CDU/CSU) (Drucksache 515); Berichte des Haushaltsund des Finanzausschusses (Drucksachen 1346, 1270, zu 1270) — Zweite und dritte Beratung — Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) . . 5134 C, 5136 A Wieninger (CDU/CSU) 5135 C Dollinger (CDU/CSU) . . . . . 5136 B Zur Tagesordnung Rösing (CDU/CSU) . . . . . . . 5136 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland und Italiens zu den zwischen den Regierungen Belgiens, Frankreichs, Luxemburgs, der Niederlande und des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland geschlossenen und am 17. April 1950 in Brüssel unterzeichneten Übereinkommen über Grenzarbeitnehmer und über Gastarbeitnehmer (Drucksache 1188); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 1447) — Zweite und dritte Beratung — 5136 D Sammelübersicht 15 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache 1427) 5137 A II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und des Umsatzsteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1403) — Erste Beratung — . . . . . . . . 5137 B Antrag der Abg. Wilhelm, Bach, Ritzel, Schmitt (Vockenhausen) u. Gen. betr. Abgeltungsbetrag und Härteausgleichszahlung für Arbeiter, Angestellte und Beamte des öffentlichen Dienstes im Saar land (Drucksache 1453) 5137 B Antrag des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes betr. Zustimmung zur Veräußerung einer Beteiligung an der Deutsche Wochenschau GmbH, Hamburg (Drucksache 1039); Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 1474) Lohmar (SPD) . . 5176 D, 5179 B Zoglmann (FDP) . . . . . . . . 5178 C Dr. Lindrath, Bundesminister . . . 5179 C Entwurf einer Zehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Vorprodukte zur Herstellung von Hormonen usw.); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1454, 1475) 5180 C Entwurf einer Elften Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Zolltarifvereinbarungen mit der Schweiz usw.) ; Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1455, 1476) . . . 5180 C Entwurf einer Zwölften Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Gefriergemüse usw.); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1462, 1478) Wehr (SPD) 5180 D Nächste Sitzung 5181 C Anlagen 5183 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 5119 93. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 12. 12. Blachstein 11. 12. Brüns 12. 12. Dr. Dahlgrün 11. 12. Dr. Deist 10. 12. Dr. Dittrich 12. 12. Dopatka 11. 12. Engelbrecht-Greve 11. 12. Even (Köln) 11. 12. Gaßmann 11. 12. Gedat 12. 12. Geiger (München) 11. 12. Gewandt 12. 12. Dr. Gradl 12. 12. Dr. Greve 12. 12. Dr. Gülich 15. 12. Hahn 12. 12. Hellenbrock 10. 12. Hilbert 15. 12. Jacobi 10. 12. Jahn (Frankfurt) 15. 12. Kemmer 11. 12. Frau Klemmert 11. 12. Könen (Düsseldorf) 10. 12. Dr. Kopf 11. 12. Dr. Kreyssig 10. 12. Kriedemann 12. 12. Dr. Löhr 10. 12. Lulay 31. 12. Maier (Freiburg) 15. 12. Margulies 11. 12. Prennel 12. 12. Rademacher 11. 12. Rasner 11. 12. Dr. Ratzel 11. 12. Richarts 11. 12. Scheel 11. 12. Dr. Schild 11. 12. Schoettle 12. 12. Dr. Starke 12. 12. Stenger 11. 12. Frau Strobel 10. 12. Theis 12. 12. Dr. Willeke 12. 12. Wittmer-Eigenbrodt 11. 12. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Memmel betreffend Bundesmittel für die bayerischen Winzergenossenschaften (Fragestunde der 89. Sitzung vom 11. 11. 1959, Drucksache 1347) : Ich frage die Bundesregierung, welche Mittel - aufgegliedert nach verlorenen Zuschüssen und zinsverbilligten Darlehen - bisher den bayerischen Winzergenossenschaften vom Bund zugeflossen sind. In Ergänzung der in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 11. November 1959 mündlich erteilten Antwort darf ich mitteilen, daß nach Angaben des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bayerische Winzergenossenschaften seit dem Jahre 1954 bis zum Abschluß der Zinsverbilligungsaktion „Anschaffung von Gemeinschaftseinrichtungen und -maschinen" am 30. Juni 1959 Darlehen von insgesamt 956 500 DM in Anspruch genommen haben, die mit Bundesmitteln zinsverbilligt wurden. Schwarz Anlage 3 Erklärung zur Abstimmung gemäß § 59 der Geschäftsordnung. Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei hat zu Punkt 2 der Tagesordnung der 93. Sitzung des Deutschen Bundestages den Änderungsanträgen zur 2. Beratung des Entwurfs des 10. Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Umdrucke 447 und 449) zugestimmt, weil sich diese mit einem Änderungsantrag decken, den die Fraktion ,der FDP als Umdruck 450 eingebracht hat, der aber nicht mit zur Abstimmung gestellt werden konnte, weil er infolge eines eigenen technischen Versehens dem Hohen Hause zu spät vorgelegt wurde. Mauk Dr. Bucher Anlage 4 Umdruck 447 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 515, 1270, zu 1270). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 wird die neugefaßte Ziffer 4a des § 4 wie folgt ergänzt: i. Hinter dem Wort „Früchte" wird das Wort „ , frisch, " eingefügt. 2. Hinter den Worten „Gemüse und Küchenkräuter" wird das Wort „ , frisch," eingefügt. 3. Hinter den Worten „Kaffee-Ersatzmittel und Kaffee-Ersatzmittelextrakte" wird das Wort „Kindernährmittel" neu eingefügt. Bonn, den 8. Dezember 1959 Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 Umdruck 449 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 515, 1270, zu 1270). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 wird die neugefaßte Ziffer 4a des § 4 wie folgt ergänzt: 1. Hinter dem Wort „Früchte" wird das Wort „ , frisch," eingefügt. 2. Hinter den Worten „Gemüse und Küchenkräuter" wird das Wort „ , frisch," eingefügt. Bonn, den 9. Dezember 1959 Dr. Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rudolf Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist natürlich ein schwieriges Unterfangen, nach einer eindreiviertelstündigen Rede noch von seiten der CDU mit Bemerkungen zu dem wichtigsten Ereignis des Jahres, der Einbringung des Haushalts, anzukommen, vor allem wenn man weiß, daß der Redaktionsschluß der großen Zeitungen gewöhnlich um 17 Uhr ist. Aber ich will trotzdem den Versuch machen, das zu tun.

    (Zuruf des Abgeordneten Hermsdorf.)

    — Herr Hermsdorf, Sie sind ein kundiger Thebaner, Sie wissen, was ich mit meiner Bemerkung meine. — Erlauben Sie mir zunächst, eins zu tun: Wir sollten dem Bundesfinanzminister dafür danken, daß er trotz der schon herannahenden Arbeiten für den zweiten Haushalt, den wir im kommenden Jahr zu verabschieden haben werden, diesen Haushalt sehr pünktlich vorgelegt hat und daß er es trotz der zu überwindenden personellen Schwierigkeiten in seinem Hause rechtzeitig geschafft hat.
    Lassen Sie mich nun zu allgemeinen Bemerkungen kommen, die sich direkt an die Rede des Herrn Bundesfinanzministers anschließen. Ich beabsichtige nicht, hier einen stundenlangen Rundgang durch die einzelnen Haushalte zu machen, sondern will versuchen, die großen Linien darzulegen, die uns hier bei der Einbringung des Jahreshaushalts bewegen.
    Eine kleine bittere Vorbemerkung kann ich mir allerdings nicht ersparen. Herr Bundesfinanzminister, wir haben sonst alljährlich die ausgezeichneten „Allgemeinen Vorbemerkungen zum Entwurf des Haushaltsplanes" immer so rechtzeitig erhalten, daß wir daraus unseren Nutzen ziehen konnten. In diesem Jahre ist das leider nicht der Fall gewesen — ich habe sie erst heute morgen bekommen —; ich möchte bitten, sie in Zukunft wieder zu angemessener Zeit vorzulegen.
    Gleich auch eine Anmerkung zu einem sehr schmerzlichen Kapitel, das seit Jahren hier auf der Tagesordnung steht und das auch mein Vorredner angeschnitten hat: zu den über- und außerplanmäßigen Ausgaben, die im Jahre 1957 2,28 Milliarden DM — meine Zahlen weichen ein wenig von den Ihren ab, Herr Kollege Ritzel — und im Jahre 1958 immerhin noch über 2 Milliarden DM betragen haben. Ich sage das aus einem bestimmten Anlaß. Denn gestern haben wir im Haushaltsausschuß z. B. Vorlagen bekommen, die von sehr einschneidender finanzieller Natur waren. Es erfüllt uns im Haushaltsausschuß mit wachsendem Unbehagen, daß in den letzten Jahren in steigendem Maße solche Vorlagen mit außer- und überplanmäßigen Ausgaben außerhalb des Haushaltsplans eingebracht worden sind. Es ist anzuerkennen, daß sie regelmäßig dem Haushaltsausschuß vorgelegt werden, eine Pra-
    5152 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959
    Dr. Vogel
    xis, die früher nicht immer geübt wurde. Aber ich glaube, es geht zu viel im Grunde genommen am Haushalt vorbei. Das sollte in Zukunft unbedingt eingeschränkt werden. Wenn ich z. B. allein an die leidigen Vorlagen hinsichtlich unserer Subventionen als Folge des Eiergesetzes denke — ein sehr profaner Vorgang, aber immerhin umfaßt er viele Millionen DM , so komme ich zu der Schlußfolgerung, man sollte bei der Einbringung der Gesetzentwürfe die Kosten besser vorausberechnen, sofern das möglich ist. Aber ich kann mir vorstellen, daß es auch hier so gegangen ist wie mit manchen anderen Bundeszuschüssen: es werden aus einer gutgemeinten Aktion heraus Subventionen gewährt, die einen Notstand mindern sollen, und dann wird daraus ein Eigengebilde, das von Jahr zu Jahr immer größere Formen annimmt. Ich erinnere nur an die Brotsubventionen, die wir in den ersten Jahren hatten und die abzubauen nachher einige Mühe gekostet hat.
    Ein weiteres ist hier ebenfalls schon erörtert worden: die Frage der Bindungsermächtigungen. Der Herr Bundesfinanzminister ist auf Seite 17 seiner Rede näher darauf eingegangen. Ich werde auf die Frage im Zusammenhang mit dem Konjunkturverlauf noch zu sprechen kommen.
    Ich darf hier aber eines zur Ehrenrettung meiner Freunde aus der Landwirtschaft betonen. Vorhin ist die neue Erweiterung der Subventionen um einen Betrag in der Größenordnung von fast 200 Millionen DM angeführt worden, der diesem „Berg" hinzugefügt worden ist. Dazu muß mit Nachdruck festgestellt werden, daß es sich hier um Hilfe für Berlin, um Bevorratungen, um Ausgaben für die landwirtschaftliche Siedlung handelt, die in keinem Zusammenhang mit den sonstigen landwirtschaftlichen Subventionen stehen.
    Und eines muß sich auch die deutsche Industrie ständig vor Augen halten. Bestimmte große Summen, die wir für den „Getreideberg" aufbringen, sind im Grunde genommen nichts weiter als versteckte Exportsubventionen für unsere Industrie

    (Abg. Dr. Conring: Sehr richtig!)

    und kommen der Landwirtschaft nicht zugute; im Gegenteil, sie belasten sie nur. Wenn wir einen Handelsvertrag mit einer Nation schließen, sind wir häufig — Beispiel: Schweden — genötigt, große Getreidemengen hereinzunehmen, für die wir beim besten Willen bei uns überhaupt keine Verwendung haben. Wir müssen sie dann mit Verlust exportieren oder — was wir gestern z. B. im Haushaltsausschuß beschlossen haben — sie mit einem Verlust von 80 DM pro Tonne als Viehfutter mitvermahlen lassen; immerhin noch ein billigerer Vorgang, als mit Verlust zu exportieren. Aber um es klarzustellen: das sind keine Subventionen für die Landwirtschaft, das sind echte Industriesubventionen.
    Der Bundesfinanzminister hat sich wiederholt auf die letzten Monatsberichte der Deutschen Bundesbank bezogen, und er hat auch die Kundgebung des Zentralbankrates erwähnt. Dabei sind hier Erinnerungen an den Juliusturm aufgeklungen, von dem auch mein Herr Vorredner gesprochen hat. Meine Damen und Herren, ich mache für meine Person gar
    kein Hehl daraus, daß ich in den vorangegangenen Jahren, als der Vorgänger des jetzigen Finanzministers im Amte war, diese Politik der Zurücklegung von Mehreinnahmen des Bundes für kommende Zeiten, in denen mit Sicherheit höhere Ausgaben zu erwarten waren, für richtig gehalten habe und daß ich auch heute nicht zögere, mich dazu zu bekennen.

    (Abg. Dr. Conring: Sehr gut!)

    Inzwischen bahnt sich ja so etwas — ich möchte keinen Ausdruck gebrauchen, den man nachher mißverstehen könnte — wie eine ganz andere Beurteilung der Vorgänge an, die sich damals abgespielt haben. Seien wir doch so ehrlich, klopfen wir an unsere Brust und sagen wir: Dieses Hohe Haus, ob Regierungskoalition oder Opposition, hat dafür gesorgt, daß diese Vorräte an Geld, die eigentlich für kommende Jahre bestimmt waren, verausgabt worden sind. Ich möchte an die Aufsätze erinnern, die damals, zum Teil sogar in der deutschen Fachpresse, erschienen sind und in denen dargelegt wurde, welche Inflations-Wirkungen dies haben müsse. Wir haben aber keine Inflation erlebt, sondern wir konnten uns in den letzten eineinhalb Jahren einer außerordentlich stabilen Preislage erfreuen. Ich will hier keine einzelnen Aufsätze zitieren. — Herr Kollege Hermsdorf, die Bundesbank, die doch wohl darin ein völlig unbestrittener Zeuge ist, hat zusammen mit dem von Ihrer Seite ebenfalls völlig unbestrittenen Präsidenten Dr. Fürst klargestellt, daß wir uns fast eineinhalb Jahre lang in dein erstaunlichen magischen Dreieck bewegt, daß wir nämlich eine Vollbeschäftigung bei stabilen Preisen durchgehalten haben. Das war ein außerordentlicher Glückszufall für unser Volk.
    Ich möchte aber noch einmal auf diesen Punkt zurückkommen. Heute wird es beinahe bedauert, daß man keine Reserven mehr hat, schon wegen ihrer antizyklischen Bedeutung. Die Überhitzung vor allen Dingen der öffentlichen Bauvorhaben wird heute wohl kaum noch bestritten. Sie liegen in diesem Jahr um 29 % über den Bauvorhaben der öffentlichen Hand im vergangenen Jahr. Wenn man heute fordert, der Bund solle dies besser steuern, sollte man sich rückblickend der antizyklischen Bedeutung der Geldstillegungen in den vergangenen Jahren erinnern und sie auch entsprechend würdigen.
    Lassen Sie mich noch ein Zweites zur Kapitalmarktpflege sagen. Ich habe mich sehr darüber gefreut, daß der Bundesfinanzminister sich hier derartig .entschieden für eine Kapitalmarktpflege ausgesprochen hat. Nichts werden wir in den kommenden Jahren mehr brauchen als wachsendes oder vielleicht überhaupt erst neues Vertrauen der deutschen Sparer zu Bundesanleihen und zu sonstigen öffentlichen Anleihen. Man kann nicht von einem Volke, das zwei Inflationen überstanden hat, ohne weiteres verlangen, daß es zu öffentlichen Anleihen das gleiche Vertrauen wie vor 1914 hat oder das gleiche Vertrauen, das heute die Sparer oder die Käufer derartiger Anleihen in England und in anderen Ländern der Welt haben. Ich bin dankbar dafür, daß das deutsche Volk, nicht zuletzt auch infolge der Stabilitätspolitik unserer Regierung, wieder
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 5153
    Dr. Vogel
    von neuem das Vertrauen gefaßt und von 1948 bis heute wieder 41 Milliarden DM den Spartöpfen zugeführt hat. Denn ohne diese 41 Milliarden DM wäre die Aufbaupolitik in Deutschland überhaupt nicht möglich gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber der Bundesfinanzminister wird in die Tasche greifen müssen, um für die jetzt wieder neu in Erscheinung tretenden Bundesanleihen das umbedingt erforderliche Vertrauen zu schaffen. Ich werde mir nachher noch erlauben, einiges zur Kapitalmarktlage als solcher auszuführen.

    (ein Posten, den der Bundesfinanzminister nannte, bedeutsam zu sein. Er erwähnte die nicht weniger als 370 Millionen DM, die wir bislang schon an den Bürgschaften verloren haben. Angesichts der Tatsache, daß das gegenwärtige Bürgschaftsvolumen bei 10 Milliarden DM liegt, bin ich manchmal sehr besorgt über die Verluste, die wir vielleicht in der Zukunft noch in Kauf nehmen müssen. Mein Freund Dr. Leverkuehn hat ja in verschiedenen Gremien, neuerdings auch in einer Rede vor dem Überseeklub in Hamburg, zu diesem Problem Stellung genommen. Er hat, glaube ich, nicht ohne Grund als Fachmann davor gewarnt, etwa zu glauben, daß das kapitalarme deutsche Volk Leistungen auf diesem Gebiet erbringen könne, die über seine Kräfte gehen. Nach zwei Inflationen ist nicht mehr das Kapital vorhanden, das früher einmal vorhanden war. Wir hatten bereits vor 1914 bei uns nicht im entferntesten jene Kapitalreichtümer bei den großen Banken zu verzeichnen, wie sie damals die „Big Fives" in England besaßen. Wenn ich mich nicht irre, hat heute die kleinste der fünf englischen Großbanken mehr Kapital als die drei großen Banken Deutschlands zusammengenommen. Das sind Dinge, die man sich dabei ständig vor Augen halten sollte. Nun lassen Sie mich noch einiges zu dem sagen, was ich gestern in der Zeitung las über die Vorschläge, die Lord Shawcross hinsichtlich der OEEC geäußert hat. Ich habe es sehr begrüßt, daß sich die OEEC nunmehr entschlossen hat, die von der deutschen Seite ausgearbeiteten Schutzbestimmungen für deutsche Kapitalanlagen im Ausland aufzugreifen und sie zur Sache der OEEC zu machen. Ohne derartige Schutzbestimmungen für Kapitalanlagen im Auslande kann es schwerlich zur Ausweitung der Hilfe für die Entwicklungsländer kommen. Ich hoffe, daß auch die Entwicklungsländer selbst in ihrem ureigensten Interesse willig in der Sicherung des Eigentums und gleichzeitig auch in der Wahrung der rechtsstaatlichen Beziehungen zwischen den gebenden und den empfangenden Ländern mitgehen werden. Noch eine kleine Anmerkung zu der Rolle des Bundesrechnungshofes inmitten unserer Beratungen und der Beratungen des Haushaltsausschusses im besonderen. Wir wollen die Rolle des Bundesrechnungshofes in keiner Weise unterschätzen. Im Haushaltsausschuß haben wir immer darauf gehalten, das Urteil des Bundesrechnungshofes zu hören und ihn als Gutachter mit heranzuziehen. Aber mir scheint — ich habe Gelegenheit gehabt, es heute Herrn Präsidenten Dr. Hertel selbst zu sagen, der heute morgen hier anwesend war —, die Kontrollmaßnahmen, die jetzt nebeneinander, neben Oberfinanzdirektion, Bundesrechnungshof und den einzelnen beteiligten Ressorts laufen, haben sich gerade bei den Bauaufträgen in einer Weise gehäuft, daß der Kontrollen ein wenig zuviel geworden ist. Es scheint, daß wir heute beinahe eine Kostensteigerung zu befürchten haben, weil häufig genug die notwendigen Schlußabrechnungen infolge der übermäßigen Kontrollen hinausgezögert werden und mehr und längere Kredite erfordern. Das ist auch ein Punkt, der wohl beachtet werden muß. Es darf nun deswegen nicht zu einer Minderung notwendiger Kontrollen kommen, wohl aber sollte nach meinem Dafürhalten ein Abbau überflüssiger Kontrollen erfolgen. Ich möchte angesichts der vorgerückten Zeit nicht auf das Thema der Neuinvestitionen bei Verkehrswegen und bei Verkehrsmitteln eingehen. Ich darf Sie aber wohl darauf hinweisen, daß vor allen Dingen die Entwicklung des Luftverkehrs uns in Bälde vor einige Aufgaben ganz besonderer Größenordnung stellen wird. Nachdem wir nun einmal zur Errichtung einer deutschen Luftfahrtgesellschaft A gesagt haben, werden wir hier noch sehr bittere neue Zusagen machen müssen, wenn die nächsten Anforderungen an neuen Maschinen kommen. Ich bedaure das zu langsame Zusammenwachsen der vier Gesellschaften, die sich in dem neuen Luftfahrtpool zusammengeschlossen haben. Es wäre uns lieber, wenn dieser Zusammenschluß rascher und infolgedessen breiter vor sich ginge — ich nehme das gern auf. Es wäre uns lieber, wenn sich vielleicht auch die holländische Gesellschaft entschließen könnte, einem solchen Pool beizutreten. Ich darf die Voraussage wagen, daß in absehbarer Zeit wohl kaum noch Raum für kleine nationale Gesellschaften sein wird angesichts der Entwicklung in der modernen Luftfahrt und wenn man bedenkt, welche neuen Zusammenballungen vor allen Dingen in Amerika bereits entstehen. Wenn man für die Luftfahrt ein gutes Werk tun will, sollte man in allen europäischen Ländern rechtzeitig überlegen, ob man durch einen frühzeitigen Zusammenschluß unter Umständen nicht Millionen ich wage sogar zu sagen: Milliarden — an Fehlinvestitionen einsparen könnte. Noch eine kleine Randbemerkung. Die Vertreter der Rektorenkonferenz und der Studentenschaft haben uns mit ihrem Besuch beehrt. Sie waren bei der SPD zu Gaste und werden heute abend bei uns, 5154 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 Dr. Vogel bei der CDU zu Gaste sein. Da mein Vorredner das Thema angeschnitten hat, kann ich nicht umhin, auch dazu eine Bemerkung zu machen. Ich muß offen gestehen, ich hätte es lieber gesehen, wenn uns von seiten der Wissenschaft und der Forschung ein einheitlicher Vorschlag unterbreitet worden wäre. Das hatten wir im Grunde genommen von den Mitgliedern des Wissenschaftsrates erwartet. Mir will, so möchte ich einmal sagen, das getrennte Vorgehen der einzelnen Körperschaften nicht ganz gefallen. Ich weiß, wie schwierig es ist, Professoren unter einen Hut zu bringen; ich nehme an, daß mir die anwesenden Professoren diese Bemerkung gestatten werden. Aber es wäre uns lieber, wenn wir hier einen genau durchdachten Vorschlag, einen Wunschzettel aller dabei Beteiligten bekommen hätten und nicht den Vorschlag einer bestimmten Gruppe. — Über die Höhe der Forderung möchte ich mich hier überhaupt nicht äußern, denn dazu ließen sich Ausführungen von einer halben Stunde Dauer machen. Lassen Sie mich außer diesen Randbemerkungen einiges zu dem äußern, was hier vorher gesagt worden ist. Ich werde meinem Vorredner in einigen Vorwürfen, die er erhoben hat, vielleicht zustimmen, und ich freue mich immer, wenn ich ihm zustimmen kann. In einigen Punkten aber muß ich Übertreibungen zurückweisen. Nehmen wir z. B. einmal die Subventionen. Es ist sehr einfach zu sagen: Weg mit den Subventionen! Aber, meine Damen und Herren, ich habe bis jetzt noch keine derartigen Anträge gehört, wenn es hier in der Vergangenheit um die Beratung des Einzelplans 10 ging. Wenn hier Anträge gestellt wurden, betrafen sie niemals eine Verminderung des Ansatzes, sondern nur eine Umgruppierung. Man sollte sich daher hüten, der Regierung in dieser Beziehung Vorhaltungen zu machen. Ebenso vermag ich keinen Vorzug darin zu sehen, etwa die Personalien im Haushalt des kommenden Jahres zu beraten. Wir waren uns wohl darüber einig, daß ein Überrollungshaushalt außer dem zeitlichen Vorteil den Vorteil hat, daß er das Parkinsonsche Gesetz zumindest einmal für neun Monate inhibiert. Schon das scheint mir ein großer Vorzug eines solchen Verfahrens zu sein; denn mit Sicherheit wären sonst neue Stellenhebungen und neue Ausweitungen auch außer denen im Verteidigungsministerium gefordert worden. Einiges, was die kommunalen Finanzen betrifft, darf hier „nicht im Raum stehenbleiben" — um diesen jetzt so beliebten Ausdruck zu verwenden; neben „flexibel" ist es der schönste moderne Ausdruck, den ich in diesem Hause gehört habe —. Man kann nicht so mit leichter Hand vom Tisch wischen, was der Bundesfinanzminister in einer sehr durchdachten Aufzählung an neuen Einnahmen der Kommunen darlegte. Man kann einfach nicht daran vorbeigehen, daß sich die Gewerbesteuereinnahmen allein in diesem Haushaltsjahr um 400 Millionen DM erhöhen werden, und um weitere 400 Millionen das ist vorausschaubar — in den nächsten drei oder fünf Jahren. Das sind sehr, sehr einschneidende Summen. Vor allen Dingen kann man doch an einem nicht vorbeigehen: Warum will man den Bund in einer Angelegenheit beschuldigen, in der er nun weiß Gott nicht zuständig ist? (Abg. Dr. Dresbach: Herr Vogel, die kommunale Selbstverwaltung bezieht sich nicht nur auf die Ausgabenseite des Haushalts, sondern auch auf die Einnahmenseite, und das hat der Finanzminister ausgezeichnet dargestellt!)


    (Abg. Dr. Conring: Und breiter!)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    (Abg. Dr. Conring: Und keine Globalforderungen!)

    — Er hat nicht nur das getan, sondern er hat nach meinem Dafürhalten die Länder überaus fair behandelt, indem er einiges auszusprechen vermied, was eigentlich dabei auszusprechen gewesen wäre.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Die SPD hat sonst, wenn ich recht unterrichtet bin, auf ihre Fahnen geschrieben, sie wolle etwas zum Ausgleich zwischen Reich und Arm beitragen. Warum nicht auch hier zwischen reichen und armen Kommunen? Ich sehe durchaus nicht ein, warum es nicht Aufgabe der Länder bleiben sollte, hier einiges zum Ausgleich zwischen dem Reichtum einiger Gemeinden und der unverkennbaren Armut der großen Mehrzahl mit beizutragen.

    (Abg. Dr. Dresbach: Herr Vogel, den haben wir ja schon beim Gewerbesteuerausgleich zwischen Betriebsstättengemeinden und Wohnsitzgemeinden!)

    — Auch wenn wir das einmal abziehen, Herr Kollege Dresbach! Ich könnte Ihnen unschwer allein aus meiner engeren Heimat mehr als 14 Städte aufzählen, bei denen man nun weiß Gott nicht von einer Notlage sprechen kann. Aber es gibt dann auch soundso viel arme, und es ist, wenn wir das Subsidiaritätsprinzip richtig anwenden, zunächst einmal Sache der Mittelinstanz, der Länder, hier für einen Ausgleich zu sorgen. Man kann, glaube ich, in keinem Fall sagen, der Bundesfinanzminister oder wir hätten die Gemeinden als ein „lästiges Anhängsel" betrachtet.
    Was den Wohnungsbau anlangt, darf ich Ihnen eines in Ihr Gedächtnis zurückrufen. Wir haben schon das letzte Mal bei der zweiten Lesung des Haushalts gewarnt, zuviel in den Wohnungsbauhaushalt hineinzustecken. Uns lagen entsprechende Anträge von Ihrer Seite vor, und ich war damals dankbar, daß die massivsten dieser Anträge in der dritten Lesung zurückgezogen worden sind; denn in der Zwischenzeit zeichnete sich am Horizont die Entwicklung der Baukonjunktur bereits ab. Es ist doch wohl unbestreitbar, daß wir heute alle ein Interesse haben, die Baukonjunktur nicht zu überhitzen. Sie ist ja doch bereits an einem sehr kritischen Punkt angelangt.
    Wenn wir im Jahre 1959 auf 580 000 größere und teurere Wohnungseinheiten — gemessen am Vorjahr — kommen werden, dann ist das eine außerordentliche Leistung. Einfach erstaunlich ist es, daß
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 5155
    Dr. Vogel
    sie ohne noch größere Preisanhebungen und Verteuerungen zustande gekommen ist. Der Index, den ich gestern noch in der Hand hatte, war niedriger als der, den ich erwartet hatte, und die neuesten Untersuchungen, die das Statistische Bundesamt angestellt hat, bringen ein neues Licht in die Meßziffern. Ich stelle mit Erleichterung fest, daß wir bis jetzt von höheren Teuerungsschätzungen ausgegangen sind.
    Lassen Sie mich auch noch ein Wort zu einer Nachricht sagen, die hier, wie ich glaube, über Gebühr aufgebauscht worden ist. Heute morgen lasen wir in der „Welt" eine Information über einen angeblichen Kabinettsbeschluß, der gestern in bezug auf neue Leistungen gegenüber den Vereinigten Staaten gefaßt worden sein soll. Ich war, als ich diese Meldung in die Hand bekam, genauso betroffen wie Kollege Ritzel und habe als Haushaltsobmann meiner Fraktion sofort den Herrn Bundeskanzler gefragt, was es damit für eine Bewandtnis habe. Der Herr Bundeskanzler hat mir sofort versichert, daß es sich dabei keineswegs uni Kabinettsbeschlüsse handelt, sondern um Überlegungen, die selbstverständlich jedes Kabinett in Europa vorher anstellen wird, wenn ihm der Besuch des amerikanischen Unterstaatssekretärs mit bestimmten Absichten angekündigt wird. Ich glaube, man sollte die Bedeutung dieses Vorgangs nicht übertreiben.
    Vor allen Dingen hat mich die, ich möchte einmal sagen, übermenschliche Rolle geradezu etwas betroffen gemacht, die ein paar armen TO.A-III-Angestellten - vielleicht waren es auch TO.A-II-Angestellte — in New-Delhi zugemutet wird: Sie sollten den indischen Herrn Ministerpräsidenten rechtzeitig davon unterrichten, was er zu der deutschen Wiedervereinigungsfrage zu sagen habe!

    (Abg. Ritzel: Der Botschafter!)

    — Lieber Kollege Ritzel, ich möchte nicht, daß hier ein Schatten auf meine ausgezeichneten persönlichen Beziehungen zu dem früheren Botschafter, dem Kollegen Professor Dr. Meyer fällt, der in Indien eine ausgezeichnete Tätigkeit entfaltet hat. Aber wenn es seinem vorzüglichen Verhältnis zu Nehru, wenn es den wiederholten Spaziergängen Arm in Arm mit dem verstorbenen Vizekanzler Blücher, der sich seines besonderen Vertrauens erfreute, wenn es den Bemühungen von Professor Erhard — und den ganz bescheidenen Bemühungen auch einer kleinen deutschen Parlamentarier-Konferenz — in Unterredungen mit Nehru nicht gelungen ist, den indischen Ministerpräsidenten davon abzuhalten, in einem Presseinterview, so möchte ich es bezeichnen, einen Lapsus linguae zu begehen, dann sollte man doch nicht von kleinen deutschen Angestellten eines Informationsdienstes draußen übermenschliche Dinge verlangen!
    Herr Kollege Ritzel, Sie haben gesagt, die SPD hätte die Absicht, einen Antrag einzubringen, wonach die Auswirkungen des Parkinsonschen Gesetzes — um es auf diesen Nenner zu bringen — wissenschaftlich analysiert werden sollen. Wir werden einem jeden derartigen Beginnen frohen Herzens zustimmen. Aber wir werden uns dabei
    auch gleichzeitig mit Skepsis wappnen. Denken Sie an die traurige Geschichte all derartiger Versuche in der Vergangenheit; sie haben dieses Gesetz, glaube ich, wenig ändern können. Solange sich dieses Hohe Haus nicht entschließt, bei seinen kommenden Gesetzen etwas mehr auf die Kostenfrage zu achten als bisher, hat es keinen Sinn, sich darüber zu beschweren, daß sich die Bürokratie ausbreitet.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was die Steigerung der Preise und die damit zusammenhängenden Fragen anbelangt, so werde ich dazu einiges in meinen weiteren Ausführungen sagen. Aber ich möchte der morgigen Debatte nicht vorgreifen. Ich weiß, daß im Hintergrund nicht nur die Messer geschliffen, sondern ja auch bereits die Sensen gedengelt werden. Aber es muß etwas gesagt werden, um die Dinge richtig darzustellen und die deutsche Öffentlichkeit vor Übertreibungen zu warnen, die in der letzten Zeit offenbar ein wenig überhand genommen haben. Ich wäre dankbar gewesen, wenn mein Vorredner auch festgestellt hätte, daß neben einem unbestreitbaren Anstieg der Preise gerade gegenwärtig vor Weihnachten eine ebenso unbestreitbare Tendenz zu sinkenden Preisen vermerkt werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.) Das sollte man entsprechend würdigen.

    Lassen Sie mich nun zu dem kommen, was ursprünglich als eigentliche Konzeption meiner Rede zur Einbringung des Haushalts gedacht war.
    Der Herr Bundesfinanzminister und sein Haushalt 1960 haben in der deutschen Fachpresse eine höchst unterschiedliche Behandlung erfahren. In einem der bekanntesten Organe ist er wenig erfreulich weggekommen. „Der Volkswirt" z. B. überschrieb seine Betrachtung zum Haushalt mit „Finanzpolitischer Seiltanz". Der Bund der Steuerzahler machte es diesmal gnädiger und empfahl den Abbau der Subventionen, ohne allerdings zu sagen, ob er auch damit einverstanden sei, daß bestimmte steuerliche Vorteile, die gerade den hinter ihm stehenden Kreisen zugute kommen, ebenfalls abgebaut werden sollten. Diese Frage aber muß man beantworten, wenn man von einem Abbau der Subventionen als einem Allheilmittel spricht.
    Das größte Fragezeichen, das im Haushalt 1960 gesetzt werden könnte, gehört nach meiner Ansicht hinter das Kapitel der Anleihen. Es ist hier wiederholt, auch bei der. Beratung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes, vorgeschlagen worden, eine Dekkung für den Finanzbedarf stärker als bisher auf dem Anleihemarkt zu suchen. Meine Damen und Herren, wenn es in den kommenden Monaten um die Verabschiedung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes geht, warne ich Sie sehr, sich der Hoffnung hinzugeben, daß für diese Zwecke Milliardenbeträge aus dem deutschen Kapitalmarkt geschöpft werden könnten. Wenn der Bund nicht in der Lage war, ihm größere Beträge zu entnehmen, als er es bisher tatsächlich vermochte — obwohl er Bedingungen eingegangen ist, die höchst lukrativ sind
    5156 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn. Donnerstag, den 10. Dezember 1959
    Dr. Vogel
    —, dann wird es der Offa oder einer anderen Gesellschaft noch wesentlich schwerer als dem Bund fallen, hier zum Zuge zu kommen. Halten Sie sich doch bitte das Schicksal der Bundesbahn- und der Bundespostanleihe von vor zwei Monaten vor Augen und messen Sie daran einmal die Chancen künftiger Anleihen!
    Ich stehe nicht an zu erklären, daß der Bundesfinanzminister völlig recht hat, wenn er sagt, bei einer Zeichnung von 11 Milliarden DM festverzinslicher Werte im abgelaufenen Jahr sollte es nicht unmöglich sein, außer den geplanten Bundespost- und Bundesbahnanleihen und den sonstigen Anleihen der Länder und Kommunen drei Milliarden DM Bundesanleihen unterzubringen. Aber wir leben in einem Rechtsstaat; der Bundesfinanzminister ist gar nicht in der Lage, hier etwas zu erwirken oder zu bewirken, wenn auf der anderen Seite die Bundesbank, die Großbanken und die sonstigen an solchen Zeichnungen beteiligten Konsortialbanken nicht freiwillig mitziehen. Wir haben doch in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, daß man nicht ohne weiteres bereit ist, für die Zeichnung von Bundesanleihen in einer solchen Größenordnung einzutreten.
    Ich möchte also ein Fragezeichen hinter diese drei Milliarden DM Bundesanleihen des Jahres 1960 setzen. Wir werden wohl nicht fehlgehen in der Erwartung, daß notfalls durch Einsparungen und vielleicht auch durch mittelfristige Finanzierungen ein Übergang gefunden werden muß, wie er auch in diesem Jahr gefunden wurde. Ich halte diesen Weg gar nicht einmal für schlecht und ungangbar.
    Wir dürfen dabei schließlich nicht die noch offenstehenden Forderungen vergessen, die der Bundesfinanzminister nicht voll aufgezählt hat; er sprach von den Forderungen der Länder. Mein Freund Niederalt wird nachher noch nähere Ausführungen dazu machen. Aber der Bundesfinanzminister weiß auch um die Forderungen, die z. B. vielleicht von den Vereinigten Staaten an uns gestellt werden. Er weiß auch von den Wiedergutmachungsforderungen uns verbündeter Nationen, die gleichfalls noch ausstehen.
    Von meinem Herrn Vorredner ist bezüglich der Versicherungsanstalten die Summe von 1,9 Milliarden zitiert worden. Auch darüber wird man sich einmal einigen müssen.
    Es ist die Größe X angesprochen worden, die für den Bund in den neu angekündigten oder in den bereits vollzogenen Tarifkündigungen liegt. Lassen Sie mich einmal ein offenes Wort zu der Begründung sagen. Die Beamten können ja keine Tarife kündigen. Aber in einem Organ, das mir mit der Post zugeschickt worden ist, lese ich die ganz schlichte und einfache Begründung: Da der Bund in diesem Jahre ein Mehraufkommen an Steuern von 1,2 Milliarden habe, sei es wohl nicht mehr als recht und billig, daß die Beamten jetzt eine Gehaltsaufbesserung von 15 % bekämen.

    (Zuruf von der SPD.)

    - Aber bitte, lesen Sie es doch in der letzten Nummer dieses Organs selber nach! Man sollte sich
    wirklich etwas mehr darum bemühen, die Argumentation zu vertiefen.
    Ich möchte auch hier ganz offen folgendes aussprechen, Herr Kollege Dr. Schäfer: Wenn die deutsche Beamtenschaft glaubt, mit der Konjunktur gehen und an jeder Lohnerhöhung partizipieren zu müssen, setzt sie sich — das wissen Sie genauso gut wie ich — der ungeheuren Gefahr aus, daß sie nachher, wie es in der Vergangenheit schon einmal passiert ist — mit der Brüningschen Notverordnung von 20 % —, auch Abschläge hinnehmen muß, von denen sie jetzt bei der Rezession verschont geblieben ist. Das ist ein sehr gefährlicher Weg, und ich wünschte, daß die deutsche Beamtenschaft ihn nicht geht.
    Allerdings werden wir unsere Augen nicht davor verschließen können, daß die Angestelltenrenten in der heutigen Entwicklung im Vergleich mit den Beamtenpensionen einen Stand erreicht haben, der einmal unserer besonderen Beachtung wert ist.
    Lassen Sie mich nun auf eine der Kernfragen dieses Haushalts eingehen. Diese Frage lautet schlicht: Kann sich das deutsche Volk einen Haushalt in der Größenordnung von über 42 Milliarden DM leisten? Diese Frage ist nur zu berechtigt. Wer in der letzten Zeit einmal Gelegenheit hatte, die Vereinigten Staaten zu besuchen und sich dort mit Finanzexperten zu unterhalten, wird sehr bald auf ein Problem stoßen, das mein Herr Vorredner vorhin angesprochen hat, als er den Einzelplan 14 streifte. — Herr Kollege Ritzel, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt besonders intensiv zuhörten! — Vorhin ist der Regierung von meinem Herrn Vorredner der Vorwurf gemacht worden, sie habe es versäumt, die deutschen Kriegsfolgeleistungen bei der Anrechnung der deutschen Rüstungsbeträge voll und ganz zu vertreten und durchzusetzen. Herr Kollege Ritzel, ich möchte dazu mit allem Freimut und in aller Offenheit folgendes sagen. Daß es überhaupt gelungen ist, den deutschen Beitrag heute auf 4,7 % zu halten — gemessen an den 12 % der Vereinigten Staaten —, verdanken wir einzig und allein der Tatsache, daß die andere Seite anerkannt hat, daß wir bestimmte Kriegsfolgelasten hatten. Glauben Sie denn ernstlich, ein Volk wie die Amerikaner oder die Engländer — die 11 % ihres Haushalts dafür ausgeben — ließe es sich auf die Dauer bieten, daß das deutsche Volk bei der Verteidigung mit 4,7 % davonkommt, während die Verbündeten das Doppelte und das Dreifache zu leisten haben?

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte die Dinge hier einmal völlig klarstellen.

    (Zuruf links: Wir haben doch Lasten! — Weitere Zurufe.)

    Wir kannten die Hartnäckigkeit des Bundesfinanzministers Schäffer, und Sie werden genau wie ich anerkennen, daß er gerade die Leistungen für Berlin, die Leistungen für die Heimatvertriebenen, für den Lastenausgleichsfonds, für die zerstörten Wohnungen etc. in zähen und unermüdlichen Verhandlungen ins rechte Licht gerückt hat. Das ist sein historisches
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 5157
    Dr. Vogel
    Verdienst, und das sollte auch nicht geschmälert werden.

    (Abg. Hermsdorf: Das ist aber auch ein Verdienst dieses Hauses!)

    — Das erkenne ich ebenso an, und ich zögere auch nicht, das zu sagen. Aber, Herr Kollege Barsig, wenn Sie sich einmal mit amerikanischen Experten darüber unterhalten haben, dann wissen Sie doch, in welcher Situation wir uns befinden, wenn wir denen erst mühsam aufzählen müssen, was wir für Lasten haben.

    (Abg. Hermsdorf: Sie können ja nicht einmal meinen Namen mehr behalten!)

    — Ich bitte wegen der Namensverwechslung um Entschuldigung.
    Zurück zum Thema. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als ich mit der ersten deutschen Parlamentsdelegation einer Einladung der Hansard-Society folgte — die englische Regierung wagte es damals, 1949/50, noch gar nicht, uns einzuladen — und nach England kam. Als wir aus .dem Parlamentsgebäude heraustraten, fanden wir ein uraltes Vehikel vor dem Parlamentsgebäude, und als wir darüber eine kleine Bemerkung machten, bekam ich vom Herrn Stephen King-Hall, der vielen von Ihnen ein Begriff ist, eine geradezu klassische Antwort. Er sagte: Meine lieben deutschen Freunde, ich glaube, wir Engländer müssen noch einen dritten Weltkrieg verlieren, damit ihr uns in einem Mercedes 300 nachher abholt, während wir als Siegernation mit dem Fahrrad fahren werden! Das war in der Zeit, in der wir unseren Verwandten in England noch ein Speckpaket mitbrachten — 1950 —, während die siegreiche Nation noch ihre Lebensmittelkarten hatte.
    Ich möchte hier einmal vor dem Hohen Hause eine Warnung aussprechen. Sehr viele im deutschen Volk glauben, das deutsche Volk habe nach zwei Katastrophen einen historischen Anspruch darauf, auf einer Insel der Seligen einer glücklichen Zukunft entgegenzuleben und andere den größten Teil seiner eigenen Sicherheit gewährleisten und dafür zahlen zu lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Wir haben heute bei uns bereits vielfach einen Grad an Opferunwilligkeit gegenüber dem Staat erreicht, der uns allen, ob wir nun in der Regierungskoalition oder in der Opposition sitzen, ernstlich zu denken geben sollte. Es ist die Frage aufzuwerfen, ob wir bereits alles getan haben, um noch die Reste des guten Willens zu mobilisieren, die heute noch im deutschen Volk vorhanden sind.
    Während der Parlamentarierkonferenz in Washington ist ein Gedanke aufgekommen, der sich in der letzten Zeit infolge der steigenden Bedeutung der konventionellen Waffen wieder darbietet. Gerade bei den kommenden Haushaltsberatungen über den Einzelplan 14 — Verteidigung — sollten wir uns ernsthaft überlegen, ob wir nicht in stärkerem Maße als bisher auf freiwilliger Basis allen denjenigen eine Möglichkeit geben sollten, sich in Kursen für die Territorialarmee zur Verfügung zu stellen, die
    dazu heute noch freiwillig bereit sind. Wir könnten damit versuchen, einen Beitrag über die 12 Divisionen hinaus zu leisten, die aufzustellen wir uns in den Pariser Verträgen verpflichtet haben. Ich weiß, daß man über den militärischen Effekt einer solchen Aufstellung sich vielleicht noch unterhalten muß, Kollege Kreitmeyer, aber darauf kommt es hier nicht an. Vielmehr kommt es darauf an, dem im deutschen Volk noch vorhandenen good will eine Möglichkeit zur Entfaltung zu geben.

    (Abg. Kreitmeyer: Völlig meine Meinung!)

    — Ich freue mich, daß wir da übereinstimmen.
    Ein zweiter Punkt verdient, heute oder später noch einmal vertieft zu werden. Wir können unsere Augen nicht vor dem weltweiten Diffamierungsfeldzug gegen die Bundesrepublik schlechthin verschließen. Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, daß heute von seiten des Ostblocks — wobei man den Leuten in Pankow, aber auch den Polen und den Tschechen ganz besondere Aufgaben zugewiesen hat — versucht wird, in der Welt den Eindruck zu erwecken, die Bundesrepublik sei nichts weiter als die Erbin des Naziregimes von 1933 bis 1945 und die Bundeswehr nichts weiter als ein Haufen revanchelüsterner Soldaten, die bereit seien, über friedliebende Nachbarn herzufallen. Wir dürfen uns über die ungeheure Gefährlichkeit einer solchen Unterstellung, die draußen dem Ausland eingehämmert wird, nicht hinwegtäuschen! Es gibt leider draußen Leute genug, die auf Grund der bitteren Erfahrungen, die sie mit uns Deutschen in zwei Weltkriegen gemacht haben, solchen Einflüsterungen heute ein offenes Ohr leihen. Wer sich einmal offenen Auges die Fernsehprogramme in den Vereinigten Staaten ansieht, wer sich dort die Masse der neuen Hetzfilme ansieht und sich bestimmte Radiosendungen anhört, die in steigendem Maße gesendet werden, der wird einfach nicht daran vorbei können, festzustellen, daß es sich hier um einen groß angelegten Feldzug zur Diffamierung der Bundesrepublik handelt. Das Hohe Haus wird sich zu überlegen haben, was es dagegen zu unternehmen bereit ist.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Vor allem auch in Deutschland; wenn gewisse Nachtigallen wieder trapsen! — Abg. Bausch zum Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Sie sollten sich schämen, kommunistische Propagandalügen nachzuschwätzen!)

    — Auch in Deutschland, Herr Schmitt. Wir sind durchaus bereit, das auch hier zu tun.


Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Dr. Vogel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hermsdorf?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rudolf Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ja!

    (Zuruf des Abg. Bausch.)