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ID0308402000

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    Deutscher Bundestag 84. Sitzung Bonn, den 22. Oktober 1959 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Ehren und Schoettle . . . . . . . . 4511 A Mandatsniederlegung des Abg. Recktenwald 4511 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung (Neuordnung) des Bundesversorgungsgesetzes (Abg. Frau Dr. Probst, Maucher, Frau Kalinke, Tobaben und Fraktionen der CDU/CSU, DP) (Drucksache 957 [neu]) — Erste Beratung —; in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung der Versorgung der Opfer des Krieges (Kriegsopferversorgungs-Neuordnungsgesetz — KOVNOG) (FDP) (Drucksache 962) — Erste Beratung — Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Kriegsopferversorgung (Kriegsopferversorgungs-Neuregelungsgesetz - KDVNG) (Drucksache 1239) — Erste Beratung — Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes (SPD) (Drucksache 1262) — Erste Beratung — Antrag betr. Kriegsopferversorgung (SPD) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (Drucksachen 621, 990) Blank, Bundesminister . . 4511 C, 4533 B, 4540 A, 4558 D, 4559 D Etzel, Bundesminister . . . 4512 A, 4551 A Frau Dr. Probst (CDU/CSU) . . . . 4514 D Dr. Rutschke (FDP) 4521 B Rasch (SPD) . . 4528 C, 4557 C, 4559 C Bazille (SPD) . . . . . . . . 4533 C Ruf (CDU/CSU) 4540 B Frau Schanzenbach (SPD) . . . . 4543 D Frau Kalinke (DP) 4545 D Ritzel (SPD) 4548 D Mi schnick (FDP) 4552 C Arndgen (CDU/CSU) . . 4555 B, 4563 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 4560 A Maucher (CDU/CSU) 4561 B Dr. Mommer (SPD) 4563 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schwerbeschädigtengesetzes (Drucksache 1256) — Erste Beratung — . . . . . . 4563 C Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft und weitere Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Zweites Änderungsgesetz zum AVAVG) (Drucksache 1240); Schriftlicher Bericht des Arbeitsausschusses (Drucksache 1294) — Zweite und dritte Beratung — 4563 D Antrag betr. Aussetzung des Butterzolls (SPD) (Drucksache 1297) . . . . . . . 4564 B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Oktober 1959 Entwurf eines Gesetzes zu dem Sechsten Berichtigungs- und Änderungsprotokoll vom 11. April 1957 zum Wortlaut der dem AH-gemeinen Zoll- und Handelsabkommen beigefügten Zollzugeständnislisten (Drucksache 1266) — Erste Beratung — . . . . 4564 B Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte (FDP) (Drucksache 1274) — Erste Beratung — . . . . 4564 C Entwurf eines Außenwirtschaftsgesetzes (Drucksache 1285) — Erste Beratung — . 4564 D Entwurf eines Gesetzes über das Zusatzprotokoll Nr. 2 vom 27. Juni 1958 zum Europäischen Währungsabkommen vom 5. August 1955 (Drucksache 1117); Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache 1278) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . . . . 4564 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ausführung des Gesetzes über den Beitritt zur Konvention vom 5. April 1946 der Internationalen Überfischungskonferenz (Drucksache 1147) ; Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache 1290) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 4565 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 23. Dezember 1957 mit der Dominikanischen Republik (Drucksache 912); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 1295) — Zweite und dritte Beratung — 4565 B Entwurf eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 14. Mai 1958 zum Handelsabkommen vom 20. März 1926 zwischen dem Deutschen Reich und der Republik Portugal (Drucksache 1030); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 1296) — Zweite und dritte Beratung — 4565 C Ubersicht 9 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 1293) 4565 D Antrag betr. Verordnungen zum Lebensmittelgesetz (SPD) (Drucksache 1286) 4565 D Nächste Sitzung 4565 D Anlagen 4567 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Oktober 1959 4511 84. Sitzung Bonn, den 22. Oktober 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Baade 23. 10. Dr. Bärsch 22. 10. Bauer (Wasserburg) 28. 10. Birkelbach 23. 10. Fürst von Bismarck 7. 11. Büttner 22. 10. Corterier 23. 10. Dr. Dehler 23. 10. Demmelmeier 23. 10. Deringer 22. 10. Diekmann 23. 10. Dr. Eckhardt 23. 10. Eilers (Oldenburg) 23. 10. Eisenmann 23. 10. Engelbrecht-Greve 23. 10. Dr. Friedensburg 23. 10. Dr. Furler 23. 10. Gedat 31. 10. Geiger (München) 23. 10. Geldhagen 25. 10. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 31. 10. Hahn 23. 10. Dr. Hellwig 23. 10. Hilbert 1. 12. Hoogen 22. 10. Huth 23. 10. Illerhaus 23. 10. Jahn (Frankfurt) 31. 10. Dr. Jordan 22. 10. Josten 23. 10. Kalbitzer 23. 10. Katzer 23. 10. Dr. Kohut 23. 10. Dr. Kopf 23. 10. Dr. Kreyssig 23. 10. Krüger (Olpe) 7. 11. Dr. Leiske 23. 10. Lenz (Brühl) 23. 10. Dr. Leverkuehn 23. 10. Dr. Lindenberg 23. 10. Lücker (München) 23. 10. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 22. 10. Maier (Freiburg) 15. 12. Margulies 23. 10. Metzger 23. 10. Odenthal 23. 10. Pelster 30. 10. Pohle 23. 10. Dr. Ratzel 23. 10. Rehs 23. 10. Richarts 23. 10. Ruhnke 24. 10. Ruland 23. 10. Scharnowski 29. 10. Scheel 23. 10. Dr. Schild 23. 10. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Schmidt (Gellersen) 22. 10. Schmidt (Hamburg) 23. 10. Dr. Schwörer 24. 10. Dr. Seffrin 23. 10. Dr. Serres 23. 10. Dr. Starke 23. 10. Storch 23. 10. Sträter 23. 10. Frau Strobel 23. 10. Theis 31. 10. Unertl 23. 10. Wagner 23. 10. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 22. 10. Frau Wolff (Berlin) 23. 10. Worms 23. 10. Dr. Zimmer 22. 10. b) Urlaubsanträge Dr. Burgbacher 26. 10. Leber 30. 10. Matthes 15. 11. Anlage 2 Umdruck 394 Änderungsantrag der Abgeordneten Gottesleben, Baldauf, Draeger und Genossen zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft und weitere Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Zweites Änderungsgesetz zum AVAVG) (Drucksachen 1240, 1294). Der Bundestag wolle beschließen: Hinter Artikel VII wird ein neuer Artikel VIII angefügt: „Artikel VIII Im Saarland gelten bis zum 30. September 1962 die Vorschriften der §§ 143 d biss 143 n, für die übrigen Betriebe im Sinne des § 105 b Abs. 1 der Gewerbeordnung entsprechend mit der Maßgabe, daß die Voraussetzungen des § 143 d Abs. 1 Nr. 1 für diese Betriebe nicht erfüllt sein müssen." Bonn, den 21. Oktober 1959 Gottesleben Baldauf Draeger Winkelheide Teriete Wullenhaupt Caspers Harnischfeger Dr. Zimmer Memmel Dr. Reith Balkenhol Dr. Knorr Dr. Winter Dr. Siemer 4568 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Oktober 1959 Anlage 3 Umdruck 395 Änderungsantrag der Abgeordneten Wilhelm, Matzner und Genossen zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft und weitere Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Zweites Änderungsgesetz zum AVAVG) (Drucksachen 1240, 1294). Der Bundestag wolle beschließen: Hinter Artikel VII wird ein neuer Artikel VIII angefügt: „Artikel VIII Im Saarland gelten bis zum 30. September 1962 die Vorschriften der §§ 143d bis 143 n, für die übrigen Betriebe im Sinne des § 105 b Abs. 1 der Gewerbeordnung entsprechend mit der Maßgabe, daß die Voraussetzungen des § 143 d Abs. 1 Nr. 1 für diese Betriebe nicht erfüllt sein müssen." Bonn, den 22. Oktober 1959 Wilhelm Matzner Börner Junghans Höhmann Frau Beyer (Frankfurt Altmaier Welke Dr. Schäfer Dr. Dr. Heinemann Faller Schröder (Osterode) Lange (Essen) Dr. Seume Folger Haage Anlage 4 Umdruck 4001 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft und weitere Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Zweites Änderungsgesetz zum AVAVG) (Drucksachen 1240, 1294). Der Bundestag wolle beschließen: Hinter Artikel VII wird ein neuer Artikel VIII angefügt: „Artikel VIII Im Saarland gelten bis zum 30. September 1962 die Vorschriften der §§ 143 d bis 143 n, für die übrigen Betriebe im Sinne des § 105 b Abs. 1 der Gewerbeordnung entsprechend mit der Maßgabe, daß die Voraussetzungen des § 143 d Abs. 1 Nr, 1 für diese Betriebe nicht erfüllt sein müssen." Bonn, den 22. Oktober 1959 Dr. Hoven Ramms Dr. Schneider (Saarbrücken) Lenz (Trossingen) und Fraktion
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    Rede von Dr. Wolfgang Rutschke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein kurzes Wort zu meiner Vorrednerin! Was Sie gesagt haben, Frau Kollegin Dr. Probst, kann ich zu 99 % unterstreichen, aber ich habe leider das Gefühl, daß Sie den falschen Gesetzentwurf begründet und vor allem in der falschen Richtung geredet haben. In der anderen Richtung hätten Sie reden sollen, das wäre besser gewesen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber Ihr Wort in der Regierung Ohr!

    (Heiterkeit.)

    Meine Damen und Herren, wenn ein Mann, der im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht, den Mut hat, unpopuläre Maßnahmen zu verteidigen, dann gebührt ihm Lob. Wenn der Personenkreis, der von dieser unpopulären Maßnahme betroffen wird, mit Protesten und Resolutionen zum Angriff gegen ihn vorgeht und dieser Mann dann trotzdem seine Meinung, ohne zu wanken, fest verteidigt, dann verdient er Bewunderung. Mut und Standhaftigkeit sind hohe Mannestugenden, die leider in unserer opportunistischen Zeit selten geworden sind.
    Ich habe früher vor dem damaligen Bundesfinanzminister Schäffer — heute Bundesjustizminister — besondere Achtung gehabt, wenn er finanziellen Wünschen entgegentrat und mutig, ohne Rücksicht auf Popularität, das vom Steuerzahler sauer verdiente Geld mit Sparsamkeit verwaltete. Als ich aber nachher leider feststellen mußte, daß er in dieser Zeit den berüchtigten Juliusturm von 7 Milliarden DM anlegte, schwand meine Bewunderung; denn das war eben nicht die verantwortliche Haltung eines mutigen Mannes, sondern kleinbürgerliche Hamsterei.

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Das war die Haltung eines Menschen, der seine Familie darben läßt, um einen Sparstrumpf voll Geld zu stecken,

    (Lachen bei der SPD — Zurufe von der Mitte)

    das ihm dann, weil er es nicht zu verwahren weiß, von einem listigen Gesellen genommen wird.

    (Lachen bei der FDP und SPD.)

    Durch diese mickrige Finanz- und Steuerpolitik sind nachher Milliardenbelastungen in den Bundesetat aufgenommen worden, die sich wie eine ewige Krankheit forterben. Man erreichte genau das Gegenteil dessen, was staatspolitisch notwendig gewesen wäre. Ich behaupte nicht, daß diese Beträge zum Fenster hinausgeworfen wurden, nein, aber es wurden mit diesen Milliarden Aufgaben finanziert, die nicht so vordringlich waren wie andere.
    Was für einen Kampf hat es immer mit dem damaligen Bundesfinanzminister gegeben, wenn z. B. durch die Initiative dieses Parlaments die Verbesserung der Kriegsopferversorgung versucht wurde. Um jeden Pfennig wurde gefeilscht. Stets behauptete der damalige Finanzminister, er habe kein Geld. Zur gleichen Zeit wurde aber, ich sagte es schon, der Juliusturm zusammengehamstert. In- und Ausland wurden begehrlich gemacht, und man teilte später mit vollen Händen nach allen Seiten hin aus.
    Nun, der Herr Bundesarbeitsminister Blank könnte sich möglicherweise auch das Lob der gerecht denkenden Menschen dadurch erwerben wollen, daß er durch standhaftes Verhalten in einer unpopulären Frage Mannesmut beweise. Es hat zunächst den Anschein, als wolle er sich wie ein Winkelried für Bundeskanzler und Bundesfinanzminister aufopfern. Er gleicht aber meiner Meinung nach nicht einem Winkelried, sondern allenfalls einem Michael Kohlhaas,

    (Zustimmung bei der FDP und SPD)

    aber auch das nur in der unbelehrbaren Halsstarrigkeit, mit der er seine Konzeption vertritt. Auch im übrigen ist die Ähnlichkeit nur negativ. Michael Kohlhaas hat sich gegen ein zunächst unbezweifelbares Unrecht zur Wehr gesetzt, während der Herr Bundesarbeitsminister für das Unrecht, das man hier den Kriegsopfern antut, kein Gefühl zu haben scheint.

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Ja, Herr Bundesminister, das ist es, was wir und die Kriegsopfer am allermeisten an Ihnen vermissen: dieses Gefühl für die Ihnen anvertrauten Schwachen. Wer verlangt von Ihnen eigentlich, daß Sie die Geschäfte des Bundesfinanzministers besorgen?

    (Beifall bei der FDP und SPD.)




    Dr. Rutschke
    Meine Partei, meine Damen und Herren, ist jederzeit für Sparsamkeit im Staate eingetreten. Ich werde Ihnen später auseinandersetzen, warum dieser Gesichtspunkt gerade in diesem Falle nicht der oberste sein kann.
    Ich nehme es dem Bundesfinanzminister nicht übel, wenn er ein für allemal auf Sparsamkeit hält. Aber warum üben gerade Sie, Herr Bundesarbeitsminister, eine so kühle Enthaltsamkeit?
    Nach der Lehre Montesquieus von der Teilung der Gewalten haben verschiedene Instanzen im Staate verschiedene Funktionen und sollen diese unabhängig voneinander ausüben, damit aus dem Zusammenspiel ein gerechtes Ergebnis entstehe.

    (Abg. Horn: Ich meine, Sie wollen einen Gesetzentwurf begründen!)

    — Ja, Herr Kollege, ich begründe sehr wohl. Wir müssen nämlich erst einmal die Grundfragen klarlegen, und das sind eben die finanziellen Fragen. Aber das ist Ihnen anscheinend noch nicht aufgegangen.

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Nach dem erwähnten Prinzip arbeitet man an den Gerichten sowohl im Zivil- wie im Strafprozeß; danach arbeiten die beiden gegnerischen Anwälte und das unabhängige Gericht. Den Vertretern der beiden Parteien gesteht man das Recht einer gewissen Einseitigkeit zu; ja, diese Einseitigkeit ist bis zu einem gewissen Grade notwendig. Stellt sich der Verteidiger von vornherein auf die Seite des Staatsanwalts, so wird die Gerechtigkeit verfälscht.
    Herr Bundesminister, Sie sind hier nicht Richter über, sondern Anwalt für die Interessen der Kriegsopfer. Tun Sie als deren Anwalt Ihre Pflicht!

    (Oh-Rufe in der Mitte.)

    Oder zweifeln Sie an der Gerechtigkeit Ihrer Sache? Dann müßten Sie das Mandat niederlegen, d. h. als Minister zurücktreten.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Bundesminister werden nur getreten, die treten nicht zurück!)

    Und nun, meine Damen und Herren, zum materiellen Anspruch der Kriegsopfer. — Ich habe vorhin vom Gefühl gesprochen; aber ich will nicht mit Sentimentalitäten kommen. Betrachten wir vielmehr nüchtern zunächst die Rechtslage, dann aber die materiellen Ansprüche der Kriegsopfer im Zusammenhang mit unserer allgemeinen politischen und sozialen Lage.
    Im bürgerlichen Leben hat derjenige, der durch einen anderen einen Schaden erleidet, einen Ersatzanspruch gegen den Schädiger. Das Grundgesetz garantiert in Art. 2 Abs. 2 — Frau Kollegin Probst, Sie haben diese Bestimmung ja auch zitiert — das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Ich weiß sehr wohl, daß diese Garantie im Kriege illusorisch wird. Wenn man den bürgerlich-rechtlichen Grundsatz des Schadensersatzes anwendete, so wäre geltend zu machen, daß hier der Schaden nicht durch den zum Kriegsdienst einberufenden Staat, sondern durch den Feind entstanden ist. So mag es wohl auch kommen, daß immer wieder, mehr oder weniger ausgesprochen, die Meinung auftaucht, die Folgen einer solchen Katastrophe, wie sie ein Krieg ist, könnten nicht mehr nach reinen Rechtsgrundsätzen beurteilt werden; es sei das Schicksal selbst, das hier, nach uns nicht begreiflichen Grundsätzen, den einen schwer, den anderen weniger hart treffe, ein Ausgleich dieser Ungerechtigkeit liege nicht im Bereiche der menschlichen Möglichkeiten. Tatsächlich läßt sich im Laufe der Geschichte, besonders im Altertum, eine erstaunliche Gleichgültigkeit der Völker und ihrer Gesetzgeber gegenüber dem Kriegsschicksal des einzelnen beobachten.
    Sie wissen auch, wann und wodurch sich der große Umschwung in der Beurteilung vollzog, worauf unsere heutige Anschauung vom Werte der Einzelpersönlichkeit beruht. Es ist die Lehre des Christentums vom Erlöser, der für alle gestorben ist. Es war selbstverständlich, daß das Christentum gerade unter den Sklaven zuerst und am meisten Anhänger hatte. Hier tauchte zum ersten Mal der Gedanke der Verantwortung für den Nächsten, der Gemeinschaft aller auf.
    Verzeihen Sie, meine Damen und Herren, wenn ich im Rahmen dieser Debatte von den höchsten Werten der Menschheit spreche. Ich finde wirklich keine geringere Ursache für die Wandlung, die sich in unserem Denken in diesem Punkte vollzogen hat, als die Lehre von der Gleichheit alles dessen, was Menschenantlitz trägt. Das ist der von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, so oft beschworene Geist des christlichen Abendlandes. Auf diesem Hintergrund allein kann und muß man die Fürsorge für die Kriegsopfer sehen,

    (Beifall bei der FDP)

    in dieser Frage muß sie sich immer und hier und heute bewähren. Wenn uns dieser Grundgedanke unserer abendländischen Kultur nicht mehr zu Opfern begeistern kann, dann bleibt er eine leere Redensart, gut genug, an hohen Festtagen zitiert zu werden, aber blutleer und letzten Endes inhaltlos und heuchlerisch.
    Wie oft haben Sie, meine Damen und Herren, bei Gedenkfeiern an einem Mahnmal gestanden, auf dem die Worte des Evangeliums eingemeißelt waren: „Niemand hat größere Liebe, denn der sein Leben lässet für seine Freunde." Sollten diese Worte nicht besser in unsere Herzen eingegraben sein als in Stein? Wenden Sie sich doch einmal der Praxis in der Kriegsopferversorgung zu!
    Ich frage mich oft, warum in weiten Kreisen der Bevölkerung ein so geringes Verständnis für die Probleme der Kriegsopferversorgung vorhanden ist. Menschen, die sonst ein gesundes Urteil haben, meinen, für die Kriegsopferversorgung könne man Mittel eben nur in begrenzter Höhe zur Verfügung stellen. Bei der großen Anzahl Kriegsopfer entfalle dann nur ein geringer Betrag auf den einzelnen, und damit müsse er sich dann eben abfinden.
    Diese Argumentation ist falsch und — das ist das Schlimmste — gedankenlos. Wenn ich dieselben Menschen frage, ob sie mit einer entschädigungslosen Enteignung ihres Eigentums zum Bau von Straßen, Flugplätzen oder sonstigen für die Ge-



    Dr. Rutschke
    meinschaft notwendigen Anlagen einverstanden seien, so antworten sie mir: „Wir leben doch nicht in einem bolschewistischen Rußland!" Weiterhin ist man der Meinung, daß man im Falle der Schädigung durch einen Dritten ein gutes Recht auf Schadensersatz habe, und zwar in voller Höhe, denn man lebe ja schließlich in einem Rechtsstaat.
    Nun kann es ja jedem Bürger oder seinen nächsten Angehörigen passieren, daß sie bei der Bundeswehr Dienst tun müssen. Dann gelten aber die zuvor vertretenen Grundsätze nicht mehr. Für die Bundeswehr gilt nämlich das Bundesversorgungsgesetz. Hierzu ein Beispiel — Frau Kollegin Probst, Sie brachten ein ähnliches Beispiel —: Während eines Manövers der Bundeswehr werden ein Zivilist und ein Soldat von einem Bundeswehrfahrzeug überfahren. Vollen Schadensersatz erhält der Zivilist, nur einen Bruchteil davon der wehrpflichtige Soldat.
    Ist denn eigentlich im Grundsätzlichen ein so großer Unterschied im Hinblick auf die Entschädigungspflicht bei Schäden, die im zivilen Leben und im militärischen Leben entstehen? Beide Schadensersatzansprüche haben, wie erwähnt, ihre Wurzel im Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes. ,Wird also jemand als Zivilist geschädigt, so hat er Anspruch auf vollen Schadensersatz; hat ihn die Gemeinschaft oder der Staat in eine Uniform gesteckt — mit oder vielleicht sogar gegen seinen Willen —, dann bekommt er niemals eine volle Entschädigung. Er erhält einen Bruchteil hiervon als Grundrente und — wenn er nachweist, daß seine Arbeitsfähigkeit so herabgemindert ist, daß er selbst kein eigenes Einkommen oder ein nur sehr geringes erzielen kann — eine Ausgleichsrente, die ihm allenfalls ein Existenzminimum garantiert, und zwar das der niedrigsten Stufe, eines ungelernten Arbeiters. Hierbei wird außerdem noch alles sonstige Einkommen, auch aus Vermögen, angerechnet.
    Nun wird eingewendet, daß im zweiten Weltkrieg das Risiko des Krieges praktisch von allen gleichmäßig getragen werden mußte, daher sei eine individuelle Entschädigung nicht angezeigt. Man könne dann nur dem helfen, der in schlimmste Not geraten ist — um mit dem Bundesarbeitsminister zu sprechen —, dem Ärmsten der Armen; alle anderen müßten eben sehen, wie sie sich selbst helfen.

    (Zuruf von der Mitte: Hat er nicht gesagt!)

    Diese Argumentation wirft zwei Dinge durcheinander, Ein teilweise gleiches Risiko galt allenfalls für Besitzgüter, obwohl man hier auch einwenden könnte, daß es in den Industriegebieten und grenznahen Zonen weitaus höher war als woanders. Ganz sicher ist aber, daß die Männer, die zur kämpfenden Truppe gehörten, ob nun in Rußland, auf dem Balkan, in Afrika oder anderswo, nicht nur prozentual, sondern auch absolut an Leib und Leben weitaus höher gefährdet waren. Allein schon die mörderischen klimatischen Verhältnisse und die besonderen Gegebenheiten, denen sich die Soldaten, auch wenn sie nicht unmittelbar im Einsatz waren, ausgesetzt sahen, verursachten Körperschäden, die nie wieder ausgeheilt werden können.
    Eine Gegenüberstellung der Zahlen der durch Luftkrieg und in Erdkämpfen umgekommenen Zivilpersonen mit den Wehrmachtsverlusten an Toten ergibt die erschütternde Bilanz von 430 000 Zivilpersonen zu 3 760 000 Soldaten, ohne die nach 1946 in Gefangenschaft Umgekommenen. Diese Zahlen dürften einwandfrei beweisen, daß das Risiko des Soldaten doch um ein Vielfaches höher war. Daher ist auch der Einwand widerlegt, daß eine individuelle Entschädigung der Kriegsopfer durch die Gesamtheit eben wegen der allgemeinen Katastrophe eines Krieges unangemessen sei.
    Es folgt ein weiterer Einwand dieser oberflächlich Urteilenden: die Zahl der Kriegsopfer sei zu groß, um sie ausreichend individuell entschädigen zu können, der Bund besitze nicht die Mittel, soviel zu leisten. Dieser Einwand wäre allenfalls in den Anfangsjahren der Wirksamkeit des Bundesversorgungsgesetzes von 1950 berechtigt gewesen. Im Jahre 1950 betrug der Gesamtetat 14,6 Milliarden Mark, die Zahl der Versorgungsberechtigten belief sich auf 3 939 000. Im gleichen Jahre wurde jedoch für die Kriegsopferversorgung der Betrag von 2,34 Milliarden Mark ausgegeben. — Im Voranschlag für 1950 waren es sogar 2,78 Milliarden. — Das waren 15,9 °/c, des Gesamthaushaltes des Bundes. Heute beläuft sich der Bundesetat auf 39,8 Milliarden. Tatsächlich werden aber in diesem Haushaltsjahr für die Kriegsopferversorgung 3,065 Milliarden ausgegeben werden, das sind nur noch rund 7,7 Prozent, Frau Kollegin Probst. Der Anteil der Kriegsopferversorgung am Gesamtetat hat sich also von 1950 bis heute prozentual um mehr als die Hälfte verringert. Es kann gar kein Zweifel darüber bestehen, daß wir bei einem Gesamtetat von rund 40 Milliarden DM so viel Mittel für die Kriegsopferversorgung aufbringen könnten, daß wir nicht mehr, wie es der Herr Bundesarbeitsminister tut, von den Ärmsten der Armen in der Kriegsopferversorgung — im Lande des Wirtschaftswunders — sprechen müssen. Sicherlich sind auf uns Aufgaben zugekommen, die wir im Jahre 1950 nicht, oder nicht in dieser Form, hatten, z. B. Ausgaben für die Verteidigung.
    Wir Freien Demokraten bejahen die Verteidigung und wir haben uns auch niemals geweigert, die notwendigen Mittel hierfür zu bewilligen. Der Herr Bundesfinanzminister behauptet, daß bei einer durchgreifenden Erhöhung des Kriegsopferetats die Steuern erhöht werden müßten. Diese Argumentation ist, Herr Bundesfinanzminister, nicht ehrlich.

    (Bundesfinanzminister Etzel: Doch!)

    Ich habe Ihnen dargelegt, daß der prozentuale Anteil der Kriegsopferversorgung am Gesamtetat seit 1950 von 15,9 % auf heute 7,7 % stetig zurückgegangen ist. Wenn wir uns jetzt bemühen, zu einer gerechten und halbwegs ausreichenden Kriegsopferversorgung zu kommen — wobei wir beileibe nicht an eine Wiedererhöhung des Etatanteils auf 15,9 % gedacht haben; wir sind mit einem geringeren Prozentsatz zufrieden —, so hätte eine etwaige Steuerhöhung nicht ihre Ursache in der Kriegsopferversorgung, sondern in den hinzugekommenen



    Dr. Rutschke
    Milliardenbeträgen für die notwendige Verteidigung. In diesem Jahr sind es einschließlich der übrigen Verteidigungslasten 12 Milliarden DM. Aber auch sonst notwendige Erhöhungen der Etatposten wie z. B. für den sehr dringenden Straßenbau müssen letzten Endes auch mit einkalkuliert werden.
    Ich bin der Überzeugung, daß ein nicht unerheblicher Teil der Verteidigungsausgaben überhaupt nicht in den ordentlichen Haushalt gehört. Es ist z. B. nicht einzusehen, daß große bauliche Anlagen, die für langfristigen Gebrauch bestimmt sind, über den ordentlichen Haushalt finanziert werden. Ich glaube nicht daran, trotz der hohen Verteidigungsausgaben, daß eine Steuererhöhung erforderlich ist, wenn wir zu einer gerechten ausreichenden Kriegsopferversorgung kommen wollen.
    Wenn der Herr Finanzminister behauptet, daß nicht genug Mittel zur Verfügung stünden, um auch die Grundrenten der Kriegsopfer angemessen zu erhöhen, und daß deshalb nur die Ärmsten der Armen in der Kriegsopferversorgung berücksichtigt werden könnten, dann ist an dieser Behauptung sowohl die Voraussetzung wie die Folgerung falsch. Bei einem 40-Milliarden-Haushalt ist genügend Geld vorhanden; es wird nur fürandere Zwecke ausgegeben, die die Bundesregierung für wichtiger als die Kriegsopferversorgung hält. Es sind Milliardenbeträge in andere Sozialetats geflossen. Die Kriegsopfer wurden bisher hintangestellt. Man hat seinerzeit einen Juliusturm anlegen können und vergaß dabei die Kriegsopfer. Man hat z. B. ohne Rechtsverpflichtung namhafte Beträge von sogenannten Stationierungskosten an Länder gezahlt und auch sonstige Zuwendungen an diese gegeben, die ihre Kriegsopfer erheblich besser versorgen. Die Bundesregierung und Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, haben noch vor einigen Monaten das Sparprämiengesetz in diesem Hause durchgesetzt, das insgesamt mehr als 1 Milliarde DM kosten wird.
    Ich gehöre dem Vorstand dieses Hauses an, der die Federführung für die finanziellen Angelegenheiten der Mitglieder des Bundestages hat. Vor einigen Tagen wurde ich von einem Kollegen angesprochen, der mir sagte, daß es doch nun endlich an der Zeit sei, die Frage der Altersversorgung der Bundestagsabgeordneten positiv zu regeln; man könne nun nicht mehr länger warten. Ich habe diesem Kollegen erklärt, daß ich das Wort Abgeordnetenpension so lange überhaupt nicht mehr hören wolle, solange noch keine Entscheidung über eine ausreichende Versorgung der Menschen gefallen ist, die im Dienste der Allgemeinheit Gesundheit und Leben geopfert haben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Herr Bundesarbeitsminister Blank, ich möchte Ihnen, auch im Namen vieler meiner Freunde, dafür danken, daß Sie innerhalb der CDU/CSU-Fraktion schon vor Monaten Ähnliches gesagt haben. Ich hoffe aber, daß Sie auch in der Bundeskabinettsitzung vom 21. Mai dieses Jahres gegen die sehr großzügige Neuregelung und Verbesserung der Bundesministerversorgung gestimmt haben. Wenn auch die Größenordnungen nicht vergleichbar sind, so mutet es einen doch grotesk an, wenn die — ich betone: unzureichende — Versorgung der Kriegsopfer gemäß Kabinettsbeschluß vom 21. Mai dieses Jahres in der gleichen Kabinettsitzung beschlossen wurde, in welcher eine erhebliche Verbesserung der Pensionsansprüche der Bundesminister — schon nach einjähriger Amtsführung — festgelegt worden ist.
    Schließlich paßt eine solche Kargheit bei der Bewilligung der Mittel für die Kriegsopferversorgung schlecht zu dem dringenden Appell der Bundesregierung, für die Verteidigung der Heimat jedes Opfer zu bringen. Man muß für die Menschen, die das höchste Opfer gebracht haben, Verständnis beweisen und selbst Opfer bringen, um sich das Recht zu einem solchen neuen Appell überhaupt erst zu schaffen.

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

    In der Zeit der sogenannten Umerziehung des deutschen Volkes nach 1945 setzte man Militarismus und aufopfernden Einsatz zur Verteidigung des Vaterlandes gleich. Dies ist noch heute ein schweres psychologisches Hemmnis für eine wirksame Verteidigung unserer Freiheit. Zu einer wirksamen Verteidigung gehören nun einmal finanzielle und persönliche Opfer des ganzen Volkes. Wie wollen Sie aber diese Opferbereitschaft erreichen, wenn Sie die, die das schwerste Opfer an Leib und Leben bereits gebracht haben, im wesentlichen nach den Grundsätzen der öffentlichen Fürsorge behandeln, anstatt ihnen einen rechtlichen Entschädigungsanspruch zuzubilligen?
    Meinen Sie vielleicht, meine Damen und Herren, das Problem der Wehrbereitschaft könne dadurch gelöst werden, daß Sie jetzt an Stelle von Strohsäcken die Schaumgummimatratze bei der Bundeswehr einführen?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ach du liebe Zeit!)

    Nein, wichtiger ist, daß der Soldat darauf bauen kann, daß sich die Gemeinschaft oder der Staat auch dann seiner oder seiner Angehörigen annimmt, wenn er im Dienste der Gemeinschaft Gesundheit oder Leben einbüßt. In allen Bereichen der Wirtschaft, bei den Angehörigen des öffentlichen Dienstes, wird dem Verunglückten oder dem zu Tode Gekommenen bzw. dessen Angehörigen eine seiner Leistung entsprechende Versorgung gewährt. Nur beim Soldaten wird nicht nach der Leistung oder nach seinem Beruf gefragt, sondern ausschließlich nach seiner Bedürftigkeit, wie beim Wohlfahrtsempfänger.

    (Abg. Memmel: Sind denn nächstens Wahlen in Württemberg?)

    — Nein. Sehen Sie, da unterscheiden wir uns grundsätzlich, Herr Memmel. Uns geht es nicht um Wahlgeschenke,

    (Zurufe von der CDU/CSU: Nein, nein!!)

    die Sie vor der letzten Bundestagswahl gemacht
    haben; uns geht es um die Kriegsopferversorgung.

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD.)




    Dr. Rutschke
    Lassen Sie mich an Hand eines Beispiels die kaum glaublichen Konsequenzen aufzeigen, denen sich heute der dienstpflichtige Bundeswehrsoldat bzw. seine Ehefrau ausgesetzt sieht.
    Ein jungverheirateter dienstpflichtiger Bundeswehrsoldat, der im Zivilberuf, vielleicht als Architekt, 1200 DM verdient, wird bei einem Manöver durch einen Unglücksfall getötet. Seine Ehefrau bezog in der Zeit des Wehrdienstes ihres Mannes einen Familienunterhalt für Bundeswehrangehörige von 550 DM. Kurz nachdem sie die Nachricht vom Tode ihres Ehemannes erhalten hat, teilt ihr die Versorgungsbehörde mit, daß sie nach dem Bundesversorgungsgesetz zukünftig nur noch 70 DM Witwenrente erhalten wird.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Der Betrag von 550 DM an die Ehefrau des Soldaten wird nur so lange gewährt, wie dieser als Lebender Dienst in der Bundeswehr tut. Ist er hierbei zu Tode gekommen, so wird das „sparsame" Bundesversorgungsgesetz angewendet, das eben für diesen Fall dann nur 70 DM vorsieht. Gibt Ihnen diese Art der Behandlung nicht zu denken?
    Der damalige Verteidigungsminister Blank führte in seiner Schrift „Vom künftigen deutschen Soldaten" folgendes aus:
    Jeder Soldat, der durch militärischen Dienst eine Beschädigung erleidet, kann sicher sein, daß in ausreichendem Maße für ihn und die Seinen gesorgt wird.

    (Abg. Dröscher: Theorie und Praxis!)

    Welch ein Widerspruch zu seiner heutigen Haltung als Bundesarbeitsminister! Mehr noch! Auch der heutige Bundesverteidigungsminister, der durch Abwesenheit glänzt, obwohl dieses Bundesversorgungsgesetz genauso für die Bundeswehr gilt, und von dem man doch annehmen müßte, daß er unser natürlicher Verbündeter ist, — Herr Strauß schweigt. Wenn aber Herr Strauß schweigt, dann spricht das Bände! Nach dieser Methode von 550 DM auf 70 DM werden aber seit 1945 unsere Kriegsopfer bzw. die Kriegerwitwen behandelt.
    Ist es nicht beschämend, wenn man sich immer wieder darauf beruft, daß — bei einem 40-Milliarden-
    Etat — nicht genügend Geld für eine angemessene Kriegsopferversorgung vorhanden sei? Sollte man nicht besser sagen, wir wollten alles tun, um an anderer Stelle Mittel einzusparen, damit diejenigen, die das höchste Opfer für das Vaterland bringen mußten, wenigstens materiell ausreichend entschädigt werden können?
    Wir Freien Demokraten haben die Konsequenz aus diesem ungleichen Recht, aus dem Messen mit ungleichen Maßstäben gezogen. Wir haben dem Hohen Hause bereits am 3. April 1959 auf Drucksache 962 einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem wir einen Weg zu einer gerechten Kriegsopferversorgung aufzuzeigen glauben. Wir sind der Auffassung, daß dieser Gesetzentwurf im Gegensatz zu allen anderen Vorlagen die Bezeichnung einer Reform verdient. Wir sind uns durchaus bewußt, daß dieser Gesetzentwurf vielleicht noch einige Unebenheiten aufweist. Wir bitten aber dabei zu berücksichtigen, daß uns eben nicht der Apparat eines Ministeriums zur Verfügung steht, sondern nur ein bescheidener Kreis von Mitarbeitern. Wir werden im Ausschuß für Kriegsopferfragen darüber reden müssen.
    Der FDP-Entwurf enthält zwei Schwerpunkte: erstens die Abkehr von der Ausgleichsrente mit der Bedürftigkeitsprüfung zur individuellen Berufsschadensrente, auch für Kriegerwitwen und Kriegerwaisen, und zweitens die Anhebung des Versehrtengeldes, bisher Grundrente genannt, etwa auf die Höhe der Kriegsopferversorgung an der Saar, und zwar in bezug auf die Kaufkraft.
    Liebe Frau Kollegin Probst, ich vermisse in Ihrem Antrag die Saar-Klausel. Ohne eine solche werden Sie nämlich nicht das Wort des Herrn Bundesarbeitsministers einlösen, das er den Leuten an der Saar gegeben hat, daß eine Verschlechterung der Kriegsopferversorgung jedenfalls nicht eintreten wird.
    Man kann darüber streiten, wie hoch das Versehrtengeld zu bemessen ist. Daß eine Anhebung notwendig ist, hat sich inzwischen ja wohl auch bei der Bundesregierung herumgesprochen, obwohl der Herr Bundesarbeitsminister noch vor einigen Monaten im Kriegsopferausschuß des Bundestages die Meinung vertreten hat, daß die Erhöhung der Grundrenten vergeudetes Geld sei.
    Uns erschien die Erhöhung auf das Niveau im Saarland nicht nur erforderlich, sondern auch zweckmäßig, weil man sonst den Deutschen an der Saar, die sich nicht nur im Kriege, sondern auch durch die Saarabstimmung zum zweitenmal für das Vaterland eingesetzt haben, eine böse Quittung für ihr Bekenntnis zu Deutschland gegeben hätte.
    Die Grundrente ist keinesfalls, wie oft gemeint wird, ein Zigarettengeld für begüterte Kriegsversehrte, sondern sie hat einen nüchternen und realen Grund. Es kann doch niemand ernsthaft bestreiten, daß das Kriegsopfer infolge seiner Beschädigung zusätzliche, meist unumgängliche Mehrausgaben gegenüber Nichtkriegsbeschädigten hat. — Hier wäre ich Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, die Sie nicht zu den 70 Leuten gehören, dankbar, wenn Sie mal zuhören wollten, damit Sie endlich jene falsche Vorstellung von der Grundrente aufgeben.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Man kann doch nicht übersehen, daß die im Dienste für die Allgemeinheit erlittenen Verwundungen der Soldaten nicht nur heute noch mehr oder minder starke Schmerzen verursachen, sondern auch mit finanziellen Mehrbelastungen für die Beschädigten verbunden sind.
    Ein Beinamputierter z. B. wird schon bei kürzeren Wegstrecken Aufwendungen für eine Fahrgelegenheit haben. Derselbe Weg könnte für einen Gesunden ein Spaziergang sein. Der Armverletzte muß sich eines Gepäckträgers bedienen oder sein Gepäck bei der Bahn aufgeben, während der Gesunde hier-



    Dr. Rutschke
    zu nicht gezwungen ist. Solche Beispiele ließen sich zu Hunderten bringen. Die weitaus größte Zahl der Kriegsbeschädigten ist in ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit teilweise erheblich gemindert. Ist es nicht ein Gebot der Gerechtigkeit, daß die Allgemeinheit den Kriegsopfern diese zusätzliche finanzielle Belastung abnimmt?
    Man wendet ein, das treffe alles für die Schwerkriegsbeschädigten zu, aber wohl kaum für die anderen. Auch das ist ein Irrtum. Man ist sich offenbar nicht darüber klar, wie und nach welchen Gesichtspunkten die Kriegsopfer eingestuft werden. Ein Fußamputierter wird laut Rententabelle mit 30 % — Rente 30 DM —, ein Beinamputierter mit 50 % — Rente 48 DM — eingestuft. Der Verlust des Kehlkopfes wird mit 50 % bewertet.
    Beim Verlust des Kehlkopfes ist der Kriegsbeschädigte nur noch in der Lage, sich durch Zeichensprache oder schriftlich seiner Umwelt mitzuteilen. Welche berufliche und welche Lebensumstellung im allgemeinen bedeutet das! Ein derart Beschädigter wird zwangsläufig ein erhöhtes kulturelles Bedürfnis haben — er kann mit niemandem mehr sprechen —, was auch mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sein wird. Seine Rente beträgt aber 48 DM monatlich.
    Ich möchte jetzt nicht die vielleicht billige Frage an Sie richten, ob Sie sich für 48 DM Rente monatlich dieses Schicksal aufbürden wollen.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Aber von diesem Gesichtspunkt aus muß man die Frage der Kriegsopferversorgung betrachten, wenn man nicht kalt und egoistisch an den Nöten dieses Personenkreises vorbeigehen will.
    Einen weiteren Übelstand, der die Reform des heute gültigen Bundesversorgungsgesetzes dringend erscheinen läßt, möchte ich Ihnen an einem Beispiel aus der Praxis aufzeigen. Ein Feinmechanikermeister in einer Spezialindustrie verlor im Kriege sämtliche Finger einer Hand. Er war daher nicht mehr in der Lage, seinen früheren Beruf auszuüben, sondern konnte in seiner Fabrik nur noch als Pförtner Verwendung finden. Ohne seine verkrüppelte Hand hätte er in seinem alten Beruf als Feinmechanikermeister ein Einkommen von heute rund 800 DM bezogen, aber als Pförtner verdient er nur noch knapp 400 DM. Verlust aller Finger einer Hand wird nach der Rententabelle mit 40 % eingestuft, d. h. 38 DM Rente pro Monat. Ausgleichsrente kann er nicht beziehen, da er nicht mindestens zu 50 % beschädigt ist. Dieser Mann trägt also jeden Monat seines Lebens einen Einkommensverlust von 400 DM. Als Entschädigung billigt ihm die Allgemeinheit einen Ausgleich von monatlich 38 DM zu.

    (Abg. Lenze [Attendorn] : Bitte § 30 nicht vergessen!)

    — Gut, Herr Kollege, nehmen wir den § 30. Dann wird er um 10 % auf 50 % höhergestuft, und dann bekommt er keine Ausgleichsrente, weil er nicht bedürftig ist; denn er verdient 400 DM.
    Dieses offensichtliche Unrecht schreit doch nach einer Reform. Daher haben wir in unserem Gesetzentwurf die individuelle Berufsschadensrente an Stelle der auf die Bedürftigkeit abstellenden Ausgleichsrente vorgesehen. Sie soll den Schaden ausgleichen, den der Beschädigte dadurch erlitten hat, daß er infolge seiner körperlichen Beeinträchtigung den erlernten oder den zuletzt ausgeübten oder den nachweisbar angestrebten Beruf ganz oder teilweise nicht mehr ausüben kann. Wir haben die Berufsschadensrente auf 70 % des tatsächlichen Verlustes begrenzt. Diese Begrenzung schien uns gerechtfertigt zu sein, weil der Beschädigte von dieser Berufsschadensrente weder Sozialabgaben noch Steuern bezahlt.
    Bei Selbständigen, die mit Rücksicht auf ihre Beschädigung eine fremde Arbeitskraft zusätzlich beschäftigen müssen, gelten als Berufsschaden die für diese Kraft notwendigen Aufwendungen mit der gleichen Begrenzung. Neben der Berufsschadens-rente bringt die vorgesehene Eingliederung des Versorgungsrechts in das allgemeine Altersversicherungsrecht den Reformcharakter unseres Gesetzentwurfs am deutlichsten zum Ausdruck. Der Entwurf geht davon aus, daß der Beschädigte auch ohne seine Beschädigung in der Regel im Alter von 65 .Jahren aus dem Berufsleben ausgeschieden wäre und seinen Lebensunterhalt aus der während seiner beruflichen Tätigkeit geschaffenen Altersversorgung bestritten hätte. Deshalb erhält der Beschädigte, der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Berufsschadensrente empfangen hat, nach unserem Gesetzentwurf aus der für ihn nach seiner beruflichen Eingruppierung zuständigen gesetzlichen Rentenversicherung eine Altersrente, deren Höhe sich nach der Höhe der Beiträge bestimmt, die er im Falle seiner vollen Erwerbsfähigkeit hätte entrichten müssen. Diese Renten bzw. deren Aufstockung werden den Versicherungsträgern aus dem Kriegsopferetat erstattet.
    Als besonders ungerecht empfinden wir die heutige Regelung der Kriegerwitwenversorgung. Heute erhält die Kriegerwitwe — ihre Bedürftigkeit vorausgesetzt — eine Einheitsversorgung von maximal 180 DM, ohne Rücksicht auf das, was sie auch finanziell durch den Verlust des Ehemannes einbüßen mußte. Hier hat die kalte Sozialisierung einer Gruppe von Menschen stattgefunden, die dem Vaterland das Leben ihres Schicksalsgefährten, mit dem sie eine gemeinsame Existenz aufgebaut hatten, opfern mußten. Statt sich zu bemühen, wenigstens den finanziellen Schaden gerecht auszugleichen, werden alle diese Frauen auf das Einkommensniveau der Witwe eines ungelernten Arbeiters herunternivelliert. Das gleiche Schicksal erleiden die Vollwaisen und die Halbwaisen. Die Witwen- und Waisenversorgung wird daher im FDP-Entwurf auch nach den Grundsätzen der Berufsschadensrente geregelt. Somit fällt automatisch eine Nivellierung weg.
    Auch in den Vorschlag des Bundesarbeitsministeriums ist der Gedanke der Berufsschadensrente eingeflochten, allerdings in so unzureichendem Maße, daß er wenig Wirkung verspricht. Der Blank-



    Dr. Rutschke
    Entwurf der Berufsschadensrente läßt zunächst einmal alle Berufsschäden unter 100 DM völlig unberücksichtigt. Erst ab 100 DM Berufsschaden soll die Hälfte des nachgewiesenen Schadens, später noch weniger, entschädigt werden. Ich möchte den Herrn Bundesarbeitsminister fragen, mit welcher Begründung er eine Entschädigung unter 100 DM Berufsschaden rundweg ablehnt. Für einen Kriegsbeschädigten mit einem Einkommen von 300 DM sind 100 DM mehr oder weniger genau ein Viertel seines Gesamteinkommens und ein sehr spürbarer Schaden. Bei Ihrer Regelung, Herr Bundesarbeitsminister, stand nicht die Gerechtigkeit, sondern standen rein fiskalische Erwägungen Pate; sie gehen zu Lasten der geschädigten Kriegsopfer.
    Wir wollen aber nicht verhehlen, daß wir das Bemühen, wenigstens den Gedanken der Berufsschadensrente zu berücksichtigen, durchaus positiv beurteilen. Denn damit ist auch in Ihrer Fassung, Herr Bundesarbeitsminister, ein kleines Stück Reform enthalten, das jedoch nur dann zur Auswirkung kommt, wenn die Konstruktion wenigstens mit der Zeit weiterentwickelt wird.
    Wenn man sich an den einstimmigen Beschluß aller Parteien hielte, dann wäre hier durchaus eine Chance gegeben. Schon bei den Beratungen der Sechsten Novelle zum Bundesversorgungsgesetz im 2. Deutschen Bundestag — Plenarberatung am 22. Mai 1957 — wurde im Ausschußbericht, Drucksache 3488, ausdrücklich folgende Feststellung getroffen — ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten —:
    Der Ausschuß ist einmütig der Auffassung, daß alle Einsparungen innerhalb des Kriegsopferetats so lange für Leistungsverbesserungen in der Kriegsopferversorgung Verwendung finden sollen, bis eine den Vergleich mit den übrigen Sozialleistungsempfängern standhaltende ausreichende Versorgung der Kriegsopfer sichergestellt ist. Der Ausschuß erwartet, daß die Bundesregierung diesem Anliegen bei ihren zukünftigen Planungen Rechnung trägt.
    Keine Fraktion, auch die Bundesregierung nicht, hat dem widersprochen. Die Bundesregierung hat jedoch entgegengesetzt gehandelt. Im Etat 1957/58 wurden über 30 Millionen DM als Einsparungen gestrichen. Im Etat 1958/59 waren es bereits 238 Millionen DM. Wir Freien Demokraten protestieren entschieden gegen diese Methode der Bundesregierung, sich über die Entschließung des Parlaments einfach hinwegzusetzen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Offensichtlich meint man mit Haushaltsmanipulationen berechtigte Ansprüche umgehen zu können; man will sich seine Wahlchancen nicht verderben. Das beweist uns auch die abgeänderte CDU/CSU-Vorlage, die eine Verschiebung des Inkrafttretens des Gesetzes um ein Jahr vorsieht. Man tut so, als ob man etwas gäbe; in Wirklichkeit nimmt die linke Hand wieder weg, was die rechte — scheinbar — gibt.
    In geradezu bedenklicher Weise hat das Bundesarbeitsministerium versucht, das Bemühen der Freien Demokraten um eine gerechte Kriegsopferversorgung in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Zunächst setzte man die Behauptung in die Presse, der FDP-Entwurf verursache 2,95 Milliarden DM Mehrkosten, ein utopisches Verlangen der FDP. Endlich, vorige Woche, überließ man uns, nachdem wir uns lange vorher darum bemüht hatten, eine knappe Aufstellung der Berechnung des Bundesarbeitsministeriums über den FDP-Entwurf. In dieser Berechnung war ganz eindeutig die Tendenz zu spüren, so ungünstig wie möglich zu rechnen. Z. B. wurde für die Berechnung der Berufsschadensrente für Kriegsbeschädigte, Witwen und Waisen ein Durchschnittseinkommen der Bevölkerung der Bundesrepublik von 600 DM unterstellt. Natürlich ergab diese Grundlage astronomische Zahlen, z. B. allein bei der Witwenversorgung einen Aufwand von 2,92 Milliarden DM.
    Im letzten Sozialbericht der Bundesregierung, der uns vor einigen Wochen vorgelegt wurde, wird aber das Durchschnittseinkommen mit 428 DM ausgewiesen.

    (Abg. Ruf: Das haben Sie aber falsch gelesen!)

    Für unsere Berechnung unterstellt aber das Bundesarbeitsministerium 600 DM. Innerhalb einer Woche ist es uns nun nicht möglich gewesen, all die Zahlen des Bundesarbeitsministeriums in vollem Umfange nachzuprüfen. Aber heute kann schon mit Sicherheit gesagt werden, daß das Bundesarbeitsministerium zumindest um 1,2 Milliarden DM übertrieben hat.

    (Abg. Maier [Mannheim] : Herr Rutschke, haben Sie hier ein falsches Einkommen zugrunde gelegt? Die eine Summe betrifft nur die Einnahmen der Versicherten, und die andere ist das Gesamteinkommen einschließlich der Selbständigen!)

    — Ja, das meine ich.

    (Abg. Maier [Mannheim] : Ja, eben das haben Sie nicht begriffen!)

    Wollte das Bundesarbeitsministerium hiermit den Steuerzahler schrecken, so ging es bei den Kriegsopferverbänden den anderen Weg. In den sozialpolitischen Informationen der Pressestelle des Bundesarbeitsministeriums werden die Auswirkungen der einzelnen Gesetzesvorschläge auf die Rentenhöhe nebeneinandergestellt. Hier ist der FDP-Entwurf der magerste, ja, bedeutet sogar eine Verschlechterung gegenüber dem jetzt gültigen Gesetz, während der Blank-Entwurf im Durchschnitt in bezug auf die Höhe der Kriegsopferrenten geradezu paradiesische Zustände ankündigt. Herr Bundesarbeitsminister, das sind Methoden, die sich für ein Bundesministerium nicht geziemen. Wenn man von seiten des Bundesarbeitsministeriums zu solchen fragwürdigen Mitteln greift, muß es um den eigenen Gesetzentwurf schlecht bestellt sein.
    Eigentlich müßte man mit Ihnen, Herr Bundesarbeitsminister, Mitgefühl haben. Ursprünglich hatte Ihnen der Bundesfinanzminister mit Unterstüzung des Bundeskanzlers erklärt, daß es unmöglich sei, mehr als 550 Millionen DM für die Verbesserung der Kriegsopferversorgung bereitzustellen. Ihnen



    Dr. Rutschke
    mußte klar sein, daß mit diesem Betrag eine wirksame Verbesserung nicht durchzuführen ist. Anstatt hier Widerstand zu leisten und als zuständiger Bundesminister für die gerechte Behandlung der Kriegsopfer einzutreten und auf höhere Mittelzuweisungen zu drängen — schließlich auch mit der Drohung Ihres Rücktritts —, haben Sie sich allzuschnell auf die andere Seite geschlagen. Nun, bei uns ist es Mode geworden: ein Bundesminister tritt allenfalls daneben, aber niemals zurück.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler hat ein sehr feines Gefühl für kommende Wahlchancen, und als er sah, daß die 3,5 Millionen Kriegsopfer nicht gewillt sind, sich in dieser Weise abspeisen zu lassen, stimmte er flugs einer Grundrentenerhöhung zu, während der Bundesfinanzminister — offensichtlich mit einigen geübten Haushaltstricks — die Sache abmilderte. Während Sie, Herr Bundesarbeitsminister, noch mit allen Kalibern gegen die Leute schossen, die die Notwendigkeit der Grundrentenerhöhung vertraten, während Sie, Herr Bundesarbeitsminister, Bundeskanzler und Bundesfinanzminister noch mit vollen Salven verteidigten, hatten sich diese beiden aus dem Staube gemacht und bereits die weiße Fahne aufgezogen.

    (Heiterkeit.)

    Keine beneidenswerte Position für Sie!
    Während Sie sich noch als Winkelried wähnten, waren ,Sie durch Bundeskanzler und Bundesfinanzminister zu einem Michael Kohlhaas gemacht worden. Das Schicksal dieses Mannes ist Ihnen bekannt.

    (Heiterkeit.)

    Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen einige Beispiele gebracht, die Ihnen die jetzige Lage der Kriegsopfer verdeutlichen sollten. Ich habe Ihnen die Grundgedanken unseres Antrages erläutert. Ich möchte zum Schluß auf das zurückkommen, was ich zu Anfang über die Grundlagen, den Grundgedanken der Kriegsopferversorgung überhaupt ausgeführt habe.
    Der französische Philosoph Vauvenargues hat das Wort gesprochen: „Die großen Gedanken kommen aus dem Herzen." Dieser hier, der Gedanke der Fürsorge für den Bruder, der das Höchste für uns geopfert hat, kommt aus dem Herzen und muß mit dem Herzen und darf nicht nur mit dem kalten Verstand oder gar mit dem Rechenstift 'behandelt werden. Das Wort „Niemand hat größere Liebe, denn der sein Leben läßt für seine Freunde" muß in unseren Herzen einen Widerhall der Liebe erwecken. Jeder von uns muß mit freudigem Herzen die Pflicht der Fürsorge mittragen, wenn wir überhaupt auf den Namen „Christen" Anspruch erheben wollen.

    (Abg. Arndgen: Das habe ich auch schon einmal gehört!)

    Es ist ein Appell an die Herzen, den ich an Sie richte und der, das weiß ich, auch der Ruf Ihres Herzens, wenn Sie darauf hören wollen, ist; jedenfalls müßte es der Ruf Ihres Herzens sein. Hören Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, diesen Ruf!

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort zur Einbringung des Antrages unter Punkt 1 c — Drucksache 1239 — wird nicht gewünscht.
Ich gebe das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktion der SPD — Drucksache 1262 — dem Abgeordneten Rasch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hugo Rasch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin etwas überrascht, daß ich schon drankomme, um den SPD-Antrag zu begründen; denn ich hatte erwartet, daß der Herr Bundesarbeitsminister jetzt den Entwurf der Bundesregierung begründen würde. Aber er hat es sich sehr leicht gemacht. Er hat eine knappe Schreibmaschinenseite vorgelesen und gesagt, daß er sich nun eines Besseren besonnen habe. Man kann darüber „traurig" sein, daß über Parlamentsreform diskutiert wird. Auf jeden Fall hat es auch seine guten Seiten, wenn der Gegner gleich lesen kann, was der Herr Vorredner gesagt hat. Ich bin auch im Zweifel gewesen, ob ich eine Rede vorlesen oder mich bemühen soll, in knapper, prägnanter Form auf die wesentlichen politischen Dinge hinzuweisen.
    Herr Minister Blank, es ist nicht so, daß die Öffentlichkeit das, was sich in den letzten Wochen und Monaten abgespielt hat, nicht begriffen hat. Einer meiner Kollegen war vorhin so freundlich, mir eine Zeitung aus München zu übergeben. Dort ist ein Bild: Sie liegen auf einem Stuhl, und auf dem Stuhl steht geschrieben „Kriegsopferrentenreform". Die Unterschrift lautet: „Theo Blank, der Bundesprügelknabe". Der Herr Bundeskanzler klatscht Ihnen gerade ein paar

    (Heiterkeit)

    und sagt dabei: „Dat Anjenehme is, dat e' dabei nie ene Muckser tut!"

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    So weit, so schön! Ich weiß nicht, Herr Präsident, ob ich es richtig gemacht habe, ich glaubte, man könne vielleicht demnächst auch diese etwas köstliche Methode gebrauchen.