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ID0308606900

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    Deutscher Bundestag 86. Sitzung Bonn, den 4. November 1959 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Etzenbach, Lermer und Dr. Conring 4617 A Abg. Brüns tritt als Nachfolger des verstor- benen Abg. Kunze in den Bundestag ein 4617 B Abg. Bach tritt als Nachfolger des Abg. Recktenwald in den Bundestag ein . . . 4617 B Mandatsniederlegung des Abg. Glahn . 4617 C Nachwahl von deutschen Mitgliedern des Europäischen Parlaments (Drucksache 1320) 4617 D Wahl eines stellvertretenden Mitgliedes des Wahlprüfungsausschusses (Drucksache 1323) 4617 D Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Lage des Kohlebergbaus (Drucksache 1300) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung einer Ergänzungsabgabe für soziale Hilf s-maßnahmen im Kohlebergbau (SPD) (Drucksache 1318) — Erste Beratung — Antrag betr. Bestellung eines Bundesbeauftragten für die Kohlewirtschaft (SPD) (Drucksache 1319) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Drucksache 1327) — Erste Beratung —. Entwurf eines Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe (Drucksachen 937, 1113); Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 1287, zu 1287) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Deist (SPD) . 4618 A, 4668 D, 4675 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 4623 D, 4640 D, 4644 A, 4673 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 4631 B Dr. Atzenroth (FDP) 4635 A Dr. Bleiß (SPD) . . . . . . . 4640 A Höcherl (CDU/CSU) 4646 D Dr. Steinmetz (DP) 4649 C Bergmann (SPD) . . . . . . . 4650 B Scheppmann (CDU/CSU) 4653 C Seuffert (SPD) . . . . . . . 4656 B Engelbrecht-Greve (CDU/CSU) . 4657 C Dr.-Ing. Philipp (CDU/CSU) . . 4658 B Margulies (FDP) . . . . . . . 4658 C Dr. Schneider (Saarbrücken) (FDP) 4667 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau Il Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. November 1959 (Abg. Auge, Behrendt, Bergmann, Büttner, Dr. Deist, Geritzmann, Heiland, Dr. Dr. Heinemann, Iven [Düren], Keuning, Kriedemann, Lange [Essen], Meyer [Wanne-Eickel], Frau Rudoll, Sträter, Striebeck, Wilhelm und Fraktion der SPD) (Drucksache 1246 [neu]) — Erste Beratung — 4678 C Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau (Abg. Harnischfeger, Dr. Hesberg, Mick, Scheppmann, Wullenhaupt und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache 1292) Erste Beratung — 4678 C 'Entwurf eines Gesetzes über das Kreditwesen (Drucksache 1114) — Erste Beratung — Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 4659 B Dr. Veit, Minister des Landes Baden-Württemberg . . . . . . . 4660 C Scharnberg (CDU/CSU) 4664 B Dr. Seume (SPD) 4664 C Dr. Dahlgrün (FDP) 4666 D Nächste Sitzung 4678 D Anlagen 4679 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. November 1959 4617 86. Sitzung Bonn, den 4. November 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. November 1959 4679 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Atzenroth 7, 11. Fürst von Bismarck 7. 11. Börner 7. 11. Dr. Brecht 6. 11. Brüns 4. 11 Dr. Bucerius 4. 11. Drachsler 6. 11. Even (Köln) 4. 11. Faller 4. 11. Gehring 4. 11. Geiger (München) 4. 11. Gewandt 4. 11. Dr Gleissner 4. 11. Dr Greve 15. 11. Dr. Hellwig 6. 11. Hilbert 1. 12 Junghans 7. 11. Kraus • 4. 11. Lenz (Trossingen) 6. 11. Dr. Leverkuehn 4. 11. Lücker (München) 7. 11. Maier (Freiburg) 15. 12. Matthes 15. 11. Metzger 4. 11. Müller (Ravensburg) 4. 11. Müller-Hermann 6. 11. Müser 7. 11. Frau Dr. Pannhoff 4. 11. Pietscher 6. 11. Pohle 4. 11. Prennel 6. 11. Dr. Ratzel 7. 11. Scharnowski 4. 11. Dr. Seffrin 7. 11 Seidl (Dorfen) 5. 11. Seither 4. 11. Dr. Siemer 4. 11. Stahl 6. 11. Stierle 7. 11. Sühler 4. 11. Weinkamm 7. 11. b) Urlaubsanträge Graf Adelmann 25. 11. Dr. Gülich 15. 12. Hahn 28. 11. Heye 25. 11. Jacobs 15. 11. Jahn (Frankfurt) 15. 12. Josten 15. 11. Kisters 28. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 25. lI. Dr. Kohut 28. 11. Kreitmeyer 25. 11. Probst (Freiburg) 25. 11. Frau Schmitt (Fulda) 25. 11. Dr. Vogel 25. 11. Walpert 12. 11. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Umdruck 407 Änderungsantrag der Abgeordneten Engelbrecht-Greve, Müller-Hermann, Scharnberg und Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe (Drucksachen 937, 1113, 1287). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In § 1 sind in der Anmerkung 3 zu Tarifnr. 27.01 folgende Änderungen durchzuführen: a) In Absatz 2 sind die Worte „insgesamt 68 vom Hundert" durch die Worte „insgesamt 77 vom Hundert" und die Worte „,im Durchschnitt der Jahre 1956, 1957 und 1958" durch die Worte „im Durchschnitt der Jahre 1955, 1956, 1957 und 1958" zu ersetzen. b) Im Absatz 3 sind die Worte „im Durchschnitt der Jahre 1956, 1957 und 1958" durch die Worte „1955, 1956, 1957 und 1958" zu ersetzen. c) Als Absatz 5 wird angefügt: „Die Bundesregierung kann, nachdem dem Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen gegeben worden ist, mit Zustimmung des Bundestages durch Rechtsverordnung das Zollkontingent in Absatz 2 dieser Anmerkung bis zu 20 v. H. erhöhen, wenn dies aus gesamtwirtschaftlichen Gründen geboten ist." 2. In § 2 ist vor die Jahreszahl „1956" die Jahreszahl „1955" einzufügen. 3. § 3 Abs. 2 wird wie folgt geändert: a) in Nummer 1 ist vor die Jahreszahl „1956" die Jahreszahl „1955" einzufügen; b) in Nummer 6 erhält Satz 2 folgende Fassung: „Auf den Anteil des Antragstellers ist die Warenmenge, die er in der Zeit vom 1. Januar bis 28. Februar 1959 eingeführt hat, insoweit anzurechnen, als hierdurch die für ihn nach Nummer 5 festgestellte Warenmenge nicht gekürzt wird." 4. In § 5 Abs. 2 erhält Satz 1 folgende Fassung: „Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft vermerkt im Kontingentschein, daß die für den Berechtigten nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 festgestellte Teilmenge zur Belieferung anderer als in § 3 Abs. 2 Nr. 3 genannter Verbraucher verwendet werden darf." Bonn, den 3. November 1959 Engelbrecht-Greve Müller-Hermann Scharnberg Dr. Krone und Fraktion
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    Rede von Dr. Heinrich Schneider


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Das habe ich gemeint, Herr Präsident. — Sie werden aus meinen weiteren Ausführungen entnehmen können, warum ich den Herrn Bundeswirtschaftsminister als den „maßgebenden" Vertreter bezeichne. Ich bin der Auffassung — das möchte ich in bezug auf die Verhältnisse des saarländischen Bergbaus sagen, für den ich spreche --, daß man das Problem nicht mit Geld lösen kann. Deshalb möchte ich in aller Kürze einige Feststellungen treffen.
    Wir im Saarland sind alle miteinander ohne Rücksicht auf die Parteizugehörigkeit von tiefer Sorge über das Problem erfüllt, das wir hier behandeln. Im Saarland stellen sich die Verhältnisse stärker und schärfer dar; sie lassen aber auch andere und vielleicht klarere Schlußfolgerungen zu, als das mitunter der Fall ist, wenn man die Probleme nur in bezug auf die Ruhr betrachtet.
    Im Saarland sind bisher insgesamt 24 Feierschichten verfahren worden, die für die beteiligten Bergarbeiter einen Ausfall von 21 Millionen DM oder im Durchschnitt 386 DM pro Kopf ausmachten. Der Durchschnitt für die Ruhr beträgt etwa 316 DM. Wir haben im Saarland bereits zwei Gruben stillgelegt. Die Stillegung der dritten ist im Gange und einer vierten in Erwägung. Wenn Sie davon ausgehen, daß wir 16 Gruben haben, dann werden Sie die Bedeutung einer Stillegung von vier Gruben ermessen können. Die Auswirkungen auf die betroffenen Bergarbeitergemeinden brauche ich nicht besonders hervorzuheben.
    Abgesehen von den schon erfolgten Stillegungen ist aber die Frage der künftigen Behandlung des Problems von dem saarländischen Finanz- und Wirtschaftsminister Dr. Schäfer sehr eindeutig umrissen worden. Er hat vor etwa 14 Tagen erklärt, daß man die Produktion des Saarbergbaus auf 12 Millionen t reduzieren müsse, und das bedeute eine Abwanderung von 20 000 Bergleuten. Die könne man — so meinte der Herr Finanz- und Wirtschaftsminister im Saarland — in der Schwerindustrie unterbringen.
    Diese Auffassung ist leider nicht begründet; denn die Schwerindustrie, die Hüttenindustrie im Saarland beschäftigt nur 32 000 Menschen, und sie kann allenfalls bei Einführung der Fünftagewoche noch 3- bis 4000 aufnehmen. Nun ist es im Saarland vielleicht im Gegensatz zur Ruhr völlig unmöglich, 15- oder auch nur 10 000 Bergleute in irgendwelchen anderen Berufen, insbesondere in der Bauwirtschaft, unterzubringen. Wer also davon ausgeht, daß man 10-, 15- oder gar 20 000 Bergleute an der Saar in andere Berufe überführen müßte, der muß in Kauf nehmen, daß diese saarländischen Bergleute dann irgendwo anders, außerhalb des Saarlandes beschäftigt werden. Das ist die Konsequenz. Deshalb habe ich vorhin gesagt, daß man an der Saar das Problem nicht mit Geld lösen kann und daß nicht der Herr Finanzminister, sondern — die Anwesenheit des Herrn Bundeswirtschaftsministers stelle ich jetzt mit besonderer Freude fest — der Herr Bundeswirtschaftsminister zuständig ist. Das ist eine Erkenntnis, die vielleicht im Widerspruch zu all den Erfahrungen steht, die man an der Ruhr gemacht hat.
    Wir haben aber noch eine zweite Erkenntnis gewonnen. Es wird oft als Allheilmittel angeboten, den Bergbau zu sozialisieren. Auch hierfür liefert die Saar den lebendigen Gegenbeweis, denn an der Saar ist der Bergbau seit seinem Bestehen sozialisiert. Wäre die Sozialisierung ein geeignetes Mittel, dann dürfte es bei uns keine Kohlenhalden geben. Leider sind die Kohlenhalden an der Saar prozentual jetzt schon höher als an der Ruhr. Unsere Kohlenhalden betragen schon über 10% des Standes der Halden der Ruhr.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Entscheidend war der Rückgang des Absatzes nach Süddeutschland; er ließ unsere Halden ständig anwachsen. Der Absatzrückgang an der Saar ist relativ geringer, und auch in der Lieferung nach Frankreich ist dank des Saarvertrages noch kein Rückgang ein-



    Dr. Schneider (Saarbrücken)

    getreten. Wir sehen also, daß das Problem auf dem Wege der Sozialisierung nicht zu lösen ist.
    Entscheidend ist für uns an der Saar, daß es sich um ein soziales Problem handelt. Deshalb muß unbedingt eine Lösung gefunden werden; da bin ich mit allen Kollegen von der Saar aus allen Parteien einig. Wir haben 1955 im Saarland vor der Abstimmung den Arbeitnehmern — auch den Bergleuten — gesagt, daß für uns die Erhaltung und die Sicherung ihres Arbeitsplatzes die oberste Verpflichtung sei. Diese Verpflichtung haben wir im Rahmen des Aufrufs, bei der damaligen Abstimmung mit Nein zu stimmen, übernommen. Es ist selbstverständlich, daß diese Verpflichtung für uns alle weitergilt und daß wir daraus Folgerungen zu ziehen haben.
    Bei der Erhaltung des Bergbaus handelt es sich jedoch auch um ein nationales Problem. Auch darüber ist schon gesprochen worden. Was würde geschehen, wenn einmal eine Schrumpfung des Bergbaues um ein Drittel — ich verweise auf die Zahlen von der Saar, die ich vorhin genannt habe — eingetreten wäre und es gäbe irgendeine Störung, beispielsweise in der Ölzufuhr? Ich glaube, es gibt niemand hier im Hause, der uns für fünf bis zehn Jahre garantieren kann — auch der Herr Bundeswirtschaftsminister kann das nicht —, daß es keine Krise oder Störung in der Zufuhr ausländischer Brennstoffe geben wird. Wir erinnern uns noch sehr gut daran, daß, als die Suezkrise eintrat, bei uns an der Saar, damals noch im französischen Wirtschaftsraum, über Nacht folgendes passierte: Es wurden über Nacht sämtliche Vorräte an Treibstoffen und Olen beschlagnahmt, und am nächsten Morgen wurden Bezugsscheine eingeführt. Das ist vor 21/2 Jahren gewesen. Das war ein Chaos. Ich möchte einmal sehen, was geschehen würde, wenn sich so etwas in zwei oder drei Jahren hier ereignete. Dann würde die Wirtschaft, die Industrie usw. mit den Verantwortlichen Fraktur reden. Man kann also sagen, daß es sich bei der Erhaltung des Bergbaus auch um ein nationales Problem handelt.
    Weiter handelt es sich dabei aber auch um ein übernationales Problem. Auch das erkennen wir an der Saar ganz deutlich. Wir wollen ja alle die EWG. Wie glauben Sie, daß die EWG zu verwirklichen ist, wenn in Saarbrücken die Tonne schweres Heizöl 130 DM und nur 5 km von uns entfernt jenseits der französischen Grenze 202 DM oder — wie heute die Preisunterschiede liegen — das leichte Heizöl pro Tonne bei uns rund 88 DM und in Forbach an der Grenze 145 DM kosten, wenn Frankreich beim leichten Heizöl eine Steuereinnahme von rund 21 DM pro Tonne hat und wir nur 5,14 DM bekommen oder wenn Frankreich beim schweren Heizöl 10,95 DM an Steuern erhält und wir nur zwei Mark und etliches? Meine Damen und Herren, bei solchen Unterschieden gibt es keine EWG; das ist ausgeschlossen. Die Frage „Heizölpreis" wird sich also dann auch in aller Deutlichkeit stellen, wenn es an die Aufhebung der Grenzen geht. Dann muß eine Nivellierung kommen, so oder so. Auch das ist ein Problem, über das hier noch nicht gesprochen worden ist, das sich aber für uns an der Grenze mit großer Deutlichkeit zeigt.
    Es muß also etwas geschehen; in erster Linie aus sozialen Verpflichtungen heraus, aus der Verpflichtung, die Arbeitsplätze zu erhalten. Die Frage ist nur: Was kann geschehen und was ist ausreichend?
    Ich bin nicht der Meinung, daß die Heizölsteuer ein ausreichendes Mittel ist, um der gesamten Krise — oder der Strukturwandlung, oder wie Sie es nennen — zu begegnen. Ich bin eher der Meinung, daß nach gründlicher Prüfung aller Voraussetzungen ein Bündel von Maßnahmen getroffen oder, wenn Sie wollen, ein Blumenstrauß gebunden werden muß, um mit den Problemen fertig zu werden, Die Heizölsteuer ist — ich befinde mich da im Widerspruch zu vielen meiner Parteifreunde, das erkläre ich offen — nach meiner Auffassung eine Blume, die mit in den Strauß hinein muß, auch wenn das, wie der Kollege Höcherl sagt, eine Sumpfdotterblume ist oder, wie andere Kollegen sagen, ein Nolimetangere. Entscheidend wird sein, daß man sich in der Ausschußarbeit darüber klar wird, welche Maßnahmen außerdem noch notwendig sind, um das Problem zu lösen. Es sind eine ganze Reihe von Fragen, die in diesen Rahmen hineingehören.
    Ich denke auch an die Sonderbelastung des Bergbaues durch den Lastenausgleich. Wir werden uns hier demnächst noch darüber unterhalten müssen, wenn das Saar-Lastenausgleichsgesetz besprochen wird. Ich denke des weiteren an das Problem der Frachten. Nur eine Zahl. Seit der wirtschaftlichen Eingliederung zahlt der Saarbergbau 20 Millionen DM mehr an Frachten als vorher, die Gesamtsaarwirtschaft 70 Millionen. Also auch das ist ein Problem, das gelöst werden muß. Dazu kommt noch die besondere steuerliche Behandlung des Bergbaues im Verhältnis zum 01 und andere Fragen mehr.
    Ich glaube, man sollte die Probleme Ausschuß gemeinsam anpacken, und zwar nicht nur konzentriert auf die Ölsteuer, sondern gerichtet auf eine langfristige Ordnung der Probleme mit dem Ziel: Erhaltung der Arbeitsplätze und Erhaltung der nationalen Kohlenproduktion.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Dr. Deist.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß mich zunächst mit den beiden Zitaten befassen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister aus Äußerungen gebracht hat, die ich angeblich vor einiger Zeit getan habe. Das Urteil über diese Methode des Zitierens möchte ich dem Bundestag überlassen.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat — ich habe das Protokoll nicht lesen können, weil es noch nicht vorliegt — so getan, als wenn die Sozialdemokratie den Kohlenzoll bekämpft hätte, weil sie in ihm eine unwirksame Maßnahme gesehen habe. Er muß wissen, daß das unzutreffend ist. Wir wußten, daß der Kohlenzoll die einzige Maßnahme der Bun-
    Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. November 1959 4669
    Dr. Deist
    desregierung war, die eine gewisse Wirkung haben würde. Wir haben das nie bestritten. Der Herr Minister kann das auch aus schriftlichen Unterlagen feststellen. Wir haben den Kohlenzoll aus ganz anderen Gründen kritisiert. Wir haben nämlich darauf hingewiesen, daß der Kohlenzoll zwölf Monate zu spät kam und daß deshalb, weil man gezögert hatte, irgend etwas auf dem Einfuhrgebiet zu tun, im September des Jahres 1958 über mehr als 30, ich glaube 39, Millionen t Kohleeinfuhrverträge vorlagen. Wir haben ihm vorgeworfen, daß diese Verzögerung jeder wirksamen Maßnahme zu diesen weitgehenden Einfuhrverträgen und den hohen Einfuhren von etwa 13 Millionen t im Jahre 1958 geführt hat, die in etwa auch dem Zugang an Haldenzugängen an der Ruhr entsprach. Wir haben weiterhin Kritik daran geübt, daß die Situation im Außenhandel dadurch außerordentlich belastet würde. Wir haben schließlich darauf hingewiesen — ein Tatbestand, der leider eingetreten ist —, daß die Ablösung dieser Kohleverträge dazu führen könnte, daß die Kohleverbraucher in revierfremden Gebieten auf Heizöl umschalten, daß also diese Ablösung nicht etwa dem deutschen Kohlebergbau zugute kommen würde, sondern dem Heizöl, eine Annahme, die sich bestätigt hat.
    Wir haben weiterhin kritisiert, daß diese Verzögerung, die Untätigkeit während neun bzw. zwölf Monaten bis zur Erhebung des Kohlenzolls dazu geführt hat, daß der Verbraucher über den Preis 300 Millionen DM an Ablösungslasten tragen muß, die zur Ablösung der Einfuhrverträge nötig waren. Es ist durchaus irreführend, so zu tun, als hätte die Sozialdemokratie damals wider die Vernunft behauptet, der Kohlenzoll würde nicht wirksam sein. Ich überlasse es Ihnen, zu beurteilen, wie solche Zitierkunst zu werten ist.
    Meine Damen und Herren, ich will dazu noch ein paar Zahlen nennen. Es trifft zu — und zwar habe ich das, glaube ich, in der Debatte im Januar 1959 deutlich gesagt —, daß das Bundeswirtschaftsministerium im Januar 1958 bereits berechnet hatte, daß ein Überangebot von, ich glaube, 6 Millionen t, vielleicht auch mehr, im Laufe des Jahres 1958 auf den deutschen Markt zukommen würde. Wir haben immer kritisiert, daß nicht sofort in jenem Augenblick Gegenmaßnahmen ergriffen wurden. Es ist nämlich festzustellen, daß in den Monaten Februar und März, nachdem die ersten Feierschichten verfahren waren, insgesamt über 17 Millionen t neue Einfuhrverträge abgeschlossen worden sind. Der Herr Bundeswirtschaftsminister tut jetzt so, als wäre die Wirkung seiner Tätigkeit zwar nicht sofort eingetreten, sondern immerhin nach zwei Monaten, als diese 17 Millionen t glücklich in freier Unternehmerinitiative entgegen allen volkswirtschaftlichen Überlegungen abgeschlossen waren. Damals, Ende März, hatten wir nämlich bereits einen Bestand von 45 Millionen t, über die Einfuhrverträge abgeschlossen waren, während die gesamte Einfuhr im Jahre 1957 nur 17 Millionen t betragen hatte. Daß da einigen ein Licht aufging, daß man wohl weitere Kohleeinfuhrverträge nicht abschließen könne, ist weiß Gott kein Verdienst des Bundeswirtschaftsministeriums.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich darf darauf hinweisen, daß in jenen Zeiten Besprechungen bei der Hohen Behörde der Montanunion stattgefunden haben. Ich weiß nicht, ob Herr Minister Etzel damals noch Vizepräsident war. Damals wurde die Bundesregierung aufgefordert, mitzuteilen, wieviel Kohleeinfuhrverträge eigentlich liefen und mit welchen Einfuhren zu rechnen sei. Damals hat die Bundesregierung, die angeblich soviel Wesentliches getan hat, um die Kohleeinfuhr herabzudrücken, erklärt, sie habe keine Möglichkeiten, exakte Feststellungen zu treffen; dafür fehlten in Deutschland die gesetzlichen Voraussetzungen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    So sieht die „vorsorgliche Kohlepolitik" der Bundesregierung im Jahre 1958 aus.
    Nun das zweite Zitat. Ich habe es hier vorliegen; es stammt vom 19. August 1957: Damals lagen Vorausschauen der. Hohen Behörde, die zusammen mit der Bundesregierung ausgearbeitet waren, vor. Wenn ich nicht irre, sind die Zahlen auch in Dokumenten der Bundesregierung und des Kohlenbergbaues enthalten. Diese hatten eine Schätzung vorgenommen. Die Pläne der Hohen Behörde, der Bundesregierung und des Kohlenbergbaues gingen dahin, daß innerhalb von zwanzig Jahren zusätzlich 40 Millionen t gefördert werden sollten. Ich habe damals erklärt, wenn diese Pläne, innerhalb von zwanzig Jahren zusätzlich 40 Millionen t zu fördern — die offiziellen Pläne der Hohen Behörde und der Bundesregierung! —, durchgeführt werden sollten, sei es notwendig, zehn bis fünfzehn neue moderne Schachtanlagen auf grüner Wiese zu errichten. Das ist es, was ich gesagt habe.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Und was hat der Herr Bundeswirtschaftsminister aus dieser Darlegung gemacht? Wenn er noch zwei Zeilen weiter gelesen hätte, hätte er lesen können,

    (Abg. Dr. Kreyssig: Er liest ja überhaupt nichts! Das sind seine Hintermänner!)

    daß ich am selben Tage in dieser Erklärung gesagt habe:
    Bisher sind alle Planungen für eine zusätzliche Förderung von 40 Millionen t unrealistisch. Sie sind im übrigen für den unsozialen Kurs der deutschen Bergbauunternehmungen bezeichnend. Sie gehen nämlich davon aus, daß weiterhin an sechs Tagen, also an 300 Arbeitstagen im Jahr gearbeitet wird.
    Dabei war vorauszusehen, daß wir die 5-TageWoche bekommen.
    Das heißt also: ich selbst habe diese Schätzungen von 40 Millionen als unrealistisch und zu hoch bezeichnet und nicht etwa die Fanfare geblasen: Wir müssen 40 Millionen mehr haben. Bitte, Herr Bundeswirtschaftsminister, nun haben Sie das Wort.

    (Zustimmung bei der SPD. — Abg. Dr. Kreyssig: Vielleicht entschuldigt sich der Herr Professor nachher!)

    Meinen Sie nicht doch, daß die Art, wie Sie zitiert haben, irreführend war?

    (Abg. Dr. Kreyssig: Eine Unverschämtheit! — Glocke des Präsidenten.)




    Dr. Deist
    Noch ein paar Worte zu der Ar wie der Herr Bundeswirtschaftsminister hier argumentiert. Zunächst einmal stellte er bezüglich der Mineralölwirtschaft fest, es seien offensichtliche Dumpingpreise der Mineralölwirtschaft. Das ist zwar sehr überzeugend, wenn man begründen will, daß die Heizölsteuer eine wirksame Maßnahme sei. Ich darf aber darauf hinweisen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister im Ausschuß auf meine Frage bestätigt hat, es könne sehr zweifelhaft sein, ob derartige Preise Dumpingpreise seien; es sei auch sehr schwierig, das festzustellen. — Der Grund ist sehr einfach — der Herr Bundeswirtschaftsminister hat ihn selber angegeben —: es handelt sich um eine Kuppelproduktion, bei der die Kosten für Heizöl und Benzin durcheinandergerechnet werden. Es ist der deutschen Mineralölwirtschaft leicht, den Heizölpreis zu senken und demgegenüber ein im Verhältnis zu allen anderen europäischen Staaten überhöhtes Preisniveau für Benzin zu halten. Darum ist es sehr fragwürdig, von Dumpingpreisen zu sprechen.
    Dann aber kam die merkwürdige Feststellung, der Ausbau der Raffinerien sei volkswirtschaftlich zu vertreten; denn er folge der Entwicklung des Verbrauchs. Offenbar hat die Mineralölindustrie Not, mit ihren Investitionen dem Verbrauch nachzufolgen, der beinahe hinterherhinkt. Dabei weiß jeder, der die Investitionspolitik der Mineralölwirtschaft zu beurteilen vermag, daß diese Investitionen dem Verbrauch meilenweit vorauseilen. Im übrigen kann man aus den vorliegenden Zahlen 1 errechnen, daß im Jahre 1958 die Mineralölraffinerien — bei einer normalen Ausnutzung von 85 % — nur zu 60 bis 65 % beschäftigt waren, weil nämlich die Kapazität dem Verbrauch wesentlich vorauseilt.
    Wozu .eigentlich diese Verharmlosung, wenn vorher gesagt ist: Es sind Dumpingpreise?! Was für eine Aufgabe haben eigentlich die Dumpingpreise? Sie haben die Aufgabe, dabei zu helfen, über den normalen Verbrauch hinaus in den Absatzbereich anderer Energiestoffe einzubrechen. Das ist wohl nicht ganz so harmlos; denn wenn Dumpingpreise verlangt werden, dann will man mit aller Gewalt einen Verbrauch auf das Mineralöl zuleiten, der vorher nicht da war. So widerspruchsvolle Feststellungen über die Mineralölwirtschaft sollte man eigentlich nicht treffen. Und das alles nur, um zu beweisen, was nicht bewiesen werden kann, nämlich, daß die Heizölsteuer eine wirksame Maßnahme sei!
    Ich habe mich, vielleicht vergeblich, bemüht, meine Argumente dafür vorzutragen, daß die Heizölsteuer nicht wirksam sein kann. Ich habe nicht feststellen können, daß sich der Herr Bundeswirtschaftsminister mit einem einzigen dieser Argumente auch nur ein klein wenig auseinandergesetzt hat.

    (Abg. Dr. Kreyssig: Kann er ja gar nicht!)

    Wozu die Feststellung, es liege eine beunruhigende Entwicklung an der Ruhr vor? Das wissen wir auch. Die jungen Arbeitskräfte wandern ab;
    ich habe das selber festgestellt. Wozu die Feststellung, es drohten politische Schwierigkeiten? Die Frage ist doch nicht, ob diese Schwierigkeiten vorhanden sind. Wir kennen sie zur Genüge und wissen auch, auf welche Politik sie zurückzuführen sind. Die Frage ist einzig und allein: Ist die Heizölsteuer eine wirksame Maßnahme oder ist sie keine wirksame Maßnahme? Darauf hätten Sie antworten müssen. Wenn sie keine wirksame Maßnahme ist, dann ist es gefährlich, den Menschen draußen dieses Augenpulver zu streuen, während man genau weiß, daß nichts herauskommt.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben die Antwort überhört!)

    — Ich glaube nicht, daß ich sehr viel überhört habe, Herr Kollege.
    Der auch heute noch dem Bundestag formell angehörende Herr Dr. Hellwig,

    (Abg. Dr. Kreyssig: Hört! Hört!)

    Mitglied der Hohen Behörde in Luxemburg, hat vor dem Marktausschuß bei der Behandlung der Kohleschätzungen mitgeteilt, die Hohe Behörde sehe sich nicht in der Lage, eine Auswirkung der Heizölsteuer auf den Kohleverbrauch einzukalkulieren, weil sie, wenn überhaupt, frühestens in zwei Jahren zu einer gewissen Wirkung kommen werde.

    (Abg. Dr. Kreyssig: Sehr richtig!)

    Sie haben die Erhebung der Heizölsteuer für drei Jahre vorgesehen. Ich möchte wissen, was Sie da( an Verminderung des Heizölverbrauchs herbeiführen wollen! Darauf kommt es uns doch an!
    Wenn irgend jemand dem Bergbau aus den Schwierigkeiten, in die er zum Teil durch die Politik der Bundesregierung geraten ist, helfen will, dann gehören wir bestimmt mit dazu. Aber wir weigern uns, so zu tun, als ob etwas getan würde, während in Wirklichkeit nur Sand in die Augen gestreut wird.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dann hat der Herr Bundeswirtschaftsminister — er hat immer noch die alten Konzepte — davon gesprochen, wir hätten wie in den letzten Jahren so auch jetzt die Lage an der Ruhr dramatisiert. Herr Höcherl war so freundlich, uns zu sagen, was seine Fraktion unter dramatisieren versteht. Wenn man nämlich als Opposition aus der Verpflichtung, politische Vorgänge zur Sprache zu bringen, eine Große Anfrage vorlegt, dann gehört das nach seiner Auffassung bereits zur Dramatisierung der Vorgänge. Das ist eine merkwürdige Auffassung von Dramatisierung, aber auch eine merkwürdige Auffassung von den Aufgaben des Parlaments.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat weiter gesagt, wir hätten in den letzten Jahren von der Katastrophe, von dem Chaos an der Ruhr gesprochen. Nun, Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn Sie genauer zitieren, als Sie es heute getan haben, werden Sie nicht ein einziges Zitat als Beleg für diese Behauptung anführen können.



    Dr. Deist
    Ein Weiteres, Herr Bundeswirtschaftsminister! Darf man eigentlich in der Debatte so tun, als ob jeder die Situation im Kohlenbergbau, im Kohle-verbrauch, wie sie im Jahr 1956 war, vergessen hätte?! Damals hat die Bundesregierung jenes merkwürdige System der Zweipreisigkeit für Kohle gehabt. Mit hohen Frachten belastet, wurde sehr, sehr teure USA-Kohle eingeführt; sie durfte zu einem hohen Preis verkauft werden. Daneben kam billige deutsche Kohle auf den Markt; sie wurde von vielen Kohlenhändlern als amerikanische Kohle drapiert und auch zu dem hohen Preis für amerikanische Kohle verkauft. Zu jener Zeit gab es Menschen, die nicht in der Lage waren, diese Kohle zu kaufen, Menschen, die tatsächlich frieren mußten. Mehr habe ich damals nicht gesagt, und diese Behauptung entsprach den Tatsachen. Meinen Sie wirklich, daß es eine gute Methode ist, den Tatbestand, daß damals Menschen leiden mußten, zum billigen Anlaß für eine solch spöttische Bemerkung zu nehmen, wie Sie das heute getan haben?
    Ich habe dann von der Stillegungs- und Entlassungshysterie gesprochen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat gefragt, wer denn eigentlich von den hunderttausend Mann gesprochen habe. Ich weiß nicht, ob der Herr Bundeswirtschaftsminister keine Zeitungen liest. Sonst müßte er wissen, wer davon gesprochen hat. Ich habe nicht gesagt, daß die Bundesregierung verkündet habe, die Zahl der Beschäftigten im Bergbau müßte um hunderttausend verringert werden. Aber der Herr Bundeswirtschaftsminister weiß, daß die Herren des Kohlenbergbaues, mit denen er dauernd zu verhandeln hat, Erklärungen wie die, es würden 12 bis 15 Zechen-anlagen stillgelegt, die Förderung müsse um 10 bis 12 Millionen Tonnen verringert werden, hunderttausend Mann seien zuviel im Bergbau, seit Herbst vergangenen Jahres an der Ruhr vorgebracht und ständig wiederholt haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, man mag das für eine besondere Art von Unternehmerinitiative halten, die sich hier an der Ruhr auswirkt. Aber meinen Sie nicht, daß das Schicksal der Menschen den Gemeinden und des Bergbaus an der Ruhr so wichtig ist, daß die Bundesregierung nicht einfach sagen kann: „Das interessiert uns nicht, sollen die Leute reden, was sie wollen; wir haben das ja nicht gesagt"? Sie sind mit Ihrer Politik, mit Ihrem Versagen in der Einfuhrpolitik und dadurch, daß Sie dieser Stillegungshysterie an der Ruhr völlig freien Lauf lassen, mitverantwortlich für die Situation, die heute an der Ruhr besteht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Jetzt geben wir uns Mühe und überlegen, wie den Schwierigkeiten an der Ruhr abgeholfen werden kann. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat liebenswürdigerweise zugegeben, er befasse sich auch mit dem Gedanken, wie man die Maßnahmen wohl koordinieren könne; denn da seien so vielfältige Maßnahmen zu treffen, daß sie koordiniert werden müssen. Sie haben dabei an den Ruhrsiedlungsverband gedacht. Schön, aber der Ruhrsiedlungsverband hat nur mit einer Seite der Angelegenheit zu tun, nämlich mit der Raumplanung. Für den Ruhrsiedlungsverband ist es kaum möglich, alles, was
    mit dem Anpassungsprozeß im Kohlenbergbau, mit
    der Neuschaffung von Arbeitsplätzen, mit Investitionsplänen usw. selber zu tun hat, zu koordinieren.
    Was haben wir nun gemacht, Herr Bundeswirtschaftsminister? Wir haben gesagt: wenn schon koordiniert werden muß, dann sollte man eine Instanz schaffen, die sich dieser speziellen Aufgabe widmet. Wir haben die Bestellung eines Bundesbeauftragten für Kohle vorgeschlagen. Meinen Sie wirklich, daß es eine sachliche Reaktion und eine sachliche Auseinandersetzung ist, wenn man dann vom „Rätesystem", von „kollektivistisch" und „Kommissaren" spricht und so tut, als wenn die Bestellung eines Beamten zu einer bestimmten Aufgabe in einem Gebiet, in dem es im Augenblick einen Notstand gibt, eine so ungewöhnliche Angelegenheit wäre? Wenn das ungewöhnlich ist, dann bedeutet das Verzicht auf jede Wirtschaftspolitik in Notzeiten!
    Dann sagte der Bundeswirtschaftsminister: Wir unterhalten uns die ganze Zeit, wie das Kohleproblem in das Gesamtproblem Energiewirtschaft eingebettet werden soll. Das ist es ja gerade, Herr Bundeswirtschaftsminister! Sie unterhalten sich die ganze Zeit, und wir möchten, daß endlich wirtschaftspolitisch auf diesem Gebiet etwas geschieht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Weiter meinten Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, sagen zu können, da solle also der Mann, der Bundesbeauftragte, im luftleeren Raum arbeiten. Ich weiß nicht, wofür Sie uns halten und woher Sie solche Informationen bezogen haben. Dieser Mann soll im Rahmen einer Energiewirtschaftspolitik, für die er nicht zuständig ist, die speziellen Probleme der Kohle dadurch lösen helfen, daß er die verschiedenen Maßnahmen aufeinander abstimmt. Sie wissen genau, Herr Bundeswirtschaftsminister, aus allen unseren Darlegungen hier — und Sie scheinen auch unser Schwarzbuch studiert zu haben; daraus ergibt sich das auch —: unser erstes Anliegen ist, daß endlich eine Entscheidung darüber getroffen wird, in welcher Richtung die Energiewirtschaftspolitik der Bundesregierung in Zukunft marschieren wird.
    Sie wissen, daß Ihr Kollege zur Rechten — zwei Stühle weiter — Ihnen bereits im Jahre 1957 geschrieben hat, daß die Bundesregierung nun endlich die organisatorischen und personellen Voraussetzungen schaffen müsse, damit eine solche einheitliche Energiewirtschaftspolitik betrieben werden könne. Es ist für uns nicht sehr neu, daß diese Maßnahmen nur in den Rahmen einer allgemeinen Energiewirtschaftspolitik gehören. Aber dann bleibt trotzdem auf dem Gebiet der Kohle einiges zu tun. Dazu sollte dieser Kohlebeauftragte helfen.
    Sie sagten: Soll denn der Bundesbeauftragte das Kohleproblem ganz allein so im luftleeren Raum lösen, schließlich bin ich Bundeswirtschaftsminister, und ich trage die politische Verantwortung. — Sie sollten an uns bemerkt haben, daß wir alles darauf anlegen, Sie aus dieser politischen Verantwortung nicht herauszulassen.

    (Beifall bei der SPD.)




    Dr. Deist
    Wir wünschten sehr, daß Sie sie etwas ernster nehmen, als Sie das bisher tun.
    Dieser Bundesbeauftragte steht natürlich nicht im luftleeren Raum. Wo haben Sie das eigentlich gelesen? Sein Wirkungsbereich soll durch ein Gesetz bestimmt werden, das hier zu beschließen ist, ein Gesetz natürlich, das ihn in die Behördenapparatur eingliedert. Selbstverständlich soll er unter der Verantwortung der Bundesregierung, wahrscheinlich des federführenden Ministers, des Bundeswirtschaftsministers, arbeiten. Es ist also eine schlechte Sache, etwas zu unterstellen, was in unserem Antrag offensichtlich nicht enthalten sein kann, und dann mit dieser Unterstellung zu polemisieren.
    Dann meinte der Herr Bundeswirtschaftsminister, es sei eine Aufgabe der unternehmerischen Verantwortung, diese Probleme zu lösen. Nun, Herr Bundeswirtschaftsminister, wir haben mit der unternehmerischen Verantwortung bei Aufgaben, die weit über den Rahmen des einzelnen Unternehmens hinausgehen und letzten Endes wirtschaftspolitische Entscheidungen von volkswirtschaftlicher Bedeutung in sich schließen, so einige Erfahrungen gemacht. Wir haben Ihnen hier schon einiges über die merkwürdigen Stillegungspläne aufgeführt: eine Kokerei wird stillgelegt; eine andere, an der zufällig Werke der französischen Stahlindustrie ein Selbstversorgungsrecht besitzen, wird im gleichen Augenblick ausgebaut. Ich habe Ihnen erzählt, was in Bochum vorgeht. In diesen Fragen kann ein einzelnes Unternehmen schwerlich aus der eigenen Sicht entscheiden; denn hier geht es um das Schicksal des gesamten Kohlenbergbaus und darüber hinaus um weittragende volkswirtschaftliche Interessen. Wir haben es doch bei den Zechenhandelsgesellschaften erlebt. Als der Absatz von Kohle schwierig wurde, haben sie in „freier unternehmerischer Verantwortung" entschieden: Jetzt verkaufen wir viel mehr Heizöl. Damit machten sie ihrem eigenen Kohlenbergbau Konkurrenz.
    Wo führt heute die freie unternehmerische Entscheidung auf diesem Gebiet hin? Da fusionieren sich der Kohlenbergbau von Rheinpreußen und die Deutsche Erdöl Aktiengesellschaft. Was meinen Sie, zu welchem Zweck das geschieht und wohin das führt? Je nachdem, wie die Situation ist, kann dieses Unternehmen einmal über Öl und einmal über Kohle fahren. Meinen Sie, daß so eine sinnvolle Kohlepolitik möglich ist? Man sollte hier mit dem Anruf der „verantwortlichen Unternehmerinitiative" und mit der „freien marktwirtschaftlichen Betrachtung" etwas vorsichtiger sein.
    Ich möchte dazu ein kleines Zitat des Kollegen Burgbacher anführen, das nicht uninteressant ist. Es tut mir leid, daß ich Sie aufhalte; ich werde mich kurz und höflicher noch als sonst fassen, da der Herr Kollege Burgbacher nicht im Saal und auch nicht mehr im Hause ist. Er gab sich Mühe, von der Einordnung der Kohle in den Wettbewerb und von der freien Marktwirtschaft und der freien Unternehmerinitiative im Kohlenbergbau zu sprechen. Er hat einmal etwas viel Klügeres geschrieben, und zwar in der Zeitschrift „Das Gas- und Wasserfach". Dort heißt es:
    Man kann allerdings die Freiheit der Marktwirtschaft nur gefährden, wenn man sie auch da verlangt, wo kein echter Wettbewerb vorliegt.
    Das sagte er mit Bezug auf die Energiewirtschaft und die Energiewirtschaftspolitik. Darum sollte man sich hüten, bei solchen Dingen, die im normalen Gang der Politik liegen, plötzlich von Dirigismus zu sprechen, wenn man für bestimmte Aufgeben bestimmte Beauftragte ernennt. Es ist natürlich eine leichte Methode, von Dirigismus zu sprechen, um darüber hinwegzutäuschen, daß die Bundesregierung selbst nicht ein einziges Mittel zur Lösung der Kohlenkrise anzubieten hat.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat selbst einmal geäußert: Außer der Heizölsteuer ist nichts drin. — Das wissen wir: bei dieser Bundesregierung ist „nichts drin". Wenn aber außer der Heizölsteuer nichts drin ist, dann sieht diese Bundesregierung offenbar keine Möglichkeit, dieser Schwierigkeiten Herr zu werden. Darum meinen wir, die Unternehmensverbände Bergbau haben nicht ganz Unrecht, wenn sie letzthin in einem Dokument — es war ein Schwarzbuch, das zur selben Zeit herauskam wie das unsrige — schrieben: „Diese Krise kann mit Begriffen wie Strukturkrise oder Konjunkturkrise allein nicht erklärt werden; sie ist auch eine Krise der Wirtschaftspolitik." Ich muß sagen, das ist für die Unternehmensverbände Bergbau eine recht interessante Erkenntnis.
    Aber, meine Damen und Herren, ist es eigentlich richtig, mit dem Vorwurf „Dirigismus" zu diffamieren, wenn man selbst offensichtlich keine wirksamen wirtschaftpolitischen Maßnahmen zu ergreifen weiß? Was ist eigentlich an unseren Vorschlägen so dirigistisch? Wir wünschen eine leistungsfähige zentrale Stelle für die Entwicklung einer einheitlichen Energiewirtschaftspolitik. Ob das der Bundeswirtschaftsminister, ob das ein Energiewirtschaftsrat ist, — wir lassen über jede vernünftige Form dieser Institution mit uns reden. Bloß d a ß eine solche Instanz notwendig ist, hat sich inzwischen so weit herumgesprochen, daß es offenbar nur im Bundeswirtschaftsministerium hier in Deutschland noch nicht bekannt ist.
    Und ein Zweites. Wir haben eine Einfuhrorganisation Kohle verlangt. Was ist daran eigentlich so furchtbar dirigistisch? Jedenfalls haben es Frankreich und Großbritannien mit der Organisierung der Einfuhr, mit Hilfe der Einfuhrorganisation fertiggebracht, in jener Zeit, als Kohle knapp war und Amerika-Kohle eingeführt wurde, die hohen Einfuhrpreise auf den Inlandspreis herabzuschleusen. Infolgedessen wurde in diesen beiden Ländern die übermäßige Verteuerung der Kohle, die in Deutschland eintrat und dem Kohleabsatz auf die Dauer nur geschadet hat, vermieden. Diesen beiden Ländern ist es im Gegensatz zu Ihnen, Herr Bundeswirtschaftsminister, gelungen, die Kohleeinfuhr bereits von Anfang 1958 an drastisch herabzusenken. Die Einfuhr ist daher in diesen beiden Ländern wesentlich stärker zurückgegangen als bei uns in Deutschland. Beide Länder gehören auch dem GATT an, Frankreich gehört auch der Europäischen Wirt-



    Dr. Deist
    schaftsgemeinschaft und der Montangemeinschaft an. Also daran kann es nicht gelegen haben. Es scheint mir doch an der Wirtschaftspolitik gelegen zu haben, die in diesen Ländern geführt wird.
    Meine Damen und Herren, wenn Sie nun schon der Auffassung sind: es muß stillgelegt und es muß auch sonst einiges andere getan werden, — ist es dann dirigistisch, wenn wir sagen: Das muß man planmäßig machen, dazu muß man einmal wissen, welche Gruben in welcher Zeit und in welcher Form stillgelegt werden sollen und wie das abgestimmt werden kann? Das möchten wir. Wir wünschen, daß ein solcher Anpassungs-, ein solcher Sanierungsplan aufgestellt wird. Ist es so außer aller Welt, daß wir einen Beauftragten bestellen möchten, der diese Aufgabe, einen sorgfältigen Plan für diese Anpassung zu entwerfen — natürlich gemeinsam mit dem Kohlenbergbau und den interessierten Stellen —, wahrnimmt?

    (V o r s i t z: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)

    Ist es wirklich eine praktischere Methode, den Bergbau schreien zu lassen: Es müssen 10 bis 12 Millionen t Kohle weniger gefördert werden, es muß still- gelegt werden!, und dann damit die Arbeiter aus dem Bergbau und unter Umständen sogar aus den Zechenanlagen herauszujagen, die von Umstellungsmaßnahmen überhaupt nicht betroffen werden?
    Ist es so furchtbar dirigistisch, zu sagen: Wenn schon die Kohle einer Investitionssteuerung unterliegt, warum soll die Mineralölwirtschaft mit diesem gefährlichen Expansionsdrang nicht in gleicher Weise einer Investitionssteuerung unterliegen? Und wenn wir eine straffe Kartell- und Preiskontrolle gegenüber den Mineralölkonzernen verlangen, damit sie dieses Spiel zwischen Heizölpreisen und Benzinpreisen nicht weiterführen können, — ist das dirigistisch oder dürfte das nicht eigentlich sogar in Ihr Konzept hineinpassen, Herr Bundeswirtschaftsminister? Wenn wir meinen, die Investitionsmittel für diesen Modernisierungsprozeß müßten zur Verfügung gestellt werden, — ist dies dirigistisch?
    Man sollte nicht mit solchen überholten und völlig unangebrachten, doch nur zur Diffamierung gedachten und geeigneten Formeln arbeiten. Das scheint mir keine zulässige Methode zu sein: selbst keine überzeugenden Vorschläge und keine Andeutung zu machen, wie man eine einheitliche Energiewirtschaft führen will, und alle anderen Vorschläge, die in ehrlichem Bemühen um eine Lösung der Probleme gemacht werden, als dirigistisch zu beschimpfen. Zumindest sollte sich der Bundeswirtschaftsminister allmählich eine andere Vokabel angewöhnen.
    Herr Professor Burgbacher hat ein Wort des Herrn Bundeswirtschaftsministers zitiert, das dieser am 29. Oktober, also gerade vor einigen Tagen, gesagt hat, ein Wort, das wir bewußt in das Schwarzbuch übernommen haben. Es lautet:
    Im Grunde liegt das Geheimnis einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik im rechtzeitigen Erkennen von Entwicklungsvorgängen und i n den zu treffenden Maßnahmen.
    Herr Bundeswirtschaftsminister, niemand hat, glaube ich, jemals ein härteres Urteil über die Politik der
    Bundesregierung gefällt als Sie mit dieser Anforderung, die Sie an einen Wirtschaftspolitiker stellen. Herr Kollege Burgbacher hat sich bemüht, Ihren Ausspruch zu interpretieren. Das war sehr loyal von ihm. Er meinte das erläutern zu müssen. Er hat aber nicht erwähnt, daß er selbst an der Stelle, die ich vorhin zitiert babe, auch folgendes gesagt hat:
    Wo kein echter Wettbewerb besteht, muß die
    politische Verantwortung gewisse Zuständigkeiten für sich in Anspruch nehmen können.
    Das gerade ist es, was wir von Ihnen verlangen und erwarten.

    (Beifall bei der SPD.)