Rede von
Helmut
Bazille
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Dr. Zimmermann, wenn ich Ihrem Gedächtnis nachhelfen darf: Sie werden sich daran erinnern, welche Bedenken die Sozialdemokratie — der Kollege Schmidt und ich—
etwa beim Beschaffungsprogramm des Hispano-
Suiza angemeldet haben, von dem nur ein Holzmodell bestand. Aber man munkelte in der Öffentlichkeit — und es ist nie widerlegt worden —, daß gewisse finanzielle Transaktionen im Hintergrund der beschleunigten Beschaffung dieses Fahrzeugs den notwendigen Auftrieb gegeben haben.
Bei der Beratung all dieser Fragen habe ich nie etwas davon gehört, daß man an die Finanzlage denken müsse. Aber wenn die Kriegsbeschädigten in ihren Alltagsschwierigkeiten die staatliche Hilfe nötig haben, dann werden die notwendigen Mittel immer nur widerwillig oder gar nicht bereitgestellt.
Ein Beispiel möge für die Gesinnung stehen, die hier waltet. Wenn ich heute im Straßenverkehr mitten unter den Tausenden und aber Tausenden chromglitzernden Automobilen aller Farben, Größen und Fabrikate — den Zeugen des sozialen Geltungsstrebens ihrer Besitzer — dem kriegsbeschädigten Kameraden begegne, der beide Beine verlor, auf seinem Selbstfahrer aus Holz, mit Wachstuch bespannt, eine Decke über den Knien, die ihn nur unzulänglich gegen die Unbilden der Witterung schützt, durch dieses armselige Gefährt für jederman sichtbar mit dem Stigma des Krüppels gezeichnet, und ich denke daran, welche Möglichkeiten der technischen Entwicklung und des Fortschritts in einer Zeit, wo die ersten von Menschen in den Weltraum gejagten Himmelskörper über unseren Häuptern kreisen, zur Verfügung stehen, dann schäme ich mich nicht nur dieser Regierung, sondern meines ganzen Volkes.
Vergleichen Sie einmal die Beinprothese aus dem Jahre 1920 mit der von heute! Sie werden kaum große Unterschiede feststellen. Aber vergleichen Sie einmal ein Auto von 1920 mit einem Auto von heute oder ein Kriegsflugzeug von 1920 mit einem Kriegsflugzeug von heute! Dann sehen Sie, was der technische Fortschritt für eine Revolution ausgelöst hat. Aber daran hatte die Gesellschaft Interesse, und an der besseren Ausstattung der Kriegsbeschädigten mit Körperersatzstücken hat die Gesellschaft kein Interesse.
— Herr Kollege Storch, jene mittelständischen Kleinbetriebe, denen die orthopädische Versorgung der Kriegsopfer übertragen ist, haben niemals die gewaltigen Summen zur Verfügung, die angesichts der revolutionären Entwicklung in der Technik notwendig sind, um die Entwicklung auf diesem Gebiet forschungsmäßig voranzutreiben. Die wenigen Beträge, die in den Bundeshaushalt eingestellt wurden, stehen in keinem Verhältnis zu den Aufwendungen, die notwendig sind, um tatsächlich den Anschluß an den Fortschritt zu erreichen.