Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob ich diesen Vorgang als einmalig bezeichnen soll.
— Entschuldigen Sie, wenn ich dadurch, daß ich persönlich angesprochen wurde, zunächst vielleicht nicht die nötige Ruhe habe; ich werde aber noch zu dieser Ruhe zurückfinden.
Herr Kollege Mende hat hier zu Beginn nochmals die Beschuldigung der Täuschung erhoben und hat diese Beschuldigung unmittelbar mir gegenüber ausgesprochen. Herr Dr. Dehler hat sich dieser Beschuldigung angeschlossen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erkläre hiermit vor dem Hause, daß die Behauptung des Herrn Dr. Mende und des Herrn Dr. Dehler unwahr ist.
Ich habe vorhin kurz mit dem Herrn Präsidenten gesprochen. Ich sehe zur Minute keine andere Möglichkeit als die, diese Erklärung zu wiederholen, daß die beiden Herren hier eine unwahre Behauptung aufgestellt haben.
— Da fragen Sie noch „und?"!
Herr Kollege Dehler hat sich so sehr auf die geheiligten parlamentarischen Grundsätze berufen. Ich hätte erwartet, daß, wenn man einen solchen Vorwurf gegen einen Kollegen dieses Hauses erhebt, man diesem Kollegen zumindest vorher einmal die Möglichkeit gibt, sich zu einer so schwerwiegenden Anschuldigung zu äußern.
Das hätte ich in Wahrnehmung der so hoch gepriesenen parlamentarischen Grundsätze in diesem Hause erwartet, denn das gehört zu den ganz primitiven Grundsätzen eines jeden anständigen Mannes.
Mehr möchte ich zu dieser Sache nicht sagen.
Weiterhin möchte ich jetzt vorlesen — —
— Wenn es Ihnen zu einfach ist, können Sie ja nachher heraufkommen.
Herr Dr. Mende hat seinerzeit diese Beschuldigung erhoben, und der Finanzausschuß hat sich mit dieser Beschuldigung in seiner Sitzung vom 22. Oktober befaßt. In dieser Sitzung waren Vertreter der FDP nicht anwesend.
Ich lese die Erklärung vor, die der Finanzausschuß in dieser Sitzung einstimmig angenommen hat:
Der Finanzausschuß des Deutschen Bundestages befaßte sich in seiner Sitzung vom 22. Oktober 1959 mit den in der Öffentlichkeit und aus dem Parlament aufgestellten Behauptungen, daß die Neufassung des § 12 Abs. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes auf Interessentenwünsche zurückgehe und durch Täuschung der Abgeordneten zustande gekommen sei.
Der Finanzausschuß weist diese Vorwürfe mit Entschiedenheit zurück.
Die fragliche Bestimmung, deren Einbringung in Form eines interfraktionellen Antrags der Ausschuß am 18. Februar 1959 einstimmig empfahl, war laut Protokoll des Ausschusses vom 18. Februar 1959 vom Finanzministerium und Bundeswirtschaftsministerium unter Berufung auf die Bundesbank befürwortet worden. Gemäß demselben Protokoll hat laut Mitteilung des Bundesfinanzministeriums auch der Bundesverband des privaten Bankgewerbes diese Vorschrift befürwortet.
Die Bestimmung selbst war nach der Beschlußfassung des Deutschen Bundestages vom 18. Februar 1959 noch bis zum 8. Mai 1959 im Gesetzgebungsverfahren in Beratung.
— Also beinahe drei Monate lang war dieses Gesetz dann noch in Beratung! —
Während dieser Zeit haben sich die Bundes-
bank, der Finanzausschuß des Bundesrates
— was ich jetzt sage, steht nicht in dieser Erklärung; das sage ich den Herren der FDP: Der Finanzausschuß des Bundesrates, dessen Vorsitzender der FDP-Landtagsabgeordnete in Baden-Württemberg, Herr Finanzminister Dr. Frank ist —
und die Bundesregierung ausdrücklich für diese Vorschrift ausgesprochen. Stimmen dagegen waren in dieser Zeit nicht bekanntgeworden.
Das Bundesfinanzministerium und das Bundeswirtschaftsministerium erklärten in der heutigen Sitzung des Finanzausschusses, daß sie die Vorschrift nach wie vor für richtig und durchführbar halten.
Der Finanzausschuß hat deshalb Herrn Dr. Mende um eine Erklärung zu seinen Äußerungen in dieser Sache ersucht. Im übrigen behält er sich weitere Schritte vor.
Die Schreiben, die ich dann namens des Finanzausschusses an Dr. Mende gerichtet habe, sind ausweichend beantwortet worden. Das letzte Schreiben ist nicht beantwortet worden.
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Neuburger
Herr Dr. Mende hat erklärt, er werde heute dazu Stellung nehmen. Die Stellungnahme bestand darin, daß er seine ungeheuerliche Beschuldigung wiederholt hat.
Herr Dr. Dehler hat vorhin auch das Justizministerium zitiert, das angeblich auch mitwirken sollte. Ich muß das Hohe Haus darauf aufmerksam machen, daß in der Sitzung des Finanzausschusses am 18. Februar 1959, in der die hier kritisierte Gesetzesergänzung in Anwesenheit des FDP-Abgeordneten Dr. Dahlgrün ausführlich behandelt wurde, auch der Vertreter des Justizministeriums, Herr Dr. Jung, anwesend war.
Ich muß nun an das Hohe Haus einige Fragen richten. Es handelt sich hier um eine Bestimmung, die in das Kapitalverkehrsteuergesetz aufgenommen wurde. Wesentlicher Sinn und Zweck der von der Regierung vorgelegten Novelle war es, die auf dem Kapitalmarkt in Konkurrenz miteinander stehenden Finanzierungsarten gleichmäßig zu besteuern.
Ist dieses Verlangen berechtigt oder ist dieses Verlangen unberechtigt?
Ich betone nochmals — das ist nämlich etwas, was man nicht hören will —: Sinn und Zweck dieser Vorlage war, die auf dem Kapitalmarkt in Konkurrenz miteinander stehenden Finanzierungsarten gleichmäßig zu besteuern,
weil das bisherige Kapitalmarktgesetz diese Gleichmäßigkeit nicht gewährleistete.
Diese gleichmäßige Besteuerung herbeizuführen, war auch Ziel und Aufgabe des Finanzausschusses.
Ich frage das Hohe Haus: Hat der Finanzausschuß diese Aufgabe oder hat er sie nicht?
Bitte schön, das frage ich auch die Herren da drüben , die hier eben auch geklatscht haben!
— Halt, halt, halt! Ich entlasse hier niemand so einfach aus der Verantwortung.
So einfach, wie Sie sich das vorstellen, geht es nicht.
— Jawohl, Sie können alles hören, alles miteinander.
Ich sage nur: das war die Aufgabe des Finanzausschusses. Wer das bestreitet, der möge hier heraufgehen und das bestreiten.
So haben wir das Gesetz beraten. Vor der dritten Lesung ergab sich die Frage, ob das Geschäft der Teilschuldverschreibungen mit anderen Finanzierungsarten, die bereits vom Gesetz erfaßt werden, nämlich der Aktie und der Obligation, auf dem Markt konkurriert. Weil wir uns nicht zuständig fühlten, festzustellen, ob das Finanzierungsinstrument der Teilschuldverschreibungen mit den anderen Instrumenten der Obligationen und der Aktien, die wir besteuern, in Konkurrenz steht, haben wir dort gefragt, wo die sachverständige Entscheidung, nach Ansicht von Herrn Dr. Dehler die Interessentenentscheidung, liegt.
Wir haben bei dem für uns zuständigen Finanzministerium gefragt. Daraufhin hat das Finanzministerium das getan, was es tun muß. Es hat beim Bundeswirtschaftsministerium und bei der Bundesbank angefragt und hat sich auch, wie ich dann gehört habe, mit dem Bundesverband des privaten Bankgewerbes in Verbindung gesetzt. Aber das ist eine Angelegenheit des Bundesfinanzministeriums. Wir vom Ausschuß haben jedenfalls gesagt: „Bitte schön, sagt uns, ist diese Finanzierungsart eine Konkurrenz. Dann muß sie besteuert werden, und zwar ohne jede Rücksicht darauf, ob sie viel oder wenig Ertrag bringt." Mit keinem Wort ist im Finanzausschuß die Rede davon gewesen oder ist darüber debattiert worden, was diese Steuer einbringen könnte. Mit keinem einzigen Wort!
Herr Dehler, der nicht dabei war, weiß es besser. Mit so viel Phantasie und ebenso viel Unverstand habe ich noch nie jemand reden hören.
Ich betone also: Daraufhin hat das Finanzministerium erklärt: Jawohl, diese Finanzierungsart steht in Konkurrenz. Daraufhin haben sämtliche Anwesende im Finanzausschuß — einschließlich des Herrn Dr. Dahlgrün von der FDP — gesagt: Gut, dann wollen wir im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung so verfahren. Nur darum ging es; das Gesetz hatte gar keinen anderen Sinn, als nur die Gleichmäßigkeit der Besteuerung herbeizuführen. Das war das A und O der Vorlage. Daraufhin haben wir im Interesse der Gleichmäßigkeit gesagt: Diese Bestimmung nehmen wir auf.
Die Bundesbank hat wenige Tage später an den Bundesrat ein Schreiben gerichtet. Herr Dr. Dehler hat es zwar auch vorgelesen, aber in einem völlig anderen Sinn. Aber ich lese es vor, um zu zeigen, was uns veranlaßt hat und was unsere Verantwortung ist, nämlich das Problem der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Da heißt es:
Der noch immer verhältnismäßig große Umfang von Schuldscheindarlehen bereitet uns gewisse Sorgen. Wir sind der Ansicht, daß es gesünder wäre, die Schuldscheindarlehen wieder stärker zugunsten der Vergebung von Wertpapieren in den Hintergrund treten zu lassen. Die Tatsache, daß die Aufnahme von Schuldscheindarlehen steuerfrei ist, während die Begebung und der Umsatz von Wertpapieren besteuert werden, erschwert jedoch eine solche Entwicklung. Die
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mit der Gesetzesnovelle der Bundesregierung angestrebte steuerliche Gleichbehandlung von Schuldscheindarlehen und Wertpapieren würde im Sinne einer nicht unwichtigen Reform der Kapitalmarktverhältnisse liegen.
- Aus einem Schreiben, unterzeichnet von Herrn
Dr. Troeger und Herrn Dr. Wolf, vom 24. Februar, d. h. sechs Tage nach der Sache, also unmittelbar nachdem sie dem Finanzministerium mündlich erklärt haben: Jawohl, diese Finanzierungsart steht in Konkurrenz und muß deshalb notwendigerweise auch der gleichen Steuer unterliegen. Das ist also auch diese im Hintergrund stehende Interessentengruppe!
Im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom April heißt es:
Diese Gleichstellung ist durchaus berechtigt; denn es ist nicht einzusehen, warum die Kapitalbeschaffung über Schuldscheindarlehen steuerlich gegenüber der Begebung von Wertpapieren bevorzugt werden soll.
So sehen die Täuschung und der Betrug aus, die ich begangen habe!
Das ist hier nachzulesen.
Dann wird lächerlicherweise darauf abgestellt, als ob das Volumen bei der Beurteilung der Angelegenheit irgendeine Rolle gespielt hätte.
— Nein, dann müssen Sie das Protokoll lesen. Das Protokoll enthält in seinem ersten Satz den Grundsatz. der steuerlichen Gleichbehandlung. In einem zweiten Satz habe ich eine Prognose ausgesprochen. Diese Prognose findet eine Bestätigung auch in dem Bericht der Deutschen Bundesbank.
— Den Nachsatz, ja. Der erste Satz enthält also den Grundsatz der steuerlichen Gleichheit. Das war unsere Aufgabe. Im zweiten Satz habe ich von der Frage der Kapitalmarktpflege gesprochen, genau wie hier. Darauf komme ich nachher noch. Ich habe dann gesagt, es sei im Interesse der Kapitalmarktpflege nicht zu verantworten, wenn die bisherige Kapitalverkehrsteuerfreiheit dieser Schuldscheindarlehen dazu führe, daß sie annähernd die Größenordnung der Obligationenausgabe erreichten. Denn wir haben den im Gesetz genannten Steuersatz ja von 1,5 auf 2,5 erhöht und haben damit die Steuerungleichheit vergrößert und dadurch wiederum das Wettbewerbsverhältnis zweier auf dem Markt konkurrierender Papiere geradezu noch mehr verzerrt.
Darauf sind, wie die Bundesbank sagt, auch noch entsprechend mehr Verhandlungen geführt worden, um mit den Schuldscheindarlehen möglichst rechtzeitig steuerfrei nach Hause zu kommen. Das können Sie nachlesen im Bericht der Bundesbank. Das
war, wie ich vorhin betont habe, am 27. Februar, also neun Tage später.
In der Zwischenzeit, zwischen dem 18. und 27. Februar, hat der Finanzausschuß des Bundesrates unter Vorsitz des FDP-Landtagsabgeordneten Finanzminister Dr. Frank getagt, und der hat die Dinge nicht übersehen; denn er hat sie genauso für wesentlich gehalten wie wir. Dr. Dehler sagt, es sei unwesentlich gewesen. Nein, es war für uns die wesentliche Sache. Deshalb haben wir uns auch bemüht, sie im Gesetz zu berücksichtigen. Da sagt der Finanzausschuß des Bundesrats, daß sich im Zeitpunkt der Beratung des Finanzausschusses die Bedeutung der neuen Bestimmungen nicht voll überblicken lasse, wenn man die Schuldscheine und Schuldverschreibungen gleichstelle und damit der Wertpapiersteuer unterwerfe, sofern sie über Teile des Gesamtdarlehens ausgestellt sind. Aber nun die Beurteilung:
Diese Beurteilung dürfte nicht nur im Sinne der Gleichmäßigkeit der Besteuerung liegen,
genau mein Satz in meinem Protokoll —
sondern darüber hinaus auch wirtschaftliche Vorteile haben.
Ich habe von Kapitalmarktpflege gesprochen. —Das ist der Finanzausschuß des Bundesrats, offenbar auch eine Interessentengruppe im Hintergrund nach Dr. Dehler.
Damit war aber die Geschichte immer noch nicht zu Ende. Das ist also immer der Gesetzentwurf, der angeblich hopplahopp über die Bühne ging. Die Bundesregierung hat den Entwurf dann nochmals hier eingebracht und hat auch zu dieser Änderung wieder Stellung genommen, und zwar ausdrücklich Stellung genommen. Aber das möchte ich vorlesen. Die Bundesregierung schreibt:
Bei der Wertpapiersteuer ist die Besteuerung der Schuldscheindarlehen von besonderer Bedeutung. Dadurch soll den Mißbräuchen vorgebeugt und die Abwanderung von der Obligation auf den Schuldschein verhindert werden.
Also dasselbe, was die Bundesbank sagt, wenn ich sage: Diese Gleichstellung ist durchaus berechtigt; dann ist nicht einzusehen usw.
Dann ist die Sache im Vermittlungsausschuß gewesen, und ich nehme an, daß im Vermittlungsausschuß die FDP-Mitglieder nicht geschlafen haben.
Ich nehme an, daß sie nicht geschlafen haben.
Am 8. Mai, beinahe drei Monate nach dieser Bestimmung, hat man endlich dieses Gesetz verabschiedet, und, wie gesagt, zu keiner Zeit, während dieses Verfahren lief und alle Instanzen sich gerade mit dieser Änderung befaßten, ist irgendwie etwas gehört worden. Da ist offenbar zu der Zeit auch Herrn Dr. Mende noch nichts von einer Täuschung
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zugeflüstert worden. Soviel, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Sache.
Ich betone nochmals: Die Einführung dieser Bestimmung war notwendig und muß von all denen gutgeheißen werden, die sich dafür einsetzen, daß auf dem Markt in Konkurrenz stehende Dinge — ich kann es hier speziell sagen: auf dem Markt in Konkurrenz stehende Finanzierungsarten —, wenn schon versteuert, dann der gleichen Besteuerung unterworfen werden müssen, gleichgültig um welche Größenordnung es sich da oder dort handelt.