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    Deutscher Bundestag 84. Sitzung Bonn, den 22. Oktober 1959 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Ehren und Schoettle . . . . . . . . 4511 A Mandatsniederlegung des Abg. Recktenwald 4511 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung (Neuordnung) des Bundesversorgungsgesetzes (Abg. Frau Dr. Probst, Maucher, Frau Kalinke, Tobaben und Fraktionen der CDU/CSU, DP) (Drucksache 957 [neu]) — Erste Beratung —; in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung der Versorgung der Opfer des Krieges (Kriegsopferversorgungs-Neuordnungsgesetz — KOVNOG) (FDP) (Drucksache 962) — Erste Beratung — Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Kriegsopferversorgung (Kriegsopferversorgungs-Neuregelungsgesetz - KDVNG) (Drucksache 1239) — Erste Beratung — Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes (SPD) (Drucksache 1262) — Erste Beratung — Antrag betr. Kriegsopferversorgung (SPD) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (Drucksachen 621, 990) Blank, Bundesminister . . 4511 C, 4533 B, 4540 A, 4558 D, 4559 D Etzel, Bundesminister . . . 4512 A, 4551 A Frau Dr. Probst (CDU/CSU) . . . . 4514 D Dr. Rutschke (FDP) 4521 B Rasch (SPD) . . 4528 C, 4557 C, 4559 C Bazille (SPD) . . . . . . . . 4533 C Ruf (CDU/CSU) 4540 B Frau Schanzenbach (SPD) . . . . 4543 D Frau Kalinke (DP) 4545 D Ritzel (SPD) 4548 D Mi schnick (FDP) 4552 C Arndgen (CDU/CSU) . . 4555 B, 4563 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 4560 A Maucher (CDU/CSU) 4561 B Dr. Mommer (SPD) 4563 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schwerbeschädigtengesetzes (Drucksache 1256) — Erste Beratung — . . . . . . 4563 C Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft und weitere Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Zweites Änderungsgesetz zum AVAVG) (Drucksache 1240); Schriftlicher Bericht des Arbeitsausschusses (Drucksache 1294) — Zweite und dritte Beratung — 4563 D Antrag betr. Aussetzung des Butterzolls (SPD) (Drucksache 1297) . . . . . . . 4564 B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Oktober 1959 Entwurf eines Gesetzes zu dem Sechsten Berichtigungs- und Änderungsprotokoll vom 11. April 1957 zum Wortlaut der dem AH-gemeinen Zoll- und Handelsabkommen beigefügten Zollzugeständnislisten (Drucksache 1266) — Erste Beratung — . . . . 4564 B Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte (FDP) (Drucksache 1274) — Erste Beratung — . . . . 4564 C Entwurf eines Außenwirtschaftsgesetzes (Drucksache 1285) — Erste Beratung — . 4564 D Entwurf eines Gesetzes über das Zusatzprotokoll Nr. 2 vom 27. Juni 1958 zum Europäischen Währungsabkommen vom 5. August 1955 (Drucksache 1117); Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache 1278) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . . . . 4564 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ausführung des Gesetzes über den Beitritt zur Konvention vom 5. April 1946 der Internationalen Überfischungskonferenz (Drucksache 1147) ; Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache 1290) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 4565 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 23. Dezember 1957 mit der Dominikanischen Republik (Drucksache 912); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 1295) — Zweite und dritte Beratung — 4565 B Entwurf eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 14. Mai 1958 zum Handelsabkommen vom 20. März 1926 zwischen dem Deutschen Reich und der Republik Portugal (Drucksache 1030); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 1296) — Zweite und dritte Beratung — 4565 C Ubersicht 9 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 1293) 4565 D Antrag betr. Verordnungen zum Lebensmittelgesetz (SPD) (Drucksache 1286) 4565 D Nächste Sitzung 4565 D Anlagen 4567 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Oktober 1959 4511 84. Sitzung Bonn, den 22. Oktober 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Baade 23. 10. Dr. Bärsch 22. 10. Bauer (Wasserburg) 28. 10. Birkelbach 23. 10. Fürst von Bismarck 7. 11. Büttner 22. 10. Corterier 23. 10. Dr. Dehler 23. 10. Demmelmeier 23. 10. Deringer 22. 10. Diekmann 23. 10. Dr. Eckhardt 23. 10. Eilers (Oldenburg) 23. 10. Eisenmann 23. 10. Engelbrecht-Greve 23. 10. Dr. Friedensburg 23. 10. Dr. Furler 23. 10. Gedat 31. 10. Geiger (München) 23. 10. Geldhagen 25. 10. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 31. 10. Hahn 23. 10. Dr. Hellwig 23. 10. Hilbert 1. 12. Hoogen 22. 10. Huth 23. 10. Illerhaus 23. 10. Jahn (Frankfurt) 31. 10. Dr. Jordan 22. 10. Josten 23. 10. Kalbitzer 23. 10. Katzer 23. 10. Dr. Kohut 23. 10. Dr. Kopf 23. 10. Dr. Kreyssig 23. 10. Krüger (Olpe) 7. 11. Dr. Leiske 23. 10. Lenz (Brühl) 23. 10. Dr. Leverkuehn 23. 10. Dr. Lindenberg 23. 10. Lücker (München) 23. 10. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 22. 10. Maier (Freiburg) 15. 12. Margulies 23. 10. Metzger 23. 10. Odenthal 23. 10. Pelster 30. 10. Pohle 23. 10. Dr. Ratzel 23. 10. Rehs 23. 10. Richarts 23. 10. Ruhnke 24. 10. Ruland 23. 10. Scharnowski 29. 10. Scheel 23. 10. Dr. Schild 23. 10. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Schmidt (Gellersen) 22. 10. Schmidt (Hamburg) 23. 10. Dr. Schwörer 24. 10. Dr. Seffrin 23. 10. Dr. Serres 23. 10. Dr. Starke 23. 10. Storch 23. 10. Sträter 23. 10. Frau Strobel 23. 10. Theis 31. 10. Unertl 23. 10. Wagner 23. 10. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 22. 10. Frau Wolff (Berlin) 23. 10. Worms 23. 10. Dr. Zimmer 22. 10. b) Urlaubsanträge Dr. Burgbacher 26. 10. Leber 30. 10. Matthes 15. 11. Anlage 2 Umdruck 394 Änderungsantrag der Abgeordneten Gottesleben, Baldauf, Draeger und Genossen zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft und weitere Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Zweites Änderungsgesetz zum AVAVG) (Drucksachen 1240, 1294). Der Bundestag wolle beschließen: Hinter Artikel VII wird ein neuer Artikel VIII angefügt: „Artikel VIII Im Saarland gelten bis zum 30. September 1962 die Vorschriften der §§ 143 d biss 143 n, für die übrigen Betriebe im Sinne des § 105 b Abs. 1 der Gewerbeordnung entsprechend mit der Maßgabe, daß die Voraussetzungen des § 143 d Abs. 1 Nr. 1 für diese Betriebe nicht erfüllt sein müssen." Bonn, den 21. Oktober 1959 Gottesleben Baldauf Draeger Winkelheide Teriete Wullenhaupt Caspers Harnischfeger Dr. Zimmer Memmel Dr. Reith Balkenhol Dr. Knorr Dr. Winter Dr. Siemer 4568 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Oktober 1959 Anlage 3 Umdruck 395 Änderungsantrag der Abgeordneten Wilhelm, Matzner und Genossen zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft und weitere Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Zweites Änderungsgesetz zum AVAVG) (Drucksachen 1240, 1294). Der Bundestag wolle beschließen: Hinter Artikel VII wird ein neuer Artikel VIII angefügt: „Artikel VIII Im Saarland gelten bis zum 30. September 1962 die Vorschriften der §§ 143d bis 143 n, für die übrigen Betriebe im Sinne des § 105 b Abs. 1 der Gewerbeordnung entsprechend mit der Maßgabe, daß die Voraussetzungen des § 143 d Abs. 1 Nr. 1 für diese Betriebe nicht erfüllt sein müssen." Bonn, den 22. Oktober 1959 Wilhelm Matzner Börner Junghans Höhmann Frau Beyer (Frankfurt Altmaier Welke Dr. Schäfer Dr. Dr. Heinemann Faller Schröder (Osterode) Lange (Essen) Dr. Seume Folger Haage Anlage 4 Umdruck 4001 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft und weitere Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Zweites Änderungsgesetz zum AVAVG) (Drucksachen 1240, 1294). Der Bundestag wolle beschließen: Hinter Artikel VII wird ein neuer Artikel VIII angefügt: „Artikel VIII Im Saarland gelten bis zum 30. September 1962 die Vorschriften der §§ 143 d bis 143 n, für die übrigen Betriebe im Sinne des § 105 b Abs. 1 der Gewerbeordnung entsprechend mit der Maßgabe, daß die Voraussetzungen des § 143 d Abs. 1 Nr, 1 für diese Betriebe nicht erfüllt sein müssen." Bonn, den 22. Oktober 1959 Dr. Hoven Ramms Dr. Schneider (Saarbrücken) Lenz (Trossingen) und Fraktion
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    Rede von Helmut Bazille


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich werde diese Zwischenfrage gern zulassen, möchte aber zunächst meinen Gedanken zu Ende führen.
    Die deutsche Sozialdemokratie war diejenige Partei, die das deutsche Volk mit allem Ernst, mit allem Nachdruck und mit einem unerhörten persönlichen Einsatz der Handelnden in einer Zeit polischen Terrors darauf aufmerksam gemacht hatte, daß der Weg Hitlers unmittelbar in diese Katastrophe hineinführen würde. Damals war man bereit, um gewisser wirtschaftlicher Vorteile willen, die man sich von diesem System versprach, auf bestimmte Inhalte des Staates, Inhalte seiner Ordnung, des Rechts, der Verfassung, zu verzichten. Das alles wurde als etwas Nebensächliches hinweggeschoben, und aus diesem Prozeß heraus ist die deutsche Jugend schließlich auf die Schlachtfelder rings um Deutschland getrieben worden. Die erste Überlegung, die man nach 1945 anzustellen hatte, war die: Was war die Ursache? Was muß politisch in diesem Land geschehen, daß sich das nie wiederholen kann?
    Dann noch ein Zweites. Ich hatte in den damaligen Jahren schon sehr bald die erste Begegnung mit Dr. Kurt Schumacher. Damals gehörte ich noch keiner Partei an, Frau Kalinke. Damals war ich noch der einfache Sachverständige eines Kriegsopferverbandes in meinem abgeschabten Militärkleid. Damals war es Kurt Schumacher, der erklärte: Die Sozialdemokratie fragt nicht danach, ob einer seine Pflicht als Soldat in der SS oder als Offizier oder wo immer getan hat, wenn er selber nicht schuldig geworden ist. Ich habe als Sachverständiger, Frau Kalinke, als einfacher Sachverständiger, der keiner Partei angehörte, im süddeutschen Länderrat in Stuttgart und noch im Zweizonenwirtschaftsrat in Frankfurt sehr wohl die Möglichkeit gehabt, die Haltung der politischen Parteien zum Problem der Kriegsopferversorgung zu prüfen. Es hat sich sehr schnell herausgestellt, daß genauso wie nach dem ersten Weltkrieg die einzige Partei — die einzige, Frau Kalinke —, die bereit war, dem deutschen Volk und der deutschen Gesellschaft schwere Opfer zuzumuten, um das zu verwirklichen, was man soziale Gerechtigkeit nennt, die Sozialdemokratie war.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wieso die einzige Partei?)

    — Die einzige Partei!

    (Abg. Rasner: Sie wissen, daß das nicht wahr ist!)

    — Das weiß ich sehr genau, Herr Kollege Rasner, denn ich habe die Entwicklung verfolgt. An der Stelle, an der wir heute stehen, erweist sich haargenau,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    daß diese Entwicklung in der Zeit zwischen 1945 und heute genauso gelaufen ist wie in der Zeit von 1918 bis 1933.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Geschichtsklitterung!)

    Zuerst, in der Zeit der gemeinsamen Not, war man
    bereit zu sagen: Jawohl, jetzt müssen alle zugreifen! Jetzt müssen alle anpacken! Nun muß das Volk auf seinem Weg durch die Geschichte durch dieses Tal der Schrecken hindurch, und da wird jede Kraft gebraucht!
    Die Kriegsopfer sind diesem Appell willig gefolgt. Sie waren es gewöhnt, um des Vaterlandes und der Gemeinschaft willen Opfer auf sich zu nehmen. Sie haben auf Entschädigungsleistungen verzichtet und jene Grundrenten akzeptiert, von denen man heute als „Trinkgelder", als „Zigarettengelder" spricht, weil sie wußten, daß in diesem Lande zuerst die Wirtschaft wieder aufgebaut werden muß, daß sich zuerst deren Räder wieder einmal drehen müssen. Aber jetzt —und das ist genau wie nach 1918 —, wo sich die Räder der Wirtschaft drehen, wo das Leistungsvermögen der Wirtschaft wieder hergestellt ist, fließen die Erträge dieser Wirtschaft wieder in erster Linie in die Taschen derselben Leute wie damals.

    (Beifall bei der SPD.)

    Eine sehr angesehene deutsche Zeitung, die nicht verdächtig ist, der Sozialdemokratie nahezustehen, nämlich „Christ und Welt" in Stuttgart, schreibt einen sehr bemerkenswerten Artikel „Woher Geld für die Kriegsopfer?". Dort heißt es:
    Der strittige Betrag ist eine halbe Milliarde. Ist das viel oder wenig? Es ist doppelt soviel, als für die Annullierung der mit den Amerikanern geschlossenen Kohlenlieferungsverträge an Reuegebühr bezahlt werden muß,
    — und nun kommt der entscheidende Satz —
    genauso viel, wie ein einziger bekannter Milliardär in drei Jahren Vermögenszuwachs an
    seinem übersehbaren Aktienbesitz erzielt hat.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Wer?)

    Dann schreibt die Zeitschrift „Christ und Welt" weiter:
    Man kann sich dem Argument nicht verschließen, daß die Steuerfreiheit der großen, durch Aktien erzielten Kursgewinne an das Gerechtigkeitsempfinden des Durchschnittsbürgers zu starke Anforderungen stellt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die 1959 an dem nicht fest verankerten Aktienbesitz erzielten Kursgewinne sind nur in zweistelligen Milliardenbeträgen ausdrückbar.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ja, meine Damen und Herren, da muß man die Frage nach dem gesellschaftspolitischen Leitbild dieser Regierung stellen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Man muß fragen, ob die Regierung es für richtig hält, daß im gesellschaftlichen Aufbau des deutschen Volkes diejenigen Schichten, die sich vorne an der Spitze bewegen und die Kolonne anführen, die Erträge des Sozialprodukts, all die Werte, die der Schöpfer dem Menschen gegeben hat, um sein Leben zu bereichern und zu verschönern, gewissermaßen mit Großbaggern in ihre Scheuern einbrin-



    Bazille
    gen, während auf der anderen Seite die Kriegsopfer und die Wehrpflichtigen, die man auffordert, für das ganze Volk wieder das Risiko der Hingabe von Leben und Gesundheit auf sich zu nehmen, ins zweitletzte Glied verwiesen werden und nach ihnen nur noch die Fürsorgeempfänger kommen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie mögen glauben, das sei eine überspitzte Formulierung. Ich werde Ihnen am praktischen Beispiel beweisen, daß es so ist. Nehmen Sie einmal eine demokratische Idealgestalt, den jungen, leistungswilligen Bürger, fleißig, verantwortungsbewußt, intelligent. Er arbeitet sich aus der Volksschule heraus über den Beruf, über Fernunterricht, über den Facharbeiter zur Meisterschaft in seinem Beruf, aus der einmal eine Meisterschaft im Leben werden soll. Und nun schickt ihm Herr Strauß den Einberufungsbefehl zur Ableistung seiner Wehrpflicht. Der Zufall will es, der grausame, daß er unter einen stürzenden Panzer gerät und seine Hände verliert, die Werkzeuge, mit denen er sein Leben aufbauen wollte. Und nun steht er vor den Trümmern eines vernichteten Lebensglücks und gerät in die Leistungsmechanik des Bundesversorgungsgesetzes.
    Nun, Herr Blank, will ich Ihnen einmal sagen, wie sich das auswirkt, was Sie der deutschen Öffentlichkeit als ein ideales Bild sozialer Gerechtigkeit empfehlen.

    (Zuruf von der SPD: Sag's dem Bundeskanzler!)

    Nun kehrt dieser Mann in seinen Beruf, in seinen Betrieb zurück, der ihm im Start schon beinahe aus den Händen geschlagen worden wäre. Aber zäh und leistungswillig, wie er ist, läßt er sich nicht unterkriegen und macht weiter. Und dann tritt er jeden Monat vor den Schaltern des Staates an, um seinen Offenbarungseid abzulegen und anzugeben, was er verdient hat, damit festgestellt wird, ob er würdig ist, eine Rente zu bekommen, oder ob er ein paar Mark mehr verdient hat und diese Rente wieder abliefern muß. Diese Begleitung des Staates in sein Wohnzimmer soll nun ein ganzes Leben lang stattfinden. Das ist das Bild vom freien Bürger im sozialen Rechtsstaat Konrad Adenauers!

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Das ist der Grund dafür, daß die deutschen Kriegsopfer verlangen, daß endlich Schluß gemacht wird mit jener Unwürdigkeit des Ausgleichsrentensystems, die sie Monat für Monat zwingt, ihre wirtschaftliche Lage zu offenbaren.
    Hier in der Bundesrepublik Deutschland regen wir uns darüber auf, daß drüben in Mittel- und Ostdeutschland Herr Ulbricht unsere Brüder und Schwestern geistig und sozial in einen Eintopf hineingepreßt hat, daß dort der Mensch weithin seiner Würde beraubt und verstaatlicht ist. Und hier bei uns in der Bundesrepublik soll ausgerechnet jene Schicht von Menschen, die um der Gemeinschaft willen höchste Opfer auf sich genommen haben, aus dieser halben Verstaatlichung ihres gesellschaftlichen Seins nicht herauskommen und soll es hinnehmen müssen, daß der Staat ununterbrochen darüber befindet, was diese Menschen an Einkommen im ganzen haben dürfen?

    (Abg. Frau Kalinke: Sie sollten solche Dinge nicht überspitzen!)

    — Frau Kollegin Kalinke, das ist die Situation der Menschen, die als Empfänger von Ausgleichsrente eines Stückes ihrer sozialen Freiheit beraubt sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist demagogisch!)

    — Ich weiß nicht, was Sie daran demagogisch finden. Denn den Tatbestand können Sie nicht aus der Welt schaffen, daß diese Menschen gezwungen sind, ununterbrochen Rechenschaft zu legen nicht nur über das, was sie verdienen, sondern auch über jedwede Einkünfte in Geld und Geldeswert, gleich aus welcher Quelle. Wenn der Bruder aus Amerika kommt und sagt: „Liebe Schwester, hier lege ich dir 500 Mark auf den Tisch, du sollst es besser haben!", dann ist sie kraft Gesetzes gezwungen, das zu melden, und dann kommt der Fiskus und sagt: Sie haben 500 Mark bekommen, das muß an Ihrer Rente abgezogen werden.

    (Abg. Arndgen: Das habt Ihr doch mitbeschlossen! — Gegenrufe von der SPD. — Abg. Maier [Mannheim] : Haben Sie nicht auch zugestimmt, Herr Kollege Bazille?)

    — Ich danke Ihnen für diese Frage, ich werde sie beantworten.

    (Zuruf von der CSU: Aber schnell! — Lebhafte Gegenrufe von der SPD.)

    Ich habe keinen Grund, hier etwas, was bei der Schaffung des Bundesversorgungsgesetzes geschah, zu beschönigen.

    (Weitere Rufe und Gegenrufe. — Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren, ich möchte auf allen Seiten des Hohen Hauses um Aufmerksamkeit für den Redner bitten.

(Zuruf von der SPD zur CSU: Passen Sie auf! — Gegenrufe von der Mitte.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Bazille


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Im Jahre 1950, ich wiederhole es, war das deutsche Volk auf seinem Weg durch die Geschichte noch nicht aus dem Tal der Schrecken heraus. Die Räder der deutschen Wirtschaft liefen nicht. Der Wert des Sozialprodukts lag, wenn ich mich recht entsinne, so um 78 Milliarden Mark. Niemand wußte, ob diese Wirtschaft und wann diese Wirtschaft in der Lage sein würde, den Kriegsopfern Arbeit und Brot zu geben. Ein Millionenheer von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen mußte untergebracht werden. Damals haben die deutschen Kriegsopfer mit Zustimmung ihrer Funktionäre — ich war damals einer, ich bekenne mich dazu — erklärt: Wir verzichten auf eine Entschädigung unserer Ansprüche gegenüber der Gesellschaft in Geld zugunsten des Wiederaufbaues unseres Vaterlandes, denn dieser Wiederaufbau hat Vorrang, und wir muten denjenigen, die sich nicht selber helfen können und die auf Ausgleichsrenten



    Bazille
    angewiesen sind, diese Peinlichkeit zu, denn Not kennt kein Gebot. Aber diese Notzeit des Jahres 1950 ist überwunden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nicht durch euch! — Weiterer Zuruf: Da haben Sie wenig mitgeholfen!)

    — Ich danke Ihnen für das freundliche Kompliment, das Sie mir machen, daß ich wenig mitgeholfen hätte.
    Da es heute darum geht, eine Neuordnung in der Versorgung einzuleiten, kann man nicht auf jenes System zurückgreifen, das die Notzeit gebar, vielmehr hat sich das Versorgungsrecht unseren heutigen Gesellschaftsverhältnissen anzupassen.