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ID0308709500

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    Deutscher Bundestag 87. Sitzung Bonn, den 5. November 1959 Inhalt: Antrag betr. Aussetzung des Butterzolls (SPD); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1297, 1344) 4681 C Abg. Eberhard tritt als Nachfolger des Abg Glahn in den Bundestag ein . . . . 4682 A Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung; verbunden mit Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. die internationale Lage, die Sicherung Berlins und die Wiedervereinigung Deutschlands (Drucksache 1244) Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. die deutsche Einheit (Drucksache 1284) Antrag der Fraktion der FDP betr. Konvention zur Sicherung des Heimatrechts (Drucksache 493) Dr. von Brentano, Bundesminister 4682 A, 4736 B Ollenhauer (SPD) 4693 D Dr. Furler (CDU/CSU) . . . . 4704 C Dr. Mende (FDP) 4709 C Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 4718 D Brandt, Regierender Bürgermeister von Berlin . . . . . . . . 4725 D Jaksch (SPD) 4728 A Majonica (CDU/CSU) 4732 C Krüger (Olpe) (CDU/CSU) . . . 4735 C Zoglmann (FDP) 4739 D Erler (SPD) 4743 A Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) 4750 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . 4758 D Rasner (CDU/CSU) (zur GO) . 4768 A Persönliche Erklärung gemäß § 36 GO Wehner (SPD) . . . . . . . 4768 B Persönliche Bemerkung gemäß § 35 GO Majonica (CDU/CSU) 4768 D Nächste Sitzung 4768 D Anlagen . . . . . . . . . 4769, 4770 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1959 4681 87. Sitzung Bonn, den 5. November 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 10.04 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1959 4769 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Graf Adelmann 25. 11. Dr. Atzenroth 7.11. Fürst von Bismarck 7. 11. Börner 7. 11. Dr. Brecht 6. 11. Dr. Bucerius 6. 11. Drachsler 6. 11. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 15. 12. Hahn 28. 11. Dr. Hellwig 6. 11. Heye 25. 11. Hilbert 1. 12. Jacobs 15. 11. Jahn (Frankfurt) 15. 12. Josten 15. 11. Junghans 7. 11. Kisters 28. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 25. 11. Dr. Kohut 28. 11. Kreitmeyer 25. 11. Lenz (Trossingen) 6. 11. Lücker (München) 7. 11. Maier (Freiburg) 15. 12. Matthes 15. 11. Müller-Hermann 6. 11. Müser 7. 11. Pietscher 6. 11. Prennel 6. 11. Probst (Freiburg) 25. 11. Dr. Ratzel 7. 11. Scharnowski 6. 11. Frau Schmitt (Fulda) 25. 11. Schüttler 6. 11. Dr. Seffrin 7. 11. Seidl (Dorfen) 5. 11. Stahl 6. 11. Stierle 7. 11. Dr. Toussaint 5. 11. Dr. Vogel 25. 11. Walpert 12. 11. Weinkamm 7.11. b) Urlaubsanträge Dr. Burgbacher 25. 11. Anlage 2 Umdruck 408 Antrag der Fraktion der SPD betr. die internationale Lage, die Sicherung Berlins und die Wiedervereinigung Deutschlands (Drucksache 1244). Anlagen zum Stenographischen Bericht Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, die Fragen des Verhältnisses der Bundesrepublik zu allen osteuropäischen Staaten erneut zu überprüfen und durch eine möglichst baldige Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu einer dauerhaften konstruktiven Zusammenarbeit mit ihnen zu gelangen. Bonn, den 5. November 1959 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Erklärung zur Abstimmung gemäß § 59 der Geschäftsordnung. Die Unterzeichneten begründen ihre Ablehnung d es Antrages des Außenhandelsausschusses zum Antrag der SPD betreffend Aussetzung des Butterzolls (Drucksache 1344) wie folgt. Der Antrag des Außenhandelsausschusses betreffend Aussetzung des Butterzolles bringt weder dem Verbraucher noch dem Staat, sondern nur dem ausländischen Exporteur Nutzen. Er ist außerdem unvereinbar mit dem Sinn und dem Ziel des Landwirtschaftsgesetzes. Regierungsvertreter und Opposition haben im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ausdrücklich erklärt, daß sie eine Senkung des Butterpreises durch die Aussetzung des Butterzolles nicht erwarten. Die Unterzeichneten befürchten, daß infolge der weiteren Verknappung des internationalen Buttermarktes die Preise sogar weiter steigen werden. Sie wünschen aber die Verhinderung solcher Preissteigerungen. Unserer Meinung nach dient diese Politik nicht dem deutschen Verbraucher. Die Aussetzung des Butterzolls wird nicht zu einer Senkung der Butterpreise beitragen. Schon jetzt haben die ausländischen Exporteure erklärt, daß sie bei Fortfall des Zolles ihres Preise entsprechend heraufsetzen werden. Nach der Aufhebung des Kartoffelzolles haben die holländischen und polnischen Exporteure die Kartoffelpreise dem Zollausfall entsprechend ebenfalls erhöht. Für die Landwirtschaft dürfen wir die Versicherung abgeben, daß sie durch Zukauf und Verfütterung von Kraftfuttermitteln zur Steigerung der Milchproduktion beitragen wird. Eine Herabsetzung des Butterkonsums durch den Verbraucher ist nicht erforderlich. Es genügt völlig, den Verbrauch bis zum Jahresende auf der Höhe des Vorjahres zu halten. Die Unterzeichneten schlagen eine Andienungspflicht der Butterimporte an die Einfuhr- und Vorratsstelle für Fette zu Weltmarktpreisen und die Ermächtigung der Einfuhr- und Vorratsstelle durch 4770 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1959 die Bundesregierung vor, diese Preise mit Hilfe dafür verfügbarer Abschöpfungsbeträge angemessen zu verbilligen. Wir glauben, daß hierdurch eine weitere Preissteigerung verhindert werden kann. Eine Aussetzung des Butterzolles muß als dem Sinn dem Landwirtschaftsgesetzes widersprechend abgelehnt werden. Wittmer-Eigenbrodt Dr. Reinhard Hackethal Krug Meyer Wittmann v. Lindeiner-Wildau Gehring Gassmann Bauknecht Dr. Reith Stauch Knobloch F. Fritz Solke Hesemann Sühler Bauer Schulze-Pellengahr Riedel (Frankfurt) Mensing Gibbert F. Storm Bauereisen Lermer Spies Engelbrecht-Greve Lenze Dr. Conring v. Bodelschwingh Dr. Gossel Wacher Burgemeister W. Brese
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Man kann auf die Forderung des militärischen Gleichgewichts in Europa nicht verzichten. Dabei ist unter einem militärischen Gleichgewicht nicht die arithmetische Gleichheit zu verstehen, sondern die Vergleichbarkeit aller für die Verteidigung notwendigen militärischen Kräfte mit denen der anderen Seite.
    Ich würde hinzufügen: Jawohl, das ist richtig, die balance of power zwischen der NATO-Macht und dem Warschauer Pakt muß bei einer solchen regionalen Abrüstung hier in Mitteleuropa aufrechterhalten bleiben.
    Ich würde sogar noch versuchen — ich nehme an, in diesem Fall in Übereinstimmung mit Herrn



    Schmidt (Hamburg)

    Strauß —, das näher auszudeuten, und würde sagen: Es heißt erstens, daß eine Gleichwertigkeit in bezug auf die Bevölkerungszahlen und die Produktionskraft dieser Bevölkerungen, die von dieser Abrüstung und der Kontrolle betroffen werden, aufrechterhalten bleiben muß; es heißt zweitens, daß eine Gleichwertigkeit aufrechterhalten bleiben muß in bezug auf die Zahl der Soldaten, die im Spiel bleiben, und in bezug auf die Bewaffnung dieser Soldaten; und es heißt drittens, daß eine Gleichwertigkeit vorhanden sein muß in bezug auf den Raum, der von dieser regionalen Abrüstung betroffen wird, und in bezug auf die militärischen Hindernisse, die sich in diesem Raum befinden. Insgesamt muß also
    — ich glaube, da befinde ich mich in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesverteidigungsminister
    — nachher so wie heute eine Äquivalenz der gesamten taktischen und strategischen Situation gegeben sein.
    Es ist ganz deutlich — und ich glaube, daß mein Freund Erler das vorhin schon klargemacht hat —, daß angesichts dieses Äquivalenz-Erfordernisses keine Rüstungsbegrenzungszone in Europa in Betracht kommen kann, die etwa nur die beiden deutschen Teile einbezöge; denn da ist zweifellos die Gleichwertigkeit in allen diesen Beziehungen nicht gegeben. Ebenso wäre eine Gleichwertigkeit nicht gegeben, wenn die Zone etwa das Gebiet von der europäischen Atlantikküste bis zur russischen Westgrenze umfassen sollte. Das sind nur zwei Beispiele dafür, wie Zonen beschaffen sein könnten, die diese Erfordernisse nicht erfüllen.
    Sie wissen, daß wir Sozialdemokraten immer wieder Vorschläge gemacht haben, die von einer ganz anders bemessenen Zone ausgingen, von einer Zone, die auf der einen Seite die Bundesrepublik und auf der anderen Seite die sogenannte DDR, Polen, die Tschechoslowakei und Ungarn umfassen sollte. Ich darf hier in Klammern einmal die Bemerkung machen, daß einer der interessantesten Punkte am Rapacki-Plan, einer der Punkte, die man auch für zukünftige Verhandlungen festhalten sollte, der war, daß der Rapacki-Plan implizite zu erkennen gab, daß nur die DDR plus Polen plus CSR ein Gleichgewicht, ein Äquivalent für die eine Bundesrepublik auf der anderen Seite böten.
    Wir Sozialdemokraten muten Ihnen, meine Damen und Herren von der Rechten, in dieser gegenwärtigen schwierigen Stunde — schwierig deshalb, weil die internationale Lage so unübersichtlich ist — gewiß nicht zu, heute und hier Schritte zu unternehmen, die einen radikalen Wechsel Ihrer Position oder gar den Verlust Ihres Gesichtes implizieren sollen. Hier gebe ich auch eine Antwort an den Herrn Kollegen von Guttenberg: Wir wollen doch nicht hier und heute die NATO-Mitgliedschaft der Bundesrepublik in Frage stellen. Das war auch so einer der Popanze, die Sie sich zurechtgemacht haben, um darauf loszugehen. Das können Sie schon in den großen Reden meiner Kollegen Wehner, Heinemann und Erler während der Atomdebatte heute vor eineinhalb Jahren nachlesen, wo diese
    meine Freunde das hier mit aller Klarheit zum Ausdruck gebracht haben.

    (Abg. Freiherr zu Guttenberg: Da gab es noch keinen SPD-Plan!)

    Wir wollen zweitens auch nicht — erst recht nicht! — etwa heute und hier die Bindung an den Westen in allen übrigen Verträgen in Frage stellen. Und wir erwarten auch ganz gewiß nicht von Ihnen, daß Sie hier und jetzt einstimmen in ein Aufgeben der Ziele für die Aufstellung der Bundeswehr. Um das alles geht es doch hier gar nicht. Die Probleme sind doch viel zu diffizil, als daß man ihnen hier mit solchen Schlagwortargumenten beikommen könnte.
    Was wir der Bundesregierung in der heutigen Lage empfehlen, ist, einen ersten kleinen Schritt zu tun, einen Vorschlag zu machen, auch über Vorschläge zu sprechen, die von anderen Seiten kommen, damit es zu einer mitteleuropäischen Rüstungsbegrenzungs- und Kontrollzone kommt, die alle die genannten Äquivalenzerfordernisse erfüllt, von denen ich, wie ich glaube, in Übereinstimmung auch mit dem Herrn Bundesverteidigungsminister gesprochen habe.
    Wie würde das aussehen? Zunächst einmal würden gebraucht werden von Anfang an gegenseitige und internationale Kontrollen am Boden, und zwar sowohl stationär als auch beweglich, auch in den Seehäfen, auch in den Flughäfen. Es würde gebraucht werden eine gegenseitige Luftüberwachung. Dann würde man eine Grenze festsetzen müssen für die fremden Truppen innerhalb der Zone, eine Begrenzung, einen Plafond, der die Zahl der Fremdtruppen festhält, damit sie nicht noch stärker wachsen können, als bisher schon geschehen.
    Zweitens brauchte man einen ebensolchen Plafond für die Truppenstärken derjenigen Streitkräfte, die letzten Endes, wenn es zu dem Abzug der fremden Truppen gekommen ist, in der Rüstungsbegrenzungszone stehenbleiben.
    Gehen wir davon aus, daß die Bundeswehr 300 000 Soldaten hat! Dann könnte man sich vorstellen, daß das Zahlenverhältnis zwischen der Bundeswehr und der polnischen Armee 3 zu 2 beträgt, daß das Verhältnis der Truppen der Bundesrepublik zu denen der sogenannten DDR 3 zu 1 und das Verhältnis zur CSR ebenso 3 zu 1 beträgt, zu Ungarn vielleicht dasselbe Verhältnis besteht. Wenn Sie das addieren, kommen Sie zu einem Verhältnis der bundesrepublikanischen Streitkräfte zu denen der Satellitenstaaten innerhalb der Zone von 3 zu 5. Eingeschlossen wäre dabei — ich bringe das in Erinnerung — die strikte Beschränkung auf konventionelle Waffen für diese Truppen. Im übrigen müßte die Kontrolle selbstverständlich auch die paramilitärischen Verbände umfassen, die in verschiedenen Staaten bestehen.
    In der nächsten Stufe wäre es notwendig, daß beide Bündnissysteme vorgeschobene Radarstationen an dem entgegengesetzten Rand dieser Zone errichten, d. h. der Warschauer Pakt etwa am Rhein und die NATO etwa am Narew. Man mag auch überlegen, ob eine Kontrolle selbst dieser Radarstatio-



    Schmidt (Hamburg)

    nen noch notwendig ist, damit sich aus diesen keine elektronischen Fernlenkungsstationen für Fernlenkwaffen entwickeln können.
    Wenn das eingerichtet ist, käme es stufenweise, Schritt für Schritt — eben nicht alles auf einmal, auch aus dem Grunde, den der Herr Baron von Guttenberg im Auge hatte, damit nichts passiert, stufenweise — zur Verminderung der fremden Truppen innerhalb der Zone unter gegenseitiger Kontrolle. Ich füge hinzu: eventuell durchaus bis auf kleine symbolische Reste, sagen wir, in der Größe von Brigaden, die an der Trennlinie stehenbleiben können. Selbstverständlich würde ebenso die symbolische Besetzung Berlins aufrechtzuerhalten sein.
    Damit das nun nicht immer mißverstanden wird, füge ich hinzu, daß eine so strukturierte Rüstungsbegrenzungszone keineswegs voraussetzt, daß die Bundesrepublik etwa aus der NATO ausscheiden oder daß die drei Staaten aus dem Warschauer Pakt ausscheiden müßten, sondern im Gegenteil: das kommt doch erst in Frage, wenn über eine solche Rüstungsbegrenzungszone hinaus später, was wir hoffen, ein kollektives europäisches Sicherheitssystem geschaffen werden kann; das kommt doch erst in Frage, wenn die politische Lösung der Deutschlandfrage ansteht, doch nicht im heutigen Augenblick. Ich kann nicht verstehen, daß hier immer wieder behauptet wird, wir wollten die Bundesrepublik einseitig aus ihrem gegenwärtigen Bündnis lösen ohne Rücksicht ,auf das, was sonst in Europa passiert.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Alle diese Vorschläge haben im Laufe der letzten Monate eine vielfältige Kritik gefunden, eine Kritik, die sich zum großen Teil sehr viel sachkundiger als die ausgenommen hat, die wir heute abend und besonders soeben gehört haben. Aber bei aller Kritik, die an diesen Vorschlägen bisher geäußert worden ist, hat es sich fast immer um eine Kritik im militärischen Gewande gehandelt. Das heißt, die politisch motivierte Kritik wurde — sofern es sich um einen seriösen Vortrag handelte — als scheinbar militärische Argumentation vorgetragen. Es erscheint unserer Fraktion notwendig, diese militärischen Argumentationen gegen die Vorstellung einer Rüstungsbegrenzungszone in Mitteleuropa einmal des näheren zu beleuchten.
    Zunächst muß man wohl nach einmal darauf hinweisen, daß 'innerhalb der Zone etwa 250 000 qkm bundesrepublikanischen Gebiets liegen würden, auf der anderen Seite 310 00 qkm Polen, 110 000 qkm DDR, 130 000 qkm CSR, zusammen 550 000 qkm auf der östlichen Seite, dazu Ungarn. Das heißt, die Räume diesseits und jenseits der Trennlinie stünden etwa im Verhältnis 1 zu 2. Die Breite des Raumes auf unserer Seite würde im Durchschnitt 300 bis 400 km, die Breite des Raumes ostwärts der Trennlinie im Durchschnitt 800 bis 1000 km betragen. Ich füge hinzu, damit ich hier später keinen Einwand bekomme: ich übersehe nicht, daß an der Nord- und Südecke des östlichen Teils dieser Zone das russisch besetzte Ostpreußen und Ungarn, falls 'es nicht zur Zone selbst gehören würde,
    hineinragen, wodurch die Entfernung dort nicht 1000 km, sondern vielleicht nur 600 km bis zur Trennlinie betrüge. Es besteht also räumlich das Verhältnis von 1 zu 2.
    Wie ist es nun bevölkerungsmäßig? Bei uns leben 52 Millionen; im anderen Bereich einer solchen Zone würden 58 Millionen leben, nämlich 28 Millionen in Polen, 17 oder 18 Millionen in der DDR und 13 Millionen in der CSR, dazu noch die Bevölkerung Ungarns. Das Verhältnis wäre etwa 1 zu 1.
    Nun drittens — sehr wesentlich — die Wirtschaftskraft! Die Produktionskraft des westlichen Teils dieser Begrenzungszone, nämlich der Bundesrepublik, wäre auf absehbare Zeit erheblich stärker als die Produktionskraft jener vier Oststaaten zusammen.
    Die Einwände, mit denen ich mich hier auseinandersetzen möchte, die leider nicht Herr Baron von Guttenberg vorgebracht hat, sondern die aus früheren Diskussionen, aus Zeitschriften, aus deutschen Quellen, aus französischen Quellen, zum Teil auch aus amerikanischen Quellen stammen, gehen fast alle — das ist typisch — in bestimmten Richtungen. Der erste Einwand ist der, es bliebe für die NATO in Westeuropa ein zu kleiner Raum übrig, die strategischen Atomwaffen der NATO innerhalb dieses Raums noch ausreichend dislozieren, sagen wir auf deutsch, unterbringen zu können, um sie noch mit 'ausreichendem Vorfeldschutz versehen zu können.
    Darauf ist zu antworten, daß strategische Atomwaffen, insbesondere also Mittelstreckenraketen — um die ging es ja in den letzten Jahren bei den Auseinandersetzungen —, auch heute nicht 'in der Bundesrepublik stationiert sind und es offenbar auch in Zukunft nicht sein werden; das ist die erklärte Absicht aller derjenigen, die bei NATO darüber zu befinden haben. Auch heute sind diese Raketen außerhalb Deutschlands stationiert, sofern sie überhaupt in Europa stationiert sind, und sie sind auch in ihren heutigen Standorten im Falle des Krieges leider durch sowjetische Mittelstreckenraketen zu treffen; sie sind dort Lauch durch sowjetische Bomber zu treffen. Das würde sich nicht ändern, weder verbessern noch verschlechtern, wenn wir zwischen ihnen und den Sowjets diese Rüstungsbegrenzungszone hätten. Das gilt übrigens auch für die englischen Bombenflugzeuge des britischen Bomberkommandos. Es ergäbe sich daher bei Schaffung der Kontrollzone in Westeuropa keine größere Verletzbarkeit der dort stationierten strategischen Waffen der NATO. Wenn man die strategischen Waffen der NATO in Europa ihrer Verletzbarkeit, unter der sie heute leiden, entziehen wollte, müßte man sie nicht aufs feste Land bauen, sondern auf bewegliche Schiffe. Das ist nur eine Bemerkung in Klammern.
    Im Zusammenhang mit diesem Raumargument wird häufig behauptet, die NATO könne auf diese 300 bis 400 km westeuropäischen Raumes nicht verzichten. Die Antwort darauf lautet: Heute steht die Rote Armee 120 km vor Frankfurt, sie steht 50 km vor Hamburg und 100 km vor dem Nordostseekanal. Wenn diese Rüstungsbegrenzungszone geschaffen wäre, stünden die Panzerarmeen der So-



    Schmidt (Hamburg)

    wjets nicht nur hinter der Elbe, nicht nur hinter der Oder, hinter der Weichsel, sondern auch hinter dem Bug!
    Das heißt zum Beispiel in bezug auf das Problem der Ostseeausgänge, das im Laufe der letzten 12 Monate unter den NATO-Politikern und -Strategen so aktuell gewesen ist, daß die Ostseeausgänge nicht mehr dem unmittelbaren Zugriff sowjetischer Landstreitkräfte ausgesetzt sind und daß sich auch die Basen für etwaige Seestreitkräfte, die den Ostseeausgang erzwingen wollen, wesentlich weiter ostwärts als heute befinden.
    Demgegenüber bedeutet der Raumverlust der NATO nur, daß ihre Truppen 300 km weiter rückwärts stationiert werden müßten und nicht drei große europäische Ströme im Falle des Krieges zu überwinden hätten, sondern nur einen: den Rhein.
    Es muß noch darauf hingewiesen werden, daß moderne Luftwaffen gerade den massenhaften Übergang von Truppen über solche Flüsse ausgezeichnet unterbrechen können. Sowjetische Armeen hätten also an drei Flüssen mit der Gefahr der sogenannten „interdiction" durch die westliche Luftwaffe zu tun. Umgekehrt würde der Westen mit dieser Gefahr nur an einem einzigen Fluß, am Rhein, zu rechnen haben.
    In dem Zusammenhang wird häufig das Argument der sogenannten offenen Flanken vorgebracht, die für die NATO einerseits in Skandinavien, andererseits in Südeuropa entstehen würden. Dieser Einwand geht von der Vakuumtheorie aus, nach der das von militärischen Kräften entleerte Zentraleuropa geradezu ein ansaugendes Vakuum wäre, in das die Sowjets hineinstoßen und von dort aus die Flanken aufrollen könnten.
    Dazu ist zu sagen: Ehe etwa sowjetische Truppen, die dann hinter dem Bug stehen, das Zentrum wieder erreichen können, würden die NATO-Kräfte von jenseits des Rheines in den heutigen Stellungen wieder ankommen. Vor allem aber stehen in diesem Zentrum Europas die Streitkräfte der Bundeswehr.
    Das sind alles Antworten auf Einwände, die der Herr Baron von Guttenberg hätte bringen können, wenn er über die Probleme nachgedacht hätte. Jetzt muß ich sie ihm hier vorlegen, damit endlich einmal darüber gesprochen werden kann.
    Mit dem Raum-Einwand hängst zweitens das Problem des befürchteten Wiedereinmarsches der Sowjets oder, wie es in der internationalen Diskussion heißt, das „re-entry"-Problem zusammen. Dazu folgende Antwort: Die gegenwärtige „Vorwärts-Strategie" der NATO ist doch in Wirklichkeit ein Euphemismus. Tatsächlich bedeutet sie, daß die NATO versuchen wird, ihren hinhaltenden, auf Zeitgewinn bestimmten Widerstand schon am Eisernen Vorhang zu beginnen. In Wirklichkeit werden feste Verteidigungslinien erst am Rhein erreicht werden. Das ist die gegenwärtige Konzeption.
    Wenn die Sowjets in Zukunft wieder in die Begrenzungszone einmarschierten, hätte die NATO sehr viel mehr Zeit zur Alarmierung ihrer Streitkräfte, zur Vorwärts-Entfaltung von den deutschen Westgrenzen aus nach Osten, und sie würde ihre
    gegenwärtigen Ausgangspositionen in Deutschland l sehr viel schneller wieder erreichen als die Sowjets ihre gegenwärtigen Ausgangspositionen in Ostdeutschland, zumal die Verkehrsmöglichkeiten in Polen wesentlich schlechter als in der Bundesrepublik sind.
    Ferner hört man den dritten Einwand, daß die NATO entscheidend geschwächt würde, wenn sie nicht in der vorderen Linie, auf dem Gebiet der Bundesrepublik, über taktische Atomwaffen verfügte. Darauf muß man antworten, daß taktische Atomwaffen der NATO heute die Aufgabe haben, das Übergewicht der Russen auf dem Gebiet der konventionellen Truppenmassen auszugleichen. Wenn die russischen Truppen in Zukunft aus der Rüstungsbegrenzungszone nach Osten herausgezogen sind, ist es nicht mehr notwendig, taktische Atomwaffen innerhalb der Zone einzusetzen, um ihr Übergewicht auszugleichen; denn sie ist hier nicht mehr vorhanden. In dem Augenblick, wo sie in Richtung Westen zurückmarschieren sollten, könnten ohne weiteres die taktischen Atomwaffen der NATO aus dem Raum westlich der deutschen Westgrenzen wieder in Richtung Osten in die Bundesrepublik gebracht werden. Dabei haben die Verbände der NATO zweifellos einen großen räumlichen und infolgedessen zeitlichen Vorsprung vor etwaigen ähnlichen Bewegungen des Ostens.
    Weiter muß darauf hingewiesen werden, daß die zur Zeit wichtigste taktische Atomwaffe des Westens, nämlich die Jagdbombergeschwader in Eifel und Hunsrück, bei der Errichtung einer atomwaffenfreien Zone nur wenige Kilometer nach Westen verlegt zu werden brauchte, während die Jabo-Geschwader der Sowjets große ostwärtige Verlegungen erleiden würden.
    Viertens kommt sodann der Einwand, daß innerhalb der Begrenzungszone ein sogenannter kleiner Krieg zwischen den Streitkräften der Staaten, die in der Zone liegen, entstehen könnte.
    Gegenüber den Streitkräften der DDR, Polens, der Tschechoslowakei, wenn sie so bemessen sind, wie ich vorhin andeutete, ist aber zweifellos die Bundeswehr immer in der Lage, die Grenzen der Bundesrepublik zu halten und zu verteidigen. Gegenüber diesen Streitkräften ist die Bundeswehr auch jederzeit in der Lage, das zu unterbinden, was der Herr Kollege Strauß immer so anschaulich die „Salamitaktik" zu nenen beliebt oder was die Engländer piece-meal nennen.
    Im übrigen — das darf ich denjenigen Politikern sagen, denen diese militärischen Argumentationen an dieser Stelle etwas ungewöhnlich erscheinen mögen; aber ich glaube, es ist eben doch einmal notwendig, sie alle vorzubringen — möchte ich darauf hinweisen, daß die. Überlegenheit der NATO in Europa, was taktische Atomwaffen angeht, im Laufe der nächsten zwei bis vier Jahre ohnehin leider schwinden wird.
    Es kommt dann der fünfte Einwand, den wir heute abend auch wieder gehört haben — ich weiß nicht mehr, von wem —, daß man ja von außerhalb der Zone mit Atomwaffen in diese Zone hineinschießen könne und daß dagegen im Ernstfall Garantien ohne Kraft seien.



    Schmidt (Hamburg)

    Darauf möchten wir sagen, daß, wenn eine andere Macht, also doch wohl eine Großmacht, von außen mit taktischen oder mit strategischen Atomwaffen in die Rüstungsbegrenzungszone hineinschießt, dann zweifellos jederzeit die andere Großmacht, der Bündnispartner des Verletzten, seinerseits entsprechend antworten und vergelten kann; denn er verfügt ja über Waffen großer Reichweite, so daß der erste, der die Zone verletzt und von draußen mit Atomwaffen hereinschießt, gleichzeitig Sorge tragen müßte, die Atomwaffen desjenigen, der potentiellerweise vergelten könnte, auszuschalten. Das heißt, daß das Hineinschießen mit Atomwaffen von außen in diese Zone zum europäischen Atomkrieg führen würde und daß dann allerdings die militärische Ausgangslage für den Westen nicht schlechter wäre, als sie heute ist, wo wir keine Rüstungsbegrenzungs- und Kontrollzone haben.
    Es kann sein, wenn es in dieser Zone keine Atomwaffen gibt — ich gebe das zu —, daß trotzdem von außen nuklear hereingeschossen wird, mit den Konsequenzen, von denen ich sprach. Wenn es aber hier bei uns, innerhalb der Zone, Atomwaffen gibt, dann ist es sicher, daß im Falle des Krieges von allen Seiten mit Atomwaffen hier hereingeschossen werden muß.
    Es kommt dann weiter der sechste Einwand, daß die nukleare Gefechtsmunition für die sogenannten Zweizweckewaffen — dazu gehören z. B. auch Jagdbomber, unter die ich ja eine konventionelle Bombe genauso hängen kann wie eine Atombombe; dazu gehören auch gewisse Raketen — leicht zu verbergen sei. Man könne die Atombombe leicht verstekken und nur die andere Bombe bei der Kontrolle vorzeigen. — Dieser Einwand ist im Prinzip nicht unrichtig, und er erfordert besondere Aufmerksamkeit bei den Kontrollapparaturen. Aber ich möchte darauf hinweisen, daß dieses spezifische Problem kein besonderes Problem einer europäischen Abrüstungszone ist, sondern ein allgemeines Problem für jede weltweite Abrüstung auf dem Gebiet der nuklearen Waffen. Das tritt immer auf, das ist also keine Besonderheit einer Zone in Europa.

    (Glocke des Präsidenten.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter, einen Augenblick. Ich folge mit großer Aufmerksamkeit und Interesse Ihren Darlegungen. Aber ich möchte jetzt doch ein Wort für das Haus sprechen, das morgen vormittag um 9 Uhr diese Debatte fortsetzt. Ich wäre deshalb dankbar, wenn Sie Ihren Text vielleicht etwas zusammenraffen und sich ein bißchen kürzer fassen könnten.

(Hamburg Nein, ich bin schon dafür, daß der Herr Abgeordnete seine Rede jetzt zu Ende bringt. Ich bitte das Haus, ihm mit Aufmerksamkeit zuzuhören. Für morgen vormittag sind bis jetzt zehn Redner angemeldet; heute haben wir im ganzen zehn Redner gehört. Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter. Es kommt dann der letzte Einwand, den man immer wieder hört — auch heute abend haben wir ihn gehört —, in einer solchen Zone der Rüstungsbegrenzung würde die Bundesrepublik im Verhältnis zu den übrigen NATO-Partnern eine Sonderstellung bekommen müssen, und diese Sonderstellung sei psychologisch und politisch nicht erträglich. Darauf muß man antworten, daß es z. B. heute schon in der NATO Länder mit einem Sonderstatus gibt, wenn nicht de jure, so jedenfalls in der Praxis. Ich verweise hier auf Dänemark und — mit umgekehrten Vorzeichen — auf Frankreich, das ganz zweifellos, wenn es erst seine Bombe haben sollte, sogar eine noch ganz andere Stellung in der NATO haben wird als z. B die Bundesrepublik. Ich weise darauf hin, daß schon heute die Bundesrepublik in der NATO ein Sonderstatut durch die WEU und ihre Rüstungsbeschränkungen hat, ohne daß das irgendwie den Zusammenhang und den Zusammenhalt der NATO gefährdet. Jedenfalls dann würde dieses Sonderstatut für die Bundesrepublik keine Besorgnis auslösen müssen, wenn auf der anderen Seite die DDR, Polen, die CSR und Ungarn im Rahmen des Warschauer Paktes ähnlichen Sonderstatuten unterlägen. Es lag uns daran, einmal diese militärischen Argumente hier vorzutragen und uns mit ihnen auseinanderzusetzen, damit auch diejenigen in diesem Hause, die immer so leichtfertig über militärische Realitäten hinweggehen und sagen, das alles sei irreal, einmal Geiegenheit bekommen, sich mit konkreten militärischen Vorstellungen auseinanderzusetzen. Angesichts der Mahnung des Herrn Präsidenten möchte ich auf weitere Einzelheiten hier verzichten, möchte allerdings noch einige militärische Autoritäten zitieren, die in bezug auf die Streitfragen und Einwände, wie ich sie hier heute angedeutet habe, zu ähnlichen Urteilen gekommen sind. Vorhin ist schon der Feldmarschall Montgomery zitiert worden. Ich möchte in Erinnerung rufen, was Montgomery wörtlich gesagt hat, der immerhin bis vor kurzem der stellvertretende Oberbefehlshaber der NATO hier in Europa gewesen ist. Er war das immerhin zehn Jahre lang gewesen, und er spricht nicht wie ein Blinder von der Farbe, sondern er hat alle diese Probleme viele Jahre hindurch hauptberuflich durchdenken müssen. Montgomery schreibt im April 1958: Ich kann diejenigen Amerikaner nicht verstehen, die behaupten, wenn ihre Truppen Deutschland verlassen, würden sie Europa verlassen ... Wenn die Erfordernisse es verlangen, wird ein US-Corps von — sagen wir — zwei Divisionen nach Frankreich gelegt werden, und das gilt ähnlich für ein englisches Corps ... Und wenn Rußland verlangt, daß eine gleiche Anzahl russischer Truppen in Polen oder in einem anderen Satellitenland steht, so ließe sich meiner Ansicht Schmidt nach nichts dagegen sagen ... Und dann könnten wir darangehen, friedlich in Europa nebeneinander zu leben. Ich zitiere Ihnen einen anderen Engländer, auch ein Mann, der bis vor kurzer Zeit eine ganz entscheidende militärische Kommandoposition innehatte, den bisherigen Chef des Generalstabs der britischen Luftwaffe, den Marshall of the Royal Air Force Sir John Slessor. Er hat in einer Reihe von Artikeln — auch in Büchern — immer wieder die folgenden vier Thesen vertreten: Erstens, daß innerhalb einer Rüstungsbegrenzungszone der Schildauftrag gegen begrenzte Aktionen aus dem Osten, hier im deutschen Raum, ohne weiteres von den Divisionen der Bundeswehr übernommen werden kann und daß die Bundeswehr dazu keine Atomwaffen braucht. Er hat immer wieder gesagt, er würde es begrüßen, wenn bei einem Abzug der fremden Truppen symbolische Brigaden der beiden Großmächte — sozusagen in der Stolperdrahtfunktion — hierblieben. Er hat immer wieder verlangt, die Radarstationen der beiden Großmächte bis an die Grenzen der Zonen vorzuschieben, was für beide militärisch von außergewöhnlicher Bedeutung ist, wenngleich das in der politischen Diskussion bisher häufig übersehen worden ist. Dann hat Slessor noch hinzugefügt, er könne sich gut vorstellen, daß, solange innerhalb einer solchen Zone Deutschland nicht wiedervereinigt würde, UNO-Polizeitruppen an der Trennlinie ständen. Ich will diesen letzten Punkt im Augenblick einmal aus meiner Argumentation herauslassen. Mir scheinen bei dieser Reihe von militärischen Stellungnahmen — ich könnte sie noch sehr weitgehend ergänzen, aber ich muß ja an die späte Stunde denken — nicht so sehr die Einzelheiten interessant als die Tatsache, daß sie fast alle aus dem Munde hoher erfahrener Militärs kommen zu einem Zeitpunkt, wo diese Soldaten nicht mehr einer politisch festgelegten Regierung verantwortlich sind. Zuzeiten wo Herr Montgomery noch im Dienste der NATO stand, hat er dies nicht gesagt. Zuzeiten, wo Sir John Slessor noch in den Diensten der Royal Air Force stand, hat er das nicht gesagt. Ich persönlich bin sehr daran interessiert, was, wenn er einmal ein freier Mann sein wird, der General Norstad über diese Probleme sagen wird und was, wenn er ein freier Mann sein wird, der General Heusinger über diese Probleme sagen wird. Es ist ein einziges Mal vorgekommen — hier in Deutschland in jüngster Zeit —, daß ein im aktiven Dienst befindlicher General sich in gleicher Weise geäußert hat. Das war der Oberbefehlshaber der amerikanischen Armee in Europa, General Eddleman, der hier in Bonn wörtlich gesagt hat: „Die NATO kann ihre Aufgabe in Europa auch aus Positionen westlich des Rheins erfüllen." Da er aber noch im Dienst steht, erfolgte sehr schnell ein Dementi seiner vorgesetzten Dienststelle. Vor 14 Tagen, meine Damen und Herren, das möchte ich gern dem Herrn Verteidigungsminister sagen, hat sogar sein Kronzeuge, der amerikanische Professor Kissinger, im deutschen Fernsehen erklärt, eine regionale Abrüstung in Europa sei sehr gut denkbar. Und in allerjüngster Zeit, im Oktober, also vor noch nicht einem Monat, hat ein hervorragender militärischer Denker deutscher Provenienz sich ausführlich zu diesem Problem geäußert; ich bitte um die Erlaubnis des Herrn Präsidenten, das zitieren zu dürfen. Dieser Mann führt aus: Wir Deutschen wollen nicht als Störenfriede auf dem Wege zur Abrüstung erscheinen. Wir halten auch die Abrüstung für einessentielles Moment auf dem Wege zur Entspannung. Es wäre selbstverständlich unehrlich zu sagen: „Es mag kontrolliert und inspiziert werden auf der Welt, nur nicht bei unis", sondern wir müssen hier das gute Beispiel geben, und wir sind bereit, die Bundesrepublik ganz oder teilweise zu einem Bestandteil einer Kontrollund Inspektionszone zu machen. Er fährt fort: Das heißt nicht, daß die Kontrollund Inspektionszone identisch ist mit den geographischen Grenzen der Bundesrepublik; aber die Bundesrepublik ganz oder teilweise zu einem Bestandteil einer Kontrollzone zu machen, nach den Vorschlägen, die zwischen den Großmächten vereinbart werden können. Einigen sich die Großmächte nicht, so wäre ein solcher deutscher Vorschlag von sich aus wohl nicht von weltentscheidender Bedeutung. Einigen sich die Großmächte jedoch, so stehen wir nicht durch irgendwelche deutschen Sonderwünsche dieser Einigung im Wege. Sie werden inzwischen gemerkt haben, um wen es sich handelt. Es handelt sich um den Bundesverteidigungsminister Strauß, der dies gesagt hat; und den nächsten Teil des Zitats möchte ich insbesondere an die Adresse des Herrn von Eckardt hier noch einmal in Erinnerung rufen, der vor zwei Tagen davon gesprochen hat, die Bundesregierung sei für eine solche Zone nur, wenn sie bis zum Ural reiche. Herr Strauß fährt nämlich wörtlich fort — ich habe hier die Originalniederschrift seiner Pressekonferenz vor mir liegen —, es sei müßig, den Standpunkt zu vertreten, die Abrüstungszone müsse bis zum Ural reichen, wenn die Sowjetunion damit nicht einverstanden sei. Die Ausdehnung der Inspektionszone wäre vielleicht die erste Phase einer weitergehenden Abrüstung. Die Ausdehnung ginge eben im Osten so weit, wie die Sowjets zuzugestehen bereit sind, und im Westen müsse ein entsprechendes Äquivalent sein. Dieser Sprecher, der Oberbefehlshaber der deutschen Bundeswehr, hat auch klargemacht, daß er genau wie wir diese Zone nicht erst als Endstufe der Abrüstung wünschen möchte, sondern durchaus als Anfangsphase der weltweiten Abrüstung akzeptieren würde, wenn die Großmächte so beschließen sollten. Ich persönlich will Schmidt Herrn Strauß hier nichts unterstellen oder unterlegen; ich will ihn auch nicht in Gegensatz bringen zu den Äußerungen, die wir heute sonst zu diesem Thema gehört haben. Aber ich möchte mit Genugtuung darauf hinweisen, daß dieser militärische Denker sich inzwischen offensichtlich einer Rüstungsbegrenzungszone in Mitteleuropa unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit nicht länger verschließt. Der Fairneß halber will ich hinzufügen, daß sich Herr Strauß im selben Interview dagegen gewandt hat, daß eine solche Zone beschlossen würde, ohne daß von vornherein vereinbart wäre, daß sie weitere Abrüstungsschritte nach sich ziehen würde. Es ist klar, daß wir in diesem Punkt allerdings anderer Meinung sind. Wir halten es nicht für zweckmäßig, nachdem die alten Junktims gefallen sind, nun neue Junktims zu schaffen. Meine Damen und Herren, ich darf zusammenfassen. Es scheint uns deutlich zu sein, daß eine so strukturierte Rüstungsbegrenzungszone in Mitteleuropa unter den Bedingungen, die ich hier im einzelnen aufgezählt habe, das Prinzip der indirekten Verteidigung der NATO in Europa in keiner Weise beeinträchtigen wird. Wenn die NATO den Zweck hat, Westeuropa zu verteidigen, so bleibt diese Kapazität der NATO für den Fall des großen Krieges ohne jede Beeinträchtigung. Im Gegenteil, die Hauptaufgabe des europäischen Schildes der NATO, nämlich im Falle des Krieges Zeit zu gewinnen für den Entschluß zum Einsatz der nuklearen Waffen, wird wesentlich erleichtert. Der Zeitgewinn wird wesentlich größer sein, wenn beide Seiten erst diese Zone überwinden müssen, ehe es zum Zusammenprall kommt, als jetzt, wo sie sich unmittelbar im Thüringer Wald oder an der Elbe gegenüberstehen. Es würde außerdem den großen politisch-psychologischen Vorteil für den Westen haben, daß er nicht mehr gezwungen wäre, die unglaubwürdige Drohung aufrechtzuerhalten, er werde in jedem Falle sofort mit nuklearen Mitteln zuschlagen. Das ist doch die gegenwärtige erklärte Strategie der NATO, die letzten Endes seine politische Position so schwierig macht. Und für den Fall des begrenzten Krieges innerhalb der Zone darf ich wiederholen, daß die Bundeswehr als Verteidiger des europäischen Zentralabschnitts gegenüber den Kräften dieser drei, vier Staaten ohne weiteres und jederzeit ausreicht. Es gibt natürlich außerhalb des Raumes dieser Zone gewisse militärische und politische Konsequenzen, die wir durchaus nicht übersehen. Nicht etwa in der Richtung, daß, wie uns immer erklärt wird, die Amerikaner es nicht ertragen würden, wenn ihre in der Zone verbleibenden symbolischen Truppen keine Atomwaffen hätten. Das ertragen sie ganz gut. Die Amerikaner in Berlin ertragen ja auch schon seit zehn Jahren, daß sie keine taktischen Atomwaffen haben. Innerhalb der Zone geht es nur um symbolische Streitkräfte. Es würden ja in diesem Fall diejenigen amerikanischen Kräfte, die nicht als symbolische Streitkräfte in der Zone bleiben, außerhalb der Rüstungsbegrenzungszone zum Teil jedenfalls verbleiben, und sie würden dort ohne weiteres über alle Waffen verfügen können, die sie haben wollen. Es würde insbesondere die 6. Flotte im Mittelmeer, der entscheidende Hebel, in keiner Weise beeinträchtigt werden. Es würde das britische Bomberkommando nicht beeinträchtigt werden, und es würden die Mittelstreckenraketenbasen in England nicht beeinträchtigt werden. Es ist gar nicht einzusehen, wie sich hier die Amerikaner diskriminiert fühlen sollten. Das geht ja auch ganz klar aus dem Humphrey-Bericht oder aus den Auslassungen von Fulbright und anderen hervor. Man muß nicht glauben, daß das, was hier ihnen immer in den Mund gelegt wird, die wirkliche Auffassung der amerikanischen Fachleute ist. Es ergibt sich allerdings die Notwendigkeit, den wesentlichen Teil der heute auf westdeutschem Boden stehenden fremden Truppen — heute sind es vier amerikanische Divisionen und insgesamt etwa zwei englische, kanadische und belgische Divisionen — anderswo in Europa, hinter der deutschen Westgrenze unterzubringen. Das bedingt einen Verlegungsaufwand, das bedingt einen erheblichen finanziellen Aufwand. Da müssen neue Flugplätze, neue Versorgungsanlagen, Truppenunterkünfte usw. gebaut werden. Diese Schwierigkeiten sind aber auf der anderen Seite durch die Verlegung von allein 22 sowjetischen Divisionen aus der DDR heraus ungleich größer. Das wiegt sich doch, weiß Gott, zu unseren Gunsten auf. Im übrigen reicht der Raum zwischen der deutschen Westgrenze und der Atlantikküste ohne weiteres aus, diese relativ geringen fremden Truppen, die heute auf westdeutschem Boden stehen, dort unterzubringen. Tatsächlich ist nämlich heute der Raum zwischen deutscher Westgrenze und Atlantikküste fast völlig leer von allen Kampftruppen. Wenn man das mit den Truppenzahlen vergleicht, die jener Raum hätte aufnehmen müssen, wenn die Lissabonner NATO-Beschlüsse jemals ausgeführt worden wären, dann stellt man fest, daß das ein Vielfaches von dem gewesen wäre, was ihnen bei diesem Plan zugemutet würde. Die tatsächlichen Schwierigkeiten sind nach unserer Auffassung also nicht so sehr militärischer Art. Die militärischen Einwände soll man sehr ernst nehmen, man soll sie prüfen. Dann wird man vielleicht zu solchen Ergebnissen kommen können, wie wir sie hier dargelegt haben. Die tatsächlichen Schwierigkeiten und die eigentlichen Motive, die politisch bisher immer wieder gegen die Errichtung einer solchen Rüstungsbegrenzungszone in Mitteleuropa gesprochen haben, sind psychologischer und politischer Natur. Sie liegen z. B. in der Abneigung der westlichen Stationierungsländer dagegen, auch nur ein paar amerikanische Soldaten mehr aufzunehmen, als sie heute haben. So in Frankreich, so in Holland, so in anderen Ländern. Es sind also nicht die Generale und nicht die Generalstäbe, die, gestützt auf militärische Überlegungen, zu dem Ergebnis kommen, man könne sich auf eine solche Rüstungsbegrenzungszone nicht einlassen, sondern es sind die Politiker, die sich darauf nicht einlassen wollen und die sich der Argumente von Generalen bedienen, die ihnen die Argumente liefern müssen. Schmidt In den nächsten Jahren, womöglich schon im kommenden Jahr, wird es doch ohnehin, Herr Bundeskanzler, zu einer Neubewertung und einer Neuverteilung der Rollen der verschiedenen Staaten innerhalb der NATO kommen. Diese neue Rollenverteilung ist doch unter dem Stichwort „Re-Deployment" im Gange. Schauen Sie z. B. auf das, was Frankreich im Verhältnis zur NATO in den letzten 12 Monaten alles getan oder vielmehr alles gelassen hat. Das gilt z. B. auch hinsichtlich des Wunsches der nichtatomaren Partner in der NATO, im Ernstfall nicht von einem Entschluß der NATO, nukleare Waffen anzuwenden, durch vollendete Tatsachen überrascht zu werden. Vor dem Hintergrund dieser letzten Frage bringt die Begrenzungsund Kontrollzone eben folgenden besonderen und politisch bedeutsamen Vorteil. Heute, wo sich die Truppen unmittelbar an der Elbe gegenüberstehen, ist die NATO gezwungen, im Falle des Konflikts in allerkürzester Frist den Befehl zur Auslösung der nuklearen Waffen zu geben. Bei Errichtung einer solchen Kontrollzone hätte sie sehr viel mehr Zeit, diesen Entschluß sorgfältig zu fundieren. Sie könnte vor diesem Entschluß an den Gegner das Ultimatum richten, seine Aktionen zu stoppen, und hätte dann immer noch Zeit, den Druckknopf auszulösen. Zum Schluß noch eines, meine Damen und Herren. Wenn alle die sachlichen Argumente, die Sie hätten vorbringen können, aber heute nicht vorgebracht haben, die darauf hinauslaufen, daß der Westen bei einer solchen Zone benachteiligt wäre, abgehandelt worden sind, dann kommt Ihr anderes und letztes Argument: Ja, aber der Russe wird das nicht annehmen. Hier liegt ein Paradoxon. Entweder bringt der Vorschlag die angeblichen Vorteile für den Russen, dann müßten die Russen doch eine solche Zone akzeptieren, oder aber er bringt keine Vorteile für die Sowjets. Wir können hier heute nicht sagen, ob diese Vorschläge von der östlichen Seite akzeptiert würden. Wir können nur sagen: wir wissen es nicht. Wir wissen, daß die schrittweise Räumung der DDR und anderer Staaten im Osten dort drüben zweifellos politische Konsequenzen haben würde und letzten Endes ja auch haben soll. Das ist doch der Sinn dieser Sache. Wir sind deswegen in bezug auf die Annahme solcher Vorschläge nicht überoptimistisch. In der letzten Rede des sowjetischen Ministerpräsidenten ist aber wiederum von der europäischen Inspektionszone und von einer mitteleuropäischen atomwaffenfreien Zone die Rede. Wir glauben deshalb nicht, daß ein solcher Vorschlag, wenn er von unserem amerikanischen Bündnispartner käme, drüben auf glatte Ablehnung stoßen könnte. In jedem Fall würde ein solcher Vorschlag von Bonn ,aus hervorragend geeignet sein, endlich einmal für die ganze Welt sichtbar und deutlich den Friedensund Abrüstungswillen des Westens und der Bundesrepublik insbesondere unter Beweis zu stellen. Meine Damen und Herren, es tut mir leid, daß ich offenbar einen Teil des Hauses mit einer sorgfältig vorbereiteten militärischen Argumentation gelangweilt habe. - Ich könnte mir trotzdem vorstellen, sehr verehrter Herr Kollege, daß es für Sie persönlich, aber — ohne Spitze — auch für die übrigen nützlich wäre, einmal über diese sachlichen Einzelfragen ins Gespräch zu kommen, statt uns gegenseitig polemisch in die Wäsche zu schlagen. Man muß bedauern, daß in der heutigen Welt strategische und politische Probleme so unmittelbar ineinander verzahnt sind. Aber erlauben Sie mir am Schluß zu sagen: Die Gefahr aus dem Osten liegt nach meiner persönlichen Überzeugung nicht ,sosehr in der militärischen Bedrohung. Die Wahrscheinlichkeit eines großen Krieges in Europa ist nicht sehr erheblich. Sie wird bei Errichtung einer solchen Rüstungsbegrenzungszone kleiner, als sie heute schon ist. Die eigentliche Gefahr aus dem Osten liegt schon eher in dem Wettbewerb ,auf den Gebieten der Naturwissenschaften, der Technik, der Produktion und des Lebensstandards während der nächsten zehn Jahre. Entscheidend aber liegt die Gefahr in der seelischen oder geistigen Herausforderung Europas durch den Osten. Wenn wir uns vormachen sollten, es genüge schon, das militärische Gleichgewicht zu halten oder den Produktivitätsvorsprung zu halten, und im übrigen könne man sich auf die Scheinideologie der „psychologischen Verteidigung" verlassen, dann werden wir eines Tages schrecklich aufgeweckt werden. Selbstverständlich braucht der Westen Soldaten, selbstverständlich braucht der Westen eine florierende und leistungsfähige Wirtschaft, selbstverständlich braucht der Westen das Bewußtsein, in einer Gesellschaft sozialer Gerechtigkeit zu leben. Vor allem aber — und das möchte ich insbesondere angesichts der Argumente des Herrn Kollegen zu Guttenberg sagen — brauchen wir hier im Westen ein unerschütterliches, in den Tiefen unserer Seelen wurzelndes Bewußtsein von der sittlichen Überlegenheit des freien Geistes in einer demokratischen Ordnung, wo einer den anderen achtet. (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP.)


(Zuruf von der Mitte: Schluß machen!)