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    Deutscher Bundestag 86. Sitzung Bonn, den 4. November 1959 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Etzenbach, Lermer und Dr. Conring 4617 A Abg. Brüns tritt als Nachfolger des verstor- benen Abg. Kunze in den Bundestag ein 4617 B Abg. Bach tritt als Nachfolger des Abg. Recktenwald in den Bundestag ein . . . 4617 B Mandatsniederlegung des Abg. Glahn . 4617 C Nachwahl von deutschen Mitgliedern des Europäischen Parlaments (Drucksache 1320) 4617 D Wahl eines stellvertretenden Mitgliedes des Wahlprüfungsausschusses (Drucksache 1323) 4617 D Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Lage des Kohlebergbaus (Drucksache 1300) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung einer Ergänzungsabgabe für soziale Hilf s-maßnahmen im Kohlebergbau (SPD) (Drucksache 1318) — Erste Beratung — Antrag betr. Bestellung eines Bundesbeauftragten für die Kohlewirtschaft (SPD) (Drucksache 1319) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Drucksache 1327) — Erste Beratung —. Entwurf eines Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe (Drucksachen 937, 1113); Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 1287, zu 1287) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Deist (SPD) . 4618 A, 4668 D, 4675 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 4623 D, 4640 D, 4644 A, 4673 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 4631 B Dr. Atzenroth (FDP) 4635 A Dr. Bleiß (SPD) . . . . . . . 4640 A Höcherl (CDU/CSU) 4646 D Dr. Steinmetz (DP) 4649 C Bergmann (SPD) . . . . . . . 4650 B Scheppmann (CDU/CSU) 4653 C Seuffert (SPD) . . . . . . . 4656 B Engelbrecht-Greve (CDU/CSU) . 4657 C Dr.-Ing. Philipp (CDU/CSU) . . 4658 B Margulies (FDP) . . . . . . . 4658 C Dr. Schneider (Saarbrücken) (FDP) 4667 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau Il Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. November 1959 (Abg. Auge, Behrendt, Bergmann, Büttner, Dr. Deist, Geritzmann, Heiland, Dr. Dr. Heinemann, Iven [Düren], Keuning, Kriedemann, Lange [Essen], Meyer [Wanne-Eickel], Frau Rudoll, Sträter, Striebeck, Wilhelm und Fraktion der SPD) (Drucksache 1246 [neu]) — Erste Beratung — 4678 C Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau (Abg. Harnischfeger, Dr. Hesberg, Mick, Scheppmann, Wullenhaupt und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache 1292) Erste Beratung — 4678 C 'Entwurf eines Gesetzes über das Kreditwesen (Drucksache 1114) — Erste Beratung — Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 4659 B Dr. Veit, Minister des Landes Baden-Württemberg . . . . . . . 4660 C Scharnberg (CDU/CSU) 4664 B Dr. Seume (SPD) 4664 C Dr. Dahlgrün (FDP) 4666 D Nächste Sitzung 4678 D Anlagen 4679 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. November 1959 4617 86. Sitzung Bonn, den 4. November 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. November 1959 4679 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Atzenroth 7, 11. Fürst von Bismarck 7. 11. Börner 7. 11. Dr. Brecht 6. 11. Brüns 4. 11 Dr. Bucerius 4. 11. Drachsler 6. 11. Even (Köln) 4. 11. Faller 4. 11. Gehring 4. 11. Geiger (München) 4. 11. Gewandt 4. 11. Dr Gleissner 4. 11. Dr Greve 15. 11. Dr. Hellwig 6. 11. Hilbert 1. 12 Junghans 7. 11. Kraus • 4. 11. Lenz (Trossingen) 6. 11. Dr. Leverkuehn 4. 11. Lücker (München) 7. 11. Maier (Freiburg) 15. 12. Matthes 15. 11. Metzger 4. 11. Müller (Ravensburg) 4. 11. Müller-Hermann 6. 11. Müser 7. 11. Frau Dr. Pannhoff 4. 11. Pietscher 6. 11. Pohle 4. 11. Prennel 6. 11. Dr. Ratzel 7. 11. Scharnowski 4. 11. Dr. Seffrin 7. 11 Seidl (Dorfen) 5. 11. Seither 4. 11. Dr. Siemer 4. 11. Stahl 6. 11. Stierle 7. 11. Sühler 4. 11. Weinkamm 7. 11. b) Urlaubsanträge Graf Adelmann 25. 11. Dr. Gülich 15. 12. Hahn 28. 11. Heye 25. 11. Jacobs 15. 11. Jahn (Frankfurt) 15. 12. Josten 15. 11. Kisters 28. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 25. lI. Dr. Kohut 28. 11. Kreitmeyer 25. 11. Probst (Freiburg) 25. 11. Frau Schmitt (Fulda) 25. 11. Dr. Vogel 25. 11. Walpert 12. 11. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Umdruck 407 Änderungsantrag der Abgeordneten Engelbrecht-Greve, Müller-Hermann, Scharnberg und Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe (Drucksachen 937, 1113, 1287). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In § 1 sind in der Anmerkung 3 zu Tarifnr. 27.01 folgende Änderungen durchzuführen: a) In Absatz 2 sind die Worte „insgesamt 68 vom Hundert" durch die Worte „insgesamt 77 vom Hundert" und die Worte „,im Durchschnitt der Jahre 1956, 1957 und 1958" durch die Worte „im Durchschnitt der Jahre 1955, 1956, 1957 und 1958" zu ersetzen. b) Im Absatz 3 sind die Worte „im Durchschnitt der Jahre 1956, 1957 und 1958" durch die Worte „1955, 1956, 1957 und 1958" zu ersetzen. c) Als Absatz 5 wird angefügt: „Die Bundesregierung kann, nachdem dem Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen gegeben worden ist, mit Zustimmung des Bundestages durch Rechtsverordnung das Zollkontingent in Absatz 2 dieser Anmerkung bis zu 20 v. H. erhöhen, wenn dies aus gesamtwirtschaftlichen Gründen geboten ist." 2. In § 2 ist vor die Jahreszahl „1956" die Jahreszahl „1955" einzufügen. 3. § 3 Abs. 2 wird wie folgt geändert: a) in Nummer 1 ist vor die Jahreszahl „1956" die Jahreszahl „1955" einzufügen; b) in Nummer 6 erhält Satz 2 folgende Fassung: „Auf den Anteil des Antragstellers ist die Warenmenge, die er in der Zeit vom 1. Januar bis 28. Februar 1959 eingeführt hat, insoweit anzurechnen, als hierdurch die für ihn nach Nummer 5 festgestellte Warenmenge nicht gekürzt wird." 4. In § 5 Abs. 2 erhält Satz 1 folgende Fassung: „Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft vermerkt im Kontingentschein, daß die für den Berechtigten nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 festgestellte Teilmenge zur Belieferung anderer als in § 3 Abs. 2 Nr. 3 genannter Verbraucher verwendet werden darf." Bonn, den 3. November 1959 Engelbrecht-Greve Müller-Hermann Scharnberg Dr. Krone und Fraktion
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    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde zunächst die einzelnen Fragen der Großen Anfrage der SPD beantworten und dann im einzelnen zu den Argumenten meines Herrn Vorredners Stellung nehmen. Selbstverständlich behalte ich mir vor, auch noch in die Debatte einzugreifen.
    Frage 1 lautet:
    Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß ihre Aufgabe sich im wesentlichen darin erschöpft, eingetretene soziale Schäden zu beseitigen? Oder teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß ihre Hauptaufgabe darin besteht, Krisenerscheinungen und damit soziale Not-



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    stände durch wirtschaftliche Maßnahmen vorbeugend zu verhindern? Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Heizölsteuer eine wirksame Maßnahme zur Beseitigung der Kohlenkrise ist?
    Meine Damen und Herren! Schon in den einleitenden Sätzen der Großen Anfrage wird von der SPD durch die Art der Formulierung unterstellt, daß die Maßnahmen der Bundesregierung nichts anderem als der Beseitigung der sozialen Folgen der Kohlenkrise dienen sollen. Ich möchte hierzu eindeutig klarstellen, daß die Bundesregierung keineswegs ihre Aufgabe darin erschöpft sieht. Die Bundesregierung betrachtet es selbstverständlich als ihre Pflicht, im Zusammenwirken mit den eigenen Anstrengungen der Wirtschaft die Kohlenkrise dauerhaft zu beheben und damit soziale Schwierigkeiten in der Zukunft überhaupt zu vermeiden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die von der Bundesregierung beschlossenen sozialen Maßnahmen zugunsten der Bergarbeiter sollen die Voraussetzungen dafür schaffen, daß die Rationalisierung im Bergbau ohne soziale Härten durchgeführt werden kann. Diese sozialen Maßnahmen sind damit ein konstruktiver Bestandteil einer Politik, die insgesamt darauf abgestellt ist, die Anpassung des Bergbaus an die veränderte Energiemarktlage zu ermöglichen.
    Im übrigen hat sich die Bundesregierung keineswegs mit sozialen Maßnahmen auf dem Energiegebiet begnügt. Der im Februar dieses Jahres eingeführte Kohlenzoll von 20 DM je Tonne hat in Verbindung mit dem im September 1958 eingeführten Genehmigungszwang für neue Kohleneinfuhrkontrakte in verhältnismäßig kurzer Zeit seine Wirksamkeit voll unter Beweis gestellt, eine Entwicklung, die Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, damals bezweifelt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Kohleneinfuhr aus Ländern außerhalb der Montanunion wird in diesem Jahr nur noch 5 bis 6 Millionen Tonnen betragen gegenüber 13 Millionen Tonnen im Vorjahre und gegenüber 17 Millionen Tonnen im Jahre 1957.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Das zu Anfang dieses Jahres zustande gekommene Öl-Kartell hat gezeigt, daß die Außenseiter in rasch zunehmendem Maße den Kartellpreis von 88 DM je Tonne bei schwerem Heizöl mit Preisen von 58 bis 72 DM zu unterbieten in der Lage waren. Rechnet man diese Preise auf vergleichbare Heizwertbasis für Steinkohle um, so hätte dem ein Steinkohlenpreis von 40 bis 50 DM entsprechen müssen, während der tatsächliche Ab-Zeche-Preis für die gängigsten Steinkohlensorten etwa 66 DM beträgt. Die großen Ölgesellschaften kündigten aus Besorgnis über das Vordringen der Außenseiter im August dieses Jahres das Kartell.
    Diese Entwicklung machte die Reaktion des Bergbaus, aber auch der Bundesregierung verständlich, an Stelle des Ölkartells eine wirksamere Beeinflussung des Heizölangebots zu suchen. Eine Reihe der hierzu erwogenen Maßnahmen mußten aus innerrechtlichen Gründen oder wegen der von der Bundesrepublik eingegangenen internationalen vertraglichen Verpflichtungen aus dem Bereich des praktisch Möglichen ausscheiden. Andere Maß nahmen kamen mangels der notwendigen Kontrollmöglichkeiten nicht in Frage oder weil sie in einen undiskutablen Energiedirigismus hineingeführt hätten. Auch das verschiedentlich vorgeschlagene Zwangskartell für Heizöl erwies sich bei näherer Prüfung, ungeachtet starker wirtschaftspolitischer und moralischer Bedenken, als rechtlich unzulässig und daher undurchführbar. Für die Heizölsteuer bestehen diese Schwierigkeiten nicht.
    Damit komme ich zur Beantwortung des letzten Teils der Frage 1, der Frage nach der Wirksamkeit der Heizölsteuer. Ich möchte noch einmal wiederholen: Der eben von mir mit einigen Zahlen gekennzeichnete verstärkte Wettbewerbsdruck des Heizöls, und zwar angesichts der Kohlenhalden von 17 Millionen Tonnen, des Ausmaßes von Feierschichten, aber auch angesichts der von den Unternehmen eingeleiteten eigenen Anstrengungen zur Anpassung, mußte — versetzen Sie sich einmal in die Lage der Bergarbeiter oder der Bergwerksunternehmer! — stark beunruhigend und geradezu entmutigend wirken. Wo lag noch der Sinn eines für den Bergbau kostspieligen, aber auch wirtschaftspolitisch schwierigen starken Zurückdrängens der Kohleneinfuhr, wenn gleichzeitig der angestrebte Absatzgewinn für die heimische Kohle an das Heizöl wieder verloren zu gehen droht?
    Aber es war nicht nur die wachsende Unzufriedenheit, daß Angehörige eines besonders schweren Berufes inmitten einer glänzenden Konjunktur ihre Lohntüten schmaler werden sahen, es war nicht nur jene für eine mit allen Mitteln arbeitende Ostpropaganda anfällige Unruhestimmung, sondern es war auch jene gefährliche Erscheinung, daß die jüngeren Arbeitskräfte aus dem Gefühl der Unsicherheit dem Bergbau den Rücken kehrten, um woanders unterzukommen.
    Ich kann es ruhig aussprechen, auch gerade gegenüber der SPD, daß die Heizölsteuer gleichzeitig eine politische Maßnahme ist. Sie soll einen wesentlichen Beitrag zu einer Beruhigung im Ruhrrevier bringen, an der der Oppositon nicht minder gelegen sein sollte als der Bundesregierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie soll gleichzeitig den Bergbau ermutigen und anspornen, selbst alle Kräfte daranzusetzen, sich anzupassen, um in einem angemessenen Zeitraum seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den konkurrierenden Energieträgern zu stärken.
    Die vorgeschlagene Heizölsteuer soll nach zwei Seiten wirken. Sie soll einmal das Vordringen des Heizöls durch eine Belastung verlangsamen. Andererseits ist vorgesehen, das Aufkommen aus der Heizölsteuer für Maßnahmen zur Anpassung des Steinkohlenbergbaus und der Wirtschaftsstruktur der Steinkohlengebiete an die veränderte Lage auf dem Energiemarkt, insbesondere zur Vermeidung



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    sozialer Härten, zu verwenden. Es wird entscheidend darauf ankommen, daß der Bergbau die Verpflichtung erkennt, die ihm diese Hilfe auferlegt.
    Die Kohlenkrise kann letztlich nicht beim 01 und vom 01 und bei der Einfuhrkohle gelöst werden, sie muß vom Bergbau selbst gelöst werden. Die Heizölsteuer und der Kohlenzoll haben nur dann einen Sinn und können nur dann wirtschaftspolitisch verantwortet werden, wenn der Bergbau die ihm zugestandene Anpassungsfrist voll nutzt. Die Bundesregierung wird ihrerseits die Bedingungen des Wettbewerbs zwischen den einzelnen Energieträgern sorgfältig zu überprüfen haben.
    Ich weiß, daß gerade in dem wichtigen Punkte der eigenen Anstrengungen des Bergbaus bei vielen Skepsis herrscht. Ich hege hierzu große Erwartungen. Als Ergebnis der bisherigen Anstrengungen des Bergbaus ist die Schichtleistung beträchtlich gestiegen, und zwar an der Ruhr binnen Jahresfrist um nicht weniger als 280 kg auf fast 2 Tonnen. Ich kann Ihnen sagen, daß am 1. Januar 1958 die Schichtleistung auf 1600 kg stand, und nach den letzten Meldungen hat sie bereits 2 t überschritten. Dies scheint mir der richtige Weg. Hier geht es genau um das, was ich schon in dien Kohlendebatten der Jahre 1956 und 1957 gesagt habe, nämlich um eine nachhaltige Senkung der Kosten, die es im Zuge einer längerfristigen Entwicklung gestatten wird, die Kohlenpreise auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu bringen. Ich bin davon unterrichtet, daß der \\Bergbau dabei ist, die Aufgabe der strukturellen Bereinigung durch Ausschaltung unwirtschaftlicher Zechen, durch Zusammenlegung und Rationalisierung mit großem Nachdruck fortzuführen. Der Bergbau hat, wie der Vorsitzende des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau auf dem Steinkohlentag vorige Woche wörtlich erklärte, den Zwang zur Rationalisierung rerkannt. Bei der Bereitschaft zur Durchführung der Rationalisierung wirkt mit — das möchte ich erneut betonen —, daß die Beschlüsse des Bundeskabinetts und dier Hohen Behörde die entscheidende Vorbedingung auf sozialem Gebiet geschaffen haben. Ich glaube erwarten zu können, daß der Bergbau sehr bald weitere Taten folgen lassen wird.
    Ich komme nun zur Beantwortung der Frage 2:
    Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Investitionspolitik der Mineralölkonzerne volkswirtschaftlich vertretbar ist? Wenn nein, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um zu erreichen, daß sich diese Investitionen in einem volkswirtschaftlich vertretbaren Rahmen halten?
    In einer Marktwirtschaft, die auf dem Grundprinzip des Wettbewerbs beruht, ist es der Unternehmer, der die Marktchancen sorgfälig abzuwägen, danach die Dimensionierung des Produktionsapparates zu bestimmen und dementsprechend über Art und Umfang der Investitionen zu entscheiden hat. Auch der Ausbau der Raffineriekapazitäten in der Bundesrepublik steht unter dieser Unternehmerverantwortung. Unter den Gesichtspunkten einer volkswirtschaftlichen Beurteilung ist festzustellen, daß die
    Entwicklung der Raffineriekapazitäten einer steigenden Entwicklung des Verbrauchs folgt. Das trifft insbesondere auch für die Erhöhung ides Heizölausstoßes zu. Der zu erwartenden Zunahme ides Heizölverbrauchs tragen die Mineralölfirmen bei Raffinerieneubauten auch dadurch Rechnung, daß die Kapazitäten auf einen immer größeren Heizölanteil an der gesamten Produktion ausgerichtet werden. Von einer Überkapazität kann so lange keine Rede sein, als zur Deckung ides Bedarfs noch erhebliche Heizölmengen eingeführt werden müssen. Obwohl 1958 der Heizölanteil an der Gesamterzeugung von Mineralölprodukten schon rund 31% betrug, reichte diese Produktion zur Bedarfsdeckung nicht aus; eis wurden noch 4,3 Millionen Tonnen Heizöl — das sind in Steinkohleneinheiten 6,1 Millionen Tonnen — eingeführt. Trotz der Inbetriebnahme neuer Raffinerien in diesem Jahr ist die Heizöleinfuhr im ersten Halbjahr 1959 gegenüber dem Vorjahreszeitraum nahezu auf gleicher Höhe geblieben.
    Ich brauche nicht zu betonen, daß in einem hochindustrialisierten Land das wirtschaftspolitische Interesse darauf gerichtet ist, Verarbeitungs- und Veredelungsvorgänge im Inland zu haben und nicht in idas Ausland abzudrängen. Unter diesem Gesichtspunkt erhebt die Bundesregierung keine Einwendungen gegen die bisherigen Investitionen der Mineralölindustrie.

    (Abg. Dr. Deist: Hört! Hört!)

    Es erscheint volkswirtschaftlich durchaus vertretbar, wenn ein Industriezweig die investitionspolitischen Voraussetzungen schafft, um einen billigen Energieträger wie das Heizöl auf den deutschen Markt zu bringen. Selbstverständlich liegt es auch im Interesse der Mineralölindustrie selbst, bei ihrer Investitionspolitik das Ausmaß der nicht zuletzt sozialpolitisch bestimmten Anpassungsfähigkeit des Steinkohlenbergbaus zu berücksichtigen. Die Bundesregierung kann, wie es der von ihr vorgelegte Gesetzentwurf zeigt, einer anders gearteten Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Ich glaube, davon ausgehen zu können, daß die Notwendigkeit derartiger Anpassungsmaßnahmen auf die Dispositionen der Mineralölindustrie insgesamt nicht ohne Rückwirkung bleiben wird. Je sorgfältiger alle beteiligten Wirtschaftskreise die konkrete Energiesituation in ihre Überlegungen einbeziehen, um so reibungsloser wird diese strukturelle Verlagerung vor sich gehen können. Dagegen müßte eine unmittelbare Beschränkung der Investitionen heute als völlig verfehlt erscheinen. Die Nachfrage nach Heizöl würde hiervon nicht berührt werden. Die Einfuhren würden entsprechend ansteigen. Es zeigt sich also, daß eine Investitionsbeschränkung nur wirksam werden könnte, wenn sie von einer Beschränkung der Einfuhren begleitet wäre. Dem stehen nicht nur erhebliche wirtschafts- und handelspolitische Bedenken entgegen, sondern auch Bestimmungen des EWG-Vertrages. Holland und Italien treten z. B. schon jetzt in großem Umfang als Exporteure von Heizöl in die Bundesrepublik auf. Frankreich befindet sich im Hinblick auf das Sahara-Öl in der gleichen Interessenlage.



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard Die Frage 3 lautet:
    Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für eine Preissenkung insbesondere bei den Kohlensorten, die im Wettbewerb mit Heizöl stehen? Hat die Bundesregierung eine ausreichende Übersicht über die tatsächliche Kosten- und Ertragslage des Kohlenbergbaus?
    Ich nehme dazu wie folgt Stellung. Der deutsche Bergbau hat inzwischen schon die ersten Schritte unternommen, um seine Verkaufspreise an die veränderten Wettbewerbsbedingungen, insbesondere an die verstärkte Konkurrenz des Heizöls anzupassen. So hat der Ruhrbergbau am 1. April d. J. die Listenpreise der Kohlenarten, die unter besonders starkem Wettbewerbsdruck des Heizöls stehen, nämlich der Gasflammkohle und eines Teils der Esskohlennüsse, nicht unwesentlich, und zwar um 3 bzw. 8%, gesenkt. Bei den übrigen Kohlenarten und -sorten wurden die Preise nicht generell herabgesetzt, jedoch hat der Ruhrbergbau in verstärktem Maß auf die Listenpreise Rabatte gewährt. Zu erwähnen sind hier insbesondere die gegenüber der bisherigen Regelung erhöhten Sommerrabatte bis zu 6 DM je Tonne, die vor allem auch der Hausbrandkohle und dem Brechkoks zugute kamen. Ferner werden gewährt: Prämien beim Abschluß langfristiger Verträge und Abnahme von jährlich mehr als 50 000 t, Gleichmäßigkeitsprämien von 5 DM pro Tonne für den Kohleneinzelhandel und schließlich Mengenrabatte von 10% des Listenpreises für Mengen, die über die im Vorjahr bezogenen hinausgehen. Außerdem möchte ich noch darauf hinweisen, daß auch die Exportpreise gesenkt wurden.
    Der Bergbau stellt gegenwärtig ernsthafte Überlegungen über eine marktgerechtere Gestaltung seines Preisfächers an. Der Bergbau sollte in diesem Zusammenhang dafür sorgen, das Vertriebssystem der Kohle der veränderten Lage am Energiemarkt anzupassen. Ich bin der Meinung, daß in der Rationalisierung des Kohlenverkaufs noch erhebliche Möglichkeiten einer Verbilligung der Kohle für den Verbraucher liegen.
    Andererseits kann der Bergbau bei seiner Preispolitik die langfristige Entwicklung seiner Produktionskosten nicht außer acht lassen. Es wäre jedoch falsch und verhängnisvoll, wenn man die Entwicklung der Selbstkosten als zwangsläufig und naturgegeben hinnehmen würde. Diese Entwicklung ist vielmehr wesentlich eine Aufgabe unternehmerischer Gestaltung. Ich verkenne allerdings nicht, daß diese Aufgabe im Bergbau wesentlich schwieriger als in anderen Wirtschaftszweigen ist, weil die naturbedingte Lagerung und Mächtigkeit der Kohlenflöze für die Kostengestaltung von größter Bedeutung ist. Auch für den Bergbau gilt der Grundsatz, daß die Kosten auf die Dauer nicht die auf dem Markt erzielbaren Erlöse übersteigen dürfen.
    Die SPD fragt, ob die Bundesregierung eine ausreichende Ubersicht über die tatsächliche Kosten-und Ertragslage des Kohlenbergbaus besitzt. Ich kann darauf antworten, daß die Bundesregierung eine ausreichende Übersicht über die Entwicklung der Hauptdaten in dieser Beziehung besitzt, so daß sie in der Lage ist, sich ein Gesamturteil bilden zu
    können. Im übrigen wird die vom Bundestage beschlossene Energienenquete uns wichtige Ergebnisse zur Kostengestaltung des Bergbaues, aber, so hoffe ich vor allem, auch über das Verhältnis der verschiedenen Kostentrends in der Energiewirtschaft bringen.
    Nun komme ich zur Frage 4:
    Die Ankündigung von Stillegungen und der Entlassung von rd. 100 000 Bergarbeitern hat dazu geführt, daß insbesondere junge Bergarbeiter und gelernte Fachkräfte, die in den letzten Jahren mit Hilfe umfangreicher öffentlicher Mittel — z. B. Bergmannsprämie — für den Bergbau gewonnen wurden, wieder abwandern. Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um dieser Entwicklung zu begegnen?
    Seit Februar 1958, als die Krise begann, bis Ende Oktober 1959 hat sich die Belegschaft des Bergbaus — ohne Saar — um rd. 67 000 Mann oder um über 130/o verringert, ohne daß es deshalb zu Stauungen oder Spannungen auf dem Arbeitsmarkt gekommen wäre. Hier zeigt sich mit Deutlichkeit, daß die vielgestaltige Wirtschaft der Bundesrepublik durchaus in der Lage ist, auch insoweit mit Strukturveränderungen und Verschiebungen im Wirtschaftsgefüge fertig zu werden. Es ist allerdings richtig, daß ein sehr hoher Prozentsatz dieser Belegschaftsverringerung im Bergbau gerade auf jüngere und besonders leistungsfähige Arbeitskräfte entfiel. Dies war ein Tatbestand, der auch die Bundesregierung mit Sorge erfüllt hat; denn hierdurch wird zweifellos die Leistungsfähigkeit des gesamten Bergbaus für die Zukunft beinträchtigt. Die Gründe für diese Abwanderung dürften nicht zuletzt in den Feierschichten zu suchen sein, die eine Minderung des Arbeitsverdienstes bedeuten und daher gerade junge Arbeiter und Spezialkräfte veranlassen, den Arbeitsplatz zu wechseln. Soll hier Wandel geschaffen werden, so kommt es in erster Linie darauf an, die Feierschichten zu vermindern. In dieser Beziehung ist in den letzten Wochen, das möchte ich besonders betonen, eine beachtliche Wendung zum Besseren eingetreten. Während die 117 Schachtanlagen des Ruhrbergbaus im März d. J. insgesamt noch 246 Feierschichten oder rund 2 Feierschichten je Belegschaftsmitglied verfahren mußten, hat sich die Zahl der Feierschichten im Oktober auf 30 oder rund 0,2 je Kopf der Belegschaft vermindert.
    Ich will nicht behaupten, daß es in Zukunft keine Feierschichten mehr geben wird. Ich hoffe jedoch, daß sie sich auch in den kommenden Monaten in engen Grenzen halten werden. Aufhören werden sie endgültig erst, wenn durch die Stillegung unwirtschaftlicher Zechen, durch Teilstillegungen oder sonstige planmäßige Rationalisierungsmaßnahmen die Förderung wieder im Einklang mit dem Absatz stehen wird. Ich darf hier immerhin darauf hinweisen, daß auch der Vorsitzende der IG Bergbau, Herr Gutermuth, die Notwendigkeit der Stillegung von Zechen und Entlassung von weiteren Arbeitskräften im Kohlenbergbau durchaus anerkannt hat, und zwar in einer Größenordnung, die vielleicht noch höher liegt, als es unseren eigenen Vorstellungen entspricht.



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Bei der jetzt beabsichtigten Schließung von drei Zechen im Bochumer Revier hat Herr Gutermuth — ich weiß nicht, ob als Vorsitzender der IG Bergbau oder als Aufsichtsratsmitglied der GBAG — der Schließung nur einer Zeche zugestimmt, und zwar mit dem Hinweis, daß die Einschränkung der Kapazität oder der Förderung gleichmäßig über alle — über gute und über schlechte — Zechen verteilt werden müsse. — Eine solche Politik würde allerdings die Gesetzesvorlage völlig illusorisch machen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das würde bedeuten, daß wir die Feierschichten zu einer ewigen Institution im Bergbau zu erheben bereit wären.

    (Beifall in der Mitte.)

    Die Abwanderung der leistungsfähigen Arbeitskräfte wird aber schon dann nachlassen, wenn Klarheit über diejenigen Schachtanlagen, die stillgelegt werden müssen, und diejenigen, die unter wirtschaftlichen Bedingungen in Betrieb gehalten werden können, gewonnen ist.
    Auch hier darf ich sagen, daß der Vorsitzende der IG Bergbau ausdrücklich darauf hingewiesen hat, wie unbedingt notwendig es sei, möglichst schnell Klarheit über die zu schließenden Zechen zu gewinnen. Gerade die Ungewißheit über die Sicherheit des Arbeitsplatzes ist es ja, außer den Feierschichten, die die Bergleute zu einem Wechsel in andere Industriezweige veranlaßt. Die Entscheidung über die Stillegung liegt im konkreten Einzelfall bei den Unternehmen. Mehrere Bergwerksgesellschaften haben diese Entscheidung bereits getroffen, bei anderen dürfte sie in Kürze zu erwarten sein. Auch die Bergwerksgesellschaften müssen interessiert sein, gerade ihre jüngeren Bergleute zu halten.
    Die Maßnahmen der Bundesregierung sind insgesamt darauf gerichtet, die Anstrengungen des Bergbaus auf eine nachhaltige Verbesserung seiner Wirtschaftlichkeit zu fördern. Damit wird erreicht, daß der Bergmannsberuf auch in Zukunft für junge Menschen aussichtsreich und lohnend erscheint und deshalb seine Anziehungskraft behalten wird. Unter den sozialen Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung dient die Gewährung von Abfindungen an Bezieher von Bergmannsrenten, Knappschaftsrenten und Inhaber von Bergmannsversorgungsscheinen mittelbar dazu, Arbeitsplätze für die jungen und leistungsfähigen Bergleute zu erhalten, indem den älteren Arbeitnehmern der Entschluß zum freiwilligen, vorzeitigen Ausscheiden erleichtert wird.
    Damit komme ich zur letzten Frage; ihr erster Satz lautet:
    Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu treffen, um sicherzustellen, daß die Anpassung des Kohlenbergbaus an die veränderte Lage in der Energiewirtschaft so durchgeführt wird, daß volkswirtschaftliche Schäden und soziale Härten vermieden werden?
    Auf die volkswirtschaftliche Seite des Problems bin ich bereits mit meinen Ausführungen zur Frage 1 eingegangen. Die von der Bundesregierung vorgesehenen und inzwischen bereits angelaufenen
    sozialen Hilfsmaßnahmen sind Ihnen aus der Grundsatzerklärung des Kabinetts vom 16. September 1959 bekannt. Ich darf, um Wiederholungen zu vermeiden, hierauf verweisen und nur hinzufügen, daß mit der Hohen Behörde volles Einverständnis hinsichtlich der auf Grund von § 23 des Übergangsabkommens zum Montanunionsvertrag zu treffenden Maßnahmen erzielt wurde und daß auch mit der Arbeitsverwaltung die praktische Durchführung sowohl dieser als auch derjenigen Maßnahmen, die außerhalb des Montanunionsvertrages von der Bundesregierung getroffen werden, geregelt wurde.
    Besonders zu erwähnen ist der Härteausgleich, der den Beschäftigten des Steinkohlenbergbaus in Höhe von 75 Millionen DM gezahlt wird. Er wird gewährt für die fünfte und jede weitere in der Zeit vom 1. Februar 1958 bis zum 30. September 1959 infolge Absatzmangels entgangene Schicht. Es ist ausdrücklich abgesprochen, daß es sich um eine einmalige Regelung und eine Regelung für die Vergangenheit handelt. Künftige Feierschichten können also nicht entschädigt werden. Würde man eine solche Regelung getroffen haben, so würde dies das „Produzieren" von, Feierschichten bedeutet haben: Das kann aber nicht der Wille der Bundesregierung sein.
    Über alle diese Maßnahmen ist zwischen der Bundesregierung und den Beteiligten volles Einverständnis erzielt worden. In zahlreichen Besprechungen wurden in einer besonderen Arbeitsgruppe sowohl alle sozialen Fragen grundsätzlich als auch die Einzelheiten des Verfahrens gemeinsam durchgesprochen. Hervorheben möchte ich, daß diese Maßnahmen selbstverständlich in vollem Umfang auch dem Saarland zugute kommen werden.
    Der zweite Teil der Frage 5 heißt:
    Was geschieht, um die notwendigen Maßnahmen auf dem Gebiet der Anpassungsbeihilfen, der Arbeitsplatzvermittlung, der Schaffung neuer Arbeitsplätze und der Investitionspolitik unter Berücksichtigung der Interessen der Landesplanung, der Kommunalwirtschaft und der Arbeitnehmer zu koordinieren?
    Ich darf dazu auf folgendes hinweisen. Wenn die Bundesregierung die Durchführung der eben erwähnten Hilfsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung übertragen hat, so geschah dies mit der ausgesprochenen Absicht, die Anpassungsbeihilfen mit der Arbeitsvermittlung zu koppeln, um damit in erster Linie die Beschäftigung frei werdender Bergarbeiter auf anderen Zechen oder die Wiederbeschäftigung in anderen Wirtschaftszweigen zu sichern. Die Unternehmen sind aufgefordert worden, ihre Anpassungsmaßnahmen der Arbeitsverwaltung so rechtzeitig bekanntzugeben, daß die notwendigen Vermittlungsbemühungen schon vor der Entlassung einsetzen und Maßnahmen für erforderliche Umschulungen für andere Tätigkeiten unverzüglich eingeleitet werden können. Mit der Arbeitsvermittlung gekoppelt sind auch die Eingliederungsbeihilfen, durch die die Bereitschaft der Arbeitgeber geweckt werden soll, leistungsgeminderte, insbesondere ältere arbeitslose Bergarbeiter einzustellen.



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Darüber hinaus soll durch die Gewährung von Darlehen Betrieben, die ihre Kapazität erweitern können oder müssen, ein Anreiz gegeben werden, zusätzliche Arbeitsplätze für schwer zu vermittelnde Arbeitnehmer zu schaffen.
    Die Bundesregierung hat erklärt, daß sie bei der Vorbereitung und Durchführung aller Maßnahmen auf ein enges Zusammenwirken mit allen zuständigen Stellen, auch mit dem Land Nordrhein-Westfalen, besonders bedacht sein wird, und sie hat auch bisher danach gehandelt. Die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen hat die gleiche Bereitschaft bestätigt, in schneller Zusammenarbeit mit der Bundesregierung dafür zu sorgen, daß wirksame Hilfe geleistet wird. Alle nachgeordneten Stellen sind angewiesen, in diesem Sinn zu arbeiten. Die Regierung des Saarlandes setzt sich in gleicher Weise ein.
    Auf Veranlassung des Bundesministeriums für Wirtschaft ist beim Ruhrsiedlungsverband eine Arbeitsgruppe gebildet worden, die die Frage untersuchen soll, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, wenn diese oder jene Schachtanlage stillgelegt wird. Der Ruhrsiedlungsverband, der in enger Fühlung mit allen beteiligten Stellen des Reviers steht, erschien als koordinierende Stelle deshalb besonders geeignet, weil er sich bereits seit Jahren mit den Auswirkungen von Zechenstilllegungen beschäftigt, nicht nur unter dem Blickpunkt der gegenwärtigen Absatzkrise, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der naturbedingten Wanderung des Ruhrbergbaus nach Norden. Diese Entwicklung wird durch die gegenwärtige Absatzkrise zum Teil nur vorweggenommen.
    Welche Maßnahmen im einzelnen getroffen werden müssen, ob etwa die Unterbringung der bei Stillegung entlassenen Bergleute auf Nachbarschachtanlagen möglich ist, ob dazu neue Verkehrsverbindungen eingerichtet oder gegebenenfalls auch Ersatzindustrien angesiedelt werden müssen, hängt selbstverständlich von der Lage des Einzelfalles ab. Es kann — hier bin ich mit Ihnen, Herr Dr. Deist, einer Meinung — natürlich nicht die Absicht der Bundesregierung sein, die industrielle Ballung in Nordrhein-Westfalen noch weiter zu verstärken. Sie können aber versichert sein, daß alle nötigen Maßnahmen getroffen werden. Verhältnisse, wie sie in den zwanziger Jahren eintraten, wo zahlreiche Zechenstillegungen am Südrand des Ruhrreviers zu großer Arbeitslosigkeit unter der dortigen Bevölkerung und als Folge davon zu Abwanderungen und zu großen Schwierigkeiten ganzer Gemeinden führten, werden sich mit Sicherheit nicht wiederholen.
    Damit habe ich die Anfrage behandelt; aber nun möchte ich zu den Ausführungen und Argumentationen und auch zu einigen Redewendungen von Herrn Deist Stellung nehmen.
    Er behauptete, erst die Demonstrationen hätten die Bundesregierung veranlaßt, an soziale Hilfsmaßnahmen, an den Ausgleich sozialer Härten zu denken. Das ist objektiv unrichtig.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Denn als die Krönung dieser Demonstrationen, die
    Schlußapotheose in Bonn, erfolgte — dabei will
    ich den Arbeitern und der Gewerkschaft das gute Recht der Demonstration gewiß nicht bestreiten —, da war materiell bereits alles in bester Ordnung. Die Demonstration war, so gesehen, so überflüssig wie ein Kropf.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei der FDP.)

    Wir haben auch in der Montanunion sozialen Hilfen nicht widersprochen; wir wollten lediglich, daß sie nicht für 43 Jahre verankert werden, weil wir — um eine weitere Frage von Ihnen zu beantworten — trotz dieses sozialen Härteausgleichs für die Ruhr wegen strukturbedingter Veränderungen nicht die Absicht haben, unsere Sozial- und Wirtschaftspolitik im Grundsatz zu ändern.
    Dann sprachen Sie von einer „Hysterie", von einer „Dramatisierung". Mir ist davon, jedenfalls bei mir oder im Regierungslager und auch unter den Koalitionsparteien, nichts bekannt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Presse!)

    Wer hat denn eigentlich die Schlagworte von „Katastrophe" und „Chaos an der Ruhr" erfunden? Doch nicht wir;

    (zur SPD gewandt)

    das waren doch Sie, meine Damen und Herren!

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei der FDP.)

    Auch bei der Behandlung dieser Materie im Bundestag haben doch gerade Sie die Lage im Kohlenbergbau immer dramatisiert. Sie waren es, Herr Dr. Deist, der gesagt hat, Sie kennten Leute, die im Bett Liegen müßten, weil sie keine Kohle bekämen.

    (Abg. Dr. Deist: Das gab es auch!)

    Ich darf Ihnen mal einiges vorlesen, um zu zeigen, wer die Lage richtig gesehen hat. Herr Dr. Bleiß hat z. B. am 29. November 1956 von einer auf Jahre hinaus bestehenden echten Unterversorgung mit deutscher Kohle gesprochen,

    (Heiterkeit und Hört! Hört! bei den Regierungsparteien)

    zu einer Zeit, in der wir schon darauf hingewiesen haben, daß es notwendig ist, die deutsche Kohle mehr und mehr in den Wettbewerb mit anderen Energieträgern zu stellen, weil wir immerhin im Trend die Entwicklung vorausgesehen haben.

    (Abg. Dr. Deist: Warum haben Sie die Einfuhrverträge gemacht?)

    — Ich habe die Einfuhrverträge nicht ,gemacht, aber ich habe dafür gesorgt, daß sie herunterkommen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Herr Dr. Deist, ich darf daran erinnern, daß wir
    in der Spitze Kohlenkontrakte — d. h. Einfuhrverträge für Lieferungen aus den Vereinigten
    Staten von Amerika — von 44 Millionen t vorliegen hatten. Wir haben da nicht schon am 1. Januar 1958 ,eingreifen können, als noch keine Kohle
    auf Halde lag. Hier bestanden internationale Bin-



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    dungen und Vereinbarungen, und unsere Politik war dabei loyal gegenüber unseren Partnern. Es war schon bedenklich genug, daß wir im Herbst 1958 den Stopp für den Abschluß neuer Kontrakte verfügten und dann schließlich dm Dezember in die schon genehmigte Einfuhr aus dritten Ländern eingriffen. Das ist auch ,eine Leistung, daß wir diese 44 Millionen t auf jetzt unter 12 Millionen t, lieferbar in zwei Jahren, reduziert haben, was in etwa den zollfreien Kontingenten entspricht.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) Wer also gehandelt hat, das waren Sie,


    (Zuruf von der SPD: Sehr richtig! und Heiterkeit bei der SPD)

    — das waren nicht Sie,

    (Zurufe.)

    — Ja, S i e haben auch gehandelt, nur verkehrt!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Widerspruch bei der SPD.)

    Ich darf Sie aber selber zitieren, Herr Dr. Deist. Sie haben nach einer Veröffentlichung der Pressestelle der SPD-Bundestagsfraktion am 19. August 1957 ausgeführt, daß die strukturell knappe Energieversorgung und die ständigen Energieeinfuhren eine grandiose Steigerung der heimischen Steinkohlenförderung notwendig machten. Es heißt wörtlich:
    Die Pläne, innerhalb von 20 Jahren zusätzlich 40 Millionen t heimischer Steinkohle zu fördern, sind nur durchzuführen, wenn 10 bis 15 moderne Schachtanlagen auf grüner Wiese errichtet werden.

    (Hört! Hört! rechts.)

    Sie erfordern einen Kapitalaufwand von mindestens 7 bis 8 Milliarden DM, der durch die Unternehmungen selbst oder über den Kapitalmarkt einfach nicht aufzubringen ist. Hier sind öffentliche Mittel und andere öffentliche Stützungsmaßnahmen in größtem Umfange erforderlich.

    (Zuruf des Abg. Dr. Deist.)

    — Ich habe ja wohl das Recht, Ihnen zu antworten, nachdem Sie mich in einem Schwarzbuch so liebenswürdig angesprochen haben.

    (Heiterkeit.)

    Ich kann nur sagen: welches Glück hat die deutsche Volkswirtschaft, daß seinerzeit nicht Sie und die SPD an der Regierung waren!

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Welche Fehlinvestitionen wären dann vorgekommen, und wieviel Geld wäre zu Lasten des deutschen Steuerzahlers vertan und verschwendet worden!

    (Erneuter Beifall in der Mitte und rechts.)

    Wie paßt das, was Sie seinerzeit gesagt haben — und Sie hören ja auf energiewirtschaftlichem Gebiet immer das Gras wachsen —, mit dem zusammen, was Sie jetzt über die Ausweitung des Ölverbrauchs gesagt haben?
    Sie meinen, die Heizölsteuer sei unwirksam. Ich habe nie behauptet — ich möchte das hier klarstellen —, daß die Heizölsteuer dem Zweck dient, den Ölverbrauch zu senken oder den Kohleverbrauch zu steigern. Mir genügt es vollkommen, wenn der Zuwachs an Ölverbrauch in überschaubaren Grenzen und Dimensionen gehalten werden wird. Wenn wir diesen Vorgang einer überschaubaren Reduktion der Kohleförderung, vor allen Dingen durch die Stillegung schlechter und unwirtschaftlicher Zechen, in etwa kanalisieren können, dann hat die Heizölsteuer ihre Wirkung getan.
    Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Diejenigen, die es eigentlich am besten wissen sollten, nämlich die Kohle selbst — und zwar die Unternehmer und die Gewerkschaften — haben wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß, gleichgültig wie man sonst die Steuer beurteilen mag — eine Steuer ist natürlich nie besonders populär —, nach ihrer Meinung dem Problem damit doch in etwa wirksam wird begegnet werden können. Herr Dr. Deist behauptet das Gegenteil: niemand soll es glauben!
    Auch Ihr Gedanke, das Öl zu entschwefeln, ist nicht neu. Wir befassen uns damit, und ich gebe zu: wenn das gelingen sollte — aber das schiene mir dann angesichts der Pipelines über die Grenzen auf europäischer Ebene notwendig zu sein —, würde die Heizölsteuer insoweit überflüssig werden, da diese Kosten sich tatsächlich auf etwa 30 DM je Tonne belaufen. Aber das geschieht auch nicht von heute auf morgen. Ich bin jedoch überzeugt, daß bis die Heizölsteuer ausläuft, dieses Anliegen auf europäischer Ebene gelöst sein kann; dann stehen wir vor einer grundsätzlich anderen Situation.
    Mit der Frage, ob die Ölpreise steigen oder sinken werden, hängt natürlich auch die Beurteilung zusammen, ob die Heizölsteuer wirksam sein kann. Dazu muß ich zuerst einmal sagen: In keinem anderen europäischen Land sind die Ölpreise so heruntergedrückt, um nicht zu sagen: heruntergewirtschaftet worden wie bei uns in der Bundesrepublik. In allen anderen Ländern werden auch Zölle erhoben. Im übrigen haben wir ebenfalls bis zum Jahre 1953 eine Steuer von 10 DM und bis 1956 einen Zoll von 15 DM erhoben. Wir haben dann zuerst die Steuer und im Jahre 1956 den Zoll gestrichen. Das heißt, das 01 war bei uns mit 25 DM belastet. Ich habe damals aber niemanden gehört, der gesagt hätte, das sei ein untragbarer oder unzumutbarer Zustand.
    Wenn wir jetzt mit einer Steuer eingreifen, tun wir es deshalb, weil uns wegen der Bindung im EWG-Vertrag die Erhebung von Zoll nicht möglich ist. In der sozialen Wirkung bedeuten aber Steuer und Zoll praktisch genau das gleiche. Im übrigen kann ich auch nicht sagen, ob die Ölpreise steigen oder sinken werden. Darüber kann man durchaus verschiedener Meinung sein. Allerdings wissen wir ja, daß der Ölpreis kein reiner Marktpreis ist, sondern sehr stark der Strategie der größeren Mächte, der Oligopolisten, unterliegt.

    (Abg. Dr. Deist: Sehr richtig!)




    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Darum kann es auch sehr wohl sein, daß ein Teil dieser Steuer nicht vom Verbraucher, sondern vom Verkäufer getragen wird. Hinsichtlich der Größenordnung gibt es zweifellos einige offene Fragen, aber das kann uns ja nicht hindern, etwas zu tun. Wir können die Wirkung nicht exakt auf Mark und Pfennig genau voraussagen. Aber was hätte eine Marktwirtschaft überhaupt für einen Sinn, wenn eine Steuer von 30 DM sozusagen geräuschlos untergehen könnte. So liegen die Dinge ja auch nicht.
    Sie wissen dazu, daß das 01 keinen Kostenpreis im üblichen Sinne hat; denn es ist ein Kuppelprodukt.

    (Abg. Dr. Deist: Sehr richtig!)

    Die Raffinerien können sehr variieren zwischen Benzin, Dieselkraftstoff und Heizöl. Insofern ist also der Ölpreis eine schwankende Größe. Immerhin ist der Ölpreis, wie er sich in den anderen europäischen Ländern abzüglich des Zolls gestaltet, ein Beweis dafür, daß auf dem deutschen Markt eine ganz bewußte Strategie getrieben worden ist, nämlich ein Dumping, und es ist ein legales Anliegen, wenn sich eine Volkswirtschaft gegen offenkundiges Dumping zur Wehr setzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Im übrigen bin ich der Meinung, wir müssen zugleich den Boden für eine europäische Lösung bereiten. Deshalb muß uns auch daran liegen, daß die deutsche Kohle bei den Auseinandersetzungen, die ganz bestimmt nicht leicht sein werden, und bei dem zu treffenden Übereinkommen als deutscher Beitrag zu einer europäischen Energieversorgung eine starke Schachfigur im Spiele bleibt. Das kann nur durch einen gesunden Kohlenbergbau geschehen, den wir von den Unwirtschaftlichkeiten bereinigen, die heute noch die Kohlenwirtschaft belasten.
    Sie sprachen von den Raffineriekapazitäten. Die Zahlen, die hier genannt worden sind, beruhen auf Meldungen der großen Ölgesellschaften. Inzwischen sind der Ölverbrauch und die Nachfrage nach 01 weiter angestiegen. Selbstverständlich hat das die Gesellschaften veranlaßt, ihre Raffineriekapazitäten auszuweiten. Man sollte sich aber von diesen Ziffern der Raffineriekapazitäten auch nicht übermäßig blenden lassen; denn einmal kann man im Durchschnitt nur mit einer 80%igen Ausnutzung dieser Kapazitäten rechnen, und zum anderen ist das ja nicht alles Heizöl. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, daß die Raffinerien nur zu etwa 30 % Heizöl ausspeien.

    (Abg. Dr. Deist: Das ist doch unzutreffend!)

    Von einer Investitionspolitik für die Raffinerien halte ich auch deshalb nichts, weil es im Gemeinsamen Markt zum Schluß nicht darauf ankommen wird, wo die Raffinerien errichtet werden, entweder rund um uns herum — in Frankreich, in Belgien, in Holland und in Italien — oder bei uns selbst. Wir sollten uns aus guten volkswirtschaftlichen Gründen hier nicht desinteressiert zeigen und hinsichtlich der Energie- und der Ölpolitik nicht andere Maße anwenden, als sie in den anderen europäischen Ländern angewendet werden.
    Im übrigen scheint mir in Ihren Ausführungen ein gewisser Widerspruch zu liegen. Auf der einen Seite sagten Sie — und Sie haben es auch heute wieder angedeutet: Man sollte oder müßte vielleicht die Kohlenproduktion noch weiter steigern; auf der anderen Seite weisen Sie darauf hin, daß die Ölpreise wahrscheinlich sinken und trotz der Steuer die Kohle praktisch in eine hoffnungslose Position bringen werden. Was ist nun eigentlich richtig? Rechnen Sie mit dem Vordringen des Heizöls? Wollen Sie den deutschen Verbraucher durch das billigere Heizöl auf die Dauer entlasten? Ich bin durchaus der Meinung: ja, das sollten wir tun. Aber dann möchte ich dabei die Kohle nicht absterben lassen, sondern ich möchte nur gesunde und rationell geförderte Kohle in Deutschland haben, die im Wettbewerb mit dem 01 bestehen kann.
    Wir werden also gar nicht darauf verzichten können, weitere Zechen stillzulegen und zu einer weiteren Verkürzung der Beschäftigtenzahl zu gelangen. Wann sollten wir denn eigentlich diesen Prozeß bei der Kohle durchführen, wenn nicht im Zeichen einer Hochkonjunktur, die alle Kräfte aufzusaugen in der Lage ist und die uns unter Umständen auch an eine wirksame Lösung des Problems der industriellen Ballungsräume heranführt?!
    Also nur über Kosten- und Preissenkungen auch bei der Kohle kann, zusammen mit einer von uns mit steuerlichen Mitteln oder später vielleicht auch mit Zöllen betriebenen Herstellung einer angenäherten Wettbewerbsgleichheit, die Zukunft der deutschen Kohle gesichert werden.
    Die Zahl jener hunderttausend Bergleute, die immer noch im Raume steht, habe ich niemals genannt. Wer die hunderttausend Mann erfunden hat,

    (Zuruf von der SPD: Herr Burckhardt!)

    die vom Kohlenbergbau abwandern müssen, weiß ich nicht. Jedenfalls stammt diese Angabe auf gar keinen Fall von uns.

    (Zuruf von der SPD: Objektiv falsch!)

    Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem Bundesbeauftragten sagen. Sie wissen, daß eine solche Institution zu den Methoden kollektivistischer, totalitärer Staaten gehört.

    (Zurufe von der SPD: Buh!)

    Wenn sie nicht mehr weiter wissen, dann arbeiten
    sie mit Kommissaren und Räten. Wenn einer
    keinen Rat mehr weiß, dann setzt er einen Rat ein.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Im übrigen scheint mir dieser Vorschlag auch sonst
    äußerst problematisch zu sein. Was soll dieser
    Kohlekommissar oder Kohlebeauftragte machen?
    Wir unterhalten uns die ganze Zeit darüber —
    und auch Sie haben mit Recht darauf hingewiesen
    daß man die Kohle nicht mehr allein betrachten kann, sondern daß man sie eingebettet in
    das gesamte Energieproblem behandeln muß. Wir
    wissen, daß auf europäischer Ebene die Hohe Behörde allein das Energieproblem nicht lösen kann;
    wir beraten, wie man hier eine Verzahnung, eine
    Koordinierung, eine möglichst enge Zusammen-



    o Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    arbeit mit den angrenzenden Bereichen herstellen soll. Und in Deutschland soll dieser unglückselige Beauftragte das Kohleproblem ganz für sich allein lösen?!

    (Abg. Dr. Deist: Wo steht denn das?)

    — Sie wollen doch einen Beauftragten für die Kohlewirtschaft!

    (Abg. Dr. Deist: Es steht nirgends, daß er das Problem allein lösen soll!)

    — Aber Sie wollen doch einen Beauftragten für die Kohlewirtschaft! —
    Im übrigen würde eine solche Institution zu einer Vermischung von unternehmerischer Verantwortung und den noch unklaren Funktionen dieses Beauftragten führen, von der Zuständigkeit und der Verantwortlichkeit der Bundesregierung ganz zu schweigen. Nach Art. 65 Abs. 2 des Grundgesetzes trägt jeder Minister für seinen Bereich die unmittelbare Verantwortung. Wie sollen der Arbeitsminister, der Finanzminister und der Wirtschaftsminister die Verantwortung tragen, wenn ein Kohlebeauftragter im luftleeren Raum herumfuchtelt?

    (Abg. Dr. Deist: Wo steht denn das?)

    Nein, so wird es nicht gehen.
    Im übrigen ist die Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Stellen, Ländern, Bergbauunternehmern, Gewerkschaften, Kommunen, Siedlungsverbänden, durchaus hergestellt. Sie dürfte sehr viel fruchtbarer sein und zu sehr viel besseren Ergebnissen führen als die Tätigkeit Ihres Kohlebeauftragten.
    Soviel zu Ihren Fragen, meine Damen und Herren. Zu Ihrem Schwarzbuch werde ich noch besonders Stellung nehmen. Aber ich muß schon sagen: mit Ihrer „Schwarzen Kunst" ist es auch nicht weit her!

    (Heiterkeit und anhaltender Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Burgbacher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Fritz Burgbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Soweit ich Herrn Kollegen Deist verstanden habe, hat er sich zu der an sich positiv zu wertenden Feststellung durchgerungen, daß die Lage nicht dramatisch ist. Das entspricht völlig unserer Auffassung. Soweit ich ihn weiter verstanden habe, glaubt er, wir hätten keine energiewirtschaftliche Konzeption. Ich will versuchen, ihm das auszureden und dem Hohen Hause darzulegen, was wir meinen.
    Hundert Jahre lang hat das deutsche Volk und die jeweilige Regierung Deutschlands vom Kohlenbergbau als Lebensprinzip verlangt: Jede Tonne Kohle muß aus der Erde geholt werden. Seit gut zwei Jahren steht nun der deutsche Bergbau an Ruhr und Saar im Wettbewerb mit neuen, im Interesse der Entwicklung der Menschheit, des technischen und sozialen Fortschritts zu begrüßenden, billigeren Energieträgern. Der deutsche Bergbau muß sich um-
    stellen, und wir haben aus ökonomischen und sozialen Gründen die Pflicht, diese Umstellung nicht zu verhindern, sondern sie in einer nach Lage der Sache angemessenen Zeit zum Zuge kommen zu lassen und Härten auszugleichen, besonders wenn sie sich unter ungleichen Wettbewerbsvoraussetzungen ergeben haben.
    Am 29. Januar 1959 haben wir hier über den Kohlenzoll gesprochen. Auf einen Zwischenruf des Herrn Kollegen Atzenroth habe ich gesagt: Wir treten für den Kohlenzoll ein, um dem Bergbau die Zeit zur echten Umstellung auf die Wettbewerbswirtschaft auf dem Energiegebiet zu lassen. Auf einen weiteren Zwischenruf, ob das mit einem Jahr gehe, habe ich erklärt, das glaubte ich nicht, denn die Zeit dazu reiche nicht.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Ich habe noch einen dritten Zwischenruf gemacht!)

    Immerhin haben wir 10 Monate seit der Debatte hinter uns, und es ist nun zunächst einmal an uns, zu testen, ob das, was wir damals gesagt haben, eingetreten ist oder nicht. Das habe ich zu beweisen.
    1. Die Förderung in der Bundesrepublik wird im Jahre 1959 um etwa 7 Millionen t geringer sein, im EWG-Gebiet um etwa 14 Millionen t.
    2. Die Schichtleistung ist, wie schon gesagt, von 1600 auf knapp 2000 kg gestiegen. Ich darf hier wohl so kühn sein, zu sagen, daß sie in absehbarer Zeit sicherlich auf 2200 kg, wenn nicht noch etwas mehr steigen wird.
    3. Die Haldenentwicklung verlief so: Ende 1957 1 Million t, Ende 1958 13 Millionen t, also plus 12 Millionen t, im 1. Halbjahr 1959 nicht mehr plus 6 Millionen t, wie es dem 1. Halbjahr des Vorjahres entsprochen hätte, sondern plus 3,5 Millionen t. In den letzten Monaten, also Juli, August, September, Oktober, betrug der Zuwachs 500 000 t; das sind weniger als 150 000 t pro Monat.
    4. Die Feierschichten sind bedeutend zurückgegangen, wie es der Herr Bundeswirtschaftsminister soeben zahlenmäßig erklärt hat.
    5. Stillegungen und Teilstillegungen sind erfolgt. 16 Anträge auf Stillegungen liegen vor.
    6. Die Preise sind im Schnitt um 5 % zurückgegangen. Es werden noch 92 % der Listenpreise erzielt. Das ist ein Beweis für eine beginnende Preisflexibilität.
    7. Die Importablösung ist so verlaufen, daß 8,4 Millionen t abgelöst und Lizenzen von 17,2 Millionen t eingezogen sind, so daß 25,6 Millionen t drohender Importe unter dem Druck des Kohlenzollgesetzes abgewandt wurden. Darf ich hier einmal die Frage einblenden, wie heute die Halden und der deutsche Bergbau aussehen würden, wenn wir die Debatte am 29. Januar nicht geführt oder wenn wir sie verloren hätten?

    (Sehr gut! in der Mitte. — Abg. Dr. Atzenroth: Wieso?)

    — Die Halden wären gigantisch gestiegen, Herr Atzenroth. Nebenbei bemerkt hat diese Politik der Kohle erhebliche Kosten verursacht.



    Dr. Burgbacher
    8. Die Fünftagewoche hat sich bewährt. Ich erlaube mir allerdings, hier einmal die Frage aufzuwerfen, warum die Fünftagewoche nicht auch schon in den übrigen Ländern der EWG eingeführt ist. Es würde eine wesentliche Erleichterung für die Kohlensituation im Gemeinsamen Markt bedeuten, wenn dieser dem Bergmann nach unserer Ansicht zustehende soziale Fortschritt nicht nur bei uns, sondern auch im übrigen Teil des Gemeinsamen Markts zum Zuge käme,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    dies um so mehr, als der Ruhr/Saar-Bergbau mit seinen Schichtleistungen im Gemeinsamen Markt weit an der Spitze liegt. An der Saar beträgt die Schichtleistung 1820 kg, an der Ruhr knapp 2000 kg. In den anderen EWG-Ländern liegt sie zwischen 1220 und 1640 kg.
    9. Die Bergarbeiterfrage ist bis jetzt befriedigend gelöst worden, wenn es auch bedauerlich ist, daß von den freiwillig Ausgeschiedenen, wie Kollege Deist richtig gesagt hat, 85% jüngere Bergleute waren.

    (Zuruf von der SPD: Also doch!)

    Es ist an uns, dem Bergmann durch die Darlegung unserer Politik wieder das Gefühl der Sicherheit für seinen Arbeitsplatz zu geben. Es ist an uns, denen zu helfen, die durch die Umschichtung in soziale Not kommen. Darüber wird ein Kollege noch zu sprechen haben.
    Auch im Montangebiet macht man sich Vorstellungen über die Energiepolitik. Zur Zeit betragen die gesamten Haldenbestände im Montangebiet 33 Millionen t Kohle und 9 Millionen t Koks. Die Hohe Behörde hat eine Prognose für 1960 ausgearbeitet, in der die Rationalisierungserfolge in Minderung der Förderung für 1960 noch nicht mitberücksichtigt sind, weil sie schwer zu errechnen sind. Nach dieser Prognose werden 1960 im gesamten EWG-Gebiet nur noch vielleicht 7 Millionen t Kohle neu auf Halden kommen, wenn nicht die Förderung im Jahre 1960 durch Rationalisierungsmaßnahmen in einem entsprechenden Ausmaß zurückgeht.
    Wir können also bei allen Vorbehalten, die hier zu machen sind, sagen, daß wir möglicherweise den Tiefpunkt dessen, was man die „Kohlenkrise" nennt und was in Wahrheit ein Anpassungprozeß struktureller Art ist, überschritten haben.
    Nun, warum doch Zoll und warum doch Heizölsteuer? Den Zoll brauchen wir, damit nicht noch einmal Importe in Höhe von 10 bis 12 Millionen t Kohle auf uns zukommen. Die Heizölsteuer brauchen wir, damit nicht durch ein zu stürmisches Tempo in der Entwicklung des Heizölverbrauchs wieder die Wende der Wende herbeigeführt wird. Herr Kollege Deist meinte, bei einer Gesamtenergiebilanz der Bundesrepublik von 210 Millionen t Steinkohleneinheiten spielten einige Millionen Tonnen keine Rolle. Ich muß ihm widersprechen. Es ist nun einmal so, daß das Problem immer in dieser Spitze von einigen Millionen Tonnen liegt. Hiervon hängen auch neue Feierschichten und neue Haldenbildung ab. Wir müssen auf eine Regulierung des Tempos des an sich erwünschten Fortschritts bei der Verwendung von Heizöl bedacht sein, weil wir — ich wiederhole es — es als eine Aufgabe der Wirtschafts- und Sozialpolitik ansehen, Übergangshärten auszugleichen, nicht etwa aber Übergänge zu verhindern.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Höhe der Importe beruhte vorwiegend auf einer Fehldisposition, beim Öl handelt es sich um eine Strukturfrage. Wie aber sind die Ölgesellschaften vorgegangen? Das Kohle-Öl-Kartell habe ich an diesem Platze als eine „dünne Suppe" bezeichnet. Es hat sich als noch viel dünner ,als eine dünne Suppe herausgestellt. Im Kohle-Öl-Kartell ist der von den Ölgesellschaften als der Marktsituation entsprechend anerkannte Kartellpreis von 88 DM je Tonne bestimmt. Verkauft wird es bei uns für 60 DM. Nebenbei bemerkt: mit der Heizölsteuer erreichen wir bis auf 2 DM genau den Marktpreis, der nach Ansicht der Heizölgesellschaften schon Anfang dieses Jahres hätte verlangt werden müssen, wenn man die Rohöl-Einsatzkosten hätte decken wollen. Das leichte 01 kostet bei uns 130 DM, in Belgien 205 DM und in Frankreich 192 DM.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Das schwere 01 kostet .bei uns 60 DM, in Belgien 127 DM und in Frankreich 115 DM.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Ich will gar nicht untersuchen, warum das so ist. Ich stelle fest, daß es so ist. Ich stelle weiter fest, daß mit der Heizölsteuer auf den gedumpten Preisen noch nicht einmal die Wettbewerbspreise für die gleichen Ölarten im übrigen Europa erreicht werden.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Was den Zoll betrifft, so wollen wir die zwei Jahre zusammennehmen. Die Regierung soll im Einvernehmen mit dem Parlament gewisse Vollmachten hinsichtlich des Auf oder Ab der Kontingenthöhe haben. Ruhr und Saar werden weiter ablösen, wo es notwendig ist.
    Nebenbei bemerkt sind alle Besorgnisse — ich will zugeben: begreifliche Besorgnisse —, es hätte doch Zoll gezahlt werden müssen, im Winde verweht. Niemand spricht mehr davon, daß doch Zoll gezahlt werden müßte. Wir haben unser Wort eingelöst.
    Daß wir jetzt die Basis von 1955 bis 1958 statt von 1956 bis 1958 nehmen, entspricht einem Wunsch der Importeure und erleichtert auch die Abwicklung. Wir belassen es auch bei 5% für die nicht durchgehandelten Verträge, damit vor allem in den revierfernen Gebieten die mittleren und kleineren Importeure, die keine durchgehandelten Verträge abgeschlossen haben, Importkohle bekommen können. Vielleicht werden auch noch Anträge auf eine gewisse Flexibilität der Kontingentmenge kommen. Ich glaube, daß meine Fraktion eine wohlwollende Prüfung dieser Anträge in Aussicht zu stellen bereit ist.
    Ab 1961 werden wir wahrscheinlich überhaupt nicht mehr über Kohlezoll zu sprechen brauchen.



    Dr. Burgbacher
    Denn ich hoffe, daß die dann genehmigten Importverträge einen solchen Umfang haben, daß man diese Politik ohne Kohlezoll so lange fortsetzen kann, wie es erforderlich ist.
    Herr Kollege Deist möge es mir verzeihen, wenn ich einmal auf eine Debatte im Europa-Parlament vom 28. November 1956 zurückkomme. Damals ging es um die Frage, ob man in der Montanunion die Kohlen-Mangellage verkünden müsse. Damals hat Herr Kollege Deist gesagt:
    Der Preis der US-Kohle in der Gemeinschaft
    wird bestimmt durch die überhöhten Frachten,
    — 28. November 1956! —
    die sicherlich zu einem erheblichen Teil spekulativ bedingt sind und in keiner Weise die Richtschnur abgeben können für eine sachgemäße Preisbildung in der Gemeinschaft. Das heißt, wir werden darauf achten müssen, daß die Auswirkung dieser Preisgestaltung auf die Preisgestaltung für Inlandskohle abgeschirmt wird.
    Eine völlig richtige Überlegung! Nur müssen wir, wenn wir diese Überlegung logisch fortführen, sagen: wenn die Frachten, die damals spekulativ hoch waren, jetzt destruktiv zusammengebrochen sind, brauchen wir die Preise der Kohle nicht mehr abzuschirmen, aber wir müssen die Kohle selbst vor solchen Folgen abschirmen. Deshalb der Zoll, dem Sie hoffentlich auch zustimmen werden.

    (Abg. Dr. Deist: Sie meinen jetzt die Steuer!)

    — Ich bin noch am Zoll, die Steuer kommt gleich.
    Nun zur Heizölsteuer. Es ist schon ausgeführt worden, daß wir eigentlich nichts anderes tun, als daß wir die Steuer in Höhe von 25 DM, die wir seinerzeit aufgehoben haben, als wir das Heizöl wegen eines nicht nur vermeintlichen, sondern damals echten Kohlenmangels brauchten, jetzt, wo wir einen Ölüberfluß haben und die Kohle in Absatznot ist, in Höhe von 30 DM wieder einführen. Das ist die ganze Geschichte, um die es sich handelt. Wenn die Steuer in Höhe von 25 DM seinerzeit nicht aufgehoben worden wäre, würde heute kein Hahn danach krähen.
    Im übrigen haben wir heute die erste Lesung. Die Sache kommt noch in die Ausschüsse und wird sicherlich noch gründlich durchberaten werden. Vielleicht sind in den Ausschüssen auch noch Verbesserungen möglich. So könnte ich mir denken, daß während der Ausschußberatungen auch darüber nachgedacht wird, ob hinsichtlich der Wettbewerbsvoraussetzungen bei Kohle und Öl alles in Ordnung ist. So wäre es der Erwägung wert, ob man, wenn man Wettbewerbsverzerrungen entdeckt, sich nach deren Beseitigung überlegen sollte, was dann eventuell noch notwendig ist.
    Daran, daß etwas notwendig ist, kann kein Zweifel bestehen. Das einfachste wäre die glatte Verabschiedung der Heizölsteuer. Dann sollte man die Zeit, in der die Heizölsteuer läuft, dazu benutzen, Wettbewerbsverzerrungen auszugleichen. Vielleicht
    ergibt sich — um die Frage des Kollegen Deist zu beantworten — bei den Überlegungen, was mit der Heizölsteuer eventuell geschehen kann, auch eine Möglichkeit, die revierfernen Gebiete für den Absatz der Kohle besser zu erschließen, als das zur Zeit der Fall ist. Die Heizölerzeugung lag 1957 bei 2,8 Millionen t und soll 1965 24,6 Millionen t betragen. Eine Tonne Heizöl entspricht 1,4 t Kohle. Der jetzige Preis liegt 20 bis 25 DM unter dem Rohölpreis.
    Was wollen wir aber während der Laufzeit des Zolls und während der Laufzeit der Heizölsteuer erreichen? An wen haben wir Wünsche und Forderungen? Wir haben zunächst den dringenden Wunsch und die dringende Forderung an Ruhr und Saar, weiter zu rationalisieren, weiter zu technisieren, weiter den Preisfächer zu revidieren. Wir haben auch an die Montanunion einen Wunsch, nämlich den, die Preisvorschriften und die Vertragsbestimmungen der Montanunion etwas großzügiger auszulegen und zu handhaben als bisher. Wir haben weiter den Wunsch, die Veredelung der Kohle zu entwickeln. Und wir haben den Wunsch, daß der Sozialausschuß des Europaparlaments sich auch mit der Fünftagewoche — nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in den fünf anderen Ländern des Gemeinsamen Marktes — befaßt.
    Die Kohle an Ruhr und Saar — hierzu bitte ich Sie höflichst einmal um Ihre besondere Aufmerksamkeit — hat im Gemeinsamen Markt in dem Maße, in dem der Gemeinsame Markt ein echter gemeinsamer Markt sein wird, die allerbeste Chance gegenüber allen anderen Kohlenvorräten in Europa. Sie deshalb bis dahin in Förderung und Wettbewerb auf Hochleistung zu bringen, das ist eine große Aufgabe. Sie ist des Schweißes der Edlen wert. Ist sie gelöst, ist dem Bergarbeiter wahrhaftig wieder die Sicherheit gegeben, die er früher gehabt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wir beantragen also die zweite und dritte Lesung des Kohlenzollgesetzes und die Überweisung der Heizölsteuervorlage an die zuständigen Ausschüsse. Wir beantragen auch die Überweisung der Anträge der Kollegen von der SPD an die Ausschüsse. Das soll aber nicht heißen, daß wir die Absicht haben, sie dort anzunehmen. Wir halten den Zuschlag in Höhe von 2 °/o zur Körperschaftsteuer für eine völlig abwegige Regelung. Wir sind der Meinung, daß die Übergangs- und Strukturschmerzen in der Energiewirtschaft von dem bezahlt werden sollen, dem wahrscheinlich ein großer Teil der Zukunft gehört, und nicht von dem gesamten deutschen Volk.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Sind die Aktiengesellschaften das gesamte deutsche Volk?)

    — Die Wirtschaft ist mehr das deutsche Volk, als
    es die Energiewirtschaft oder Teile derselben sind.
    Herr Kollege Deist hat, was die Kohle betrifft, mit großer Besorgnis der Zukunft entgegengesehen. Die Zukunft hängt davon ab, ob es der bundesrepublikanischen und der EWG-Energiepolitik gelingt, den Energieverbrauch in der Bundesrepublik und im Gemeinsamen Markt auf eine Höhe zu bringen, die



    Dr. Burgbacher
    er anderswo schon hat. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich erneut daran erinnere, daß der Energieverbrauch pro Kopf der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten viermal so groß ist wie in der Bundesrepublik. Was dort möglich ist, müßte bei uns, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß, aber doch in der gleichen Tendenz möglich sein, besonders wenn man in Betracht zieht, daß in diesem Jahr in der Sowjetunion die Energiedarbietung pro Kopf der Bevölkerung größer ist als zur Zeit in der Bundesrepublik und im Gemeinsamen Markt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wir müssen also Energieangebot und Energienachfrage steigern. Das werden wir niemals mit Institutionen wie einem Kommissar oder einer Planungsbehörde erreichen, sondern nur, wenn wir dem Spiel der Kräfte freien Lauf lassen, soweit es möglich ist, ohne daß soziale Spannungen werden oder wirtschaftspolitische Revolutionen statt Evolutionen eintreten. Das bewegende Prinzip ist auch in der Energiewirtschaft die Freiheit. Die Politik hat lediglich die Aufgabe eines Regulativs. Es ist nicht anders, als wenn man einen Strom reguliert, um Überschwemmungen oder Untiefen zu verhüten. Die Freiheit aufheben und Kommissare einsetzen, das wäre auf dem Gebiet der Energie eine schlechtere Lösung als eine freie Wettbewerbswirtschaft, auch wenn sie uns ab und zu zu Debatten wie der heutigen zwingt; denn auch die heutige Debatte ist trotz ihres ernsten Akzents ein Beweis für technischen und ökonomischen Fortschritt und nicht für einen Rückschritt.

    (Beifall in der Mitte.)

    Man mag in der Zwischenzeit, in der die beiden Vorlagen als Gesetze in Kraft sind, noch vieles andere prüfen. Die Frage der Wettbewerbsentzerrung und -entschärfung habe ich erwähnt. Auch von der Notwendigkeit der Entschwefelung ist gesprochen worden. Ich erlaube mir, auf einen weiteren Punkt hinzuweisen, auf den man seine Aufmerksamkeit während der Laufzeit der beiden Gesetze richten sollte. Sie wissen, daß ich die Sicherheit der Belieferung mit Kohle nicht nur auf das Bundesgebiet beziehe, sondern daß diese Sicherheit in der Belieferung auch durch einen größeren politischen Raum gegeben ist. Die Sicherheit in der Belieferung ist aber ein kalkulatorischer Posten. Man sollte sich überlegen, ob man nicht bei anderen Energiearten, soweit eine Lagerung möglich ist, eine gewisse Lagerhaltung vorschreiben sollte, gewissermaßen als eine Art Äquivalent für den Wettbewerbsvorzug der sicheren Belieferung mit Kohle. Der Wettbewerbsdruck — unter gleichen Voraussetzungen — auf die Kohle soll bleiben.
    Irrtümer in der Beurteilung der energiewirtschaftlichen Entwicklung sind nicht auszuschließen. Auch bei steigendem Energiebedarf können vorübergehend Rückschläge besonders bei den Primärenergien eintreten, wenn in der Veredelung und damit auch in der Vielseitigkeit der Verwendung technische Fortschritte gemacht werden. Wie groß die Gefahr des Irrtums ist, darf ich Ihnen an folgendem Beispiel zeigen. In der Debatte vom 27. November 1956 im Europäischen Parlament, als es darum ging, ob die Kohlenmangellage zu erklären sei, wurde von dem Kollegen D r. Deist ge- sagt, daß es sich bei den gegenwärtigen Spannungen nicht um einen vorübergehenden Zustand handle. Er erklärte:
    Das, was wir auf dem Kohlemarkt seit mindestens zwei Jahren beobachten, wird durch die derzeitigen Verhältnisse nur besonders unterstrichen. Wir wissen, daß wir bereits im vergangenen Jahr erhebliche Schwierigkeiten in der Kohlenversorgung hatten. Wir wissen, daß der Energiebedarf sich von Jahr zu Jahr steigert, so daß die Probleme einer angemessenen Kohlenversorgung ständig, zumindest auf nicht absehbare Zeit, vor der Hohen Behörde stehen werden.
    27 Monate später gab es vor der Hohen Behörde die Debatte über die manifeste Krise, d. h. über den strotzenden Kohlenüberfluß. Ich will nicht behaupten, daß ich damals wesentlich anders gesprochen hätte, sondern erwähne das nur, um die Opposition, die von ihrem legitimen Recht der Kritik Gebrauch macht und auch Gebrauch machen soll, zu einer gewissen Mäßigung zu veranlassen, damit nicht der Eindruck erweckt wird, die Dummheit säße in der Regierung und die Klugheit in der Opposition, während in Wirklichkeit in beiden Lagern nur Menschen sind.

    (Beifall in der Mitte.)

    In dem Schwarzbuch ist Herr Professor Erhard erwähnt — ich bitte den Herrn Bundeswirtschaftsminister um Vergebung, wenn ich ihm in seine Erwiderung hineinpfusche —, und zwar soll er danach gesagt haben, im Grunde liege das Geheimnis einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik im rechtzeitigen Erkennen von Entwicklungsmöglichkeiten und der zu treffenden Maßnahmen. — Nun, ich bin neugierig. Ich habe nachgelesen, wie es weitergeht. Herr Erhard sagte weiter: Die Wirtschaft ist einem Organismus vergleichbar. Sie will sich natürlich entfalten, und sie birgt ein gewaltiges Maß selbstheilender Kraft, dem der handelnde Mensch nur zum Durchbruch verhelfen muß. Wenn wir in unserem Bilde bleiben wollen, so können wir sagen: Der gute und der schlechte Wirtschaftspolitiker unterscheiden sich vornehmlich dadurch, daß der eine seine Medizin zum richtigen Augenblick in kleineren Dosen verabreicht, die der natürlichen Heilung, dem natürlichen Gedeihen und Wachsen voranhelfen, während der andere schmerzbetäubende oder aufputschende Medikamente gibt, die eine Krankheit lediglich bis zu ihrem um so stärkeren Durchbruch unfühlbar machen oder gar den Keim einer ernsten Erkrankung erst legen. — Soweit Herr Erhard. Ich weiß mit Sicherheit nur, wer der eine ist. Wir wünschen die beiden Medikamente Kohlenzoll und Heizölsteuer zu verordnen. Wer der andere ist, darüber mag jeder, der zuhört, nachdenken.
    Ich bin der Auffassung, daß wir mit dieser unserer Politik der Ruhr und der Saar die Chance geben, sich der Wettbewerbswirtschaft ein- und unterzuordnen, daß wir ihnen durch diese beiden Gesetze angemessene Zeit geben, zu rationalisieren bei den Menschen und bei den Einrichtungen zu



    Dr. Burgbacher
    mechanisieren. Daß dann Ruhr und Saar im Gemeinsamen Markt die beste Kohlenposition haben werden, die der Gemeinsame Markt nach der natürlichen Gegebenheit zu vergeben hat, das ist unser Wunsch und unser Ziel.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)