Rede von
Erich
Ollenhauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nun, Herr ,Majonica, gehen Sie davon aus, daß es keine sozialdemokratische Politik gibt — wo und wann immer — unter Verzicht auf die Grundrechte. Ich hoffe, daß Sie das von allen politischen Parteien in diesem Hause immer sagen können.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie verstehen, daß ich jetzt die Debatte über den Deutschlandplan und die polemischen Bemerkungen von Herrn Brentano nicht vertiefe,
— einfach weil ich meine Zeit nicht allzu weit überschreiten möchte; Herr Rasner, Sie kommen, wenn Sie das wünschen, in bezug auf eine detaillierte Auseinandersetzung zu Ihrem vollen Recht, und ich hoffe, Sie finden sich am Ende ebenso wohl wie vorher.
Denn eines will ich Ihnen sagen: die Art und Weise, wie die CDU/CSU sich mit dem Deutschlandplan auseinandergesetzt hat — mit rein polemischen und zum Teil diffamierenden Absichten —, ist eines der betrüblichsten Kapitel unserer innerdeutschen Auseinandersetzung seit 1945.
Ich möchte zum Schluß kommen. Ich kehre zu dem Ausgangspunkt meiner Vorstellungen zurück. Es ist nötig, daß die Außenpolitik der Bundesregierung die Fragen internationaler Entspannung, Abrüstung, Schritte zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands und Berlin in einen Zusammenhang von konkreten Vorschlägen bringt, und zwar durch eigene Initiative. Meine Damen und Herren, Sie haben gesagt, die Vorschläge im Deutschlandplan seien kein geeignetes Mittel; das ist Ihr Recht, das zu erklären. Sie haben auf der anderen Seite feststellen müssen, daß Ihre Politik nicht in der Lage gewesen ist, das Berlin-Problem und das Deutschland-Problem zu lösen. Und jetzt, meine Damen und Herren, haben Sie zu sagen, was Sie zu tun gedenken, um aus dieser unglücklichen, verhängnisvollen Situation der
4704 Deutscher Bundestag •— 3. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1959
Ollenhauer
Fortdauer der Spaltung und der Gefahr von Berlin herauszukommen.
Ich habe in den Ausführungen von Herrn von Brentano leider nichts in dieser Richtung gehört. Ich hoffe, daß die CDU-Fraktion heute nachmittag die Regierung mit konkreten Anregungen befruchtet und sich nicht nur polemisch mit der Sozialdemokratie und ihrem Deutschlandplan auseinandersetzt.
Meine Damen und Herren, es Ist wohl keine Frage: die Lösung der bei der kommenden Gipfelkonferenz anstehenden Fragen wird sehr schwierig sein. Man muß ehrlich zugeben, daß bis heute sehr schwer zu sehen ist, wie man in den wichtigsten Fragen zu einer Vereinbarung von Dauer kommen soll.
— Das habe ich nie bestritten. Aber um so mehr liegt auf uns, da es unsere Lebensfragen sind, die Verantwortung dafür, daß wir versuchen, auch in dieser Situation einen Schritt voranzukommen. Ich frage Sie konkret: Was sind Sie in der Richtung einer schrittweisen Abrüstung zu tun bereit, was sind Sie in der Richtung zu tun bereit, Kontakte zwischen den beiden Teilen Deutschlands zu erhalten und nicht den letzten Rest zu zerstören, und was wollen Sie tun, damit Berlins Freiheit und seine wirtschaftliche Unabhängigkeit, die wir alle wollen, in eine Diskussion gebracht werden können, die uns durch eine Gesamtlösung eine dauerhafte Sicherung der Freiheit und der Existenzmöglichkeiten von Berlin schaffen wird? Das ist die Frage; vor die sind Sie gestellt.
Ich muß sagen, als ich heute den Bericht des Herrn Außenministers in bezug auf den Ausblick, in bezug auf die Vorstellungen der Bundesregierung über die Vorbereitung der kommenden Verhandlungen hörte, war ich bedrückt, weil ich nichts anderes hörte als die schon immer wiederholte Feststellung: Wir sind nicht in der Lage, eine andere Position zu beziehen. Meine Damen und Herren, das heißt: Wir müssen die Spaltung Deutschlands zur Kenntnis nehmen, wir müssen auf schrittweise Entspannung verzichten. Ich frage Sie: ist das eine Politik, die in Übereinstimmung mit den Interessen des deutschen Volkes steht? Es ist Ihre Aufgabe, den Versuch zu unternehmen, in den Fragen der Abrüstung, der Entspannung der zwischendeutschen Beziehungen und der Sicherung von Berlin mit eigenen Vorschlägen in die kommenden Verhandlungen zu gehen, ohne Rücksicht auf vorgefaßte Meinungen, natürlich ohne Gefährdung von Grundrechten und Grundwerten. Sie müssen den ernsthaften Versuch machen, die Möglichkeiten der Entspannung für eine positive Lösung auszunützen. Wenn die Regierung das tut, wenn sie .mit eigenen Vorschlägen und entsprechenden Taten vor dieses Haus tritt, werden wir trotz aller Skepsis, die auch nach dem Bericht des Herrn Außenministers von heute über die Absichten, über den guten Willen, über die Bereitschaft der Regierung, in dieser Weise zu handeln, besteht, und trotz allem, was sonst an Differenzen zwischen uns stehen mag, bereit sein, eine solche aktive Entspannungs- und
Wiedervereinigungspolitik zu unterstützen. Aber nur dann, meine Damen und Herren!