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ID0308802400

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    Deutscher Bundestag 88. Sitzung Bonn, den 6. November 1959 Inhalt: Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der Rentenversicherungen (Sozialbericht 1959) (Drucksache 1255) ; in Verbindung mit Entwurf eines Zweiten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1959 (Zweites Rentenanpassungsgesetz —2. RAG) (Drucksache 1325) — Erste Beratung — Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Angestelltenversicherungsgesetzes und des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (FDP) (Drucksache 1276) — Erste Beratung — Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung und des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (FDP) (Drucksache 1277) Antrag betr. finanzielle Verpflichtungen des Bundes gegenüber den Trägern der Rentenversicherung (SPD) (Drucksache 1333) Blank, Bundesminister 4771 C, 4777 D Frau Friese-Korn (FDP) . . . . . 4774 B Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 4777 A Dr. Schellenberg (SPD) 4777 B, 4778 A Arndgen (CDU/CSU) . . . . . . 4777 B Horn (CDU/CSU) . . . . . . . . 4781 C Mischnick (FDP) . . . . . . . . 4784 C Frau Kalinke (DP) . . . 4777 C, 4786 D Frau Korspeter (SPD) . . . . . . 4793 A Meyer (Wanne-Eickel) (SPD) . . 4794 B Killat (Unterbach) (SPD) 4796 C Stingl (CDU/CSU) . . . . . . 4798 A Dr. Starke (FDP) 4802 A Erklärung gemäß § 36 GO Dr. Mommer (SPD) . . . . . . 4803 C Nächste Sitzung 4803 D Anlage 4805 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 88. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1959 4771 88. Sitzung Bonn, den 6. November 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Graf Adelmann 25. 11. Dr. Atzenroth 7. 11. Berberich 6. 11. Dr. Besold 6. 11. Birkelbach 6. 11. Fürst von Bismarck 7. 11. Börner 7. 11. Dr. Brecht 6. 11. Dr. Bucerius 6. 11. Dr. Burgbacher 25. 11. Dr. Deist 6. 11. Dr. Dittrich 6. 11. Dr. Dollinger 6. 11. Drachsler 6. 11. Eilers (Oldenburg) 6. 11. Dr. Fritz (Ludwigshafen) 6. 11. Geiger (Aalen) 6. 11. Dr. Gleissner 6. 11. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 15. 12. Haage 6. 11. Hahn 28. 11. Dr. Dr. Heinemann 6. 11. Dr. Hellwig 6. 11. Dr. Graf Henckel 6. 11. Heye 25. 11. Hilbert 1. 12. Frau Dr. Hubert 6. 11. Illerhaus 6. 11. Jacobs 15. 11. Jahn (Frankfurt) 15. 12. Josten 15. 11. Junghans 7. 11. Kisters 28. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 25. 11. Dr. Kohut 28. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Kreitmeyer 25. 11. Leber 6. 11. Dr. Leiske 6. 11. Lenz (Trossingen) 6. 11. Lücker (München) 7. 11. Maier (Freiburg) 15. 12. Matthes 15. 11. Muckermann 6. 11. Müller-Hermann 6. 11. Müser 7. 11. Pietscher 6. 11. Prennel 6. 11. Dr. Preusker 6. 11. Probst (Freiburg) 25. 11. Dr. Ratzel 7. 11. Richarts 6. 11. Dr. Rutschke 6. 11. Scharnowski 6. 11. Dr. Schild 6. 11. Dr. Schmidt (Wuppertal) 6. 11. Frau Schmitt (Fulda) 25. 11. Schneider (Hamburg) 6. 11. Schüttler 6. 11. Dr. Seffrin 7. 11. Seuffert 6. 11. Stahl 6. 11. Stierle 7. 11. Dr. Vogel 25. 1.1. Wacher 6. 11. Wagner 6. 11. Walpert 12. 11. Wehking 6. 11. Weinkamm 7. 11. Dr. Willeke 6. 11. Wittrock 6. 11. b) Urlaubsanträge Blachstein 12. 11. Finckh 1. 12. Storch 14. 11.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Gesetzentwurf über die Rentenanpassung, den Antrag der SPD, die Gesetzentwürfe der FDP und den Sozialbericht können wir nicht erörtern, wenn wir hier nicht eine Klärung der Finanzlage der Rentenversicherungen herbeiführen. Das ist die Aufgabe, mit deren Lösung hier in der ersten Lesung begonnen und deren Lösung in den Ausschußberatungen fortgesetzt werden muß. Dies bereitet über die Schwierigkeiten, die in der Natur der Sache liegen, hinaus deshalb besondere Schwierigkeiten, weil einmal — Frau Kollegin Friese-Korn hat darauf hingewiesen — die versicherungstechnische Bilanz nicht vorliegt, wofür ich im Gegensatz zu Ihnen, Frau Kollegin, wegen der Schwierigkeit ihrer Erstellung Verständnis habe, und weil zum andern der Sozialbericht kein ausreichendes Zahlenmaterial über die Finanzlage bietet, wofür ich kein Verständnis habe.
    Wenn wir die Finanzlage der Rentenversicherungen erörtern wollen, müssen wir zwei Probleme behandeln. Wir müssen erstens die finanziellen Erfahrungen seit Verabschiedung der Rentenneuregelungsgesetze zu überschauen versuchen, wir müssen zweitens uns Gedanken über die voraussichtliche Weiterentwicklung der Finanzlage machen.
    Zum ersten: die finanzielle Entwicklung seit Verabschiedung der Rentenneuregelungsgesetze. Der Sozialbericht bietet leider keinen Gesamtüberblick über die Einnahmen und Ausgaben seit der Neuregelung im Jahre 1957. Man kann sie sich zusammenstellen, aber ein Gesamtüberblick wird im Sozialbericht nicht geboten. Man muß also verschiedene Unterlagen, die bei verschiedensten Gelegenheiten zur Verfügung gestellt wurden, selbst zusammentragen, um einen Gesamtüberblick über die Finanzlage zu erhalten. Es gibt im Sozialbericht viele interessante Einzeldaten, aber der finanzielle Gesamtüberblick kann aus dem Sozialbericht nicht entnommen werden. Das ist zur Klärung der Finanzprobleme unerläßlich, zumal da die Finanzlage teilweise unter Berufung auf diesen Sozialbericht als kritisch bezeichnet wird.
    Wie sind nun die Erfahrungen, die finanziellen Ergebnisse seit dem 1. Januar 1957? Aus den verschiedenen Vorlagen der Bundesregierung kann man sich errechnen, daß die Bundesregierung von 1957 bis 1959 mit einem Einnahmeüberschuß von insgesamt 1,2 Milliarden gerechnet hatte. Das hat sie nicht im Jahre 1957 gesagt, sondern sie hat sich im Laufe der Zeit berichtigen müssen.
    Nachdem jetzt die Erfahrungen dieser drei Jahre vorliegen, ergibt sich, wenn man das Material für 1959 zugrunde legt, daß der Überschuß nach eigenen I Angaben der Bundesregierung 3,2 Milliarden DM betragen hat, Der Verband der Rentenversicherungsträger gibt für die Zeit seit dem 1. Januar 1957 als Überschuß sogar den Betrag von 3425 Millionen DM an. Wir stehen also heute vor der Tatsache, daß der Überschuß in den ersten drei Jahren fast das Dreifache dessen betrug, was die Bundesregierung erwartet hatte.
    Entsprechend günstig ist auch die Entwicklung des Vermögens der Rentenversicherungsträger. Auch



    Dr. Schellenberg
    das steht nicht im Sozialbericht, man muß es sich vielmehr aus verschiedenen Berichten zusammensuchen. Das Vermögen betrug am 1. Januar 1957 9,276 Milliarden DM und wird am Ende dieses Jahres 12,558 Milliarden DM betragen. Hierin spiegelt sich die bisher günstige finanzielle Entwicklung der Rentenversicherung wider.
    Wer bei einer solchen finanziellen Entwicklung von einer kritischen Finanzlage spricht oder wie Frau Kollegin Friese-Korn sogar das Wort „katastrophale Entwicklung" in den Mund nimmt und wer unter Berufung auf die bisherige Entwicklung erklärt, in diesem Jahre dürfe nicht weiter angepaßt werden, der hat sich über die bisherige finanzielle Entwicklung der Rentenversicherung nicht genau unterrichtet.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Ruf: Entscheidend ist die langfristige Entwicklung!)

    — Herr Kollege Ruf, Sie werden mir zutrauen, daß ich darauf noch komme. Im übrigen habe ich das auch schon angekündigt.
    An dieser Fehlbeurteilung ist das Bundesarbeitsministerium, ist die Bundesregierung mitverantwortlich, und zwar deshalb, weil sie in dem Sozialbericht leider nicht einen Gesamtüberblick über die Entwicklung von 1957 an gegeben, sondern, wie der Herr Bundesarbeitsminister vorhin ausgeführt hat, auch erklärt hat, die Vorausschätzungen hätten sich im wesentlichen bestätigt. Das stimmt für das Jahr 1958/59 mit einem Zuwachs von einigen hundort Millionen DM. Aber wenn man einen Gesamtüberblick seit 1957 fertigt, ergibt sich in der Tat ein viel günstigeres Ergebnis, als vom Bundesarbeitsministerium und von außenstehenden Versicherungsmathematikern, die sich um die Angelegenheit bemüht haben, vorausgeschätzt wurde.
    Auf Grund dieser bisher so erfreulich günstigen Entwicklung wäre es möglich gewesen und ist es möglich, Altrenten und Neurenten in der gleichen Weise anzupassen. Es wäre nicht nötig, wie es Frau Kollegin Friese-Korn will, nach unten zu nivellieren, sondern möglich, durch eine Angleichung nach oben Gerechtigkeit zu schaffen, indem Altrentner in der gleichen Weise wie Neurentner mit ihren Renten an der Lohnentwicklung teilnehmen.

    (Abg. Stingl: Das steht aber nicht im Gesetz! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Im Gesetz steht nicht, daß die Altrenten an der Lohnentwicklung teilnehmen sollen!)

    — Aber an der wirtschaftlichen Entwicklung. (Abg. Schütz: Jawohl, einig!)

    — Einig? Na, dann werden wir sofort einen Änderungsantrag einbringen, wonach die Anpassung automatisch gleichzeitig für Neurentner und für Altrentner zu erfolgen hat.

    (Abg. Stingl: Sie müssen nur eine exakte Größe für die wirtschaftliche Entwicklung finden! — Abg. Schütz: In der Beziehung besteht Einigkeit zwischen Ihnen und Frau Friese-Korn!)

    — Herr Kollege Schütz, wenn Sie das meinen, haben Sie den Gesetzentwurf der FDP nicht gelesen und Frau Kollegin Friese-Korn nicht zugehört.
    Ich stelle angesichts der bisherigen Entwicklung nur fest, daß, wenn man die volle Automatik für Altrentner und Neurentner 1957 beschlossen hätte, die finanzielle Entwicklung bis zum Ende dieses Jahres günstiger gewesen wäre, als sie die Bundesregierung vorausgeschätzt hat.
    Jetzt komme ich zu der zukünftigen Entwicklung. Es wird die Meinung vertreten, die zukünftige Entwicklung werde zu einer schwierigen oder sogar katastrophalen Situation um noch einmal das aufzunehmen, was Frau Kollegin Friese-Korn erklärt hat — führen. Ich frage, worauf sich diese Behauptung stützt, Frau Kollegin Friese-Korn. Sie haben sie aus dem letzten Teil des Sozialberichts und aus dem, was der Sozialbeirat sagt, entnommen.

    (Zuruf rechts: Dazu ist er ja da!)

    Natürlich, dazu ist er da. Aber er hat faktisch
    das Zahlenmaterial des Bundesarbeitsministeriums übernommen und zugrunde gelegt. Das mußte er tun, denn es waren gar keine anderen Zahlenunterlagen da.
    Meine Damen und Herren, was hat es denn mit diesem Zahlenmaterial für eine Bewandtnis? Wir haben eine Vorausschätzung lediglich im letzten Jahr erhalten. In diesem Jahr hat es sich das Bundesarbeitsministerium mit der Vorausschätzung sehr einfach gemacht. Es hat nämlich noch nicht einmal die tatsächliche Zahlenentwicklung bis 1966 im einzelnen spezifiziert, sondern hat lediglich Differenzbeträge aufgeführt, d. h. von soundso viel hundert Millionen Mark mehr oder weniger als die Vorausschätzungen gesprochen. Es bleibt jedem Leser des Berichtes überlassen, auszurechnen, was da herauskommt.
    Meine Damen und Herren, es liegen keine genauen Unterlagen vor — und das ist das Entscheidende —, auf die sich jene Behauptungen der zukünftigen ungünstigen Entwicklung stützen. Wir meinen, man hätte aus der unbestreitbaren Tatsache, daß in den ersten drei Jahren die Entwicklung so wesentlich günstiger war, als vorausgeschätzt wurde, doch mindestens die Lehre ziehen sollen, in bezug auf ungünstige Prognosen für die Dauer des ersten Deckungsabschnitts, also bis Ende 1966, etwas vorsichtiger zu sein.
    Wir Sozialdemokraten erklären, um es ganz deutlich zu machen, daß man eine Vorausschätzung für die Zeit bis 1966 oder auch noch später erst treffen kann, wenn eine versicherungstechnische Bilanz vorliegt und wir diese durchgearbeitet haben.

    (Abg. Schütz: Einverstanden!) — Einverstanden! Aber dann sagen Sie bitte dem Bundesarbeitsministerium, es soll aus dem Sozialbericht den Abschnitt über die Vorausschätzung bis 1966 streichen; denn dieser ist in keiner Weise fundiert, sondern beruht auf Unterlagen, die hierfür völlig fragwürdig sind.




    Dr. Schellenberg
    Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen das an einem einzigen Beispiel verdeutlichen, damit es allgemein klar wird.
    Wenn man die Höhe der Rentenausgaben bis zum Jahre 1966 vorausschätzen will, benötigt man viele Daten. Man muß mindestens wissen, wie hoch die durchschnittlichen Renten nach neuem Recht für die einzelnen Rentenarten, z. B. Altersrenten, sein werden. Man kann eine solche Vorausschätzung nur vornehmen, wenn man weiß: die Altersrente wird z. B. für Arbeiter, für Angestellte im Durchschnitt x Mark betragen.
    Diese wichtige Zahlengrundlage fehlt bis heute. Auch ein Sachverständiger kann dazu noch nichts Genaues sagen. Er wird es, wie ich hoffe, bald sagen können. Er kann zur Stunde noch keine genaue Auskunft geben, weil das gesamte Rentenrecht durch die Neuregelung in der Umstellung begriffen ist. In Zukunft werden die Renten nach neuem Recht entscheidend sein.
    Wenn so wichtige Tatsachen wie die Höhe der Renten unbekannt sind, tut derjenige, der Vorausschätzungen macht und erklärt, im Jahre 1962 oder 1963 und 1966 werde es ungünstig aussehen, nichts anderes als spekulieren. Bei der Bedeutung dieser Angelegenheit sollen wir uns gemeinsam bemühen, möglichst exakte Grundlagen zu gewinnen. Da die versicherungstechnische Bilanz aus vielen Gründen bis zur Stunde noch nicht vorliegt und vielleicht nicht vorliegen kann, sollte man nicht die Bevölkerung dadurch in Unruhe versetzen, daß man sagt, dann und dann werde aber die finanzielle Katastrophe eintreten. Man sollte das nicht in einem Augenblick tun, in dem wir aus der Erfahrung der letzten drei Jahre wissen, daß ein Überschuß von über 3 Milliarden DM erzielt worden ist.
    Natürlich soll und muß man sich als verantwortungsbewußter Politiker, auch wenn man über genaue Zahlenunterlagen noch nicht verfügt, Gedanken darüber machen, vor welchen finanziellen Problemen man stehen könnte. Wer ungünstige Prognosen macht, der hat eben nur einfach das übernommen, was im Sozialbesitz bezüglich der weiteren Auswirkung für 1962 oder 1963 stand, ohne geprüft zu haben, ob die Unterlagen überhaupt richtig sein können.
    Der Sozialbericht schneidet — dafür bin ich dem Bundesarbeitsminister dankbar — in der Vorausschau zwei finanziell wichtige Probleme an, nämlich einmal die finanziellen Auswirkungen des Fremdrenten- und Auslandsrentenneuregelungsgesetzes und zum anderen die Frage der noch ausstehenden Bundeserstattungen. Aus dem Sozialbericht ist ersichtlich, daß die Bundesregierung die Mehrbelastung durch das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz für die erste Deckungsperiode auf 1,01 Milliarden DM beziffert. Wenn auch die Dinge sich noch in den Ausschußberatungen befinden, so kann es — das muß ich hier mit aller Deutlichkeit erklären — nicht hingenommen werden, daß diese Belastung, die nach unserer Überzeugung eine Kriegsfolgelast ist, vom Bund auf die Sozialversicherung verlagert wird.
    Jetzt wollen Sie einen Zwischenruf machen, bitte schön, Herr Kollege Schütz.

    (Abg. Schütz [München] : Wer bezahlt denn die Beiträge dafür?)

    — Aber, Herr Kollege Schütz, wir befinden uns im System der Sozialversicherung!

    (Abg. Schütz [München] : ... der Umlagendeckung!)

    — Wir befinden uns in einem System der Sozialversicherung. Der Grundsatz ist und muß doch der sein, daß die Leistungen erhält, wer persönlich zu dieser Sozialversicherung Beiträge gezahlt hat.

    (Abg. Schütz [München] : Dann würde niemand Leistungen erhalten!)

    Wir sind uns doch darüber einig, daß die Fremd- und Auslandsrenten gewährt werden müssen; darüber gibt es doch zwischen uns keinen Streit. Wer das aber finanzieren soll, das ist im Grundgesetz geregelt.

    (Abg. Schütz [München]: Der gleiche, der die anderen Renten finanziert!)

    — Das ist im Grundgesetz geregelt! Nach Art. 120 des Grundgesetzes zahlt der Bund die Kriegsfolgelasten.
    Herr Kollege Schütz, vielleicht machen Sie sich einmal die Mühe, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 1959 durchzuarbeiten. Da heißt es nämlich:
    Wenn also der Bund gesetzliche Regelungen trifft, die zusätzliche Aufwendungen für Kriegsfolgelasten zur Folge haben, so muß er zugleich bestimmen, daß und wie er
    — der Bund —
    sie trägt.
    Das ist die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts. Wir befinden uns damit in voller Übereinstimmung, wenn wir sagen: Bei der Erörterung der weiteren finanziellen Lage muß eine Entscheidung dahingehend getroffen werden, daß Kriegsfolgelasten vorn Bund getragen werden und nicht auf eine solche Weise auf die Versicherten abgewälzt werden.

    (Abg. Stingl: Und die Kriegsfolgeeinnahmen?)

    — Wir sprechen hier von den Kriegsfolgelasten! Wenn Sie Kriegsfolgeeinnahmen errechnen, geben Sie uns darüber im Ausschuß einmal eine genaue Aufstellung, Herr Kollege.

    (Abg. Stingl: Ich zahle Beiträge! — Abg. Schütz [München] : Darüber werden wir uns unterhalten!)

    — Aber meine Damen und Herren, es handelt sich um eine Belastung in einer Größenordnung von einer Milliarde. Wenn Sie, Herr Kollege Schütz, so temperamentvoll dafür eintreten, daß die Versicherten belastet werden —, vielleicht lesen Sie einmal nach, was der Herr Bundesfinanzminister noch im Juni hier im Plenum über diese Dinge
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 88. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1959 4781
    Dr. Schellenberg
    gesagt hat. Er hat, als er über die Leistungen des Bundes sprach, mit besonderem Nachdruck hervorgehoben, daß der Bund die Finanzierung der Fremd- und Auslandsrenten durchführen würde. Sie können auch die Vorlage der Bundesregierung vom 19. März 1953 studieren, in deren Begründung
    — ich zitiere — es heißt:
    Die Bereitstellung von Bundesmitteln nach § 15
    — d. h. für Fremd- und Auslandsrenten —
    beruht auf der Erwägung, daß es sich bei den vom Bund zu tragenden Aufwendungen um Kriegsfolgen handelt, die nach Artikel 120 des Grundgesetzes vom Bund getragen werden müssen. Es kann den Versicherungsträgern angesichts der durch die Aufteilung Deutschlands herbeigeführten Dezimierung ihrer Finanzbasis nicht zugemutet werden, die Mehraufwendungen im Sinne des § 15 allein zu tragen. Dies wäre gleichbedeutend mit einer Abwälzung von Kriegsfolgelasten auf die Beitragszahler der Sozialversicherung statt auf die gesamte Steuerkraft der Bevölkerung des Bundesgebietes.

    (Abg. Schütz [München] : Die Mehraufwendungen!)

    Das sagt die Bundesregierung im Jahre 1953! An den Grundlagen hat sich seitdem nichts geändert. Wir müssen deshalb, wenn wir über die zukünftige Finanzlage der Rentenversicherung sprechen, diese Bundesverpflichtung sehr sorgsam erörtern.
    Noch etwas anderes: die Erstattungen, die der Bund für die Zeit vor 1957 zu leisten hat. Der Herr Bundesarbeitsminister hatte die Freundlichkeit, uns unter dem Druck des Antrages auf Herbeirufung des Herrn Finanzministers schon die Mitteilung zu machen, daß in den nächsten Bundeshaushalt hierfür 200 Millionen DM eingesetzt werden. Wir nehmen mit Interesse davon Kenntnis. Es handelt sich jedoch bei der Verpflichtung um eine Größenordnung, die vom Bundesarbeitsministerium auf rund 1,9 Milliarden DM berechnet worden ist. Man muß bei Erörterung von Finanzfragen der Sozialversicherung eine verbindliche Klärung herbeiführen. Die Mitteilung, daß diese 200 Millionen DM in den Haushalt eingesetzt werden, ist in der Tat ein erstes positives Wort in dieser Angelegenheit. Aber das bedeutet nicht, daß darauf verzichtet werden kann, die Erstattungsfragen im Zusammenhang mit dem Haushalt 1960 prinzipiell zu klären.
    Deshalb unser Antrag auf Drucksache 1333, in dem wir gefordert haben, einen ersten Teilbetrag einzusetzen. Wir freuen uns, daß unser Antrag offenbar ein wenig dazu beigetragen hat, die Entscheidung der Bundesregierung über die Bereitstellung von 200 Millionen DM herbeizuführen.
    In diesem Zusammenhang muß abschließend folgendes festgestellt werden. Das Verhalten der Bundesregierung in bezug auf die Finanzentwicklung der Rentenversicherung ist etwas zwiespältig. Auf der einen Seite erklärt die Bundesregierung, auch im Sozialbericht, die zukünftige finanzielle Entwicklung sei immerhin noch so schwierig, daß die weitere Anpassung für den ersten Zeitraum nicht gewährleistet werden könne. Auf der anderen Seite verhält sich die Bundesregierung in bezug auf Fremd- und Auslandsrenten — Größenordnung 1 Milliarde — oder in bezug auf Erstattung vor 1957 außerordentlich zurückhaltend oder sogar negativ. Das ist weder sozialpolitisch noch finanzpolitisch noch staatspolitisch zu vertreten. Deshalb fordern wir, daß diese Probleme im Zusammenhang mit einer Erörterung der künftigen finanziellen Entwicklung geklärt werden. Wenn der Bund seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Rentenversicherung voll erfüllt, brauchen wir uns hinsichtlich der weiteren Entwicklung, hinsichtlich der weiteren Anpassung keine Sorgen zu machen. Alle späteren Finanzprobleme werden wir erörtern, wenn dem Hause die versicherungstechnische Bilanz vorliegt.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Arndgen: Das letzte war richtig!)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ehe ich weiter das Wort erteile, möchte ich Ihnen anvertrauen, daß noch — bisher — sieben Wortmeldungen vorliegen.
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Peter Horn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Wunsche, daß sich die einzelnen Sprecher möglichst kurz fassen, von mir aus Folge leisten, auch um damit einen Hinweis darauf zu geben, daß wir die Debatte heute morgen möglichst konzentriert, straff und ohne unnötige Ausweitungen führen sollten. Die Sozialpolitiker kommen sonst so oft im Ansehen dieses Hauses etwas schlecht weg,

    (Zurufe von der Mitte: Na, na!)

    weil in den sozialpolitischen Debatten eben Dinge gesagt werden müssen, die eine gewisse Sachkenntnis voraussetzen. Aber wir haben in den letzten Wochen hier auch Debatten erlebt, an denen wir Sozialpolitiker uns auch nicht gerade ein besonderes Beispiel nehmen konnten.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Erlauben Sie mir ein paar grundsätzliche Bemerkungen. Ich möchte zunächst dem Herrn Kollegen Schellenberg meine Anerkennung dafür aussprechen, daß er die Probleme hier in einer so sachlichen Art und Weise — selbstverständlich von seinem Standort und von seinem Standpunkt aus — behandelt hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch allen Fraktionen des Hausas das Verantwortungsbewußtsein zusprechen, das uns bei der Schwierigkeit solcher Materien und bei den Auseinandersetzungen darüber leiten muß, damit wir mit ihnen überhaupt in einer vernünftigen Weise fertig werden können. Ich kann aber auch nicht umhin, meiner Freude darüber Ausdruck zu geben, daß dem Herrn Kollegen Schellenberg bei seiner diesmaligen Rede die vorjährige Einleitung erspart blieb. Gleichzeitig möchte ich der Bundesregierung meine Anerkennung dafür



    Horn
    aussprechen, daß sie Sozialbericht und Gesetzentwurf dem Hause fristgerecht zugehen ließ, so daß wir auch in dieser Beziehung die Unterlagen haben, die wir für die Entscheidung über die Rentenanpassung benötigen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Herr Blessing, hat unlängst vor der Industrie- und Handelskammer in Essen einen Vortrag gehalten. Nach Presseberichten hat er dabei sowohl an das Parlament als auch an die Sozialpartner Mahnungen gerichtet. In dem mir hier vorliegenden Bericht wird als erstes folgender Satz des Herrn Blessing zitiert: „Wer den Wert der D-Mark antastet, wird sich die Finger verbrennen." Damit hat der Präsident der Bundesbank den klaren Willen bekundet, alles für die Aufrechterhaltung der Sicherheit der Währung zu tun.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, wir alle miteinander sind darin mit dem Herrn Präsidenten der Deutschen Bundesbank einig.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und bei der SPD.)

    Ich möchte für meine Freunde und in Übereinstimmung mit der Bundesregierung — Herr Blank hat das in seiner Einführung deutlich durchblicken lassen -- hier erklären, daß wir in der Durchführung dieser Gesetzesvorlage eine Gefährdung der Währung nicht sehen. In Übereinstimmung mit der Bundesregierung glauben wir, die Anhebung der laufenden Renten in dem Ausmaße, wie es in der Vorlage vorgesehen ist, zur Zeit durchaus vertreten zu können.
    Die Gefährdung des Kapitalmarkts oder eben auch der Währung als solcher, wird sicher vermieden werden, wenn der Sparwille der Bevölkerung — davon gehen wir in Übereinstimmung mit der Bundesregierung aus — auch nach dieser Anpassung in demselben anerkennenswerten Maße vorhanden sein wird, wie wir das in der Vergangenheit erlebt haben. Die Feststellung, die der Herr Bundesarbeitsminister bei der Einbringung der Vorlage hier getroffen hat, ist mir wertvoll, und wir alle sollten sie entsprechend bewerten. Er hat nämlich festgestellt, daß die bisherige private Spartätigkeit den Rückgang der Kapitalbildung, der durch die höheren Anforderungen der Rentenversicherungsträger eintreten mußte, mehr als wettgemacht hat. Ich lege Wert darauf, diese Feststellung von unserer Seite aus zu unterstreichen. Wir wollen damit dafür sorgen, daß nicht die Meinung aufkommt, wir unternähmen mit der Gesetzesvorlage etwas, was den Absichten und den Pflichten insbesondere derjenigen, die über die Währung und ihre Sicherheit zu wachen haben, widerspreche. Zu denen, die darüber veranwortungsbewußt zu wachen haben, gehört auch, und zwar nicht in letzter Linie, wie Herr Blessing mit Recht festgestellt hat, dieses Parlament.

    (Abg. Ruf: Stabile Währung ist die beste Sozialpolitik!)

    Ich möchte nun mit einigen Worten auf den Sozialbericht und das Gutachten des Sozialbeirats, insbesondere auf die finanzielle Seite der Angelegenheit, eingehen. Herr Kollege Dr. Schellenberg hat im ersten Teil seiner Ausführungen dargelegt, die finanzielle Entwicklung habe sich wesentlich günstiger gestaltet, als es nach den im vorjährigen Sozialbericht enthaltenen Schätzungen vorauszusehen gewesen sei. Ich will nicht im einzelnen darauf eingehen, worauf diese günstigere Entwicklung zurückzuführen ist. Der Hauptgrund liegt natürlich in dem höheren Beitragseingang gegenüber den damaligen Aussichten.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Auch in niedrigeren Ausgaben!)

    Wir sollten uns darüber freuen, daß die Entwicklung so gelaufen ist. Sie darf uns aber nicht dazu verleiten, in unseren Plänen und Absichten für die Zukunft allzu optimistisch zu sein oder in diesen oder jenen Entscheidungen sogar mit etwas weniger Verantwortungsbewußtsein oder klarer Überschau der Zusammenhänge vorzugehen. Trotz der Verbesserungen im Vergleich zum vorjährigen Sozialbericht müssen wir die tatsächlich gegebene finanzielle Lage der Rentenversicherungsträger mit allem Ernst betrachten.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Verehrter Herr Kollege Dr. Schellenberg, das hat nichts mit einer vorzeitigen Beunruhigung der Bevölkerung zu tun. Hier muß ich wieder unsere gemeinsame Verantwortung ansprechen. Es ist unsere Verantwortung und auch die Pflicht der Bundesregierung, so wie sie es in diesem Bericht getan hat, darauf hinzuweisen, wie die Verhältnisse sich voraussichtlich gestalten und entwickeln. Sie muß auch darauf hinweisen, daß wir als Gesetzgeber alle Maßnahmen mit dem notwendigen Ernst treffen müssen und daß man in dieser Frage mit großer Vorsicht zu Werke gehen muß.