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ID0308303000

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    Deutscher Bundestag 83. Sitzung Bonn, den 16. Oktober 1959 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umwandlungs-Steuergesetzes (SPD) (Drucksache 1151); Mündlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1194) — Zweite Beratung — . . . . . . . . 4477 B Entwurf eines Straßenbaufinanzierungsgesetzes (Drucksache 1247) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Schaffung eines Straßenfonds und die Bundeshilfe für Straßenbau und -unterhaltung (Verkehrsfinanzgesetz 1959) (SPD) (Drucksache 1275) — Erste Beratung — Etzel, Bundesminister 4477 C Dr. Seiermann, Staatssekretär 4481 D, 4491 D Dr. Bleiß (SPD) . 4483 C, 4490 B, 4503 D Müller-Hermann (CDU/CSU) 4487 D, 4490 B, 4507 B Eisenmann (FDP) 4492 B Dr. Besold (CDU/CSU) 4496 D Dr. Dresbach (CDU/CSU) 4498 B Drachsler (CDU/CSU) 4499 C Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 4501 A Rademacher (FDP) 4502 A Ritzel (SPD) 4504 D Schriftliche Erklärung des Abg. Dr. Deist außerhalb der Tagesordnung . . . . 4507 D Nächste Sitzung 4507 D Anlage 4509 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Oktober 1959 4477 83. Sitzung Bonn, den 16. Oktober 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Oktober 1959 4509 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Ackermann 16. 10. Bauer (Wasserburg) 28. 10. Bergmann 16. 10. Birkelbach 16. 10. Dr. Birrenbach 16. 10. Fürst von Bismarck 7. 11. Blachstein 16. 10. Blöcker 16. 10. von Bodelschwingh 16. 10. Dr. Brecht 16. 10. Dr. Bucerius 16. 10. Demmelmeier 16. 10. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 16. 10. Dopatka 17. 10. Eilers (Oldenburg) 16. 10. Engelbrecht-Greve 16. 10. Even (Köln) 17. 10. Dr. Franz 18. 10. Dr. Frey 16. 10. Dr. Friedensburg 16. 10. Fritz (Welzheim) 17. 10. Gedat 24. 10. Geiger (München) 16. 10. Gerns 16. 10. Glahn 16. 10. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 31. 10. Hackethal 16. 10. Häussler 16. 10. Dr. Heck (Rottweil) 16. 10. Dr. Hellwig 16. 10. Hermsdorf 16. 10. Hilbert 1. 12. Holla 16. 10. Dr. Jordan 16. 10. Josten 23. 10. Keller 16. 10. Kemmer 16. 10. Könen (Düsseldorf) 18. 10. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Kopf 16. 10. Krüger (Olpe) 7. 11. Kühlthau 16. 10. Dr. Leiske 17. 10. Lücker (München) 16. 10. Ludwig 16. 10. Mattick 16. 10. Meitmann 16. 10. Dr. Menzel 16. 10. Metzger 16. 10. Freiherr von Mühlen 16. 10. Neuburger 16. 10. Frau Niggemeyer 17. 10. 011enhauer 16. 10. Pelster 30. 10. Dr. Ratzel 16. 10. Rasner 16. 10. Recktenwald 16. 10. Rehs 19. 10. Frau Renger 16. 10. Dr. Rüdel (Kiel) 16. 10. Scharnowski 29. 10. Scheel 16. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 16. 10. Schultz 16. 10. Schütz (Berlin) 16. 10. Frau Dr. Schwarzhaupt 16. 10. Dr. Schwörer 24. 10. Dr. Serres 23. 10. Spitzmüller 16. 10. Stahl 16. 10. Dr. Stammberger 16. 10. Dr. Starke 16. 10. Dr. Steinmetz 16. 10. Stenger 16. 10. Storch 17. 10. Sträter 17. 10. Theis 31. 10. Dr. Wahl 21. 10. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 18. 10. Wehner 16. 10. Wieninger 16. 10. Frau Wolff (Berlin) 16. 10.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Paul Bleiß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige wenige Bemerkungen zu dem Verlauf der Diskussion. Herr



    Dr. Bleiß
    Kollege Besold, ich glaube, ich bin von Ihnen mißverstanden worden. Ich hatte heute keine Kritik an der Vergangenheit geübt, ich habe nur auf eine Rede Bezug genommen, die der Herr Bundesverkehrsminister gehalten hat. Bei der Einweihung einer Autobahnstrecke hat er — ich habe das wörtlich zitiert — gesagt: Wenn man die Bauleistungen kritisiert, beschimpft man das deutsche Volk. — Ich habe nur gefragt: Was meint der Herr Bundesverkehrsminister mit diesem Ausdruck „Beschimpfung"? Bedeutet Kritik immer Beschimpfung? Gerade um diese Klarstellung habe ich gebeten. Sie konnte uns heute nicht gegeben werden, weil der Herr Bundesverkehrsminister nicht anwesend ist. Ich habe also die Vergangenheit nicht kritisiert. Ich muß Ihnen allerdings sagen, daß auch ich der Meinung bin, daß in den vergangenen Jahren etwas mehr hätte getan werden können und daß zweifellos große Versäumnisse vorliegen. Ich habe aber heute, weil es uns darum ging, die neuen Grundlagen zu besprechen, keine Kritik an dem Bisherigen geübt.
    Ich möchte auf einiges zurückkommen, was Herr Kollege Müller-Hermann vorgetragen hat. Herr Kollege Müller-Hermann, Sie haben heute — das haben wir leider schon verschiedentlich von Ihnen vernommen — wiederum die Methode angewandt: wenn die SPD einen Vorschlag bringt, dann ist es ein Wahlschlager. Verehrter Herr Kollege Müller-Hermann, seien Sie doch davon überzeugt, daß wir den ehrlichen Willen haben, hier in diesem Parlament mitzuarbeiten, und es hat doch keinen Sinn, Vorschläge einer anderen Fraktion gleich immer als Wahlschlager zu verdächtigen. Das ist eine wirklich schlechte Methode, sie dient nicht der sachlichen Zusammenarbeit. Ich möchte Sie bitten, doch endlich von dieser Methodik abzulassen.
    Herr Kollege Müller-Hermann, Sie haben auch gesagt, daß in unseren Vorschlägen eine Finanzierungslücke sei. Sie haben unter anderem gesagt, daß der Gesamtaufwand um den Sockelbetrag von 600 Millionen DM gekürzt werden müsse; diese 600 Millionen DM seien nicht als zweckentfremdet zu werten, weil mindestens die Hälfte nicht vom Kraftverkehr aufgebracht wird. Herr Bundesfinanzminister, darüber möchten wir von Ihnen gern eine Auskunft haben. Wir werden in den Ausschüssen auf diese Rechnung zurückkommen.
    In dieser Ihrer Vorlage steht — ich denke doch, daß ich richtig leise —, daß der auf den Kraftverkehr entfallende Teil des Aufkommens an Mineralölsteuer für die Zwecke des Straßenbaus zu verwenden ist. Es ist doch nur an den Teil gedacht, der vom Kraftverkehr aufgebracht wird. Dann kann man doch nicht, wie es Herr Müller-Hermann getan hat, die Ansicht vertreten, von den 600 Millionen DM, die Sie als Abgeltungsbetrag absetzen, müsse man wieder 300 Millionen DM streichen, weil das Abgaben seien, die der Kraftverkehr nicht aufbringe. Offen gestanden, mit diesem Zahlenspiel komme ich einfach nicht zurecht.

    (Bundesfinanzminister Etzel: Herr Bleiß, wir können es im Ausschuß diskutieren! Aber er hat recht!)

    — Gut, wir wollen das gern im Ausschuß diskutieren. Aber ich glaube, wenn Herr Müller-Hermann mit seiner Ansicht recht hat, dann stimmt die Formulierung Ihres Gesetzestextes nicht ganz. Ich bin gern bereit, im Ausschuß Ihre Zahlen entgegenzunehmen und darüber zu beraten.
    Herr Kollege Müller-Hermann, ich glaube, Sie haben es unterlassen, unsere Vorlage vom Jahre 1956 mit der diesjährigen Vorlage zu vergleichen. Die jetzige Vorlage weicht nämlich in einigen Punkten von der früheren Vorlage ab. Wir haben aus den Erfahrungen der Vergangenheit Konsequenzen gezogen und den einen Abschnitt, der in dem Gutachten des Bundesjustizministeriums als verfassungsrechtlich bedenklich bezeichnet worden ist, völlig geändert. In unserem jetzigen Entwurf ist der Passus, daß durch Gesetz über die aufkommenden Mittel verfügt werden soll, nicht mehr enthalten. Vielmehr haben wir hier eine vertragliche Vereinbarung zwischen Bund und Ländern vorgeschlagen. Damit gehen wir genau den gleichen Weg wie die Regierungsvorlage. Wenn gegen unseren jetzigen Entwurf verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden könnten, träfe das auch für die Regierungsvorlage zu. In diesem Punkte deckt sich unser Entwurf mit der Regierungsvorlage. Ich hatte mir erlaubt, heute morgen in meinen Ausführungen zu bemerken, daß wir versuchen müssen, dafür einen richtigen und vernünftigen Weg zu finden. Ich glaube also, daß auch insoweit Ihre Kritik nicht begründet ist.
    Sie haben zum Schluß Ihrer Ausführungen, Herr Kollege Müller-Hermann, gesagt, daß im Zusammenhang mit dem Vorschlag der SPD nur von „Traumstraßen" die Rede sein könne. Nun, wir sind keine Träumer, sondern nüchterne Realisten. Mit diesem nüchternen Realismus, Herr Kollege Müller-Hermann, haben wir den Zehnjahres-Straßenbauplan der Bundesregierung zur Grundlage genommen — das ist wiederholt betont worden —, weil wir glauben, daß dieser Straßenbauplan eine fleißige und vernünftige Arbeit ist. Wir haben versucht, für diesen Straßenbauplan der Bundesregierung eine finanzielle Grundlage zu schaffen. Leider ist der damalige Zehnjahresplan auf zwölf Jahre erstreckt, also verwässert worden. Wenn Sie trotzdem noch von „Traumstraßen" sprechen, verehrter Herr Kollege Müller-Hermann, möchte ich wirklich gerne wissen, wie nach Ihren Vorstellungen die Verhältnisse auf den deutschen Straßen in einigen Jahren sein werden.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Georg Ritzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um bei dem zuletzt Gesagten fortzufahren, an die Adresse des Herrn Kollegen Müller-Hermann gerichtet: Herr Kollege, wir haben wirklich keine Traumstraßen vor Augen. Aber uns befällt angesichts Ihrer Haltung ein Alpdrücken. Ich meine, dieses Alpdrücken müßten besonders Sie empfinden. Jeder Deutsche und erst recht jeder deutsche Volksvertreter
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16, Oktober 1959 4505
    Ritzel
    muß angesichts der Entwicklung, vor der wir stehen, in großer Sorge sein.
    Herr Kollege Drachsler sagte: Niemand konnte in früheren Jahren erkennen, wie sich die Motorisierung entwickeln würde. Herr Kollege Drachsler, das ist ein sehr böser Irrtum. Sie sind bereits durch Herrn Kollegen Schneider (Bremerhaven) widerlegt worden, der zu Recht auf die seinerzeitige Initiative des Bundesverkehrsministers Dr. Seebohm hingewiesen hat. Sie sind auch durch Herrn Rademacher widerlegt worden, der Sie und Ihre Fraktion freundlichst eingeladen hat, ein wenig über die Grenzen zusehen. Tatsache ist doch, und es läßt sich geschichtlich nachweisen, daß in diesem Hohen Hause einmal die sozialdemokratische Bundestagsfraktion, zum andern sogar der Herr Bundesverkehrsminister selber Forderungen im Hinblick lauf die kommende, wenn Sie wollen, drohende Entwicklung des Verkehrs erhoben hat, Forderungen, die von der Koalition im ganzen, also einschließlich der Deutschen Partei, ebenso abgelehnt worden sind wie vorweg — sogar in Zeiten des Juliusturms — von der Bundesregierung, führend vom Bundesfinanzministerium.
    Ich bin objektiv, jedenfalls bemühe ich mich, es zu sein. Ich freue mich, heute feststellen zu können, daß der jetzige Herr Bundesfinanzminister und seine Berater einen etwas aufgeschlosseneren Geist in Fragen des Straßenbaus und der Straßenbaufinanzierung zeigen, als ihn der Finanzminister a. D. Fritz Schäffer selbst in der Zeit bewiesen hat, die uns noch in guter Erinnerung sein muß, in der Zeit des Entstehens des Juliusturms.
    Herr Müller-Hermann hat — und darauf hat mein Kollege Paul Bleiß mit Recht hingewiesen — offensichtlich versäumt, den vorliegenden Gesetzentwurf dersozialdemokratischen Bundestagsfraktion in bezug auf seine verfassungsmäßige Zulässigkeit zu prüfen. Vielleicht nutzen Sie das Wochenende dazu, das nachzuholen.

    (Abg. Müller-Hermann: Das ist geschehen!)

    Tatsache ist jedenfalls, daß das Verlangen, das in dem Entwurf meiner Fraktion zum Ausdruck kommt, den durch das Gesetz gegebenen Möglichkeiten durchaus Rechnung trägt.
    Wenn wir heute einem Straßenbaufonds das Wort reden, tun wir es aus der bitteren Erfahrung, daß gerade die Vergangenheit der Finanzpolitik dieses Staates bewiesen hat, daß immer und immer wieder anderen Bereichen der Vorrang vor dem Straßenwesen eingeräumt wurde. Wir möchten auf Grund der Erfahrungen mit dem Juliusturm durch den Gedanken eines Straßenbaufonds endlich einmal die Bahn für eine vernünftige Verkehrspolitik frei machen.
    Herr Kollege Müller-Hermann hat den verständlichen Vorschlag gemacht, wir sollten uns in bezug auf das Problem der Zweckbindung nicht in einen Theorienstreit begeben. Ich unterstütze das. Wir sollten diese späte Stunde nicht dazu benutzen.
    Herr Kollege Dr. Dresbach hat mich persönlich angesprochen. Dazu nur wenige Bemerkungen, Herr Kollege Dr. Dresbach. Die deutsche Finanzgeschichte beweist — Sie haben selber davon gesprochen —,
    daß es in der Vergangenheit Zweckbindungen für die Lösung der verschiedensten Aufgaben gegeben hat. Ich brauche Sie nur an die Wehrsteuer zu erinnern. Ein Blick auf die ausländische Finanzpolitik zeigt, daß von Zweckbindungen am laufenden Band Gebrauch gemacht wurde.
    Herr Kollege Schröter (Berlin) hat in einem Zwischenruf schon auf das österreichische oder das Wiener System hingewiesen, das ja nicht ohne die österreichische Gesetzgebung möglich gewesen wäre. Ich erinnere mich noch aus jüngerer Zeit, da kam man an riesigen Straßenzeilen mit Wiener Neubauten vorbei, an jedem Baublock war zu lesen: „Errichtet aus den Erträgnissen der Wohnbausteuer". Es gab sogar Zweckabgaben und Zwecksteuern, die die Bekämpfung der Auswüchse des Alkoholismus zum Ziele hatten.

    (Abg. Dr. Dresbach: Ach, das war ein schlechtes Beispiel! — Heiterkeit.)

    — Herr Kollege Dr. Dresbach, lassen Sie einmal den Blick über die Grenzen hinauswandern, schauen Sie einmal nach der Schweizerischen Eidgenossenschaft! Dort haben Sie in der Wehrsteuer ein ganz klares Beispiel, aber zugleich auch den Nachweis dafür, daß kein Pfennig, der durch diese Steuer eingeht, für andere Zwecke als eben für den Wehrzweck verwendet wird. Das ist das, was wir wollen. Und warum wollen wir es denn? Glauben Sie doch nicht, meine Damen und Herren, daß wir aus Prinzipienreiterei auf dem Gedanken der Zweckbindung beharren! Nein, wir sind durchaus bereit, überhaupt kein Wort von der Zweckbindung zu sagen, wenn die Mehrheit hier endlich einmal bereit ist, aus den allgemeinen Mitteln des Haushalts die absolut erforderlichen Mittel zu bewilligen.
    Bitte, befassen wir uns doch noch kurz mit der Realität. Ich war angesichts der Vielzahl kommunalpolitisch interessierter Mitglieder dieses Hohen Hauses — auch im Bereich der Koalition — darüber erstaunt, daß keiner dieser Herren auf die Drucksache Bezug genommen hat, die heute morgen in den Schubfächern der Abgeordneten dieses Hohen Hauses lag; ich meine das Schreiben des Deutschen Städtetages in Köln-Marienburg vom 14. Oktober. Darin wird mit großer Sorge von dem Problem der Ortsdurchfahrten, das auch in der Debatte behandelt worden ist, gesprochen. Ich darf wohl mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten wenige Sätze zitieren:
    Der Herr Bundeskanzler hatte in seiner Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 die Verkehrsnot der Städte hervorgehoben und angekündigt, die Bundesregierung werde die von Jahr zu Jahr zu steigernden Bundesmittel für den Straßenbau „so einsetzen, daß ein in allen Teilen leistungsfähiges Gesamtnetz entsteht".
    Der Hauptausschuß des Deutschen Städtetages sagt dazu weiter:
    Diese Erklärung wird durch die Regierungsvorlage nicht erfüllt. Während noch der vom Herrn Bundesverkehrsminister im Jahre 1957 aufgestellte Zehnjahresplan innerhalb der Ge-



    Ritzel
    samtkosten von 22,4 Milliarden DM an Bundesmitteln für den „Ausbau von Ortsdurchfahrten in Gemeinden mit mehr als 9000 Einwohnern" 3 Milliarden DM vorsah, will die Bundesregierung im Rahmen ihres nunmehr vorgelegten Vierjahresplanes, der in der Summe auf 8 Milliarden DM lautet, die bisherigen Leistungen des Bundes nur um 60 Millionen DM erhöhen.
    Man rechnet dann aus, daß das im Jahr 15 Millionen DM ausmacht, die zusätzlich zu den 59 Millionen DM treten, die der Bund im laufenden Rechnungsjahr für solche Zuschüsse angesetzt hat, was zusammen den heutigen Haushaltsansatz von 74 Millionen DM pro Jahr ergibt. An dieser Rechnung ist nicht zu rütteln.
    Ich möchte hier folgende Feststellung treffen. In zehn Jahren wären aus 8 Milliarden DM — durch die Verlängerung auf zwölf Jahre ist das etwas verbessert worden — für Ortsdurchfahrten in Gemeinden mit mehr als 9000 Einwohnern im ganzen etwas mehr als 1 Milliarde DM bereitgestellt worden. Nach dem neuen Entwurf stellt die Bundesregierung in vier Jahren 60 Millionen DM zusätzlich bereit. Da klafft natürlich eine große Lücke.
    Ein Redner — ich glaube, es war der Herr Kollege Besold — hat gemeint, die 400 Millionen DM aus den erwarteten Neuerträgnissen sollten den Gemeinden nicht über die Länder — gewisse Sorgen in dieser Hinsicht sind nicht ganz unbegründet —, sondern direkt zugute kommen. Wenn dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, ist mir dieser Gedanke durchaus recht. Nur darf ich auf folgendes aufmerksam machen. Wir werden darauf hinzuwirken haben — wenn Sie unseren Entwurf genau durchlesen, werden Sie darin schon diesen Gedanken finden —, daß nicht nur in Gemeinden mit mehr als 9000 Einwohnern, sondern auch in solchen mit geringerer Einwohnerzahl, Ortsdurchfahrten verbessert werden. Bitte, gehen Sie doch aufs flache Land, dann erkennen Sie, wie notwendig das ist. Ich sehe auch aus den vielen Anträgen auf Aufhebung der Immunität von Abgeordneten, die wir im Ausschuß zu erörtern haben, in welchem Umfange

    (Fortgesetzte Zurufe)

    Abgeordnete auf Ortsdurchfahrten in kleineren Gemeinden in Konflikt mit den Verkehrsvorschriften geraten. Sie wollen mir verzeihen, daß ich diese Bemerkung nebenbei gemacht habe.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen das Schwergewicht darauf legen, daß wir den großen Städten, den Mittelstädten, den kleinen Städten, den Landgemeinden und den Kreisen helfen. Es ist ein unhaltbarer Zustand, daß ein Kreis, dem als Kreistagsabgeordneter vorzusitzen ich die Ehre habe, vor kurzem gezwungen wurde, eine Million für ein Straßenbauprogramm — um die Löcher zu beseitigen — zu teurem Geld aufzunehmen, um im ganzen anderthalb Millionen aufzubringen. Das ist einfach ein Ding der Unmöglichkeit. Das sind Überlegungen, die uns immer wieder zu dem Gedanken der Zweckbindung führen.
    Wir befinden uns dabei gar nicht in schlechter Gesellschaft, Herr Kollege Dr. Dresbach. Es ist die Bundesregierung selbst, die in bezug auf die Heizölsteuer eine Zweckbindung anstrebt.

    (Abg. Dr. Dresbach: Werden Sie dafür stimmen?)

    — Das werde ich noch einmal überschlafen.

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    Ich werde dann dafür stimmen, Herr Kollege Dr. Dresbach, wenn die übrige Finanzpolitik der Mehrheit dieses Hohen Hauses Ansätze schafft, die einen solchen Beschluß rechtfertigen. Im übrigen denke ich noch an die Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers in seiner ersten Rede als Finanzminister: Keine Steuererhöhung!

    (Bundesfinanzminister Etzel: Aber nicht in dem Punkt!)

    Ich sehe schwarz, Herr Minister. — Nein, Sie haben es ganz allgemein gesagt, Sie haben keine Reserven angebracht.

    (Bundesfinanzminister Etzel: Doch, doch!)

    — Wir wollen das Protokoll einmal gemeinsam vergleichen; ich glaube nicht.
    Noch wenige Bemerkungen zum Gang der Diskussion, zunächst einen Satz zu den Ausführungen des Kollegen Müller-Hermann! Er sieht in unserem Antrag — ich habe es mitstenographiert — „keine ernst zu nehmende Diskussionsgrundlage". Herr Kollege Müller-Hermann: schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort.

    (Abg. Müller-Hermann: In der gegenwärtigen Situation!)

    Ich bin etwas älter als Sie, und ich habe es mir langsam abgewöhnt, so schnell zu schießen, wie Sie es immer tun.

    (Zuruf von der Mitte: Sie können es aber auch ganz gut! — Heiterkeit.)

    — Ich kann es, wenn es pressiert; warum auch nicht, ich habe es ja gelernt.
    Herr Kollege Müller-Hermann, Sie sollten wirklich allen Ernstes den Versuch unterlassen, das als Wahlschlager zu bezeichnen. Sie sollten den Versuch unterlassen, mit einer solchen Formulierung — „keine geeignete Diskussionsgrundlage" — zu verhindern, daß in den Ausschußberatungen dieser ernstgemeinte Antrag meiner Fraktion entsprechend der Bedeutung, die ihm zukommt, gewürdigt wird. Ich kann Ihnen sagen: es wird Ihnen nicht gedankt werden, und zwar nicht nur bei den Wahlen, sondern auch bei den Verkehrsteilnehmern, die die Verantwortlichen eines Tages verfluchen werden, weil sie es nicht verstanden haben, zur rechten Zeit eine vernünftige Verkehrssituation zu schaffen und die dazu notwendigen Mittel bereitzustellen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Abschließend verweise ich auf den Zwischenvorschlag des Herrn Dr. Bleiß zur quasi Vorfinanzierung des uns vorschwebenden Straßenbaufonds. Herr Bundesfinanzminister, Ihnen ist die Situation weit besser bekannt, als sie mir oder vielleicht allen Mitgliedern des Hohen Hauses bekannt sein



    Ritzel
    kann. Ich kann mir denken, daß die Initiative in bezug auf eine zweckgebundene Anleihe sowohl in der Bundesrepublik bei den anzusprechenden Partnern — als da sind: Automobilfabriken, Ölgesellschaften und verwandte Betriebe — als auch auf europäischem Boden, ich denke an die Europäische Investitionsbank, auf geneigtes Gehör stoßen könnte. Wenn wir in bezug auf Europa nicht nur deklamieren solten wir versuchen, unser Straßennetz genauso wie das Straßennetz der übrigen sich zu Europa bekennenden Länder als ein gesamteuropäisches Straßennetz vorzusehen, auszubauen und durch eine gesamteuropäische Leistung zu finanzieren.
    Ich glaube, es wäre des Schweißes der Edelsten in dieser Nation und in diesem Europa wert, sich in dieser Richtung zu orientieren und die Initiative zu ergreifen. Ich habe vor Jahr und Tag schon auf die Möglichkeiten der Heranziehung dieses Vertragsinstruments hingewiesen; wir sind ja Vertragspartner auch für die Europäische Investitionsbank. Ich habe nie gehört, weder aus dem Bereich des Finanzministeriums noch aus dem Bereich des Bundesverkehrsministeriums, daß man einmal ernsthaft den Gedanken erwogen hat, auf diesem Wege — wie auch auf dem soeben aufgezeigten innerdeutschen Wege — den Versuch zu machen, uns aus der Verkehrsmisere herauszuhelfen und so Schritt um Schnitt den Weg zu gehen, von dem mein Freund Dr. Bleiß vorhin gesprochen hat.
    Ich möchte die Mehrheit des Hauses in allem Ernst und in aller Ruhe bitten, das Problem so zu betrachten, wie es sich aus der enorm steigenden Motorisierung — siehe letzte Automobilausstellung — mit ihren Folgen ergibt. Wir alle sind Verkehrspartner, sind Verkehrsteilnehmer mit zum Teil unterschiedlichen Erfahrungen, aber wir können nicht verhehlen und können nicht leugnen, daß eine Entwicklung eingesetzt hat, die uns zwingt — nach einem Wort von Ullrich von Hutten —, „nun endlich etwas Tapferes zu tun". Die Vorlage der Regierung ist, bei aller Anerkennung, daß sie etwas mehr Mittel bringt, das Tapfere nicht, was wir in Wirklichkeit brauchen.

    (Beifall bei der SPD.)