Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im Auftrage meiner Fraktion möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf ein Einzelproblem lenken, das wir im Zusammenhang mit der Rentenanpassung für wichtig halten und das ich deshalb trotz der vorgeschrittenen Zeit hier heute in der ersten Lesung noch kurz anschneiden möchte. Wir haben uns in diesem Hause schon des öfteren damit beschäftigt, ohne daß wir bislang — wir bedauern das sehr — zu einer befriedigenden Lösung dieses Problems gekommen sind. Es handelt sich um die sehr leidigen Anrechnungsbestimmungen.
Die Anrechnungsbestimmungen sahen bisher vor — in § 7 des Zweiten Rentenanpassungsgesetzes hat diese Regelung erneut ihren Niederschlag gefunden —, daß erhöhte Rentenleistungen aus der Sozialversicherung — die wir auf Grund der Entwicklung heute festlegen — auf andere Sozialleistungen angerechnet werden. Davon betroffen sind, wie Sie, meine Damen und Herren, wissen, besonders die Empfänger aus der Kriegsopferversorgung, dem Lastenausgleich und der Fürsorge.
Bereits im vergangenen Jahre, bei der Verabschiedung des Ersten Rentenanpassungsgesetzes, haben wir in der Debatte darauf hingewiesen, daß der Staat mit einer solchen Regelung widersprüchlich handelt: mit der einen Hand gibt er, und mit der anderen Hand nimmt er, nämlich die erhöhten Leistungen aus der Rentenanpassung bei den anderen von mir erwähnten Sozialleistungen. Dieser Personenkreis spürt also praktisch nichts von der Anpassung der Renten, die wir auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung vornehmen wollen. Angesichts der Preisentwicklung insbesondere in den letzten Monaten brauche ich nichts darüber zu sagen, wie sehr gerade dieser Personenkreis einen Ausgleich für die- erhöhten Lebenshaltungskosten braucht.
Die Anrechnungsbestimmungen, die von den Betroffenen immer wieder als so hart empfunden werden und die — ich möchte das in diesem Zusammenhang noch einmal sagen — auch der Herr Bundeskanzler vor der Wahl als so unangenehm bezeichnet hat, daß er sie geändert haben wollte,
beweisen immer wieder die Fragwürdigkeit unseres Sozialleistungssystems und beweisen auch, daß, die Teillösungen, die wir leider statt der versprochenen umfassenden Sozialreform immer wieder schaffen, in keiner Weise aufeinander abgestimmt sind. Diese
Tatsache — und das ist mit der Grund, weshalb wir
diese Frage schon in der ersten Lesung anschneiden
— wird besonders deutlich, wenn wir an die Situation in der Kriegsopferversorgung denken. Mir ist nicht ganz klar, wie der Herr Bundesarbeitsminister mit dieser Frage fertig werden will, ohne die betroffenen Kriegsopfer allzu hart zu treffen und ohne von den durchführenden Behörden ein Übermaß an Berechnungs- und Verrechnungsarbeit zu verlangen.
Trotz unseres Antrags im vergangenen Jahr, die Anrechnungsbestimmungen ganz fallenzulassen, und trotz unseres Alternativantrags, die Anrechnungsbestimmungen so lange auszusetzen, bis die Leistungen der übrigen Sozialgesetze verbessert worden seien, blieben Sie, meine Herren und Damen von der Regierungskoalition, durch ihre verneinende Haltung damals bei der Regelung, die Anrechnungsbestimmungen des 1. Rentenanpassungsgesetzes am 1. Juni 1959 in Kraft treten zu lassen. Sie lehnten unseren Alternativantrag mit der Begründung ab, daß man alles das nicht nötig habe, daß man die Unterhaltsbeihilfe, daß man die Renten aus der Kriegsopferversorgung so schnell wie möglich nachziehen würde. Herr Kollege Stingl, der dazu sprach, erklärte — Sie werden sich sicher noch daran erinnern —, daß im Frühjahr dieses Jahres eine Neuordnung der Kriegsopferversorgung kommen werde
und daß man dabei alles ausbügeln wolle. Wir alle haben im Fruhjahr vergeblich auf den Gesetzentwurf gewartet. Wir wissen nun, daß es der Wille der Regierungskoalition und der Wille der Bundesregierung ist, daß eine Verbesserung der Leistungen der Kriegsopferversorgung erst am 1. Juni 1900 in Kraft treten soll.
— Darf ich erst einmal weiter ausführen, was ich zu meinem Thema zu sagen habe.