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ID0308600400

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    Deutscher Bundestag 86. Sitzung Bonn, den 4. November 1959 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Etzenbach, Lermer und Dr. Conring 4617 A Abg. Brüns tritt als Nachfolger des verstor- benen Abg. Kunze in den Bundestag ein 4617 B Abg. Bach tritt als Nachfolger des Abg. Recktenwald in den Bundestag ein . . . 4617 B Mandatsniederlegung des Abg. Glahn . 4617 C Nachwahl von deutschen Mitgliedern des Europäischen Parlaments (Drucksache 1320) 4617 D Wahl eines stellvertretenden Mitgliedes des Wahlprüfungsausschusses (Drucksache 1323) 4617 D Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Lage des Kohlebergbaus (Drucksache 1300) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung einer Ergänzungsabgabe für soziale Hilf s-maßnahmen im Kohlebergbau (SPD) (Drucksache 1318) — Erste Beratung — Antrag betr. Bestellung eines Bundesbeauftragten für die Kohlewirtschaft (SPD) (Drucksache 1319) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Drucksache 1327) — Erste Beratung —. Entwurf eines Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe (Drucksachen 937, 1113); Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 1287, zu 1287) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Deist (SPD) . 4618 A, 4668 D, 4675 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 4623 D, 4640 D, 4644 A, 4673 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 4631 B Dr. Atzenroth (FDP) 4635 A Dr. Bleiß (SPD) . . . . . . . 4640 A Höcherl (CDU/CSU) 4646 D Dr. Steinmetz (DP) 4649 C Bergmann (SPD) . . . . . . . 4650 B Scheppmann (CDU/CSU) 4653 C Seuffert (SPD) . . . . . . . 4656 B Engelbrecht-Greve (CDU/CSU) . 4657 C Dr.-Ing. Philipp (CDU/CSU) . . 4658 B Margulies (FDP) . . . . . . . 4658 C Dr. Schneider (Saarbrücken) (FDP) 4667 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau Il Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. November 1959 (Abg. Auge, Behrendt, Bergmann, Büttner, Dr. Deist, Geritzmann, Heiland, Dr. Dr. Heinemann, Iven [Düren], Keuning, Kriedemann, Lange [Essen], Meyer [Wanne-Eickel], Frau Rudoll, Sträter, Striebeck, Wilhelm und Fraktion der SPD) (Drucksache 1246 [neu]) — Erste Beratung — 4678 C Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau (Abg. Harnischfeger, Dr. Hesberg, Mick, Scheppmann, Wullenhaupt und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache 1292) Erste Beratung — 4678 C 'Entwurf eines Gesetzes über das Kreditwesen (Drucksache 1114) — Erste Beratung — Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 4659 B Dr. Veit, Minister des Landes Baden-Württemberg . . . . . . . 4660 C Scharnberg (CDU/CSU) 4664 B Dr. Seume (SPD) 4664 C Dr. Dahlgrün (FDP) 4666 D Nächste Sitzung 4678 D Anlagen 4679 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. November 1959 4617 86. Sitzung Bonn, den 4. November 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. November 1959 4679 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Atzenroth 7, 11. Fürst von Bismarck 7. 11. Börner 7. 11. Dr. Brecht 6. 11. Brüns 4. 11 Dr. Bucerius 4. 11. Drachsler 6. 11. Even (Köln) 4. 11. Faller 4. 11. Gehring 4. 11. Geiger (München) 4. 11. Gewandt 4. 11. Dr Gleissner 4. 11. Dr Greve 15. 11. Dr. Hellwig 6. 11. Hilbert 1. 12 Junghans 7. 11. Kraus • 4. 11. Lenz (Trossingen) 6. 11. Dr. Leverkuehn 4. 11. Lücker (München) 7. 11. Maier (Freiburg) 15. 12. Matthes 15. 11. Metzger 4. 11. Müller (Ravensburg) 4. 11. Müller-Hermann 6. 11. Müser 7. 11. Frau Dr. Pannhoff 4. 11. Pietscher 6. 11. Pohle 4. 11. Prennel 6. 11. Dr. Ratzel 7. 11. Scharnowski 4. 11. Dr. Seffrin 7. 11 Seidl (Dorfen) 5. 11. Seither 4. 11. Dr. Siemer 4. 11. Stahl 6. 11. Stierle 7. 11. Sühler 4. 11. Weinkamm 7. 11. b) Urlaubsanträge Graf Adelmann 25. 11. Dr. Gülich 15. 12. Hahn 28. 11. Heye 25. 11. Jacobs 15. 11. Jahn (Frankfurt) 15. 12. Josten 15. 11. Kisters 28. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 25. lI. Dr. Kohut 28. 11. Kreitmeyer 25. 11. Probst (Freiburg) 25. 11. Frau Schmitt (Fulda) 25. 11. Dr. Vogel 25. 11. Walpert 12. 11. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Umdruck 407 Änderungsantrag der Abgeordneten Engelbrecht-Greve, Müller-Hermann, Scharnberg und Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe (Drucksachen 937, 1113, 1287). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In § 1 sind in der Anmerkung 3 zu Tarifnr. 27.01 folgende Änderungen durchzuführen: a) In Absatz 2 sind die Worte „insgesamt 68 vom Hundert" durch die Worte „insgesamt 77 vom Hundert" und die Worte „,im Durchschnitt der Jahre 1956, 1957 und 1958" durch die Worte „im Durchschnitt der Jahre 1955, 1956, 1957 und 1958" zu ersetzen. b) Im Absatz 3 sind die Worte „im Durchschnitt der Jahre 1956, 1957 und 1958" durch die Worte „1955, 1956, 1957 und 1958" zu ersetzen. c) Als Absatz 5 wird angefügt: „Die Bundesregierung kann, nachdem dem Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen gegeben worden ist, mit Zustimmung des Bundestages durch Rechtsverordnung das Zollkontingent in Absatz 2 dieser Anmerkung bis zu 20 v. H. erhöhen, wenn dies aus gesamtwirtschaftlichen Gründen geboten ist." 2. In § 2 ist vor die Jahreszahl „1956" die Jahreszahl „1955" einzufügen. 3. § 3 Abs. 2 wird wie folgt geändert: a) in Nummer 1 ist vor die Jahreszahl „1956" die Jahreszahl „1955" einzufügen; b) in Nummer 6 erhält Satz 2 folgende Fassung: „Auf den Anteil des Antragstellers ist die Warenmenge, die er in der Zeit vom 1. Januar bis 28. Februar 1959 eingeführt hat, insoweit anzurechnen, als hierdurch die für ihn nach Nummer 5 festgestellte Warenmenge nicht gekürzt wird." 4. In § 5 Abs. 2 erhält Satz 1 folgende Fassung: „Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft vermerkt im Kontingentschein, daß die für den Berechtigten nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 festgestellte Teilmenge zur Belieferung anderer als in § 3 Abs. 2 Nr. 3 genannter Verbraucher verwendet werden darf." Bonn, den 3. November 1959 Engelbrecht-Greve Müller-Hermann Scharnberg Dr. Krone und Fraktion
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    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sie wissen, daß der Bundesregierung diese Anerkennung schwer geworden ist. Im Frühjahr 1954 haben wir im Eisenerzbau ähnliche Verhältnisse gehabt, als im Siegerland 20 % der Belegschaft entlassen werden mußten. Damals hat sich — gegen unseren Antrag — die Bundesregierung geweigert, diesen sozialen Grundsatz anzuerkennen. Wir wissen, daß sie sich auch in der jetzigen Kohlenkrise bis zu den großen Demonstrationen der Bergarbeiter geweigert hat, diesen Grundsatz anzuerkennen, und wir haben leider erfahren müssen, daß die Bundesregierung versucht, die Einfügung dieses Grundsatzes in den Montanunion-Vertrag zu verhindern, obwohl nach Ablauf der Übergangsbestimmungen die Notwendigkeit gegeben ist, diesen Grundsatz, der bereits in der Vergangenheit befolgt war, auch bei einer Änderung des Montanunion-Vertrags zu berücksichtigen.
    Wir werden jedenfalls alles tun, daß sich die Regierung von diesem Grundsatz nicht wieder entfernen kann, und wir werden ihr auch nicht mit Rücksicht auf Überlegungen über die Deckung dieser Beträge gestatten, sich dieser von ihr anerkannten sozialen Verpflichtung zu entziehen.
    Dabei möchte ich gleich eine Bemerkung zur Deckungsfrage einschalten. Die Bundesregierung hat eine Heizölsteuer vorgeschlagen, die nach ihren eigenen Angaben ein Aufkommen von 300 Millionen DM pro Jahr, also etwa eine Milliarde in der dreijährigen Laufzeit erbringen soll. Die Bundesregierung hat bisher nicht verlauten lassen, wie hoch schätzungsweise nach ihrer Ansicht die sozialen Lasten aus den Zusagen sein könnten, die sie gemacht hat. Nach sachverständigen Schätzungen sollen sie zwischen 100 und 120 Millionen DM im Jahr, also bei etwa 350 Millionen im Lauf von drei Jahren liegen. Ich wäre für eine Auskunft darüber dankbar, wie hoch die Bundesregierung diese Beträge schätzt, und wenn es zutreffen sollte, daß bei einem Aufkommen von einer Milliarde nur etwa 350 Millionen benötigt werden, wäre ich für eine Auskunft darüber dankbar, wofür der differierende Betrag von mehr als 600 Millionen DM verwendet werden soll.
    Ich wäre insbesondere für eine Auskunft darüber dankbar, ob inzwischen die Differenz zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Bundeswirtschaftsminister bereinigt ist, nachdem wir erst heute morgen haben lesen dürfen, daß der Herr Bundeskanzler der Auffassung ist, auch die Eigentümer der stillzulegenden Zechen müßten entschädigt werden. Das wäre immerhin eine neue Nuance.
    Wir haben erleben müssen, daß diese Bundesregierung in den letzten Jahren die Verluste des Kohlenbergbaus praktisch restlos sozialisiert hat und daß diese Verluste vom Verbraucher über erhöhte Steuern und Zölle getragen werden. Es wäre eine neue Nuance, wenn nunmehr den Eigentümern von Zechenanlagen, die ohne öffentliche Hilfe nicht mehr aufrechterhalten werden können, noch das Kapitalrisiko abgenommen würde, um zu zeigen, wie wenig eigentlich das Privateigentum im Kohlenbergbau heute noch zu bedeuten hat.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine zweite Feststellung treffen. Wir haben seit Jahren von der Bundesregierung Beteuerungen und Feststellungen gehört, wir würden uns auf einen Versorgungsstaat zu bewegen, der den Staatsbürgern Lasten auferlege, die einfach nicht mehr zu tragen seien. Wir haben bei der Kriegsopferversorgung erleben müssen, daß gesagt wurde, es ständen die erforderlichen Mittel nicht bereit, so daß die geplante Erhöhung erst Mitte des Jahres 1960 vorgenommen werden könne. Jetzt können wir feststel-



    Dr. Deist
    len, daß infolge des Versagens der Bundesregierung in der Kohlenpolitik neue soziale Lasten auf die Bevölkerung zukommen. Hier erhebt sich doch wirklich die Frage: Ist es eine gute Politik, auf der einen Seite über den Versorgungsstaat zu wettern und auf der anderen Seite den Verbrauchern bzw. den Steuerzahlern soziale Lasten aufzubürden, die bei einer vorausschauenden Politik in dieser Höhe jedenfalls nicht erforderlich gewesen wären?
    Eine weitere Frage: Ist es nicht mehr die Auffassung der Bundesregierung, daß die beste Sozialpolitik in einer guten Wirtschaftspolitik bestehe? Darum fragen wir die Bundesregierung in unserer ersten Frage, ob sie ihre Aufgabe in der Hauptsache darin sieht, eingetretene soziale Schäden zu mildern, oder ob sie ihre Hauptaufgabe nicht darin erblickt, soziale Notstände durch vorbeugende wirtschaftspolitische Maßnahmen zu verhindern.

    (auf dieses strukturelle Problem hingewiesen, das insbesondere in der Konkurrenz des Heizöls besteht. Die Bundesregierung hat damals versucht, das Problem zu bagatellisieren. Dabei muß man sich klar sein, daß wir hier am Anfang einer sehr schwerwiegenden Umstellung auf dem Energiemarkt stehen. Auch hier gehören wir gewissermaßen zu den „Spätheimkehrern". In allen übrigen europäischen Staaten ist nämlich der Anteil des Heizöls an der gesamten Energieversorgung wesentlich höher als in Deutschland. Hier kommt also schon ein Problem auf uns zu. Die Frage ist zunächst, wie die kurzfristigen Auswirkungen der strukturellen Veränderung zu beurteilen sind und wie die Probleme mit kurzfristigen Maßnahmen gelöst werden können; die Heizölsteuer — begrenzt bis zum Jahre 1962 — ist ja wohl eine kurzfristige Maßnahme. Daneben stellt sich das langfristige Problem, und man muß fragen, wie man dieser langfristigen Strukturveränderung beikommen kann. Einige Bemerkungen zu den kurzfristigen Problemen. Es scheint mir wichtig, sich über die Größenordnung eine Vorstellung zu machen. Wir haben im Jahre 1958 — 1959 wird es voraussichtlich ebenso sein — eine Zunahme des Heizölverbrauchs von etwa 2 bis 3 Millionen, sagen wir rund 2,5 Millionen Tonnen Rohöl zu verzeichnen; das entspricht 3 bis 4 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten. Der gesamte Energieverbrauch in Deutschland beträgt beinahe 200 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten. Man kann sich also ausmalen, welche Bedeutung eine solche Zuwachsrate, die etwa 11/2 % des gesamten Energieverbrauchs ausmacht, bei einer kurzfristigen Betrachtung — für dieses, für das nächste und für das übernächste Jahr — hat. Ich komme daher zu dem Ergebnis: in bezug auf diese Entwicklung besteht kein Grund zur Dramatisierung der augenblicklichen wirtschaftlichen 1 Lage in der Kohlenund Energiewirtschaft, zumal wir die Konjunkturschwäche des vergangenen Jahres, angesichts derer das Problem stark hervorgetreten ist, inzwischen überwunden haben. Es besteht daher kein Anlaß zu Kurzschlußreaktionen, und es besteht auch kein Anlaß zu der Stillegungshysterie, die wir heute in Deutschland erleben. Unter diesem Gesichtspunkt frage ich mich: ' Welche Wirkung soll eine Heizölsteuer, begrenzt bis zum Jahre 1962, haben? Die Industriegewerkschaft Bergbau hat einmal einen Preisvergleich angestellt, bei dem die Wärmeeinheiten zugrunde gelegt sind. Die Ergebnisse dieses Preisvergleichs sind seit etwa einem Monat veröffentlicht und bisher von niemandem bestritten worden, so daß man annehmen muß, daß sie im wesentlichen zutreffen. Aus ihnen ergibt sich, daß der Preisunterschied zwischen Kohle und Heizöl, auf Kalorien umgerechnet, jedenfalls bei leichtem Heizöl so hoch ist, daß er weder durch eine Heizölsteuer von 30 DM noch durch eine Heizölsteuer von 45 DM übersprungen werden kann. Das heißt: auf diesem Gebiet ist schon rein preislich gesehen die Heizölsteuer eine völlig unwirksame Maßnahme. Eine zweite Bemerkung. Bei der Wahl des Verbrauchers — sowohl in der Industrie wie auch beim Hausbrand — zwischen Kohle und 01 spielt nicht nur, und häufig nicht einmal entscheidend, die Preisdifferenz eine Rolle, sondern die Tatsache, daß in vielen Fällen Heizöl sich wirtschaftlicher verwerten läßt als Kohle, daß seine Nutzung erhebliche Produktionsvorteile zur Folge hat und daß in vielen Fällen auch für den Hausbrand Arbeitskräfte, die man bei der Heizung mit Kohle und Koks haben muß, nicht zur Verfügung stehen. Meine Damen und Herren! Entgegen allen schriftlichen Dokumentationen: wer weiß, wie die wirkliche Meinung im Kohlenbergbau ist, der weiß, daß die Behauptung, mit der Heizölsteuer sei eine wesentliche Veränderung der Lage zu erreichen, von niemandem wirklich ernst genommen wird. Wir haben diese Frage im Wirtschaftsausschuß an den Herrn Bundeswirtschaftsminister gestellt. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat laut Protokoll dazu gesagt, es handele sich nur darum, das Vordringen des Heizöls etwas abzudämmen. In meinen Notizen habe ich stehen, daß er etwa ausgeführt hatte, die psychologische Wirkung sei unter Umständen stärker als die reale. Auch Herr Kollege Burgbacher hat auf die psychologische Wirkung auf den Verbraucher hingewiesen. Er hat hinzugefügt, es sei auch eine wichtige Aufgabe, dem Bergbau Mut zu machen, damit er Rationalisierungsmaßnahmen durchführe. Meine Damen und Herren, mir scheint, das ist ein Experiment, das schon nicht mehr in den Rahmen der Psychologie, sondern vielleicht sogar in den Rahmen der Pathologie gehört. Es ist für mich eine große Frage, ob die' „Mutspritze" für den Bergbau mit einer Milliarde Belastung für den Verbraucher nicht ein wenig zu teuer bezahlt ist. Dr. Deist Dann eine Zusatzfrage, Herr Bundeswirtschaftsminister, auf die ich bitte zu antworten, obwohl sie in den schriftlichen Fragen nicht enthalten ist. Ich glaube, es besteht kein Zweifel darüber, daß ein großer Teil des schweren Heizöls einen Schwefelanteil von etwa 3 bis 5 % hat, während er bei der Kohle im Schnitt wohl 1/2 bis höchstens 1% beträgt. Das heißt: wir haben bei zunehmender Verwendung von Heizöl mit einer weiteren Verpestung der Luft insbesondere in den großen Industrieund Wohnzentren zu rechnen. Es ist kein Geheimnis, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß man sich im August 1959 z. B. im Bundesarbeitsministerium mit diesem Problem des hohen Schwefelanteils des Heizöls befaßt hat. Ich möchte daher fragen: Wäre es nicht eine marktkonformere Maßnahme, mit gewerbeund gesundheitsbehördlichen und ähnlichen Mitteln dafür zu sorgen, daß dieser gesundheitsgefährliche hohe Schwefelanteil beseitigt wird? Das würde Investitionen bei der Mineralölindustrie erfordern und eine Verteuerung, wenn ich recht unterrichtet bin, zwischen 25 und 35 Mark bedeuten. Das würde also heißen: man würde diese Ausgabe von der Mineralölwirtschaft verlangen, um der Gesundheit in diesen Bezirken eine Stütze zu geben. Wir bemühen uns doch gerade zur Zeit, die Verpestung der Luft zu beseitigen. (Zustimmung bei der SPD und bei der CDU/CSU.)


    (Beifall bei der SPD und der FDP.)


    (Sehr richtig! bei der SPD.)





    (Beifall bei der SPD und bei der CDU/CSU.)

    Meine Frage: Warum haben der Herr Bundesminister und die Bundesregierung an diese Frage überhaupt nicht gedacht, obwohl sie doch eigentlich auf der Hand liegt?
    Damit komme ich aber zu dem langfristigen strukturellen Problem, d. h. der Entwicklung der nächsten zehn bis zwanzig Jahre. Wir sollten uns darüber klar sein, daß hier Entwicklungen auf uns zukommen, die wesentlich größere Aufmerksamkeit verdienen als diese punktuelle Aufmerksamkeit, die heute die Bundesregierung der angeblich so dramatischen Lage bei der Ruhrkohle widmet.
    Das erste ist die Erdölförderung. Es besteht kein Zweifel darüber, daß wir laufend Neuaufschlüsse in Erdölgebieten zu verzeichnen haben, die ständig die laufende Förderung übersteigen, und daß noch kein Ende dieser Neuaufschlüsse abzusehen ist. Weite Gebiete der Welt — dazu gehören Afrika, der Ferne Osten und Teile der Sowjetunion — sind überhaupt noch nicht erschlossen. Dieser Druck steigender Erdölförderung führt dazu, daß gegenüber den sieben internationalen Erdölkonzernen, die bis heute den Markt beherrschen, die Außenseiter ein größeres Gewicht bekommen. Für unsere Betrachtung ergibt sich das Problem, daß die Ölpreise in Zukunft möglicherweise nicht etwa, wie angenommen, steigen werden, sondern sogar sinken werden. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt.
    Zweitens kommt spätestens in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren die steigende Erdgasausbeutung auch im europäischen Raum auf uns zu. In den USA wird der Energiebedarf bereits zu etwa 30 %
    aus Erdgas gedeckt. Wir haben in Italien heute bereits eine Deckung des Energiebedarfs zu 15 % aus Erdgas. Wir können damit rechnen, daß in Frankreich im Jahre 1961 6 Millionen t Steinkohle durch Erdgas aus dem Markt geworfen sein werden. Wir wissen, welche Möglichkeiten der Erdgasversorgung in der Sahara liegen, wobei es sich um ein Erdgas handelt, das nach allen bisherigen Erfahrungen billiger sein wird als Kohle und 01. Wir müssen also damit rechnen, daß 1965 etwa 23 Milliarden cbm Erdgas — das entspricht 40 Millionen t Steinkohleneinheiten — mit der Ausdehnung des europäischen Erdgasnetzes und der Folge unerhörter Veränderungen in der Wettbewerbslage auf dem Energiemarkt auf den europäischen Markt kommen. Und das ist nicht alles.
    Eine große Rolle auf diesem Gebiet spielt die Mineralölverarbeitung. Alle deutschen Mineralölkonzerne sind wegen des steigenden Überangebots an Erdöl dazu übergegangen, in großem Umfange in Erdölleitungen und in Mineralölraffinerien zu investieren. Auch hier ein beinahe ruinöser Kampf um den Marktanteil gegen Außenseiter. Dieses Investitionstempo bringt ein Angebot an Mineralöl mit sich, das bei der Beurteilung der zukünftigen Energiepolitik auch beachtet werden muß.
    Im Jahre 1957 hat die Bundesregierung uns eine Drucksache vorgelegt, in der sie angegeben hat, bis 1965 würde sich der Ausbau der Mineralölraffinerien auf eine Raffineriekapazität von 34 Millionen t erstrecken. Von 30 Millionen t Durchsatz war damals die Rede. Tatsächlich war bereits Anfang 1959 eine Raffineriekapazität von 27 Millionen t vorhanden, und der Zuwachs betrug allein im Jahre 1958 11 Millionen t. Nach den ursprünglichen Angaben der Mineralölindustrie werden wir damit rechnen müssen, daß die Raffineriekapazität bis zum Jahre 1965 auf 58 Millionen t ausgedehnt werden wird. Das heißt, daß dann 35 Millionen t Steinkohle durch Heizöl bedroht sind, daß 35 Millionen t — das entspricht einem Drittel der gesamten Kohleförderung — bei uns auf den Energiemarkt kommen. In diesen Planungen ist die mögliche Errichtung einer Mineralölraffinerie in München überhaupt noch nicht berücksichtigt. Das Problem ist, daß in diesen sieben, acht Jahren ein Heizölangebot in Höhe von einem Drittel des heutigen Kohleangebots auf uns zukommt.
    Die Mineralölindustrie hat versucht, das zu bagatellisieren, und nachträglich erklärt, die Kapazität würde nicht auf 58 Millionen t, sondern nur auf 40 Millionen t ausgedehnt werden. Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, welche Erdölleitungen bei uns im Bau und im Betrieb sind. Die Leitung Wilhelmshaven—Köln ist im Betrieb. Die Leitung Rotterdam—Wesseling ist im Bau. Die Leitung GenuaMailand—Schweiz—Bayern ist, jedenfalls mit der Trasse nach der Schweiz, im Bau. Die Leitung Marseille—Straßburg--Karlsruhe ist in der Planung. Eine neue Linie von Venedig über München nach Regensburg befindet sich in der Erörterung. Die Durchsatzkapazität aller dieser Erdölleitungen geht weit über die vorveranschlagten Raffineriekapazitäten hinaus. Das heißt, allein von diesen Erdöl-



    Dr. Deist
    leitungen geht ein Druck auf die Mineralölwirtschaft aus, mehr Heizöl als bisher auszubringen und nicht weniger.
    Wenn das die Entwicklungsaussichten sind, was soll da eigentlich die Heizölsteuer bedeuten? Ist sie überhaupt ein Instrument, das man hier zur Debatte stellen kann? Das ist schon keine Frage der Psychologie mehr; da sind offenbar Medizinmänner am Werke, die meinen, Sand in die Augen zu streuen sei eine gute Medizin. So einfach ist das Strukturproblem der Energiewirtschaft nicht zu lösen.
    Aus der Entwicklung, die ich aufzeichnete, ist, glaube ich, folgendes deutlich zu erkennen. Es wäre eine völlig falsche Politik, die normale Entwicklung des Heizöls, so wie sie wirtschaftlich bedingt und gerechtfertigt ist, aufhalten zu wollen; denn Mineralöl, Heizöl ist ein billiger und leistungsfähiger Energieträger. Worauf es für eine Wirtschaftspolitik, die sich ihrer Aufgabe bewußt ist, ankommt, ist vielmehr, die Entwicklung in einem Rahmen zu halten, der eine geordnete Umstellung des Kohlenbergbaus ermöglicht. Und da ist die willkürliche Investitionspolitik der Mineralölwirtschaft ein ungeheures Hemmnis für eine gesunde Umstellung im Rahmen der ganzen Energiewirtschaft. Dieser Expansionsdrang, gestützt auf eine ungeheure Finanzkraft, geht ohne jede Rücksicht auf volkswirtschaftliche Bedenken, ohne Rücksicht auf die Schwierigkeiten im Kohlenbergbau, ohne Rücksicht auf die Folgen für die Kommunalwirtschaft z. B. im Ruhrgebiet, ohne Rücksicht auf die sozialen Verhältnisse der Arbeiterschaft im Kohlenbergbau vor sich.
    Eine solche Investitionspolitik muß jede vorausschauende Energiewirtschaftspolitik unmöglich machen. Darum die Frage an die Bundesregirung, ob sie eigentlich eine solche Investitionspolitik in der Mineralölwirtschaft noch volkswirtschaftlich für vertretbar hält, ob sie ,es für vertretbar hält, daß die Kohle dieser Entwicklung ohne ernsthafte Hilfen ausgeliefert wird, ob sie nicht der Auffassung ist, daß mindestens ,gleiche, wenn nicht schärfere Investitionskontrollen in der Mineralölwirtschaft eingeführt werden müssen, wie sie bereits seit Jahren für die Kohle gelten. Wenn die Bundesregierung diese Frage nicht bejahen kann, müßte sie wenigstens andere Möglichkeiten andeuten, wie sie der ,auf uns zukommenden Entwicklung begegnen will.
    Damit komme ich zu dem Problem des Kohlenbergbaus. Ich sagte bereits, die Aufgabe kann nicht darin bestehen, die Entwicklung auf dem Heizölsektor aufzuhalten, die Aufgabe kann nur darin bestehen, sie in vernünftige Bahnen zu lenken. Das muß bei der Kohlepolitik in Rechnung gestellt werden.
    Wenn man eine realistische Untersuchung über die Möglichkeiten der Kohlepolitik anstellt, muß man zu folgenden Ergebnissen kommen. Zunächst einmal muß eine realistische Beurteilung, die sich nicht von vorübergehenden Erscheinungen wie beispielsweise der Konjunkturabschwächung des vergangenen Jahres restlos beherrschen läßt, zu dem Ergebnis kommen, daß die Kohle in Deutschland auf lange Zeit als Energieträger weiterhin ihre
    Rolle spielen wird. Das heißt, entscheidend ist gar nicht die Frage, ob Stillegung oder Einschränkung der Förderung, sondern das entscheidende Problem ist, den Kohlenbergbau, die Kohlenförderung und was dazu gehört, wirtschaftlicher zu gestalten.
    Wer meint, diesem Problem mit Stillegungen, Entlassungen, Verminderung der Förderung, Senkung der Arbeitskosten beikommen zu können, sieht die Dinge viel zu primitiv. Wirtschaftlicher gestalten heißt, eine tiefgreifende Umgestaltung im Kohlenbergbau herbeizuführen, d. h. eine Rationalisierung der Förderung, aber auch eine Rationalisierung des Verteilungsapparats. Das bedeutet: dort zu modernisieren, wo es möglich ist, und nach Möglichkeit die Förderung in hochrentable Zechenanlagen zu verlagern. Das bedeutet auf lange Sicht vielleicht sogar: Abteufung neuer Schachtanlagen in Gebieten, wo ein großes Vorkommen sehr billig und sehr rentabel abgebaut werden kann.
    Zu einer solchen Entwicklung wird dann auch ein Auslaufen unrentabler Schächte gehören, aber nur im Rahmen eines solchen Gesamtprogramms der Umgestaltung, während der Ruf allein nach Stilllegungen und Entlassungen von einer höchst primitiven Einstellung zeugt und nur diese Einzelmaßnahme keine Wirkungen verheißt.
    Wenn die Bundesregierung sich aufraffen könnte, ein solches Anpassungsprogramm zu entwerfen und zielbewußt und systematisch durchzuführen, dann würden damit nicht nur Probleme der Kohlewirtschaftspolitik gelöst werden können, sondern es würden sich damit auch neue, bisher nicht erkannte Chancen für die Kohle auf dem Energiemarkt ergeben.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Problem herausgreifen: Ich bin der Auffassung, daß es mit Hilfe einer solchen Politik möglich ist, wesentliche Preissenkungen für jene Kohlensorten herbeizuführen, die in scharfem Wettbewerb mit dem Heizöl stehen. Ich möchte das kurz begründen. Wir haben bereits heute bei zahlreichen Unternehmungen Mengenrabatte. Es wäre sehr vernünftig und gut, wenn diese Mengenrabatte in die normale Preisgestaltung eingefügt würden.
    Ein Zweites! Am Ende des Jahres läuft die Bergarbeiterwohnungsbauabgabe aus, die die Kohle mit 2 DM bzw. mit 2,60 DM bei Koks belastet. Wenn man davon ausgeht, daß nur ein Drittel der Kohlenförderung wegen des Wettbewerbs mit dem Heiz61 eine Preissenkung erfahren müßte, so ergibt sich, daß der Wegfall der Bergarbeiterwohnungsbauabgabe eine Preissenkung von 6 DM je Tonne für diese Kohlensorten ermöglicht.
    Ein Weiteres! Es besteht heute kein Zweifel mehr, daß die Bahntarife für Kohle überhöht sind. Diese Überhöhung macht einen Gesamtbetrag von 120 bis 140 Millionen DM pro Jahr aus. Wir erleben also die Groteske, daß man die Bundesbahn durch den Kohlenbergbau subventionieren läßt. Das wirft in der Tat ein Schlaglicht sowohl auf die Bundesbahnpolitik der Bundesregierung als auch auf ihre Kohlepolitik. Ich bin der Meinung, daß



    Dr. Deist
    die Kohlefrachten für einen notleidenden Industriezweig auf ein angemessenes Maß herabgesetzt werden müßten.
    Eine vierte Möglichkeit! Wenn es so ist — wie der Bergbau verkündet —, daß 6 bis 10 Millionen Tonnen Förderung eingespart und dabei die Belegschaft um 100 000 Mann vermindert werden kann, dann bedeutet das eine Senkung der Förderung um 5 bis 8% und der Personalkosten — die bis zu 60% der Gesamtkosten ausmachen — um 25%. Aus einer solchen Kostensenkung ergäbe sich die Möglichkeit erheblicher Preissenkungen.
    Schließlich liegen in einer Umgestaltung und Modernisierung des Kohlenbergbaus, wie ich sie angedeutet habe, ebenfalls Möglichkeiten zu Kosten- und damit zu Preissenkungen. Eine solche Politik wirkt sich nicht in kleinen Ergebnissen aus, sondern in erheblichen Beträgen, wenn man nur zielbewußt eine Preissenkung für jene Kohlensorten anstrebt, die mit dem Heizöl in Konkurrenz stehen. Mir scheint, das ist auch dem Herrn Bundeskanzler bei seinem letzten Aufenthalt in Cadenabbia eingefallen. Jedenfalls hat die Presse verlauten lassen, der Herr Bundeskanzler sei der Auffassung, mit der Kohlepolitik müsse nunmehr auch eine Preissenkung für Kohle verbunden werden.
    Aus dieser Überlegung heraus fragen wir die Bundesregierung:
    Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für eine Preissenkung insbesondere bei
    den Kohlensorten, die im Wettbewerb mit
    Heizöl stehen?
    Dazu muß allerdings eine Vorfrage gestellt werden; sie lautet in unserer Großen Anfrage:
    Hat die Bundesregierung eine ausreichende Übersicht über die tatsächliche Kosten- und Ertragslage des Kohlenbergbaus?
    Wir haben die Bundesregierung wiederholt gefragt, ob sie eigentlich eine klare Erkenntnis dieser Verhältnisse hat. Wir haben bisher keine Auskunft bekommen. Wir haben auch in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses als Ausschuß und Vertreter des Parlaments keine Mitteilung darüber bekommen können, weil es sich angeblich um vertrauliche Dokumente der Hohen Behörde handelt. Wir haben auch keine Auskunft darüber bekommen können, wieviel kalkulatorischer Gewinn eigentlich in die Kosten hineingerechnet ist, ob nicht, wenn der Kohlenbergbau einen Verlust von 1 DM ausweist, darin ein Ansatz von 6 DM kalkulatorischer Gewinn enthalten ist, so daß statt eines Verlustes von 1 DM tatsächlich ein Gewinn von 5 DM erzielt wird.
    Auf alle diese Fragen erhielten wir keine Auskunft. Ich frage daher die Bundesregierung: Wie lange wollen Sie eigentlich dem Steuerzahler und Verbraucher zumuten, so ungeheuer große Beträge für den Kohlenbergbau aufzuwenden, ohne ihm einen klaren Nachweis dafür zu bringen, daß diese Aufwendungen erforderlich sind?
    Wir Sozialdemokraten haben nie einen Zweifel über die Notwendigkeit dieser Aufwendungen gehabt. Wir sind auch gern bereit, zuzustimmen, wenn es darum geht, dem Kohlenbergbau Lasten abzunehmen, soweit das volkswirtschaftlich notwendig ist. Aber wir möchten wissen, wofür, warum und mit welchem Ergebnis.
    Das sinnlose Alarmgeschrei, daß 12 bis 15 Zechen stillgelegt werden müssen, daß im Bergbau 100 000 Mann zuviel sind, daß nunmehr Stillegungen und Entlassungen in großem Umfang erfolgen müßten, hat bedenkliche Folgen gehabt. Bisher sind aus dem Bergbau etwa 60 000 Mann ausgeschieden, davon 50 000 unter Tage. Es ist wohl nicht zuviel behauptet, wenn man sagt, daß sich insbesondere unter denjenigen, die unter dem Zwang der Verhältnisse freiwillig abkehren, zwischen 80 und 90 °/o junge Bergarbeiter, vor allem junge Hauer, befinden.
    Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wie lange wollen Sie dem Steuerzahler zumuten, daß er die Steuern für eine Bergarbeiterprämie aufbringt, durch die in den vergangenen Jahren mit aller Gewalt einige zehntausend Bergarbeiter für den Bergbau gewonnen wurden, wenn Sie heute durch die Duldung einer solchen sinnlosen Politik tatsächlich die jungen Bergarbeiter wieder aus dem Bergbau hinausjagen?

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich glaube, daher ist die Frage berechtigt: Was beabsichtigt eigentlich die Bundesregierung zu tun, um dieser Entwicklung der Belegschaft im Kohlenbergbau zu begegnen?
    Damit komme ich zu der letzten Frage unserer Großen Anfrage:
    Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu treffen, um sicherzustellen, daß die Anpassung des Kohlenbergbaus an die veränderte Lage in der Energiewirtschaft so durchgeführt wird, daß volkswirtschaftliche Schäden und soziale Härten vermieden werden?
    Meine Damen und Herren, ich hoffe verdeutlicht zu haben, daß Strukturveränderungen auf die Energiewirtschaft und damit auf den Kohlenbergbau zukommen, die man ohne Übertreibung vielleicht als von säkularer Bedeutung bezeichnen kann; denn das Zeitalter der Kohle geht allmählich zu Ende. Bei einem solchen Prozeß kann man nicht mehr mit Palliativmittelchen arbeiten, da kann man nicht mehr an Symptomen herumkurieren, sondern da muß man umfangreiche, tiefgreifende Umgestaltungsmaßnahmen ergreifen.
    Dazu gehört einmal das allmähliche Auslaufen von Zechenanlagen, dazu gehört die Modernisierung und eventuell das Abteufen neuer Zechenanlagen. Dazu gehört eine zielbewußte Investitionspolitik für den Modernisierungsprozeß, weil der Kohlenbergbau erfahrungsgemäß die Investitionsmittel nicht aus eigener Kraft aufbringen kann. Dazu gehört die Umgruppierung der Arbeitnehmerschaft mit erheblichen sozialen Aufwendungen. Dazu gehört die Berücksichtigung kommunaler Interessen; denn gerade im Ruhrrevier ist der Kohlenbergbau die Grundlage der Kommunalwirtschaft. Dazu gehört die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
    Meine Damen und Herren, wie wollen Sie dafür sorgen, daß diese vielfältigen Maßnahmen mitein-



    Dr. Deist
    ander synchronisiert werden, daß sie nicht nebeneinander herlaufen, wenn Sie nicht eine verantwortliche Stelle schaffen, die diese großen Aufgaben und die Einzelmaßnahmen koordiniert? Deshalb unser Antrag auf Bestellung eines Bundesbeauftragten.
    Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, wie sich diese sinnlose, nicht koordinierte Politik im Kohlenbergbau an der Ruhr zur Zeit auswirkt. Seit drei, vier Tagen sind die Einwohner der Stadt Bochum in heller Aufregung, weil plötzlich verkündet wurde, daß in ganz kurzer Frist drei Schachtanlagen, „Prinzregent", „Friedlicher Nachbar" und „Engelsburg", stillgelegt werden sollen. Betroffen sind 6500 Arbeiter; das sind mit Familien 20- bis 25 000 Menschen. Im Laufe der letzten anderthalb Jahre wurde die Zahl der Bergarbeiter in Bochum mit mehr oder minder sanftem Druck bereits um 7500 gesenkt. Das bedeutet binnen kurzer Zeit eine Veränderung der Arbeitsplätze im Kohlenbergbau in der Stadt Bochum für 14 000 Mann; mit Familien werden also 40- bis 50 000 Menschen davon betroffen. Das ist für diese Städte ein entscheidendes soziales und kommunalpolitisches Problem.
    Man sehe sich an, welche Folgen diese „guten" privatwirtschaftlichen Überlegungen bei einer großen Bergbaugesellschaft wie der Gelsenkirchener Bergwerks AG haben. Dort wurde im Jahre 1957 beschlossen, auf der Zeche „Prinzregent" ein neues, modernes Großkraftwerk mit Investitionskosten von insgesamt 150 Millionen DM zu errichten. Ende 1958, als die Krise in vollem Gange war, wurde überlegt, ob das Projekt weitergeführt werden sollte. Beschluß: Dieses Projekt ist so gut fundiert, daß es weitergeführt wird. Inzwischen sind ...zig Millionen für Investitionen aufgewandt worden. Jetzt auf einmal soll die Zechengrundlage für dieses Großkraftwerk — und auf dieser Zechengrundlage war es aufgebaut — wieder stillgelegt werden. Dabei sind bereits hohe Millionenbeträge an Investitionen aufgewandt, Gebäude errichtet und Straßen gebaut worden! Diese Aktion geht ohne Rücksicht auf die sozialen Folgen, ohne Rücksicht auf die Kommunalwirtschaft vor sich. Von Koordinierung keine Spur. Da kann man nur sagen: ist es schon Tollheit, hat es doch Methode.
    Meine Damen und Herren, so laufen die Dinge unkoordiniert. Jetzt ist wirklich die Frage zu stellen, ob Sie es sich gestatten können, künftig noch mehr Porzellan dadurch zerschlagen zu lassen, daß Sie weiterhin solchen willkürlichen Entscheidungen keine Grenzen setzen. Dabei ist von großer Bedeutung, daß nach der ganzen Regelung für die Anpassungsbeihilfen alle diese Entscheidungen im Laufe der nächsten zwei bis drei Monate getroffen werden müssen. So klug ist das also angelegt, daß über einen langfristigen Strukturwandlungsprozeß, der vor uns steht, abrupt und unüberlegt innerhalb von zwei bis drei Monaten entschieden werden muß. Das ist keine Kohlenpolitik mehr!
    Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir jetzt eine abschließende Bemerkung zu diesem Problem. Wir bemühen uns in allen interessierten Kreisen seit Jahren um diese Aufgabe. Die Ballung
    großer Menschenmassen und großer, insbesondere schwerindustrieller Betriebe auf engem Raum ist gesellschaftspolitisch, gesundheitspolitisch und arbeitsmarktpolitisch sehr schlecht, geradezu eine Gefahr für eine gesunde Entwicklung. Überall hören wir das Schlagwort von der „Erstballung der großen Ballungsräume", zu denen ja auch das Ruhrgebiet gehört. Überall sprechen wir davon, daß ein solches Gebiet wie das Ruhrgebiet auf eine breitere, gesundere wirtschaftliche Basis gestellt werden müßte. Wäre es nicht doch eine Aufgabe und der Überlegung wert, hier aus der Not eine Tugend zu machen? Wäre es nicht die Aufgabe der Bundesregierung, zu sagen: Wenn schon dieser Anpassungsprozeß, wenn schon diese allmähliche Umgestaltung im Kohlenbergbau, dann gekoppelt mit Maßnahmen der Landesplanung und Raumordnung, die diesem Industriegebiet eine gesundere Grundlage als bisher geben?

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Herren von der Bundesregierung, das wäre wirklich eine große Tat. Es wäre wirklich gut, wenn die Bundesregierung zeigen würde, daß sie großzügige Pläne und entsprechend große Finanzmittel nicht nur für Kriegs- und Vernichtungswerkzeuge, sondern auch für Aufgaben des friedlichen wirtschaftlichen, sozialen Aufbaues zur Verfügung hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Da helfen keine großen Worte, und hier ist wirklich — ich sage das ganz ernsthaft, und ich meine es so — eine große Chance. Wir wissen, wie viele junge Menschen bei uns in Deutschland kein Verhältnis zur demokratischen Staatsform und zur demokratischen Staatsordnung haben, weil sie auch kein Gespür dafür bekommen, daß hier wirklich etwas aufgebaut wird, wofür sich der Einsatz eines jungen Menschen lohnt. Hier hätten Sie die Aufgabe, diesen gegenüber der Demokratie weitgehend skeptischen jungen Leuten den Glauben an die Leistungsfähigkeit der Demokratie zu stärken.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage und zur Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auf Drucksache 1327 hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde zunächst die einzelnen Fragen der Großen Anfrage der SPD beantworten und dann im einzelnen zu den Argumenten meines Herrn Vorredners Stellung nehmen. Selbstverständlich behalte ich mir vor, auch noch in die Debatte einzugreifen.
    Frage 1 lautet:
    Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß ihre Aufgabe sich im wesentlichen darin erschöpft, eingetretene soziale Schäden zu beseitigen? Oder teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß ihre Hauptaufgabe darin besteht, Krisenerscheinungen und damit soziale Not-



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    stände durch wirtschaftliche Maßnahmen vorbeugend zu verhindern? Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Heizölsteuer eine wirksame Maßnahme zur Beseitigung der Kohlenkrise ist?
    Meine Damen und Herren! Schon in den einleitenden Sätzen der Großen Anfrage wird von der SPD durch die Art der Formulierung unterstellt, daß die Maßnahmen der Bundesregierung nichts anderem als der Beseitigung der sozialen Folgen der Kohlenkrise dienen sollen. Ich möchte hierzu eindeutig klarstellen, daß die Bundesregierung keineswegs ihre Aufgabe darin erschöpft sieht. Die Bundesregierung betrachtet es selbstverständlich als ihre Pflicht, im Zusammenwirken mit den eigenen Anstrengungen der Wirtschaft die Kohlenkrise dauerhaft zu beheben und damit soziale Schwierigkeiten in der Zukunft überhaupt zu vermeiden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die von der Bundesregierung beschlossenen sozialen Maßnahmen zugunsten der Bergarbeiter sollen die Voraussetzungen dafür schaffen, daß die Rationalisierung im Bergbau ohne soziale Härten durchgeführt werden kann. Diese sozialen Maßnahmen sind damit ein konstruktiver Bestandteil einer Politik, die insgesamt darauf abgestellt ist, die Anpassung des Bergbaus an die veränderte Energiemarktlage zu ermöglichen.
    Im übrigen hat sich die Bundesregierung keineswegs mit sozialen Maßnahmen auf dem Energiegebiet begnügt. Der im Februar dieses Jahres eingeführte Kohlenzoll von 20 DM je Tonne hat in Verbindung mit dem im September 1958 eingeführten Genehmigungszwang für neue Kohleneinfuhrkontrakte in verhältnismäßig kurzer Zeit seine Wirksamkeit voll unter Beweis gestellt, eine Entwicklung, die Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, damals bezweifelt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Kohleneinfuhr aus Ländern außerhalb der Montanunion wird in diesem Jahr nur noch 5 bis 6 Millionen Tonnen betragen gegenüber 13 Millionen Tonnen im Vorjahre und gegenüber 17 Millionen Tonnen im Jahre 1957.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Das zu Anfang dieses Jahres zustande gekommene Öl-Kartell hat gezeigt, daß die Außenseiter in rasch zunehmendem Maße den Kartellpreis von 88 DM je Tonne bei schwerem Heizöl mit Preisen von 58 bis 72 DM zu unterbieten in der Lage waren. Rechnet man diese Preise auf vergleichbare Heizwertbasis für Steinkohle um, so hätte dem ein Steinkohlenpreis von 40 bis 50 DM entsprechen müssen, während der tatsächliche Ab-Zeche-Preis für die gängigsten Steinkohlensorten etwa 66 DM beträgt. Die großen Ölgesellschaften kündigten aus Besorgnis über das Vordringen der Außenseiter im August dieses Jahres das Kartell.
    Diese Entwicklung machte die Reaktion des Bergbaus, aber auch der Bundesregierung verständlich, an Stelle des Ölkartells eine wirksamere Beeinflussung des Heizölangebots zu suchen. Eine Reihe der hierzu erwogenen Maßnahmen mußten aus innerrechtlichen Gründen oder wegen der von der Bundesrepublik eingegangenen internationalen vertraglichen Verpflichtungen aus dem Bereich des praktisch Möglichen ausscheiden. Andere Maß nahmen kamen mangels der notwendigen Kontrollmöglichkeiten nicht in Frage oder weil sie in einen undiskutablen Energiedirigismus hineingeführt hätten. Auch das verschiedentlich vorgeschlagene Zwangskartell für Heizöl erwies sich bei näherer Prüfung, ungeachtet starker wirtschaftspolitischer und moralischer Bedenken, als rechtlich unzulässig und daher undurchführbar. Für die Heizölsteuer bestehen diese Schwierigkeiten nicht.
    Damit komme ich zur Beantwortung des letzten Teils der Frage 1, der Frage nach der Wirksamkeit der Heizölsteuer. Ich möchte noch einmal wiederholen: Der eben von mir mit einigen Zahlen gekennzeichnete verstärkte Wettbewerbsdruck des Heizöls, und zwar angesichts der Kohlenhalden von 17 Millionen Tonnen, des Ausmaßes von Feierschichten, aber auch angesichts der von den Unternehmen eingeleiteten eigenen Anstrengungen zur Anpassung, mußte — versetzen Sie sich einmal in die Lage der Bergarbeiter oder der Bergwerksunternehmer! — stark beunruhigend und geradezu entmutigend wirken. Wo lag noch der Sinn eines für den Bergbau kostspieligen, aber auch wirtschaftspolitisch schwierigen starken Zurückdrängens der Kohleneinfuhr, wenn gleichzeitig der angestrebte Absatzgewinn für die heimische Kohle an das Heizöl wieder verloren zu gehen droht?
    Aber es war nicht nur die wachsende Unzufriedenheit, daß Angehörige eines besonders schweren Berufes inmitten einer glänzenden Konjunktur ihre Lohntüten schmaler werden sahen, es war nicht nur jene für eine mit allen Mitteln arbeitende Ostpropaganda anfällige Unruhestimmung, sondern es war auch jene gefährliche Erscheinung, daß die jüngeren Arbeitskräfte aus dem Gefühl der Unsicherheit dem Bergbau den Rücken kehrten, um woanders unterzukommen.
    Ich kann es ruhig aussprechen, auch gerade gegenüber der SPD, daß die Heizölsteuer gleichzeitig eine politische Maßnahme ist. Sie soll einen wesentlichen Beitrag zu einer Beruhigung im Ruhrrevier bringen, an der der Oppositon nicht minder gelegen sein sollte als der Bundesregierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie soll gleichzeitig den Bergbau ermutigen und anspornen, selbst alle Kräfte daranzusetzen, sich anzupassen, um in einem angemessenen Zeitraum seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den konkurrierenden Energieträgern zu stärken.
    Die vorgeschlagene Heizölsteuer soll nach zwei Seiten wirken. Sie soll einmal das Vordringen des Heizöls durch eine Belastung verlangsamen. Andererseits ist vorgesehen, das Aufkommen aus der Heizölsteuer für Maßnahmen zur Anpassung des Steinkohlenbergbaus und der Wirtschaftsstruktur der Steinkohlengebiete an die veränderte Lage auf dem Energiemarkt, insbesondere zur Vermeidung



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    sozialer Härten, zu verwenden. Es wird entscheidend darauf ankommen, daß der Bergbau die Verpflichtung erkennt, die ihm diese Hilfe auferlegt.
    Die Kohlenkrise kann letztlich nicht beim 01 und vom 01 und bei der Einfuhrkohle gelöst werden, sie muß vom Bergbau selbst gelöst werden. Die Heizölsteuer und der Kohlenzoll haben nur dann einen Sinn und können nur dann wirtschaftspolitisch verantwortet werden, wenn der Bergbau die ihm zugestandene Anpassungsfrist voll nutzt. Die Bundesregierung wird ihrerseits die Bedingungen des Wettbewerbs zwischen den einzelnen Energieträgern sorgfältig zu überprüfen haben.
    Ich weiß, daß gerade in dem wichtigen Punkte der eigenen Anstrengungen des Bergbaus bei vielen Skepsis herrscht. Ich hege hierzu große Erwartungen. Als Ergebnis der bisherigen Anstrengungen des Bergbaus ist die Schichtleistung beträchtlich gestiegen, und zwar an der Ruhr binnen Jahresfrist um nicht weniger als 280 kg auf fast 2 Tonnen. Ich kann Ihnen sagen, daß am 1. Januar 1958 die Schichtleistung auf 1600 kg stand, und nach den letzten Meldungen hat sie bereits 2 t überschritten. Dies scheint mir der richtige Weg. Hier geht es genau um das, was ich schon in dien Kohlendebatten der Jahre 1956 und 1957 gesagt habe, nämlich um eine nachhaltige Senkung der Kosten, die es im Zuge einer längerfristigen Entwicklung gestatten wird, die Kohlenpreise auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu bringen. Ich bin davon unterrichtet, daß der \\Bergbau dabei ist, die Aufgabe der strukturellen Bereinigung durch Ausschaltung unwirtschaftlicher Zechen, durch Zusammenlegung und Rationalisierung mit großem Nachdruck fortzuführen. Der Bergbau hat, wie der Vorsitzende des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau auf dem Steinkohlentag vorige Woche wörtlich erklärte, den Zwang zur Rationalisierung rerkannt. Bei der Bereitschaft zur Durchführung der Rationalisierung wirkt mit — das möchte ich erneut betonen —, daß die Beschlüsse des Bundeskabinetts und dier Hohen Behörde die entscheidende Vorbedingung auf sozialem Gebiet geschaffen haben. Ich glaube erwarten zu können, daß der Bergbau sehr bald weitere Taten folgen lassen wird.
    Ich komme nun zur Beantwortung der Frage 2:
    Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Investitionspolitik der Mineralölkonzerne volkswirtschaftlich vertretbar ist? Wenn nein, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um zu erreichen, daß sich diese Investitionen in einem volkswirtschaftlich vertretbaren Rahmen halten?
    In einer Marktwirtschaft, die auf dem Grundprinzip des Wettbewerbs beruht, ist es der Unternehmer, der die Marktchancen sorgfälig abzuwägen, danach die Dimensionierung des Produktionsapparates zu bestimmen und dementsprechend über Art und Umfang der Investitionen zu entscheiden hat. Auch der Ausbau der Raffineriekapazitäten in der Bundesrepublik steht unter dieser Unternehmerverantwortung. Unter den Gesichtspunkten einer volkswirtschaftlichen Beurteilung ist festzustellen, daß die
    Entwicklung der Raffineriekapazitäten einer steigenden Entwicklung des Verbrauchs folgt. Das trifft insbesondere auch für die Erhöhung ides Heizölausstoßes zu. Der zu erwartenden Zunahme ides Heizölverbrauchs tragen die Mineralölfirmen bei Raffinerieneubauten auch dadurch Rechnung, daß die Kapazitäten auf einen immer größeren Heizölanteil an der gesamten Produktion ausgerichtet werden. Von einer Überkapazität kann so lange keine Rede sein, als zur Deckung ides Bedarfs noch erhebliche Heizölmengen eingeführt werden müssen. Obwohl 1958 der Heizölanteil an der Gesamterzeugung von Mineralölprodukten schon rund 31% betrug, reichte diese Produktion zur Bedarfsdeckung nicht aus; eis wurden noch 4,3 Millionen Tonnen Heizöl — das sind in Steinkohleneinheiten 6,1 Millionen Tonnen — eingeführt. Trotz der Inbetriebnahme neuer Raffinerien in diesem Jahr ist die Heizöleinfuhr im ersten Halbjahr 1959 gegenüber dem Vorjahreszeitraum nahezu auf gleicher Höhe geblieben.
    Ich brauche nicht zu betonen, daß in einem hochindustrialisierten Land das wirtschaftspolitische Interesse darauf gerichtet ist, Verarbeitungs- und Veredelungsvorgänge im Inland zu haben und nicht in idas Ausland abzudrängen. Unter diesem Gesichtspunkt erhebt die Bundesregierung keine Einwendungen gegen die bisherigen Investitionen der Mineralölindustrie.

    (Abg. Dr. Deist: Hört! Hört!)

    Es erscheint volkswirtschaftlich durchaus vertretbar, wenn ein Industriezweig die investitionspolitischen Voraussetzungen schafft, um einen billigen Energieträger wie das Heizöl auf den deutschen Markt zu bringen. Selbstverständlich liegt es auch im Interesse der Mineralölindustrie selbst, bei ihrer Investitionspolitik das Ausmaß der nicht zuletzt sozialpolitisch bestimmten Anpassungsfähigkeit des Steinkohlenbergbaus zu berücksichtigen. Die Bundesregierung kann, wie es der von ihr vorgelegte Gesetzentwurf zeigt, einer anders gearteten Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Ich glaube, davon ausgehen zu können, daß die Notwendigkeit derartiger Anpassungsmaßnahmen auf die Dispositionen der Mineralölindustrie insgesamt nicht ohne Rückwirkung bleiben wird. Je sorgfältiger alle beteiligten Wirtschaftskreise die konkrete Energiesituation in ihre Überlegungen einbeziehen, um so reibungsloser wird diese strukturelle Verlagerung vor sich gehen können. Dagegen müßte eine unmittelbare Beschränkung der Investitionen heute als völlig verfehlt erscheinen. Die Nachfrage nach Heizöl würde hiervon nicht berührt werden. Die Einfuhren würden entsprechend ansteigen. Es zeigt sich also, daß eine Investitionsbeschränkung nur wirksam werden könnte, wenn sie von einer Beschränkung der Einfuhren begleitet wäre. Dem stehen nicht nur erhebliche wirtschafts- und handelspolitische Bedenken entgegen, sondern auch Bestimmungen des EWG-Vertrages. Holland und Italien treten z. B. schon jetzt in großem Umfang als Exporteure von Heizöl in die Bundesrepublik auf. Frankreich befindet sich im Hinblick auf das Sahara-Öl in der gleichen Interessenlage.



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard Die Frage 3 lautet:
    Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für eine Preissenkung insbesondere bei den Kohlensorten, die im Wettbewerb mit Heizöl stehen? Hat die Bundesregierung eine ausreichende Übersicht über die tatsächliche Kosten- und Ertragslage des Kohlenbergbaus?
    Ich nehme dazu wie folgt Stellung. Der deutsche Bergbau hat inzwischen schon die ersten Schritte unternommen, um seine Verkaufspreise an die veränderten Wettbewerbsbedingungen, insbesondere an die verstärkte Konkurrenz des Heizöls anzupassen. So hat der Ruhrbergbau am 1. April d. J. die Listenpreise der Kohlenarten, die unter besonders starkem Wettbewerbsdruck des Heizöls stehen, nämlich der Gasflammkohle und eines Teils der Esskohlennüsse, nicht unwesentlich, und zwar um 3 bzw. 8%, gesenkt. Bei den übrigen Kohlenarten und -sorten wurden die Preise nicht generell herabgesetzt, jedoch hat der Ruhrbergbau in verstärktem Maß auf die Listenpreise Rabatte gewährt. Zu erwähnen sind hier insbesondere die gegenüber der bisherigen Regelung erhöhten Sommerrabatte bis zu 6 DM je Tonne, die vor allem auch der Hausbrandkohle und dem Brechkoks zugute kamen. Ferner werden gewährt: Prämien beim Abschluß langfristiger Verträge und Abnahme von jährlich mehr als 50 000 t, Gleichmäßigkeitsprämien von 5 DM pro Tonne für den Kohleneinzelhandel und schließlich Mengenrabatte von 10% des Listenpreises für Mengen, die über die im Vorjahr bezogenen hinausgehen. Außerdem möchte ich noch darauf hinweisen, daß auch die Exportpreise gesenkt wurden.
    Der Bergbau stellt gegenwärtig ernsthafte Überlegungen über eine marktgerechtere Gestaltung seines Preisfächers an. Der Bergbau sollte in diesem Zusammenhang dafür sorgen, das Vertriebssystem der Kohle der veränderten Lage am Energiemarkt anzupassen. Ich bin der Meinung, daß in der Rationalisierung des Kohlenverkaufs noch erhebliche Möglichkeiten einer Verbilligung der Kohle für den Verbraucher liegen.
    Andererseits kann der Bergbau bei seiner Preispolitik die langfristige Entwicklung seiner Produktionskosten nicht außer acht lassen. Es wäre jedoch falsch und verhängnisvoll, wenn man die Entwicklung der Selbstkosten als zwangsläufig und naturgegeben hinnehmen würde. Diese Entwicklung ist vielmehr wesentlich eine Aufgabe unternehmerischer Gestaltung. Ich verkenne allerdings nicht, daß diese Aufgabe im Bergbau wesentlich schwieriger als in anderen Wirtschaftszweigen ist, weil die naturbedingte Lagerung und Mächtigkeit der Kohlenflöze für die Kostengestaltung von größter Bedeutung ist. Auch für den Bergbau gilt der Grundsatz, daß die Kosten auf die Dauer nicht die auf dem Markt erzielbaren Erlöse übersteigen dürfen.
    Die SPD fragt, ob die Bundesregierung eine ausreichende Ubersicht über die tatsächliche Kosten-und Ertragslage des Kohlenbergbaus besitzt. Ich kann darauf antworten, daß die Bundesregierung eine ausreichende Übersicht über die Entwicklung der Hauptdaten in dieser Beziehung besitzt, so daß sie in der Lage ist, sich ein Gesamturteil bilden zu
    können. Im übrigen wird die vom Bundestage beschlossene Energienenquete uns wichtige Ergebnisse zur Kostengestaltung des Bergbaues, aber, so hoffe ich vor allem, auch über das Verhältnis der verschiedenen Kostentrends in der Energiewirtschaft bringen.
    Nun komme ich zur Frage 4:
    Die Ankündigung von Stillegungen und der Entlassung von rd. 100 000 Bergarbeitern hat dazu geführt, daß insbesondere junge Bergarbeiter und gelernte Fachkräfte, die in den letzten Jahren mit Hilfe umfangreicher öffentlicher Mittel — z. B. Bergmannsprämie — für den Bergbau gewonnen wurden, wieder abwandern. Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um dieser Entwicklung zu begegnen?
    Seit Februar 1958, als die Krise begann, bis Ende Oktober 1959 hat sich die Belegschaft des Bergbaus — ohne Saar — um rd. 67 000 Mann oder um über 130/o verringert, ohne daß es deshalb zu Stauungen oder Spannungen auf dem Arbeitsmarkt gekommen wäre. Hier zeigt sich mit Deutlichkeit, daß die vielgestaltige Wirtschaft der Bundesrepublik durchaus in der Lage ist, auch insoweit mit Strukturveränderungen und Verschiebungen im Wirtschaftsgefüge fertig zu werden. Es ist allerdings richtig, daß ein sehr hoher Prozentsatz dieser Belegschaftsverringerung im Bergbau gerade auf jüngere und besonders leistungsfähige Arbeitskräfte entfiel. Dies war ein Tatbestand, der auch die Bundesregierung mit Sorge erfüllt hat; denn hierdurch wird zweifellos die Leistungsfähigkeit des gesamten Bergbaus für die Zukunft beinträchtigt. Die Gründe für diese Abwanderung dürften nicht zuletzt in den Feierschichten zu suchen sein, die eine Minderung des Arbeitsverdienstes bedeuten und daher gerade junge Arbeiter und Spezialkräfte veranlassen, den Arbeitsplatz zu wechseln. Soll hier Wandel geschaffen werden, so kommt es in erster Linie darauf an, die Feierschichten zu vermindern. In dieser Beziehung ist in den letzten Wochen, das möchte ich besonders betonen, eine beachtliche Wendung zum Besseren eingetreten. Während die 117 Schachtanlagen des Ruhrbergbaus im März d. J. insgesamt noch 246 Feierschichten oder rund 2 Feierschichten je Belegschaftsmitglied verfahren mußten, hat sich die Zahl der Feierschichten im Oktober auf 30 oder rund 0,2 je Kopf der Belegschaft vermindert.
    Ich will nicht behaupten, daß es in Zukunft keine Feierschichten mehr geben wird. Ich hoffe jedoch, daß sie sich auch in den kommenden Monaten in engen Grenzen halten werden. Aufhören werden sie endgültig erst, wenn durch die Stillegung unwirtschaftlicher Zechen, durch Teilstillegungen oder sonstige planmäßige Rationalisierungsmaßnahmen die Förderung wieder im Einklang mit dem Absatz stehen wird. Ich darf hier immerhin darauf hinweisen, daß auch der Vorsitzende der IG Bergbau, Herr Gutermuth, die Notwendigkeit der Stillegung von Zechen und Entlassung von weiteren Arbeitskräften im Kohlenbergbau durchaus anerkannt hat, und zwar in einer Größenordnung, die vielleicht noch höher liegt, als es unseren eigenen Vorstellungen entspricht.



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Bei der jetzt beabsichtigten Schließung von drei Zechen im Bochumer Revier hat Herr Gutermuth — ich weiß nicht, ob als Vorsitzender der IG Bergbau oder als Aufsichtsratsmitglied der GBAG — der Schließung nur einer Zeche zugestimmt, und zwar mit dem Hinweis, daß die Einschränkung der Kapazität oder der Förderung gleichmäßig über alle — über gute und über schlechte — Zechen verteilt werden müsse. — Eine solche Politik würde allerdings die Gesetzesvorlage völlig illusorisch machen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das würde bedeuten, daß wir die Feierschichten zu einer ewigen Institution im Bergbau zu erheben bereit wären.

    (Beifall in der Mitte.)

    Die Abwanderung der leistungsfähigen Arbeitskräfte wird aber schon dann nachlassen, wenn Klarheit über diejenigen Schachtanlagen, die stillgelegt werden müssen, und diejenigen, die unter wirtschaftlichen Bedingungen in Betrieb gehalten werden können, gewonnen ist.
    Auch hier darf ich sagen, daß der Vorsitzende der IG Bergbau ausdrücklich darauf hingewiesen hat, wie unbedingt notwendig es sei, möglichst schnell Klarheit über die zu schließenden Zechen zu gewinnen. Gerade die Ungewißheit über die Sicherheit des Arbeitsplatzes ist es ja, außer den Feierschichten, die die Bergleute zu einem Wechsel in andere Industriezweige veranlaßt. Die Entscheidung über die Stillegung liegt im konkreten Einzelfall bei den Unternehmen. Mehrere Bergwerksgesellschaften haben diese Entscheidung bereits getroffen, bei anderen dürfte sie in Kürze zu erwarten sein. Auch die Bergwerksgesellschaften müssen interessiert sein, gerade ihre jüngeren Bergleute zu halten.
    Die Maßnahmen der Bundesregierung sind insgesamt darauf gerichtet, die Anstrengungen des Bergbaus auf eine nachhaltige Verbesserung seiner Wirtschaftlichkeit zu fördern. Damit wird erreicht, daß der Bergmannsberuf auch in Zukunft für junge Menschen aussichtsreich und lohnend erscheint und deshalb seine Anziehungskraft behalten wird. Unter den sozialen Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung dient die Gewährung von Abfindungen an Bezieher von Bergmannsrenten, Knappschaftsrenten und Inhaber von Bergmannsversorgungsscheinen mittelbar dazu, Arbeitsplätze für die jungen und leistungsfähigen Bergleute zu erhalten, indem den älteren Arbeitnehmern der Entschluß zum freiwilligen, vorzeitigen Ausscheiden erleichtert wird.
    Damit komme ich zur letzten Frage; ihr erster Satz lautet:
    Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu treffen, um sicherzustellen, daß die Anpassung des Kohlenbergbaus an die veränderte Lage in der Energiewirtschaft so durchgeführt wird, daß volkswirtschaftliche Schäden und soziale Härten vermieden werden?
    Auf die volkswirtschaftliche Seite des Problems bin ich bereits mit meinen Ausführungen zur Frage 1 eingegangen. Die von der Bundesregierung vorgesehenen und inzwischen bereits angelaufenen
    sozialen Hilfsmaßnahmen sind Ihnen aus der Grundsatzerklärung des Kabinetts vom 16. September 1959 bekannt. Ich darf, um Wiederholungen zu vermeiden, hierauf verweisen und nur hinzufügen, daß mit der Hohen Behörde volles Einverständnis hinsichtlich der auf Grund von § 23 des Übergangsabkommens zum Montanunionsvertrag zu treffenden Maßnahmen erzielt wurde und daß auch mit der Arbeitsverwaltung die praktische Durchführung sowohl dieser als auch derjenigen Maßnahmen, die außerhalb des Montanunionsvertrages von der Bundesregierung getroffen werden, geregelt wurde.
    Besonders zu erwähnen ist der Härteausgleich, der den Beschäftigten des Steinkohlenbergbaus in Höhe von 75 Millionen DM gezahlt wird. Er wird gewährt für die fünfte und jede weitere in der Zeit vom 1. Februar 1958 bis zum 30. September 1959 infolge Absatzmangels entgangene Schicht. Es ist ausdrücklich abgesprochen, daß es sich um eine einmalige Regelung und eine Regelung für die Vergangenheit handelt. Künftige Feierschichten können also nicht entschädigt werden. Würde man eine solche Regelung getroffen haben, so würde dies das „Produzieren" von, Feierschichten bedeutet haben: Das kann aber nicht der Wille der Bundesregierung sein.
    Über alle diese Maßnahmen ist zwischen der Bundesregierung und den Beteiligten volles Einverständnis erzielt worden. In zahlreichen Besprechungen wurden in einer besonderen Arbeitsgruppe sowohl alle sozialen Fragen grundsätzlich als auch die Einzelheiten des Verfahrens gemeinsam durchgesprochen. Hervorheben möchte ich, daß diese Maßnahmen selbstverständlich in vollem Umfang auch dem Saarland zugute kommen werden.
    Der zweite Teil der Frage 5 heißt:
    Was geschieht, um die notwendigen Maßnahmen auf dem Gebiet der Anpassungsbeihilfen, der Arbeitsplatzvermittlung, der Schaffung neuer Arbeitsplätze und der Investitionspolitik unter Berücksichtigung der Interessen der Landesplanung, der Kommunalwirtschaft und der Arbeitnehmer zu koordinieren?
    Ich darf dazu auf folgendes hinweisen. Wenn die Bundesregierung die Durchführung der eben erwähnten Hilfsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung übertragen hat, so geschah dies mit der ausgesprochenen Absicht, die Anpassungsbeihilfen mit der Arbeitsvermittlung zu koppeln, um damit in erster Linie die Beschäftigung frei werdender Bergarbeiter auf anderen Zechen oder die Wiederbeschäftigung in anderen Wirtschaftszweigen zu sichern. Die Unternehmen sind aufgefordert worden, ihre Anpassungsmaßnahmen der Arbeitsverwaltung so rechtzeitig bekanntzugeben, daß die notwendigen Vermittlungsbemühungen schon vor der Entlassung einsetzen und Maßnahmen für erforderliche Umschulungen für andere Tätigkeiten unverzüglich eingeleitet werden können. Mit der Arbeitsvermittlung gekoppelt sind auch die Eingliederungsbeihilfen, durch die die Bereitschaft der Arbeitgeber geweckt werden soll, leistungsgeminderte, insbesondere ältere arbeitslose Bergarbeiter einzustellen.



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Darüber hinaus soll durch die Gewährung von Darlehen Betrieben, die ihre Kapazität erweitern können oder müssen, ein Anreiz gegeben werden, zusätzliche Arbeitsplätze für schwer zu vermittelnde Arbeitnehmer zu schaffen.
    Die Bundesregierung hat erklärt, daß sie bei der Vorbereitung und Durchführung aller Maßnahmen auf ein enges Zusammenwirken mit allen zuständigen Stellen, auch mit dem Land Nordrhein-Westfalen, besonders bedacht sein wird, und sie hat auch bisher danach gehandelt. Die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen hat die gleiche Bereitschaft bestätigt, in schneller Zusammenarbeit mit der Bundesregierung dafür zu sorgen, daß wirksame Hilfe geleistet wird. Alle nachgeordneten Stellen sind angewiesen, in diesem Sinn zu arbeiten. Die Regierung des Saarlandes setzt sich in gleicher Weise ein.
    Auf Veranlassung des Bundesministeriums für Wirtschaft ist beim Ruhrsiedlungsverband eine Arbeitsgruppe gebildet worden, die die Frage untersuchen soll, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, wenn diese oder jene Schachtanlage stillgelegt wird. Der Ruhrsiedlungsverband, der in enger Fühlung mit allen beteiligten Stellen des Reviers steht, erschien als koordinierende Stelle deshalb besonders geeignet, weil er sich bereits seit Jahren mit den Auswirkungen von Zechenstilllegungen beschäftigt, nicht nur unter dem Blickpunkt der gegenwärtigen Absatzkrise, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der naturbedingten Wanderung des Ruhrbergbaus nach Norden. Diese Entwicklung wird durch die gegenwärtige Absatzkrise zum Teil nur vorweggenommen.
    Welche Maßnahmen im einzelnen getroffen werden müssen, ob etwa die Unterbringung der bei Stillegung entlassenen Bergleute auf Nachbarschachtanlagen möglich ist, ob dazu neue Verkehrsverbindungen eingerichtet oder gegebenenfalls auch Ersatzindustrien angesiedelt werden müssen, hängt selbstverständlich von der Lage des Einzelfalles ab. Es kann — hier bin ich mit Ihnen, Herr Dr. Deist, einer Meinung — natürlich nicht die Absicht der Bundesregierung sein, die industrielle Ballung in Nordrhein-Westfalen noch weiter zu verstärken. Sie können aber versichert sein, daß alle nötigen Maßnahmen getroffen werden. Verhältnisse, wie sie in den zwanziger Jahren eintraten, wo zahlreiche Zechenstillegungen am Südrand des Ruhrreviers zu großer Arbeitslosigkeit unter der dortigen Bevölkerung und als Folge davon zu Abwanderungen und zu großen Schwierigkeiten ganzer Gemeinden führten, werden sich mit Sicherheit nicht wiederholen.
    Damit habe ich die Anfrage behandelt; aber nun möchte ich zu den Ausführungen und Argumentationen und auch zu einigen Redewendungen von Herrn Deist Stellung nehmen.
    Er behauptete, erst die Demonstrationen hätten die Bundesregierung veranlaßt, an soziale Hilfsmaßnahmen, an den Ausgleich sozialer Härten zu denken. Das ist objektiv unrichtig.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Denn als die Krönung dieser Demonstrationen, die
    Schlußapotheose in Bonn, erfolgte — dabei will
    ich den Arbeitern und der Gewerkschaft das gute Recht der Demonstration gewiß nicht bestreiten —, da war materiell bereits alles in bester Ordnung. Die Demonstration war, so gesehen, so überflüssig wie ein Kropf.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei der FDP.)

    Wir haben auch in der Montanunion sozialen Hilfen nicht widersprochen; wir wollten lediglich, daß sie nicht für 43 Jahre verankert werden, weil wir — um eine weitere Frage von Ihnen zu beantworten — trotz dieses sozialen Härteausgleichs für die Ruhr wegen strukturbedingter Veränderungen nicht die Absicht haben, unsere Sozial- und Wirtschaftspolitik im Grundsatz zu ändern.
    Dann sprachen Sie von einer „Hysterie", von einer „Dramatisierung". Mir ist davon, jedenfalls bei mir oder im Regierungslager und auch unter den Koalitionsparteien, nichts bekannt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Presse!)

    Wer hat denn eigentlich die Schlagworte von „Katastrophe" und „Chaos an der Ruhr" erfunden? Doch nicht wir;

    (zur SPD gewandt)

    das waren doch Sie, meine Damen und Herren!

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei der FDP.)

    Auch bei der Behandlung dieser Materie im Bundestag haben doch gerade Sie die Lage im Kohlenbergbau immer dramatisiert. Sie waren es, Herr Dr. Deist, der gesagt hat, Sie kennten Leute, die im Bett Liegen müßten, weil sie keine Kohle bekämen.

    (Abg. Dr. Deist: Das gab es auch!)

    Ich darf Ihnen mal einiges vorlesen, um zu zeigen, wer die Lage richtig gesehen hat. Herr Dr. Bleiß hat z. B. am 29. November 1956 von einer auf Jahre hinaus bestehenden echten Unterversorgung mit deutscher Kohle gesprochen,

    (Heiterkeit und Hört! Hört! bei den Regierungsparteien)

    zu einer Zeit, in der wir schon darauf hingewiesen haben, daß es notwendig ist, die deutsche Kohle mehr und mehr in den Wettbewerb mit anderen Energieträgern zu stellen, weil wir immerhin im Trend die Entwicklung vorausgesehen haben.

    (Abg. Dr. Deist: Warum haben Sie die Einfuhrverträge gemacht?)

    — Ich habe die Einfuhrverträge nicht ,gemacht, aber ich habe dafür gesorgt, daß sie herunterkommen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Herr Dr. Deist, ich darf daran erinnern, daß wir
    in der Spitze Kohlenkontrakte — d. h. Einfuhrverträge für Lieferungen aus den Vereinigten
    Staten von Amerika — von 44 Millionen t vorliegen hatten. Wir haben da nicht schon am 1. Januar 1958 ,eingreifen können, als noch keine Kohle
    auf Halde lag. Hier bestanden internationale Bin-



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    dungen und Vereinbarungen, und unsere Politik war dabei loyal gegenüber unseren Partnern. Es war schon bedenklich genug, daß wir im Herbst 1958 den Stopp für den Abschluß neuer Kontrakte verfügten und dann schließlich dm Dezember in die schon genehmigte Einfuhr aus dritten Ländern eingriffen. Das ist auch ,eine Leistung, daß wir diese 44 Millionen t auf jetzt unter 12 Millionen t, lieferbar in zwei Jahren, reduziert haben, was in etwa den zollfreien Kontingenten entspricht.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) Wer also gehandelt hat, das waren Sie,


    (Zuruf von der SPD: Sehr richtig! und Heiterkeit bei der SPD)

    — das waren nicht Sie,

    (Zurufe.)

    — Ja, S i e haben auch gehandelt, nur verkehrt!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Widerspruch bei der SPD.)

    Ich darf Sie aber selber zitieren, Herr Dr. Deist. Sie haben nach einer Veröffentlichung der Pressestelle der SPD-Bundestagsfraktion am 19. August 1957 ausgeführt, daß die strukturell knappe Energieversorgung und die ständigen Energieeinfuhren eine grandiose Steigerung der heimischen Steinkohlenförderung notwendig machten. Es heißt wörtlich:
    Die Pläne, innerhalb von 20 Jahren zusätzlich 40 Millionen t heimischer Steinkohle zu fördern, sind nur durchzuführen, wenn 10 bis 15 moderne Schachtanlagen auf grüner Wiese errichtet werden.

    (Hört! Hört! rechts.)

    Sie erfordern einen Kapitalaufwand von mindestens 7 bis 8 Milliarden DM, der durch die Unternehmungen selbst oder über den Kapitalmarkt einfach nicht aufzubringen ist. Hier sind öffentliche Mittel und andere öffentliche Stützungsmaßnahmen in größtem Umfange erforderlich.

    (Zuruf des Abg. Dr. Deist.)

    — Ich habe ja wohl das Recht, Ihnen zu antworten, nachdem Sie mich in einem Schwarzbuch so liebenswürdig angesprochen haben.

    (Heiterkeit.)

    Ich kann nur sagen: welches Glück hat die deutsche Volkswirtschaft, daß seinerzeit nicht Sie und die SPD an der Regierung waren!

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Welche Fehlinvestitionen wären dann vorgekommen, und wieviel Geld wäre zu Lasten des deutschen Steuerzahlers vertan und verschwendet worden!

    (Erneuter Beifall in der Mitte und rechts.)

    Wie paßt das, was Sie seinerzeit gesagt haben — und Sie hören ja auf energiewirtschaftlichem Gebiet immer das Gras wachsen —, mit dem zusammen, was Sie jetzt über die Ausweitung des Ölverbrauchs gesagt haben?
    Sie meinen, die Heizölsteuer sei unwirksam. Ich habe nie behauptet — ich möchte das hier klarstellen —, daß die Heizölsteuer dem Zweck dient, den Ölverbrauch zu senken oder den Kohleverbrauch zu steigern. Mir genügt es vollkommen, wenn der Zuwachs an Ölverbrauch in überschaubaren Grenzen und Dimensionen gehalten werden wird. Wenn wir diesen Vorgang einer überschaubaren Reduktion der Kohleförderung, vor allen Dingen durch die Stillegung schlechter und unwirtschaftlicher Zechen, in etwa kanalisieren können, dann hat die Heizölsteuer ihre Wirkung getan.
    Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Diejenigen, die es eigentlich am besten wissen sollten, nämlich die Kohle selbst — und zwar die Unternehmer und die Gewerkschaften — haben wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß, gleichgültig wie man sonst die Steuer beurteilen mag — eine Steuer ist natürlich nie besonders populär —, nach ihrer Meinung dem Problem damit doch in etwa wirksam wird begegnet werden können. Herr Dr. Deist behauptet das Gegenteil: niemand soll es glauben!
    Auch Ihr Gedanke, das Öl zu entschwefeln, ist nicht neu. Wir befassen uns damit, und ich gebe zu: wenn das gelingen sollte — aber das schiene mir dann angesichts der Pipelines über die Grenzen auf europäischer Ebene notwendig zu sein —, würde die Heizölsteuer insoweit überflüssig werden, da diese Kosten sich tatsächlich auf etwa 30 DM je Tonne belaufen. Aber das geschieht auch nicht von heute auf morgen. Ich bin jedoch überzeugt, daß bis die Heizölsteuer ausläuft, dieses Anliegen auf europäischer Ebene gelöst sein kann; dann stehen wir vor einer grundsätzlich anderen Situation.
    Mit der Frage, ob die Ölpreise steigen oder sinken werden, hängt natürlich auch die Beurteilung zusammen, ob die Heizölsteuer wirksam sein kann. Dazu muß ich zuerst einmal sagen: In keinem anderen europäischen Land sind die Ölpreise so heruntergedrückt, um nicht zu sagen: heruntergewirtschaftet worden wie bei uns in der Bundesrepublik. In allen anderen Ländern werden auch Zölle erhoben. Im übrigen haben wir ebenfalls bis zum Jahre 1953 eine Steuer von 10 DM und bis 1956 einen Zoll von 15 DM erhoben. Wir haben dann zuerst die Steuer und im Jahre 1956 den Zoll gestrichen. Das heißt, das 01 war bei uns mit 25 DM belastet. Ich habe damals aber niemanden gehört, der gesagt hätte, das sei ein untragbarer oder unzumutbarer Zustand.
    Wenn wir jetzt mit einer Steuer eingreifen, tun wir es deshalb, weil uns wegen der Bindung im EWG-Vertrag die Erhebung von Zoll nicht möglich ist. In der sozialen Wirkung bedeuten aber Steuer und Zoll praktisch genau das gleiche. Im übrigen kann ich auch nicht sagen, ob die Ölpreise steigen oder sinken werden. Darüber kann man durchaus verschiedener Meinung sein. Allerdings wissen wir ja, daß der Ölpreis kein reiner Marktpreis ist, sondern sehr stark der Strategie der größeren Mächte, der Oligopolisten, unterliegt.

    (Abg. Dr. Deist: Sehr richtig!)




    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Darum kann es auch sehr wohl sein, daß ein Teil dieser Steuer nicht vom Verbraucher, sondern vom Verkäufer getragen wird. Hinsichtlich der Größenordnung gibt es zweifellos einige offene Fragen, aber das kann uns ja nicht hindern, etwas zu tun. Wir können die Wirkung nicht exakt auf Mark und Pfennig genau voraussagen. Aber was hätte eine Marktwirtschaft überhaupt für einen Sinn, wenn eine Steuer von 30 DM sozusagen geräuschlos untergehen könnte. So liegen die Dinge ja auch nicht.
    Sie wissen dazu, daß das 01 keinen Kostenpreis im üblichen Sinne hat; denn es ist ein Kuppelprodukt.

    (Abg. Dr. Deist: Sehr richtig!)

    Die Raffinerien können sehr variieren zwischen Benzin, Dieselkraftstoff und Heizöl. Insofern ist also der Ölpreis eine schwankende Größe. Immerhin ist der Ölpreis, wie er sich in den anderen europäischen Ländern abzüglich des Zolls gestaltet, ein Beweis dafür, daß auf dem deutschen Markt eine ganz bewußte Strategie getrieben worden ist, nämlich ein Dumping, und es ist ein legales Anliegen, wenn sich eine Volkswirtschaft gegen offenkundiges Dumping zur Wehr setzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Im übrigen bin ich der Meinung, wir müssen zugleich den Boden für eine europäische Lösung bereiten. Deshalb muß uns auch daran liegen, daß die deutsche Kohle bei den Auseinandersetzungen, die ganz bestimmt nicht leicht sein werden, und bei dem zu treffenden Übereinkommen als deutscher Beitrag zu einer europäischen Energieversorgung eine starke Schachfigur im Spiele bleibt. Das kann nur durch einen gesunden Kohlenbergbau geschehen, den wir von den Unwirtschaftlichkeiten bereinigen, die heute noch die Kohlenwirtschaft belasten.
    Sie sprachen von den Raffineriekapazitäten. Die Zahlen, die hier genannt worden sind, beruhen auf Meldungen der großen Ölgesellschaften. Inzwischen sind der Ölverbrauch und die Nachfrage nach 01 weiter angestiegen. Selbstverständlich hat das die Gesellschaften veranlaßt, ihre Raffineriekapazitäten auszuweiten. Man sollte sich aber von diesen Ziffern der Raffineriekapazitäten auch nicht übermäßig blenden lassen; denn einmal kann man im Durchschnitt nur mit einer 80%igen Ausnutzung dieser Kapazitäten rechnen, und zum anderen ist das ja nicht alles Heizöl. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, daß die Raffinerien nur zu etwa 30 % Heizöl ausspeien.

    (Abg. Dr. Deist: Das ist doch unzutreffend!)

    Von einer Investitionspolitik für die Raffinerien halte ich auch deshalb nichts, weil es im Gemeinsamen Markt zum Schluß nicht darauf ankommen wird, wo die Raffinerien errichtet werden, entweder rund um uns herum — in Frankreich, in Belgien, in Holland und in Italien — oder bei uns selbst. Wir sollten uns aus guten volkswirtschaftlichen Gründen hier nicht desinteressiert zeigen und hinsichtlich der Energie- und der Ölpolitik nicht andere Maße anwenden, als sie in den anderen europäischen Ländern angewendet werden.
    Im übrigen scheint mir in Ihren Ausführungen ein gewisser Widerspruch zu liegen. Auf der einen Seite sagten Sie — und Sie haben es auch heute wieder angedeutet: Man sollte oder müßte vielleicht die Kohlenproduktion noch weiter steigern; auf der anderen Seite weisen Sie darauf hin, daß die Ölpreise wahrscheinlich sinken und trotz der Steuer die Kohle praktisch in eine hoffnungslose Position bringen werden. Was ist nun eigentlich richtig? Rechnen Sie mit dem Vordringen des Heizöls? Wollen Sie den deutschen Verbraucher durch das billigere Heizöl auf die Dauer entlasten? Ich bin durchaus der Meinung: ja, das sollten wir tun. Aber dann möchte ich dabei die Kohle nicht absterben lassen, sondern ich möchte nur gesunde und rationell geförderte Kohle in Deutschland haben, die im Wettbewerb mit dem 01 bestehen kann.
    Wir werden also gar nicht darauf verzichten können, weitere Zechen stillzulegen und zu einer weiteren Verkürzung der Beschäftigtenzahl zu gelangen. Wann sollten wir denn eigentlich diesen Prozeß bei der Kohle durchführen, wenn nicht im Zeichen einer Hochkonjunktur, die alle Kräfte aufzusaugen in der Lage ist und die uns unter Umständen auch an eine wirksame Lösung des Problems der industriellen Ballungsräume heranführt?!
    Also nur über Kosten- und Preissenkungen auch bei der Kohle kann, zusammen mit einer von uns mit steuerlichen Mitteln oder später vielleicht auch mit Zöllen betriebenen Herstellung einer angenäherten Wettbewerbsgleichheit, die Zukunft der deutschen Kohle gesichert werden.
    Die Zahl jener hunderttausend Bergleute, die immer noch im Raume steht, habe ich niemals genannt. Wer die hunderttausend Mann erfunden hat,

    (Zuruf von der SPD: Herr Burckhardt!)

    die vom Kohlenbergbau abwandern müssen, weiß ich nicht. Jedenfalls stammt diese Angabe auf gar keinen Fall von uns.

    (Zuruf von der SPD: Objektiv falsch!)

    Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem Bundesbeauftragten sagen. Sie wissen, daß eine solche Institution zu den Methoden kollektivistischer, totalitärer Staaten gehört.

    (Zurufe von der SPD: Buh!)

    Wenn sie nicht mehr weiter wissen, dann arbeiten
    sie mit Kommissaren und Räten. Wenn einer
    keinen Rat mehr weiß, dann setzt er einen Rat ein.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Im übrigen scheint mir dieser Vorschlag auch sonst
    äußerst problematisch zu sein. Was soll dieser
    Kohlekommissar oder Kohlebeauftragte machen?
    Wir unterhalten uns die ganze Zeit darüber —
    und auch Sie haben mit Recht darauf hingewiesen
    daß man die Kohle nicht mehr allein betrachten kann, sondern daß man sie eingebettet in
    das gesamte Energieproblem behandeln muß. Wir
    wissen, daß auf europäischer Ebene die Hohe Behörde allein das Energieproblem nicht lösen kann;
    wir beraten, wie man hier eine Verzahnung, eine
    Koordinierung, eine möglichst enge Zusammen-



    o Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    arbeit mit den angrenzenden Bereichen herstellen soll. Und in Deutschland soll dieser unglückselige Beauftragte das Kohleproblem ganz für sich allein lösen?!

    (Abg. Dr. Deist: Wo steht denn das?)

    — Sie wollen doch einen Beauftragten für die Kohlewirtschaft!

    (Abg. Dr. Deist: Es steht nirgends, daß er das Problem allein lösen soll!)

    — Aber Sie wollen doch einen Beauftragten für die Kohlewirtschaft! —
    Im übrigen würde eine solche Institution zu einer Vermischung von unternehmerischer Verantwortung und den noch unklaren Funktionen dieses Beauftragten führen, von der Zuständigkeit und der Verantwortlichkeit der Bundesregierung ganz zu schweigen. Nach Art. 65 Abs. 2 des Grundgesetzes trägt jeder Minister für seinen Bereich die unmittelbare Verantwortung. Wie sollen der Arbeitsminister, der Finanzminister und der Wirtschaftsminister die Verantwortung tragen, wenn ein Kohlebeauftragter im luftleeren Raum herumfuchtelt?

    (Abg. Dr. Deist: Wo steht denn das?)

    Nein, so wird es nicht gehen.
    Im übrigen ist die Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Stellen, Ländern, Bergbauunternehmern, Gewerkschaften, Kommunen, Siedlungsverbänden, durchaus hergestellt. Sie dürfte sehr viel fruchtbarer sein und zu sehr viel besseren Ergebnissen führen als die Tätigkeit Ihres Kohlebeauftragten.
    Soviel zu Ihren Fragen, meine Damen und Herren. Zu Ihrem Schwarzbuch werde ich noch besonders Stellung nehmen. Aber ich muß schon sagen: mit Ihrer „Schwarzen Kunst" ist es auch nicht weit her!

    (Heiterkeit und anhaltender Beifall bei der CDU/CSU.)