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ID0308402400

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    Deutscher Bundestag 84. Sitzung Bonn, den 22. Oktober 1959 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Ehren und Schoettle . . . . . . . . 4511 A Mandatsniederlegung des Abg. Recktenwald 4511 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung (Neuordnung) des Bundesversorgungsgesetzes (Abg. Frau Dr. Probst, Maucher, Frau Kalinke, Tobaben und Fraktionen der CDU/CSU, DP) (Drucksache 957 [neu]) — Erste Beratung —; in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung der Versorgung der Opfer des Krieges (Kriegsopferversorgungs-Neuordnungsgesetz — KOVNOG) (FDP) (Drucksache 962) — Erste Beratung — Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Kriegsopferversorgung (Kriegsopferversorgungs-Neuregelungsgesetz - KDVNG) (Drucksache 1239) — Erste Beratung — Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes (SPD) (Drucksache 1262) — Erste Beratung — Antrag betr. Kriegsopferversorgung (SPD) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (Drucksachen 621, 990) Blank, Bundesminister . . 4511 C, 4533 B, 4540 A, 4558 D, 4559 D Etzel, Bundesminister . . . 4512 A, 4551 A Frau Dr. Probst (CDU/CSU) . . . . 4514 D Dr. Rutschke (FDP) 4521 B Rasch (SPD) . . 4528 C, 4557 C, 4559 C Bazille (SPD) . . . . . . . . 4533 C Ruf (CDU/CSU) 4540 B Frau Schanzenbach (SPD) . . . . 4543 D Frau Kalinke (DP) 4545 D Ritzel (SPD) 4548 D Mi schnick (FDP) 4552 C Arndgen (CDU/CSU) . . 4555 B, 4563 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 4560 A Maucher (CDU/CSU) 4561 B Dr. Mommer (SPD) 4563 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schwerbeschädigtengesetzes (Drucksache 1256) — Erste Beratung — . . . . . . 4563 C Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft und weitere Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Zweites Änderungsgesetz zum AVAVG) (Drucksache 1240); Schriftlicher Bericht des Arbeitsausschusses (Drucksache 1294) — Zweite und dritte Beratung — 4563 D Antrag betr. Aussetzung des Butterzolls (SPD) (Drucksache 1297) . . . . . . . 4564 B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Oktober 1959 Entwurf eines Gesetzes zu dem Sechsten Berichtigungs- und Änderungsprotokoll vom 11. April 1957 zum Wortlaut der dem AH-gemeinen Zoll- und Handelsabkommen beigefügten Zollzugeständnislisten (Drucksache 1266) — Erste Beratung — . . . . 4564 B Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte (FDP) (Drucksache 1274) — Erste Beratung — . . . . 4564 C Entwurf eines Außenwirtschaftsgesetzes (Drucksache 1285) — Erste Beratung — . 4564 D Entwurf eines Gesetzes über das Zusatzprotokoll Nr. 2 vom 27. Juni 1958 zum Europäischen Währungsabkommen vom 5. August 1955 (Drucksache 1117); Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache 1278) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . . . . 4564 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ausführung des Gesetzes über den Beitritt zur Konvention vom 5. April 1946 der Internationalen Überfischungskonferenz (Drucksache 1147) ; Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache 1290) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 4565 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 23. Dezember 1957 mit der Dominikanischen Republik (Drucksache 912); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 1295) — Zweite und dritte Beratung — 4565 B Entwurf eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 14. Mai 1958 zum Handelsabkommen vom 20. März 1926 zwischen dem Deutschen Reich und der Republik Portugal (Drucksache 1030); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 1296) — Zweite und dritte Beratung — 4565 C Ubersicht 9 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 1293) 4565 D Antrag betr. Verordnungen zum Lebensmittelgesetz (SPD) (Drucksache 1286) 4565 D Nächste Sitzung 4565 D Anlagen 4567 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Oktober 1959 4511 84. Sitzung Bonn, den 22. Oktober 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Baade 23. 10. Dr. Bärsch 22. 10. Bauer (Wasserburg) 28. 10. Birkelbach 23. 10. Fürst von Bismarck 7. 11. Büttner 22. 10. Corterier 23. 10. Dr. Dehler 23. 10. Demmelmeier 23. 10. Deringer 22. 10. Diekmann 23. 10. Dr. Eckhardt 23. 10. Eilers (Oldenburg) 23. 10. Eisenmann 23. 10. Engelbrecht-Greve 23. 10. Dr. Friedensburg 23. 10. Dr. Furler 23. 10. Gedat 31. 10. Geiger (München) 23. 10. Geldhagen 25. 10. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 31. 10. Hahn 23. 10. Dr. Hellwig 23. 10. Hilbert 1. 12. Hoogen 22. 10. Huth 23. 10. Illerhaus 23. 10. Jahn (Frankfurt) 31. 10. Dr. Jordan 22. 10. Josten 23. 10. Kalbitzer 23. 10. Katzer 23. 10. Dr. Kohut 23. 10. Dr. Kopf 23. 10. Dr. Kreyssig 23. 10. Krüger (Olpe) 7. 11. Dr. Leiske 23. 10. Lenz (Brühl) 23. 10. Dr. Leverkuehn 23. 10. Dr. Lindenberg 23. 10. Lücker (München) 23. 10. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 22. 10. Maier (Freiburg) 15. 12. Margulies 23. 10. Metzger 23. 10. Odenthal 23. 10. Pelster 30. 10. Pohle 23. 10. Dr. Ratzel 23. 10. Rehs 23. 10. Richarts 23. 10. Ruhnke 24. 10. Ruland 23. 10. Scharnowski 29. 10. Scheel 23. 10. Dr. Schild 23. 10. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Schmidt (Gellersen) 22. 10. Schmidt (Hamburg) 23. 10. Dr. Schwörer 24. 10. Dr. Seffrin 23. 10. Dr. Serres 23. 10. Dr. Starke 23. 10. Storch 23. 10. Sträter 23. 10. Frau Strobel 23. 10. Theis 31. 10. Unertl 23. 10. Wagner 23. 10. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 22. 10. Frau Wolff (Berlin) 23. 10. Worms 23. 10. Dr. Zimmer 22. 10. b) Urlaubsanträge Dr. Burgbacher 26. 10. Leber 30. 10. Matthes 15. 11. Anlage 2 Umdruck 394 Änderungsantrag der Abgeordneten Gottesleben, Baldauf, Draeger und Genossen zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft und weitere Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Zweites Änderungsgesetz zum AVAVG) (Drucksachen 1240, 1294). Der Bundestag wolle beschließen: Hinter Artikel VII wird ein neuer Artikel VIII angefügt: „Artikel VIII Im Saarland gelten bis zum 30. September 1962 die Vorschriften der §§ 143 d biss 143 n, für die übrigen Betriebe im Sinne des § 105 b Abs. 1 der Gewerbeordnung entsprechend mit der Maßgabe, daß die Voraussetzungen des § 143 d Abs. 1 Nr. 1 für diese Betriebe nicht erfüllt sein müssen." Bonn, den 21. Oktober 1959 Gottesleben Baldauf Draeger Winkelheide Teriete Wullenhaupt Caspers Harnischfeger Dr. Zimmer Memmel Dr. Reith Balkenhol Dr. Knorr Dr. Winter Dr. Siemer 4568 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Oktober 1959 Anlage 3 Umdruck 395 Änderungsantrag der Abgeordneten Wilhelm, Matzner und Genossen zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft und weitere Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Zweites Änderungsgesetz zum AVAVG) (Drucksachen 1240, 1294). Der Bundestag wolle beschließen: Hinter Artikel VII wird ein neuer Artikel VIII angefügt: „Artikel VIII Im Saarland gelten bis zum 30. September 1962 die Vorschriften der §§ 143d bis 143 n, für die übrigen Betriebe im Sinne des § 105 b Abs. 1 der Gewerbeordnung entsprechend mit der Maßgabe, daß die Voraussetzungen des § 143 d Abs. 1 Nr. 1 für diese Betriebe nicht erfüllt sein müssen." Bonn, den 22. Oktober 1959 Wilhelm Matzner Börner Junghans Höhmann Frau Beyer (Frankfurt Altmaier Welke Dr. Schäfer Dr. Dr. Heinemann Faller Schröder (Osterode) Lange (Essen) Dr. Seume Folger Haage Anlage 4 Umdruck 4001 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft und weitere Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Zweites Änderungsgesetz zum AVAVG) (Drucksachen 1240, 1294). Der Bundestag wolle beschließen: Hinter Artikel VII wird ein neuer Artikel VIII angefügt: „Artikel VIII Im Saarland gelten bis zum 30. September 1962 die Vorschriften der §§ 143 d bis 143 n, für die übrigen Betriebe im Sinne des § 105 b Abs. 1 der Gewerbeordnung entsprechend mit der Maßgabe, daß die Voraussetzungen des § 143 d Abs. 1 Nr, 1 für diese Betriebe nicht erfüllt sein müssen." Bonn, den 22. Oktober 1959 Dr. Hoven Ramms Dr. Schneider (Saarbrücken) Lenz (Trossingen) und Fraktion
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    Rede von Hugo Rasch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren, damit möchte ich nicht gesagt haben, daß das Parlament mit dieser Methode an die Problematik der Kriegsopferversorgung herangehen sollte.
    Herr Minister Blank, ich bin sehr dankbar, daß Sie vorhin in Ihrer Rede oder in Ihrer Ansprache gesagt haben: „Wenn nun mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden können, so freue ich mich darüber." Das schafft aber nicht aus der Welt, daß Sie im Dezember vergangenen Jahres im Westdeutschen Rundfunk erklärt haben: „Ich bin der Meinung, daß eine allgemeine und beträchtliche Stei-



    Rasch
    gerung der Grundrente verfehlt wäre." — „Wir würden damit Unsummen vergeuden", sagten Sie weiter.
    Ich freue mich, Frau Kollegin Probst, daß Sie vorhin so nett waren, Ihrem Kollegen einmal Ihre Meinung vorzutragen.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Aber der Herr Arbeitsminister hat, glaube ich, vor den Sozialausschüssen der CDU/CSU erklärt: Wenn man an eine Erhöhung der Grundrenten in der Kriegsopferversorgung denkt, können dabei nur Trinkgelder herauskommen; es ist jedoch verfehlt, solche Trinkgeldmanieren auf die Kriegsopferversorgung anzuwenden. — Und Ihr Herr Staatssekretär war so „freundlich" zu sagen, eine Erhöhung der Grundrenten bedeute nichts anderes, als daß man Geld anderer Leute aus dem Fenster hinauswerfe.

    (Pfui-Rufe bei der SPD.)

    Wenn man das dem gegenüberstellt, was Frau Kollegin Dr. Probst gesagt hat, muß man sich doch fragen: Welche Meinung ist nun verbindlich? Die Meinung, die im Antrag der CDU/CSU-Fraktion zum Ausdruck kommt, oder die, die der Herr Bundesarbeitsminister für die gesamte Bundesregierung in den letzten Wochen und Monaten dauernd vertreten hat?

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger.)

    Das ist die Frage, und diese Frage muß deshalb gestellt werden, weil auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung der Antrag der Bundesregierung in voller Form aufgeführt ist. Es wäre, glaube ich, im Interesse der Sache günstig gewesen, wenn man diesen Antrag zurückgezogen hätte.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das ist jedoch nicht geschehen, und wir müssen uns damit abfinden.
    Wir sind gegenwärtig in der Diskussion um die Parlamentsreform. Eben haben wir es erlebt — anscheinend soll das nun so sein —, daß die Herren Bundesminister sich beim Vorbringen ihrer Anliegen gegenseitig vertreten. Der Finanzminister begründet Sozialgesetze, und vielleicht wird der Herr Arbeitsminister einmal Vorlagen des Finanzministers begründen.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Ich weiß nicht, ob das so ist; aber heute haben wir es auf jeden Fall einmal erlebt.
    Bei der Betrachtung dieser Frage darf man nicht übersehen, daß es sich hier um einen riesengroßen Personenkreis von schwer geschlagenen Menschen handelt. Es ist, glaube ich, gut, wenn in diesem Haus einmal festgestellt wird, daß immerhin noch das Lebensschicksal und die Lebensexistenz von vier Millionen Menschen von unserer Entscheidung hier abhängen. Wir sollten hier nicht lediglich lapidar feststellen, daß wir 1,4 Millionen Beschädigte und darunter rund 680 000 Schwerbeschädigte haben, sondern auch einmal zur Kenntnis nehmen, daß darunter 7000 Blinde sind, daß es 67 000 Schwer-
    Kopfverletzte gibt, daß es 71 000 schwer tuberkulös! Erkrankte gibt, daß es 1500 Menschen gibt, die dauernd ans Bett gebunden sind, ferner, daß es 125 000 Beinamputierte, 41 000 Armamputierte und 10 000 Doppelt-Beinamputierte gibt. Es gibt 1000 beschädigte Soldaten, die blind sind und gleichzeitig beide Hände verloren haben, und es gibt 18 000 Menschen, die dauernd auf die Benutzung eines Krankenfahrzeugs angewiesen sind.
    Das Schicksal dieser Menschen steht zur Debatte, und dieses Haus hat zu entscheiden, wie es sich in Zukunft gestalten soll.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU: Ausgezeichnet! — Das spricht genau für Blank!)

    Ich fühle mich verpflichtet, festzustellen, daß Vertreter meiner Partei und auch die Vertreter der großen Kriegsopferverbände eine derart harte Diskussion nicht gewünscht und auch nicht ausgelöst haben. Für das, was heute in der Öffentlichkeit dargestellt wird, tragen Sie, Herr Minister Blank, selber einen erheblichen Teil Schuld.

    (Beifall bei der SPD.)

    Gerade die letzten Ereignisse haben der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion die Bestätigung gegeben, daß ihr Antrag Drucksache 1262 sachlich fundiert ist. Er verdient es, sachlich von Ihnen aufgenommen zu werden. Er ist in keiner Weise finanziell überspitzt.
    Wir sind als Sozialdemokraten heute als letzte an der Reihe, einen Antrag zu begründen. Viele werden gefragt haben: Warum haben Sie das getan? Wir haben es getan, um der Regierung den Vortritt zu lassen und einmal zu erfahren, welche Vorstellung von dem Problem der Kriegsopferversorgung die Bundesregierung selber hat. Was wir in dem Regierungsentwurf lesen mußten, Herr Bundeskanzler, hat uns doch sehr enttäuscht und sehr erschüttert.
    Wir Sozialdemokraten sprechen nicht von einer Reform, und — das möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen, Frau Dr. Probst — auch Ihr jetziger Fraktionsantrag verdient dieses Wort „Neuordnung" nicht ganz zu Recht. Aber wir können uns darüber unterhalten, wir brauchen uns deshalb nicht zu streiten. Wir Sozialdemokraten sind so ehrlich und sagen es eindeutig: wir wollten die wahre Absicht der Bundesregierung über die Reform erfahren, und als wir diese Absicht erkannten, haben wir unseren eigenen Antrag zur Kriegsopferversorgung schlicht und einfach einen „Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes" genannt. Wenn man von Reform spricht, muß man doch den Gedanken haben, etwas zu ändern, etwas zu verbessern, etwas zum Positiven zu wenden. Es darf doch nicht, wie hei Ihnen, Herr Minister Blank, genau das Gegenteil dabei herauskommen. Ihr Gesetzentwurf bedeutet doch nichts weiter als eine Zementierung des so bekämpften Bedürftigkeitsprinzips in der Kriegsopferversorgung. Darüber hinaus bedeutet er eine Verwässerung des Rechtsanspruches in der Kriegs-



    Rasch
    opferversorgung. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß Leben und Gesundheit in unserem Staate genau den gleichen Schutz — wenn nicht noch größeren — verdienen wie Eigentum und Vermögen.
    Es ist doch die Tatsache festzustellen, daß die deutschen Kriegsopfer nach dem letzten Kriege mit ihrer Versorgung schlechthin zu kurz gekommen sind. Das, was ihren Anteil am Haushalt des Bundes ausmacht, ist hier schon von meinen beiden Vorrednern gesagt worden. Ich brauche das nicht zu wiederholen. Es ist eine gute Sache, wenn man frei spricht; man kann dann schlicht, einfach und nüchtern auf das von Vorrednern Gesagte verweisen und braucht sich nicht an einen Zettel zu halten.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    Eine Sache muß hier festgestellt werden: daß die finanziellen Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz die schlechtesten sind, wenn man sie mit den Leistungen aus anderen Sozialgesetzen der Bundesrepublik vergleicht. Das ist eine Tatsache, die in keiner Weise bestritten werden kann.
    Ich darf mir hier einmal eine Gegenüberstellung erlauben; Herr Bundeskanzler, vielleicht interessiert Sie das auch. Ein hundertprozentig Beschädigter erhielt nach dem 1. Weltkrieg schon eine nicht anrechnungsfähige Rente von 190 RM; er erhält in der Bundesrepublik 140 DM. Ich bin der Meinung, daß das, was die Weimarer Republik unter ganz anderen wirtschaftlichen Verhältnissen leisten konnte, dieser Bundesrepublik auch möglich sein müßte.

    (Beifall bei der SPD und FDP.)

    Wenn wir kurz einen Blick in die Vergangenheit werfen, können wir feststellen, daß die Verbesserungen in den Leistungen der deutschen Kriegsopfer erst auf Vorschlag dieses Hauses zustande gekommen sind und daß sie — das darf ich als Sozialdemokrat sagen — in erster Linie auf Anträge meiner Fraktion zurückgehen.
    Die Regierung wird jetzt wach. Gott sei Dank ist sie von den Kriegsopfern draußen wachgetrommelt worden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es freut uns Sozialdemokraten — ich sage das ganz offen —, daß Sie, Herr Bundeskanzler, in der heutigen Kriegsopferdebatte zugegen sind. Vielleicht ist es darauf zurückzuführen, daß Sie sich Ihrer Aufgabe besinnen, die Richtlinien der Politik in Ihrer Regierung zu bestimmen. Wäre das von Anfang an geschehen, dann wäre nicht das Theater mit Ihrem Finanzminister, Ihrem Arbeitsminister und mit Ihnen selber ebenso wie die große Diskussion in der Öffentlichkeit gewesen; notwendig war es jedenfalls nicht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir sind der Meinung, daß 14 Jahre nach Kriegsende damit begonnen werden muß, eine gerechte Versorgung zu schaffen. Die Leistungen in der Kriegsopferversorgung müssen endlich eine gerechte Entschädigung und einen gerechten Ausgleich für dargebrachtes Leben, dargebrachte Gesundheit, für den Verlust der körperlichen Unversehrtheit, für Schmerzen und entgangene Lebensfreude, für wirtschaftliche und berufliche Schäden sowie für vieles andere mehr bringen.
    Wir Sozialdemokraten machen auch gar kein Hehl aus unserer Auffassung, daß die Kosten der Kriegsopferversorgung vom gesamten deutschen Volk getragen werden müssen. Es wäre aber gut, die Teile des Volkes, die heil aus dem Kriege gekommen sind und teilweise erheblichen Gewinn im Kriege und in der Nachkriegszeit verbuchen konnten, in besonderer Weise zu dieser Leistung heranzuziehen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich persönlich bin der Auffassung, daß der Herr Finanzminister besser daran täte, Überlegungen darüber anzustellen, ob er nicht auf diese Weise mehr Mittel beschaffen könnte, als immer wieder mit einer Erhöhung der allgemeinen Verbrauchsteuern zu drohen. Es gibt in Deutschland einige wenige Menschen, die in den vergangenen Jahren mehr Geld verdient haben, als wir für die Reform der deutschen Kriegsopferversorgung notwendig hätten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es gibt in dieser Frage selbstverständlich verschiedene Meinungen.
    Daß wir Sozialdemokraten in diesem Hause mit unseren Reformvorschlägen, die Sie kennen, zur Zeit nicht durchkommen, ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem bemühen wir uns, mit unserem Antrag die Weichen für eine Reform zu stellen. Wir wollen mit unserem Antrag versuchen, die Mißverhältnisse und krassen Gegensätze im Bundesversorgungsgesetz zu beseitigen.
    Wir wollen vor allen Dingen die Grundrenten erhöhen. Das ist das Problem schlechthin. Alles andere, was man hier in langen Vorlesungen vorträgt, mag staatsrechtlich und sozialrechtlich ganz gut und schön sein. Aber die Kernfrage der Kriegsopferversorgung ist die Erhöhung der Grundrenten, und zwar in der Form, daß man sie garantiert, daß sie von keiner anderen Seite antastbar sind. Das ist das Kernproblem, alles andere tritt in den Hintergrund. Wir wollen uns deshalb bemühen, diese Frage einigermaßen zu lösen.
    Was sagt unser Antrag aus? Wir haben die Absicht, zunächst einmal den § 1 des Bundesversorgungsgesetzes zu ändern, nach dem der Beschädigte die Voraussetzungen für seine Ansprüche gegenüber dem Staat nachweisen muß. Wir sind der Auffassung, daß diese Bestimmung in der jetzigen Form nicht genügt.
    Deshalb wollen wir in den Fällen, in denen der Kriegsbeschädigte oder Kriegskranke nicht nachweisen kann, daß das Leiden oder die Krankheit, die er zur Zeit hat, durch den Krieg gekommen ist, ihm zumindest dann recht geben, wenn medizinischwissenschaftliche Auseinandersetzungen stattfinden und die hohen Professoren sich nicht einigen können. Diese Auseinandersetzungen sollen auf keinen Fall zu Lasten des Erkrankten oder Beschädigten gehen.

    (Beifall bei der SPD.)




    Rasch
    Das ist eine Grundsatzfrage, die in der gesamten deutschen Sozialgesetzgebung Allgemeingut werden sollte.
    Wir beantragen ferner eine Änderung der Leistungszulagen für Beschädigte, die besonders betroffen sind. Wir wollen also die Kleider- und Wäscheverschleißzulagen erhöhen.
    Uns liegt aber besonders am Herzen, auch dem beschädigten Arbeiter zu garantieren — ich sage das ganz klar und mit ,aller Deutlichkeit —, daß er von dem Inhalt des Gesetzes Gebrauch machen kann, so daß auch der Arbeiter eine Kur zur Erhaltung seiner Arbeitskraft ,beanspruchen kann. Nach den jetzigen Voraussetzungen ist er dazu nicht in der Lage, weil für den Fall seiner Kur die wirtschaftliche Sicherstellung seiner Familie nicht gegeben ist. Deshalb beantragen wir, daß der Beschädigte in diesem Falle für die Zeit der Kur eine Leistung von 90 % seines Nettoeinkommens erhält.
    Ich sehe, daß die Herren des Arbeitsministeriums anwesend sind. Ich bitte sie, einmal die Akten in dem Verfahren der Deutschen Angestelltenkrankenkasse gegen das Land Baden-Württemberg beim Sozialgericht Hamburg einzusehen. Es kommt immer wieder vor, daß die Krankenkassen es ablehnen, den Beschädigten die Krankengelder zu zahlen. Der Beschädigte gerät dann in die Mühle der Verwaltungsschwierigkeiten hinein, so daß er verärgert und verstimmt seinen Weg nach Hause antritt.
    Es ist auch nicht in Ordnung, daß man dem Beschädigten unter gewissen Umständen seine Rente entziehen kann, wenn er in eine Heilanstalt oder ein Krankenhaus muß. Hier sollte man großzügiger praktizieren und eine andere Regelung finden.
    Wir wünschen weiterhin für besonders schwer Beschädigte, die einen spezifischen Schaden haben, der sich auf ihre berufliche Tätigkeit auswirkt, eine eigene Zulage. Wir denken hier vorerst an Monatsbeträge zwischen 30 und 60 DM.
    Wir vertreten die Meinung, daß das Schwergewicht bei der Erhöhung der Renten auf der Grundrente liegen sollte. Deshalb beantragen wir eine Erhöhung der Grundrenten in der Form, daß die Grundrente das Übergewicht in dem Gesamtrentenkomplex behält. In Zahlen ausgedrückt: Wir wollen für einen zu 100 % Beschädigten 210 DM Grundrente und 190 DM Ausgleichsrente und glauben, daß 400 DM für einen so schwer Geschlagenen nicht zuviel sind. Die Notwendigkeit einer Erhöhung auch der Ausgleichsrente sehen wir ein; wir beantragen sie. Ich kann mir darüber ins einzelne gehende Ausführungen ersparen; das geht aus unserem Antrag hervor. Dort kann main unsere Vorschläge nachleisen. Im übrigen wird es Sache des Ausschusses sein, dazu Stellung zu nehmen.
    Dann haben wir eine Neuerung in Form der Einführung einer Zulage vorgesehen. Wir wünschen, daß z. B. für einen Blinden — der also schon 100 % beschädigt ist —, der gleichzeitig noch seine beiden Hände verloren hat, etwas Besonderes getan wird. Unser Antrag sieht dies vor.
    Es ist auch nicht mehr als recht und billig, den Schwerbeschädigten ein Kindergeld zu zahlen. Einen dementsprechenden Passus haben wir in unseren Antrag eingebaut.
    Wir beantragen weiter eine wesentliche Verbesserung der Pflegezulage für Beschädigte und wünschen, daß sie in den verschiedenen Gruppen bis zu einem Höchstbetrag von 350 DM heraufgesetzt wird. In besonders gelagerten Fällen soll diese Pflegezulage dem tatsächlichen Aufwand entsprechen. Wenn also ein Blinder eine Pflegerin benötigt, die 400 DM im Monat kostet, muß dem Blinden dieser Betrag erstattet werden. Ich darf darauf hinweisen, daß nach dem Tarifvertrag für Bedienstete dieser Berufssparte, in diesem Fall für eine Pflegerin ohne volle staatliche Prüfung, 535 DM im Monat zu zahlen sind. Man mag mir sagen, daß das zuviel und zu hoch .sei; wir sind aber der Meinung, daß dieser schwer und hart getroffene Mensch die Folgen seiner schweren Beschädigung nicht allein zu tragen hat. Diese unsere Meinung wird durch ein Urteil des Sozialgerichts Stuttgart gestützt. Man wollte einem Blinden, der nach dem Tod seiner Eltern nicht in ein Heim wollte, einfach nicht mehr als 150 DM Pflegegeld bewilligen. Das ist eine Unmöglichkeit für derartige Menschen.
    Wir sind auch der Meinung, daß entsprechend den Vorschriften der Sozialversicherungsgesetzgebung die Bestattungs- und Sterbegelder ,erhöht werden müssen.
    Auch die Grundrenten der Witwen wollen wir erhöhen, und zwar von 70 lauf 100 DM. Dementsprechend ist auch die Ausgleichsrente zu gestalten. Es ist unsere Absicht, daß die Kriegerwitwe in etwa 60 % der Rente eines voll erwerbsunfähigen Beschädigten erhält.
    Wir schlagen weiter Verbesserungen für Kriegerwitwen vor, die sich wieder verheiraten. Auch hier wollen wir soziale Ungerechtigkeiten beseitigen und hoffen, daß dieses Haus uns dabei folgen wird.
    Nun ein besonderes Kapitel. Der Herr Finanzminister hat selber gesagt, daß im nächsten und übernächsten Jahre Kriegswaisen ausscheiden werden. Ich darf das noch etwas genauer sagen. Im nächsten und übernächsten Jahr werden fast 300 000 Waisen der Geburtsjahrgänge 1941 und 1942' ausscheiden. Es wäre eine sehr gute Sache und eine gute soziale Tat, wenn man die Renten dieser Kriegswaisen jetzt noch einmal besonders berücksichtigte.
    Die Bestimmungen, die für Schwerbeschädigte gelten, sollten nicht so besonders eng ausgelegt werden. Auch hier ist es notwendig, daß etwas getan wird.
    Nun komme ich zu den Elternrenten. Hier müssen wir einmal den Vorschlägen des Bundesrates und des Beirates für Versorgungsrecht folgen. Wir müssen die Vorschrift betreffend die Ernährereigenschaft des Gefallenen verschwinden lassen. In den Verwaltungsvorschriften heißt es in etwa: Ist der noch Lebende ein häßlicher Bursche, dann ist daraus zu schließen, daß der Gefallene auch ein schlechter Mensch geworden wäre, und die Rente



    Rasch
    ist zu versagen. Diese Praxis sollte man abschaffen und sollte andere und modernere Wege gehen.
    Wir beantragen eine Erhöhung der Elternrente von 130 auf 190 DM für ein Elternpaar und von 90 auf 130 DM für einen Elternteil. Selbstverständlich müssen dann auch die Einkommensgrenzen in entsprechender Form erhöht werden.
    Die Kapitalabfindung muß ebenfalls neu geordnet werden. Wir möchten gern, daß der Zeitraum, für den die Abfindung gegeben wird, von zehn auf fünfzehn Jahre ausgedehnt wird.
    Ferner ist es notwendig, zu überprüfen, ob nicht Änderungen in der Verwaltung vorgenommen werden müssen. Darauf weisen wir in unserer schriftlichen Begründung hin. Wir wünschen nämlich, daß die Durchführung des Gesetzes so einfach wie möglich gestaltet wird.
    In der Diskussion der Fachleute ist angeklungen, daß man die Absicht hat, die Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz als soziale Fürsorge in die allgemeine Fürsorge zu bringen. Wir möchten heute schon sagen, daß wir dieses Vorhaben generell ablehnen. Diese sozialen Leistungen sind Versorgungsleistungen und müssen im Bereich des Versorgungsgesetzes bleiben. — Sie schütteln den Kopf, Herr Kollege Ruf; Ihre Kollegin Frau Dr. Probst nickt mir zu. Also werden Sie sich bitte einig, welchen Weg Sie im Ausschuß gehen wollen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun komme ich zu dem, was in den vergangenen Tagen eine lebhafte Diskussion ausgelöst hat: zu dem Termin des Inkrafttretens des Gesetzes. Ich möchte fast sagen, wir erleben nun der Tragödie zweiter Teil; er hat gestern begonnen, als die Meldungen bekannt wurden. Ich glaube nicht, daß das von den Betroffenen so ohne weiteres hingenommen wird; denn es bedeutet doch eine völlige Veränderung dessen, was man gewollt hat. Ich möchte dem Bundesarbeitsminister sagen, daß seine Niederlage hier im Verhältnis zur Verwirklichung seiner sonstigen politischen Absichten die größte ist. Ich frage Sie: Wie können Sie es vor Ihrem Gewissen verantworten, den Millionen Menschen im Gegensatz zu dem, was Sie draußen reden und versprechen, zu sagen: „Ihr kriegt erst Weihnachten 1960 eine Zulage!"?

    (Beifall bei der SPD.) Das ist doch das praktische Ergebnis!

    Nun eine Frage. Ich bin kein Finanzfachmann; aber ich möchte einmal die Frage stellen, Herr Finanzminister Etzel: Waren denn nun 550 Millionen da, oder waren sie nicht da? Also sie waren da; und ich habe Sie vorhin so verstanden: Sie wollen sie ins nächste Jahr hinübernehmen. Da liegt nämlich der Hund begraben. — Wir haben ja freie Rede; da kann man ruhig einmal ein etwas derbes Wort gebrauchen. — Ihr Vorgänger hat mir von dem Platz aus, auf dem Sie heute sitzen, immer wieder gesagt: „Herr Rasch, das ist unmöglich; das ist gegen das Grundgesetz, das ist gegen die Reichshaushaltsordnung, und es ist in der Vergangenheit auch nie geschehen." Ich weiß, daß es in anderen Fällen passiert ist.. Ich persönlich habe nichts dagegen, wenn Sie so praktizieren wollen; aber Sie müssen es sich doch gefallen lassen, daß wir Sozialdemokraten feststellen, daß Sie hier so Politik machen, wie es Ihnen im Moment gefällt. Das ist doch eine Tatsache.

    (Zuruf von der SPD: Wahlspeck!)

    Ich kann mich erinnern, daß die Kriegsopferverbände, daß die FDP, daß auch die sozialdemokratische Fraktion bei den Haushaltsdebatten immer wieder diese Frage aufgeworfen haben. Alle sind abgewiesen worden mit der Begründung des Herrn Finanzministers Schäffer. Die gleiche Begründung haben Sie sich zu eigen gemacht, zum mindesten bei der Haushaltsdebatte. Ich muß feststellen, daß Sie heute einen anderen Standpunkt vertreten.
    Aber es ist doch — ich möchte das ausdrücklich für mich persönlich sagen — ein etwas häßliches Spiel,. es ist doch etwas häßlich, wenn man nun da sucht und dort sucht, wenn man mit Steuererhöhungen droht, wenn man sagt — man sagt es doch praktisch! —: „Wenn du, Bevölkerung, den Kriegsopfern mehr geben willst, mußt du deinen Schnaps, mußt du deine Zigaretten, mußt du deine sonstigen Verbrauchsgüter teurer bezahlen!" Da bin ich der Meinung: das mag vielleicht für den Haushalt notwendig sein; aber daß man gerade hier die Kriegsopfer zitiert, Herr Finanzminister, das ist das Häßliche bei der Geschichte.

    (Zustimmung bei der SPD. — Abg. Arndgen: Die Bevölkerung ist doch das Vaterland!)

    Und wissen Sie, was die Kriegsopfer draußen sagen? Die Kriegsopfer, die Betroffenen — und ich bin ja einer von ihnen — sagen: Was der Herr Finanzminister jetzt mit Zahlen jongliert, bedeutet für uns in der Praxis: „Kamerad, stirb schneller, damit ich bald eine höhere Rente bekomme!"

    (Pfui-Rufe von der CDU/CSU. — Abg. Arndgen: Das ist ja unerhört! — Anhaltende Pfui-Rufe von der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Das ist billige Polemik!)

    — Herr Arndgen, das mag für Sie unerhört sein; für mich ist es eine Tatsache, und in der Praxis ergibt sich diese Tatsache.

    (Zustimmung bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    — Nun regen Sie sich nicht so auf. Das Aufregen ist nicht nötig. Wir kennen uns ja.
    Weil ich vom Jonglieren gesprochen habe, möchte ich auch sagen, daß man manipuliert hat. Man hat in den vergangenen Jahren diesem Hohen Hause hier nicht die Wahrheit gesagt, man hat dem Kriegsopferausschuß dieses Hauses nicht die Wahrheit gesagt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich darf das einer Aufstellung des Arbeitsministeriums entnehmen. Im Jahre 1957 bei der Verabschiedung der sechsten Novelle hat man geschrieben und hat geredet, daß die Mehrkosten 542 Mil-



    Rasch
    lionen DM betragen würden. Das mußten wir glauben; wir konnten es nicht so schnell untersuchen. Wir haben dann festgestellt, daß nicht nur dieser Betrag nicht ausgegeben wurde, sondern daß auch von dem ordentlichen Voranschlag weitere 345 Millionen DM nicht gebraucht wurden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wir haben festgestellt, daß in diesem Jahre insgesamt 887 Millionen DM nicht an die Kriegsopfer gegeben wurden. Wenn Sie mir nun sagen wollen, was ich sage, sei unerhört, dann müssen Sie eben beweisen, daß es anders ist. Wir sind in der Lage, nachzuweisen, daß man im Kriegsopferhaushalt Beträge bewußt versteckt hat, um sie anderen Haushaltspositionen zuzuführen. Wir werden uns darüber unterhalten und sind jederzeit gern bereit, auch hierfür den Beweis anzutreten. Diese Dinge muß man doch hier ansprechen!
    Ich möchte abschließend folgendes sagen. Daß diese Dinge bei Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, und bei der Bundesregierung schiefgelaufen sind, ist darauf zurückzuführen, daß Ihr Arbeitsminister jeden Rat, der aus gutem Munde und von guten Institutionen kam, in den Wind geschlagen hat. Er hat nicht auf den Beirat für Versorgungsrecht gehört; er hat ja nicht einmal auf die kriegsbeschädigten Kollegen in der eigenen Fraktion gehört. Daß es keinen Streit gab, wollen Sie uns doch heute wohl nicht weismachen! Er hat auch nicht auf das gehört, was der Bundesrat gesagt hat. Jetzt, in letzter, größter Not, mußte der Herr Bundeskanzler aufkreuzen. Ich danke Ihnen dafür, Herr Bundeskanzler, daß Sie erschienen sind und daß Sie sich das einmal angehört haben; aber ich glaube, Herr Bundeskanzler, Sie werden viel Mühe haben, diese Dinge draußen zu korrigieren. Ich habe dort auf der Bank gesessen, Herr Bundeskanzler, als Sie sagten: „Dann machen Se dat doch so wie ich! Machen Se eine leichte Holzhammernarkose!" Wir werden das nicht in dieser Form tun. Aber wir werden • die Kriegsopfer draußen aufklären und ihnen Rechenschaft darüber abgeben, was hier geschehen ist. Wir glauben den Kriegsopfern versprechen zu können, daß das, was wir beantragt haben, realisierbar ist. Die sozialdemokratische Fraktion wird dafür eintreten.
    Ich beantrage die Überweisung unseres Antrags an den zuständigen Ausschuß.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Bundesminister Blank.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Theodor Blank


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

    (Zuruf von der SPD: Der erste Muckser!)

    Ich beabsichtige jetzt nicht, auf all die Einzelheiten einzugehen. Nur eines! Herr Kollege Rasch, Sie haben eben ein bitterböses Wort gesagt: „Kamerad, stirb schneller!"

    (Zurufe von der SPD.)

    Und dann ertönte aus diesem Hause mit Recht der Ruf: „Pfui!" Sie haben damit an Überlegungen angeknüpft, spätere Minderausgaben jetzt schon in die Betrachtung möglicher Leistungen einzubeziehen, und haben in diesem Zusammenhang erklärt, daß das die Aufforderung sei: „Kamerad, stirb schneller!"
    Nun darf ich Ihnen, Herr Rasch, der Sie zweiter Vorsitzender des Reichsbundes sind, erklären, daß bei einer Besprechung, die unter dem Vorsitz des Herrn Bundeskanzlers im Palais Schaumburg stattgefunden hat und bei der ich zugegen war, Ihr Sozialreferent, der Sozialreferent des Reichsbundes, Herr Dauß, erstmalig diesen Vorschlag gemacht hat.

    (Hört! Hört! und Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)