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ID0307600200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 76. Sitzung Bonn, den 18. Juni 1959 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Krüger (Neheim) . . . . . . . . 4175 A Zusammenstellung über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1958 (Drucksache 1123) . . . . . . . . 4175 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Abg. Dr. Kreyssig, Seuffert, Marx, Folger u. Gen.); Berichte des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Inneres (Drucksachen 511, 950, 999) 4175 B Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Korruptionsfälle in der Bundesverwaltung (Drucksache 824) Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . 4175 C, 4197 B, 4200 B Dr. Schröder, Bundesminister . . 4181 A, 4192C, 4196D, 4199B Schlee (CDU/CSU) 4187 C Dürr (FDP) 4189 C Jahn (Marburg) (SPD) 4191 B Kramel (CDU/CSU) 4195 A Ritzel (SPD) 4196 C Entwurf einer Sechsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959; Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1164, 1167) . . 4200 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten (CDU/CSU, SPD, FDP, DP); Berichte des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Inneres (Drucksachen 939, 1134, 998 [neu]) — Zweite und dritte Beratung . . . . . . . . 4200 D Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1959 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1959); Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 1018, 1157) Zweite und dritte Beratung — . . . . 4201 B Entwurf eines Gesetzes über Kreditermächtigungen aus Anlaß der Erhöhung der Beteiligungen an dem Internationalen Währungsfonds und an der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung; Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 1128, 1158) — Zweite und dritte Beratung - 4201 C Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (11. ÄndG LAG); Berichte des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für den Lastenausgleich (Drucksachen 631, 964, 1175, 1130) — Zweite und dritte Beratung — Zühlke (SPD) 4202 A Kuntscher (CDU CSU) 4202 A II Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1959 Entwurf eines Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksachen 34, 1142 [neu] — Zweite und dritte Beratung — 4202 B Entwurf eines Gesetzes zum Zusatzprotokoll vom 8. März 1958 zu dem Handelsabkommen vom 7. Mai 1926 zwischen dem Deutschen Reiche und dem Königreiche Spanien; Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 910, 1169) — Zweite und dritte Beratung — 4202 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 21. November 1957 mit der Italienischen Republik; Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 911, 1170) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . 4203 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Mai 1958 mit dem Königreich Dänemark über die gemeinsame Fischerei in der Flensburger Innenförde; Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksachen 1031, 1172) - Zweite und dritte Beratung — 4203 B Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Fremdrenten- und Auslandsrentenrechts und zur Anpassung der Berliner Rentenversicherung (Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz — FANG) (Drucksache 1109) — Erste Beratung — Dr. Schellenberg (SPD) 4203 C Mischnick (FDP) . . . . . . . 4205 C Schütz (München) (CDU/CSU) . . 4206 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (Drucksache 1110) - Erste Beratung - Dr. Claussen, Staatssekretär . . 4207 D Weber (Georgenau) (FDP) . . . 4209 D Bading (SPD) 4210 A Berberich (CDU/CSU) 4212 C Frau Kalinke (DP) 4213 A Dröscher (SPD) . . . . . . 4214 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Süßstoffgesetzes (Drucksache 1146) Erste Beratung -- . . . . . . . . . 4216 D Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen vom 18. November 1953 mit dem Königreich Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern (Drucksache 1145) - Erste Beratung . . . . . . . . . 421 7 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ausführung des Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Konvention vom 5. April 1946 der Internationalen Überfischungskonferenz (Drucksache 1147) - Erste Beratung - 4217 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umwandlungs-Steuergesetzes (SPD) (Drucksache 1151) - Erste Beratung — . 4217 B Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses betr. Genehmigung zum Ehrengerichtsverfahren gegen den Abg. Dr. Greve (Drucksache 1122) Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 4217 B Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses betr. Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Ernst Fink, Augsburg (Drucksache 1139) Ritzel (SPD) 4219 B Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Görgen (Drucksache 1140) Wittrock (SPD) . . . . . . . . 4219 D Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses betr. Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Nedetzka u. a. (Drucksache 1141) Ritzel (SPD) . . 4220 B Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Kohlebergbau; Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1138, 708, Umdruck 199) 4220 D Bericht des Bundesrechnungshofes über die Prüfung der Bilanz und des Geschäftsbetriebs der Verwertungsstelle der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein für das Geschäftsjahr 1956/57 (Drucksache 1044) 4221 A Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der Rentenversicherungen (Sozialbericht 1958) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksachen 568, zu 568, 1155) . . . . . . . . . . 4221 A Nächste Sitzung 4221 C Anlagen 4223 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1959 4175 76. Sitzung Bonn, den 18. Juni 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.31 Uhr
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    Berichtigung: Es ist zu lesen: 71. Sitzung Seite 3838 B Zeile 24/25 statt „er-ren" : erfahren; 75. Sitzung Seite 4148 C Zeile 20 statt „einstimmig.": einstimmig angenommen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Graf Adelmann 19. 6. Dr. Aigner 19. 6. Frau Albertz 19. 6. Altmaier*) 19. 6. Bauer (Wasserburg) 20. 6. Bauer (Würzburg) *) 19. 6. Bausch 29. 6. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 6. Benda 19. 6. Berendsen 31. 7. Frau Berger-Heise 19. 6. Bettgenhäuser 18. 6. Fürst von Bismarck 19. 6. Blachstein *) 19. 6. von Bodelschwingh 19. 6. Börner 19. 6. Frau Brauksiepe 19. 6. Dr. Bucerius 19. 6. Conrad 19. 6. Corterier *) 19. 6. Deringer 19. 6. Dewald 19. 6. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 19. 6. Dr. Dittrich 19. 6. Dr. Eckhardt 19. 6. Eilers (Oldenburg) 19. 6. Frau Engländer 18. 6. Erler') 19. 6. Even (Köln) *) 19. 6. Dr. Franz 19. 6. Dr. Frede 20. 6. Dr. Furler *) 19. 6. Geiger (München) 19. 6. Gern?) 19. 6. Dr. Gleissner (München) 6. 7. Gontrum 19. 6. Gottesleben 20. 6. Dr. Greve 4. 7. Dr. Gülich 1. 8. Freiherr zu Guttenberg 19. 6. Dr. Harm *) 19. 6. Häussler 18. 6. Heix 18. 6. Dr. Hesberg 8. 7. Heye *) 19. 6. Hilbert 19. 6. Höfler*) 19. 6. Frau Dr. Hubert') 19. 6. Hübner 18. 6. Jacobs *) 19. 6. Dr. Jaeger *) 19. 6. Jahn (Frankfurt) 11. 7. Jaksch 30. 6. Dr. Jordan 19. 6. Katzer 18. 6. Frau Kipp-Kaule 19. 6. Dr. Kliesing (Honnef) *) 19. 6. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Knorr 20. 6. Köhler 4. 7. Dr. Königswarter 19. 6. Dr. Kopf *) 19. 6. Kriedemann 18. 6. Kühlthau 26. 6. Kühn (Bonn) 18. 6. Kühn (Köln) *) 19. 6. Kunst 19. 6. Kurlbaum 19. 6. Dr. Lindenberg 19. 6. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 19. 6. Dr. Maier (Stuttgart) 27. 6. Maucher 18. 6. Mauk 18. 6. Frau Dr. Maxsein *) 19. 6. Memmel 20. 6. Dr. Mende *) 19. 6. Dr. Meyer (Frankfurt)*) 19. 6. Neuburger 19. 6. Frau Niggemeyer 20. 6. Odenthal 19. 6. Dr. Oesterle 19. 6. Paul *) 19. 6. Pernoll 20. 6. Pietscher 19. 6. Pöhler 20. 6. Prennel 19. 6. Dr. Preusker 18. 6. Pusch 20. 6. Rademacher 19. 6. Ramms 19. 6. Regling 19. 6. Frau Dr. Rehling *) 19. 6. Rehs 19. 6. Reitzner 19. 6. Frau Renger *) 19. 6. Dr. Rüdel (Kiel) 19. 6. Scharnowski 19. 6. Scheel 11. 7. Schlee 19. 6. Dr. Schmid (Frankfurt) *) 19. 6. Schmidt (Hamburg) 19. 6. Schneider (Hamburg) 19. 6. Dr. Schneider (Lollar) 20. 6. Schoettle 18. 6. Schultz 19. 6. Schütz (Berlin) 19. 6. Schütz (München) *) 19. 6. Frau Dr. Schwarzhaupt 19. 6. Seidl (Dorfen) *) 19. 6. Dr. Serres *) 19. 6. Seuffert 19. 6. Dr. Seume 19. 6. Stahl 19. 6. Dr. Stammberger 19. 6. Stauch 19. 6. Frau Dr. Steinbiß 19. 6. Dr. Wahl *) 19. 6. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) *) 19. 6. Wegener 20. 6. Wehking 19. 6. 4224 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1959 Abgeordnete(r) beurlaubt his einschließlich Frau Welter (Aachen) 18. 6. Wienand *) 19. 6. Dr. Zimmer *) 19. 6. Dr. Zimmermann 19. 6. b) Urlaubsanträge Hellenbrock 23. 6. Jacobi 23. 6. Dr. Leverkuehn 27. 6. Stenger 30. 6. *) für die Teilnahme an der Versammlung der Westeuropäischen Union. Anlage 2 Umdruck 341 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des von ,der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksachen 631, 964, 1130). Der Bundestag wollebe schließen: In § 1 werden 1. in Nr. 9 Buchstabe a (§ 267 Abs. 1) die Worte „135 Deutsche Mark" durch die Worte „140 Deutsche Mark" ersetzt; 2. in Nr. 11 Buchstabe a (§ 269 Abs. 1) die Worte „135 Deutsche Mark" durch die Worte „140 Deutsche Mark" ersetzt. Bonn, den 10. Juni 1959 Dr. Rutschke Lenz (Trossingen) und Fraktion Anlage 3 Umdruck 345 Änderungsantrag der Fraktion der DP zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksachen 631, 964, 1130). Der Bundestag wolle beschließen: In § 1 werden 1. in Nr. 9 Buchstabe a (§ 267 Abs. 1) die Worte „135 Deutsche Mark" durch die Worte „140 Deutsche Mark" ersetzt; 2. in Nr. 11 Buchstabe a (§ 269 Abs. 1) die Worte „135 Deutsche Mark" durch die Worte „140 Deutsche Mark" ersetzt. Bonn, den 10. Juni 1959 Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 346 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksachen 631, 964, 1130). Der Bundestag wolle beschließen: In § 1 werden 1. in Nr. 9 Buchstabe ,a (§ 267 Abs. 1) die Worte „135 Deutsche Mark" durch die Worte „140 Deutsche Mark" ersetzt; 2. in Nr. 11 Buchstabe a (§ 269 Abs. 1) die Worte „135 Deutsche Mark" durch die Worte „140 Deutsche Mark" ersetzt. Bonn, den 10. Juni 1959 Zühlke Reitzner Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 Umdruck 353 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst (Drucksachen 34, 1142 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: In § 30 Abs. 1 werden die Worte „auf Zeit" durch die Worte „für den Verteidigungsfall" ersetzt. Bonn, den 12. Juni 1959 Scheppmann Dr. Krone. und Fraktion Anlage 6 Umdruck 354 Änderungsantrag der Abgeordneten Behrendt, Diebäcker, Dr. Hoven, Ludwig, Scheppmann zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst (Druchsachen 34, 1142 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: Folgender neuer § 35b wird eingefügt: „§ 35b § 27 Abs. 1 Satz 2 des Wehrpflichtgesetzes vom 21. Juli 1956 (Bundesgesetzbl. I S. 651) wird gestrichen." Bonn, den 18. Juni 1959 Behrendt Diebäcker Dr. Hoven Ludwig Scheppmann
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    Rede von Dr. Hermann Schmitt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat am 30. Januar dieses Jahres eine Große Anfrage eingebracht, die sich mit den Korruptionsfällen in der Bundesverwaltung beschäftigt. Wir haben damit eine Entwicklung aufgezeigt, an der Parlament und Öffentlichkeit, nicht zuletzt aber auch die Regierung beim Aufbau der Demokratie nicht länger vorbeigehen können. Erfreulicherweise ist Sinn und Ziel unserer Anfrage in der deutschen Öffentlichkeit richtig verstanden und gewürdigt worden.
    Uns Sozialdemokraten geht es bei dieser Großen Anfrage nicht darum, an beklagenswerten Einzelfällen unsere Beamtenschaft als solche zu tadeln oder ihre Arbeit in einer oft für die Beamten nicht freundlichen Atmosphäre noch zu erschweren. Deshalb hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion, der Herr Abgeordnete Ollenhauer, mehrfach die grundsätzliche Haltung meiner Fraktion im Hinblick auf die Diskussion in der Öffentlichkeit dargelegt. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus einem Brief des Herrn Abgeordneten Ollenhauer einige Sätze zitieren. Er schreibt:
    Für die Vermutung, die deutsche Beamtenschaft sei in ihrer Allgemeinheit korrupt oder Bestechungen leicht zugänglich, liegt auch nicht der geringste Anhaltspunkt vor. Das hat die sozialdemokratische Bundestagsfraktion immer wieder zum Ausdruck gebracht, so zuletzt noch einmal in der Ziffer 3 ihrer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung vom 29. September 1958.
    Und er führt am Schluß weiter aus:
    Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands wird sich durch solche sicherlich bedauerlichen Einzelvorgänge nicht in ihrer grundsätzlichen Einstellung zu den Trägern des öffentlichen Dienstes beirren lassen. Sie wird sich nach wie vorschützend vor die große Masse aller jener Männer und Frauen stellen, die ihren Dienst in der Verwaltung einwandfrei und sorgfältig erledigen.



    Schmitt (Vockenhausen)

    Mit der Abwehr eines verallgemeinernden Angriffs können und dürfen sich Parlament und Öffentlichkeit aber nicht begnügen, sondern wir müssen uns mitverantwortlich fühlen für die geistige und sittliche Haltung der Beamtenschaft; denn diese ist ja in einem wesentlichen Teile mitverantwortlich für das Staatsganze. Ich darf hier auf eine Definition von Spranger Bezug nehmen:
    Wenn die Demokratie diejenige staatliche Willensbildung ist, bei der jeder ein Gewissen für das Ganze haben soll, so gilt diese ethische Forderung mit in erster Linie für die Beamtenschaft.
    Der Herr Bundesinnenminister glaubte, die Frage der Korruption, insbesondere im Bereich der Bundesverwaltung, mit dem Hinweis darauf abtun zu können, man solle solche Fälle nicht „dramatisieren". Meine Damen und Herren, sicherlich soll man das nicht tun; man soll aber auch nicht in bequemer Selbstgenügsamkeit von Einzelfällen sprechen. Berechnungen über die Zahl der Korruptionsfälle, die von der Gesamtzahl aller Beamten ausgehen, können nicht anders als als Haarspalterei und als Versuche angesehen werden, den wirklichen Umfang der Fälle im unmittelbaren Bereich der Bundesverwaltung zu bagatellisieren. Man kann diesen Korruptionserscheinungen auch nicht in der primitiven Art entgegenwirken, daß man mit Erlassen die Beamten auf ihre Verpflichtung zur Sauberkeit hinweist und — echt bürokratisch — sogar die Annahme kleinster Aufmerksamkeiten, etwa einer angebotenen Zigarre oder einer Tasse Kaffee, verbietet.
    Parlament und Regierung müssen den tieferen Ursachen dieser Erscheinungen nachgehen, ihnen entgegentreten und Gegenkräfte wirksam werden lassen,

    (Beifall bei der SPD)

    wenn wir nicht jene Staatsverdrossenheit noch weiter fördern wollen, die uns alle so viel Sorge macht, eine Staatsverdrossenheit, die sich weiter Kreise der Bevölkerung bemächtigt hat, die uns Anlaß gibt, unser Gewissen zu erforschen und den Gründen nachzugehen, die zu einer solchen Einstellung geführt haben.
    Meine Damen und Herren, neben dem Zustand auf dem Gebiet der Steuermoral sind es gerade die Zustände in hohen und höchsten Bundesdienststellen, die dem Staatsbürger immer wieder Anlaß zu neuer Verdrossenheit geben. Das unschöne Wort Korruption ist in aller Mund. Vor wenigen Tagen hat ein amerikanisches Nachrichtenmagazin von Weltbedeutung aus der Unterredung, die es mit einem westdeutschen Richter über die Massierung der Korruptionsaffären hatte, dessen resigniert empörte Bemerkung zitiert, daß in der Bundesrepublik die Korruption „wie Gas aus den Kanalröhren" aufsteige.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Nach dem gleichen Magazin soll eine hochgestellte westdeutsche Persönlichkeit die Zahl der bekannten Korruptionsfälle mit Tausenden angegeben haben. — Das Wort Korruption beherrscht die Menschen in der Bundesrepublik, und das Delikt ist gleich häßlich, auch wenn das Gewicht nach Art des Vergehens und Stellung des Täters unterschiedlich ist.
    Nur in wenigen Ländern der Welt ist die öffentliche Meinung gegen materielle Nachhilfe zur Förderung von Eigeninteressen so empfindlich wie bei uns. Was in vielen Ländern nachsichtig belächelt wird, gilt in Deutschland als ein Verbrechen. Nun gilt es heute nicht mit puritanischer Strenge zu richten; aber es gilt offen auszusprechen, was geschehen ist, und Konsequenzen zu ziehen, bevor der Staat noch mehr Schaden leidet. Denn Korruption und Bestechung sind immer höchst unerfreuliche Erscheinungen, ganz gleich, ob man ihnen im Gebiet der Politik oder aber, wie man so schön zu sagen pflegt, nur in dem der Wirtschaft begegnet. Ich glaube, es ist schon einer der Grundfehler, daß allzu oft eine Unterscheidung gebilligt wird, nach der ein bestimmtes Verhalten auf dem einen Gebiet vielleicht weniger anstößig sein könnte als auf einem anderen. Es kommt noch hinzu, daß sich Korruption und Bestechung in Politik und Wirtschaft überschneiden und dort besonders kräftig zu wachsen beginnen, wo die Politik mit der Wirtschaft oder die Wirtschaft mit der Politik in Berührung kommt.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang auch ein Wort zu jenen Ewig-Gestrigen aus dem Tausendjährigen Reich sagen, die gewissermaßen post festum zu rechtfertigen suchen. Denn im „Dritten Reich" blühte ja die Korruption besonders. Gauleiter und Amtsträger in Staat und Partei bereicherten sich und wußten ihre persönlichen Vorteile zu ziehen. Man zog aber aus ihren Verfehlungen nur recht selten Konsequenzen, breitete vielmehr den dichten Schleier des Amtsgeheimnisses um sie, ein Versuch, der leider auch heute manchmal wieder gemacht wird. Hier darf über alles gesprochen werden, und es müssen nach dem Maße des Verschuldens ohne Rücksicht auf die Amtsstellung Konsequenzen gezogen werden. Es müssen Konsequenzen gezogen werden, damit Unbestechlichkeit und Gerechtigkeit als die Voraussetzungen eines demokratischen Staatswesens gesichert bleiben.
    In diesem Zusammenhang dürfte es angebracht sein, der dritten Gewalt in unserem Staate, der unabhängigen Richterschaft, ein Wort der Anerkennung und des Dankes zu sagen. Wir haben hier im Bundestag manchmal Veranlassung gehabt, uns kritisch mit Urteilen auseinanderzusetzen. Gerade dies gebietet uns aber, den Richtern und auch den Staatsanwälten den Respekt für gewissenhafte Pflichterfüllung ohne Ansehen der Person zu bezeugen.
    Leider haben gewisse Ereignisse der letzten Wochen uns mit Sorge erfüllt. So darf ich nur daran erinnern, daß die Strafkammer hier in Bonn, die den Fall des Ministerialrats Kilb zu bearbeiten hatte, durch eine sehr merkwürdige Geschäftsverteilung aufgeteilt worden ist, indem plötzlich die Buchstaben A bis Ho zusammengestellt worden sind. Es hat uns mit Sorge erfüllt, daß der Ermittlungsrichter Böckling, der in dem Fall Kilb viele Monate tätig war, plötzlich versetzt worden ist. Es ist sicher auch kein Wunder, daß kurz nach der Rede des Bundeskanzlers, die er vor wenigen Tagen zum Prozeß Blankenhorn hielt, die Übertragungsanlage im Bonner Landgericht arbeitsunfähig geworden ist. Schließlich möchte ich auch nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß man versucht hat, den Herrn Staatsanwalt



    Schmitt (Vockenhausen)

    Pfromm aus seiner Stellung als Leiter der Pressestelle abzuberufen. Offensichtlich ist es nur dem Eingreifen des Herrn Justizministers Flehinghaus zu danken, daß es nicht dazu gekommen ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Mein Freund Walter Menzel hat im vorletzten Heft des Deutschen Verwaltungsblatts einen vielbeachteten Aufsatz über Grundgesetz und Verfassungswirklichkeit geschrieben. Ich hätte mich gefreut, wenn er in diesem Aufsatz auch das Bonner Landgericht und das Untersuchungsgefängnis in der Wilhelmstraße mit seinem Einfluß auf die Ordnung dieses Staates ausführlich gewürdigt hätte. Vielleicht läßt sich das bei Gelegenheit noch nachholen.
    Leider geht die Bundesregierung den eigentlichen Ursachen dieser Verhältnisse nicht mit der notwendigen Konsequenz nach, und leider bemüht sie sich auch nicht um schnelle Entscheidungen. Der Herr Bundesinnenminister hat die Beamten vor den Verlockungen einer, wie er sagt, „etwas zu großzügigen Geschenkpraxis" der deutschen Wirtschaft gewarnt. Damit sind zahlreiche Firmen der deutschen Wirtschaft angesprochen. Viele verlassen sich nicht nur auf Leistungen, sondern erhoffen Kunden durch Geschenke zu halten und zu gewinnen. Die Unredlichkeit beginnt dort, wo große und kleine Unternehmer ihre Leistungen und Angebote dadurch herausstellen wollen, daß sie den Auftraggebern geheime Zuwendungen machen.
    In früheren Zeiten gab es eine Korruption, die es heute offensichtlich nicht mehr gibt. Es ist jene Korruption, die Ländern und Reichen Vermögen kostete. Heute sind es Zuwendungen, je nach dem Objekt und der Stellung derer, die Einfluß haben, wie Radioapparate, Kühlschränke, Wein und Luxuswagen. Wenn solche Luxuswagen auch als Leihwagen getarnt bis in die höchsten Staatsstellen geschoben werden, dann besteht für den Staat Gefahr, wenn dagegen nicht eingeschritten wird.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich kann leider nicht darauf verzichten, hier mit aller 'Deutlichkeit auszusprechen, daß das Verhalten der Regierung Adenauer, insbesondere aber des Chefs der Regierung, bei der Verfolgung und Aufklärung solcher Delikte in seinem unmittelbaren Amtsbereich nicht immer dazu beigetragen hat, die moralische Stellung der Bundesregierung zu stärken.
    Bei der Betrachtung dieser Umstände dürfen wir leider auch nicht das allgemeine geistige Klima in der Bundesrepublik außer acht lassen, von dem die Beamten umschlossen und beeinflußt werden. 'Die 'allgemeine Sucht nach Geld und Besitz — oft besprochene Zeitkrankheit in diesen Nachkriegsjahren — ist nicht zu billigen. Man kann diese Zeiterscheinungen auch nicht lediglich als Rückschlag nach den Jahren der Not und Entbehrung erklären. Ich glaube aber, ich gehe nicht fehl, wenn ich heute und hier feststelle, daß die Bundesregierung allzusehr dieses geistige Klima, sei es direkt oder indirekt, beeinflußt hat.
    Ich will in diesem Zusammenhang nur darauf hinweisen, daß die deutsche Öffentlichkeit seit dem berühmten Hauptstadtstreit weiß, was sich in Bonn alles hinter und vor den Kulissen abspielt. Hunderte von Lobbyisten sind in Bonn allzuoft mit großem Erfolg tätig. Weder der Herr Bundesinnenminister noch die Bundesregierung haben sich einmal mit der Frage beschäftigt, wie .dieses Bonner Klima, das für viele Menschen in unserem Volk geradezu ein Charakteristikum geworden ist, gebessert werden kann. Erst in den letzten Wochen mußten wir im Rahmen der Haushaltsberatung die Tatsache beklagen, daß das Bundespresse- und Informationsamt an gewisse Bonner Journalisten für die Anfertigung sogenannter politischer Situationsanalysen Beträge zahlt. Ich will von den Millionenbeträgen, die von der deutschen Wirtschaft Iden Regierungsparteien auf den vielfältigsten Wegen zur Verfügung gestellt werden, hier nicht sprechen; aber solche Zuwendungen müssen und werden immer wieder dazu führen, daß Menschen ,auch privat diese Geldquellen für sich anzapfen. Ich brauche in diesem Zusammenhang nur auf die verschiedensten Berichte hinzuweisen, die der Öffentlichkeit bekanntgeworden sind. Dieses Klima ist nicht geeignet, Sauberkeit und Rechtschaffenheit und damit die Tugenden zu fördern, auf denen der Staat beruhen muß.
    Lassen Sie mich noch ein Wort hinzufügen. Der Herr Bundesinnenminister dürfte mit dem von ihm vorgelegten Gesetzentwurf für ein Parteiengesetz alles in seiner Macht Liegende getan haben, um eine Sauberkeit gerade auf diesem Gebiet im öffentlichen Leben zu verhindern und einen Beitrag zu leisten, das Bonner Klima mit allen seinen Anfälligkeiten für die Menschen noch zu verschlechtern.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Im Zusammenhang mit der Bereitwilligkeit der Bundesregierung, den hinter ihr stehenden Finanzgruppen zuzugestehen, daß ihre 'Spenden bei der Steuer abgezogen werden können, ist es sicher für die deutsche Öffentlichkeit interessant, festzustellen, daß der Verein gegen das Bestechungsunwesen, der hier in Bonn tätig ist, trotz mehrerer schriftlicher und mündlicher Erinnerungen sehr lange auf die Anerkennung als förderungswürdig warten mußte.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Auch die mehrfachen Bemühungen des Herrn Bundeskanzlers, selber indirekt oder in versteckter Form in schwebende Verfahren zugunsten von Angeklagten aus seiner näheren Umgebung einzugreifen, müssen das Rechtsgefühl im Volke lähmen. Ich werde gerade auf ,diese Frage noch gesondert eingehen, zumal sie oft verbunden ist mit der Bemühung, klare gerichtliche Entscheidungen solange wie möglich hinauszuzögern.
    Es darf auch nicht übersehen werden, daß manche Maßnahmen der Regierung dazu beigetragen haben, die Korruptionsanfälligkeit in bestimmten Bereichen der Bundesverwaltung zu erhöhen. Die Erfahrung lehrt, daß immer dann, wenn öffentliche Mittel in Zeiten des Wiederaufbaues und vor allem einer forcierten Rüstung in erhöhtem Maße fließen, die Gefahr der Korruption besonders groß ist und allzuviele durch Bestechung, meist in Verbindung mit



    Schmitt (Vockenhausen)

    Betrug, Untreue, Unterschlagung und Urkundenfälschung, Nutznießer ,der öffentlichen Mittel werden wollen.
    Meine Damen und Herren, es würde den Rahmen unserer Auseinandersetzung und Aussprache sprengen, einmal an bestimmten Fällen zu untersuchen, wie die Entscheidung für Bonn und zahlreiche überstürzte Entscheidungen auf dem Gebiet der Aufrüstung die verantwortlichen Beamten unter einen unerhörten Zeitdruck gestellt und zu Korruptionsfällen geführt haben, über die die Öffentlichkeit in so beredten Worten klagt.
    Die Bundesregierung und die hinter ihr stehende Mehrheit haben aber nicht zuletzt auch dadurch zu manchen Erscheinungen beigetragen, daß unsere Steuer- und Wirtschaftspolitik einseitig die Vermögensbildung in der Wirtschaft begünstigt und Beamte, Angestellte und Arbeiter benachteiligt hat. Ich will mit dieser Feststellung niemanden entschuldigen. Aber es ist eine schwierige Sache, wenn ein kleiner Teil der Bevölkerung die Erhöhung des Lebensstandards über die Steuergesetzgebung regulieren kann, während dem größeren Teil, darunter der Beamtenschaft, diese Möglichkeit verwehrt bleibt.
    Die Mehrheit dieses Hauses und die Bundesregierung haben erst vor einigen Monaten mit der Ablehnung des Arbeitnehmerfreibetrages unter gleichzeitiger Anderung des Körperschaftsteuergesetzes ihre Entscheidung in dieser Richtung bekräftigt. Der Spesendeutsche ist, die kürzlich eine große Zeitung schrieb, ein Geschöpf der Steuergesetzgebung. Seine Erscheinung ist mehr als bedenklich.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Bundesregierung hat leider auch nichts getan, um einmal mit aller Klarheit und Eindeutigkeit festzustellen, daß Korruption kein Kavaliersdelikt ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich möchte hier nur an die Tatsache erinnern, daß ein prominenter Mann der Wirtschaft, gegen den bereits Anklage erhoben ist, mit höchsten Ehren und Auszeichnungen versehen in der Öffentlichkeit auftritt, als ob überhaupt nichts geschehen wäre, und daß ihm niemand die primitivsten Grundsätze klarmacht und ihm sagt, um was es geht und daß er sich doch wenigstens zurückhalten sollte.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich komme nunmehr zu einigen Einzelfragen, die unsere Fraktion in ihrer Großen Anfrage gestellt hat. Das „Sonntagsblatt" hat sich im Februar dieses Jahres mit der „Chronique scandaleuse" des Winters beschäftigt. In einem dieser Berichte wird davon erzählt, einer der Angeklagten habe sein Verhalten mit dem begründet, was „die anderen" auch tun. Das „Sonntagsblatt" kommt in diesem Zusammenhang zu folgender Feststellung — ich darf das hier mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren —:
    Kein sachkundiger Kritiker mag heute noch bestreiten, daß Denkart und Verhaltensweise der Absatzwirtschaft sich haargenau dort eingependelt haben, wo die untere Grenze des gerade noch Zulässigen liegt — ja, daß die Neigung eher dahin geht, die Grenze zu unterschreiten,
    als sie zu wahren. Eine Art „Mindestmoral" hat I sich gebildet, windschlüpfig und bequem, eine Grenzer-Ethik des Wettbewerbs. Was das Christentum Jahrhunderte hindurch erstrebt: das sittliche Höchstmaß als Norm; was der ehrbare Kaufmann des Mittelalters mit der „Binnenmoral" (im Verkehr unter seinesgleichen) übernommen hatte — hier wird es im Preis gedrückt. Der Absatzzwang herrscht vor. Das Diktat des Marktes gilt. Die Aufforderung „Kaufen und Wegwerfen", der Wechselbezug von Massenherstellung und Massenverbrauch sind mehr als nur der Antrieb unseres Wohlstands: Sie schaffen allmählich ein neues Gewohnheitsrecht.
    Gewohnheitsrecht — das ist es, wenn Geschenkunsitten einreißen, für die das Gesetz den häßlichen Namen Bestechung hat, wenn Absprache-ringe entstehen oder wenn die Ware vermanscht wird. Gewohnheitsrecht sind die Handlungen einer Werbung, die längst davon abgegangen ist, den Käufer zu unterrichten, und deren erklärtes Ziel es wird, ihn zu verführen. Gewohnheitsrecht kann eines Tages sein, was heute noch als Unfug gilt: der Schuß ins Unterbewußte („Meyers Socken" 3/8 Sek. auf dem Bildschirm, nicht erkennbar, aber haftend), die Massenhypnose, das rüde wissenschaftliche Planspiel mit Leuten, die nach dem Grundgesetz auf personale Würde Anspruch haben.
    Die Wirtschaft hat sich an der Grenze eingependelt. Und daß die Grenze hin und wieder unterschritten wird: Wen, so kann man fragen, geht das etwas an?
    Meine Damen und Herren, es gibt auch in der Wirtschaft eine wachsende Zahl von Männern, die sich darüber im klaren ist, daß sie Verantwortung haben und daß diese Verantwortung der Wirtschaft öffentlicher Art ist. Ich glaube aber, auch hier kann es nur so gehen wie im öffentlichen Bereich, nämlich mit Vorbildern. Darauf werde ich nachher noch zu sprechen kommen. Hier fehlt es leider oft.
    Zur Charakterisierung mancher Sitten in der Wirtschaft möchte ich auf das Baugewerbe verweisen. Abgesehen von den Beanstandungen des Herrn Bundesministers für Wohnungsbau über schlechte Bauausführungen darf ich auszugsweise ein Schreiben des Herrn Bundesministers für Wirtschaft vom 9. Januar 1959 zitieren, in dem es heißt:
    Wie in der letzten Zeit mehrfach festgestellt worden ist, pflegen die an einer Ausschreibung von Bauleistungen auf Grund öffentlicher oder mit öffentlichen Mitteln finanzierter Aufträge beteiligten Bauunternehmer zuweilen bewußt ihrer Kostenlage völlig widersprechende überhöhte Angebote abzugeben, um auf diese Weise sicherzustellen, daß ihnen der Auftrag nicht erteilt wird.
    Die Lieferanten eifern häufig miteinander, um durch Anbieten von Provisionen die Architekten, auch wenn diese vom Bauherrn beauftragt und bezahlt werden, zur Zuwendung von Aufträgen zu veranlassen. Gerade hier muß allen Einwendungen, daß die Zahlung von Provisionen in diesem oder jenem Gewerbe allgemein üblich sei, entgegenge-



    Schmitt (Vockenhausen)

    treten werden, weil nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein an sich strafbares Verhalten noch nicht dadurch erlaubt wird, daß es zu einer allgemein üblichen Unsitte geworden ist. In diesem Zusammenhang ist es meines Erachtens auch von Bedeutung, daß Angeklagte verschiedentlich in Prozessen die Erlaubtheit der von ihnen gezahlten Gelder damit begründet haben, das Finanzamt habe sie in voller Höhe als steuerabzugsfähige Werbungskosten unbeanstandet anerkannt,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    nachdem der Name des Empfängers auf Verlangen des prüfenden Finanzbeamten angegeben worden sei. Ich glaube, der Herr Bundesfinanzminister sollte gerade diesen Fragen einmal nachgehen.
    Im Oktober dieses Jahres ist der § 12 des UWG 50 Jahre in Kraft. Es ist ihm nicht gelungen, die Arbeit mit Schmiergeldern zu verhindern, aber immerhin hat er einiges dazu getan, die schlimmsten Unsitten einzudämmen. Aber diese Bestimmung wird, wie ich glaube, immer ein Torso bleiben, wenn sie nicht durch die Selbsthilfe von Industrie und Handel tatkräftig ergänzt und unterstützt wird. Erhebliche Teile der Industrie und des Handels teilen nämlich die sittliche Entrüstung; sie stehen aber allen Bestrebungen zur Ausrottung dieser Unsitten ziemlich gleichgültig gegenüber. Es genügt nicht, das Schmiergeld als Werbungsmittel zu verwerfen und sich in sittlicher Entrüstung über diejenigen zu äußern, die den Staat korrumpieren, wenn es eine platonische Sympathie bleibt. Der erstrebte Erfolg ist nur dann gewährleistet, wenn die gesamte Wirtschaft es als ihre Pflicht ansieht, an der Bekämpfung der Bestechung und der Erhaltung gesunden kaufmännischen Brauchtums mitzuarbeiten.
    Meine Damen und Herren, wie stark gewisse Dinge dazu beitragen, daß heute vielfach die Vorbilder fehlen und so das Gefühl für Recht und Unrecht verlorengeht, möchte ich Ihnen an einem kleinen Beispiel zeigen. Ein Bekannter, der eine Tankstelle hat, erzählte mir folgende Geschichte. Ein großer Wagen einer südwestdeutschen Autofirma fährt vor, hält an der Tankstelle — nicht ein Wagen der Firma, sondern ein Modell —, tankt 5 Liter Benzin, der Fahrer drückt dem Tankwart diskret 1 Mark für eine Quittung über 40 Liter Gemisch und 1 1/2 Liter Öl in die Hand. Auf Vorhaltungen hin hat der Mann gesagt: Aber ich verstehe Sie wirklich nicht. Wenn die reichen Leute so ihr Geld verdienen können, warum kann ich dann nicht auch etwas davon haben?
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, so ist es:
    Fast alle Bezirke unseres Lebens werden heute von einem Gefälligkeitswesen durchwuchert,
    — ich darf mich hier auf die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. September 1958 berufen —
    das sich gern vornehm wie die vermeintliche große Welt gibt und dessen Gefährlichkeit kaum noch bewußt zu werden scheint. ... Bedenklich wird es dann bei den kleinen und großen Festgelagen, Ausflügen, Betriebsbesichtigungen mit Cocktail, dem reichen Angebot von
    Whisky und Kognak im Sitzungszimmer, den Weihnachtsgeschenken vom prächtigen Rauchverzehrer bis zum schlichten Pelzmantel, den Leihgaben von Autos, Eisschränken, Waschmaschinen (mit und ohne Verpflichtung, einen Erfahrungsbericht zu erstatten), mit denen Einkäufer und Inhaber verwandter Positionen bei Laune gehalten werden. Ein beträchtlicher Teil der deutschen Jagdgründe und unzählige Gästehäuser dienen keinem anderen Zweck als dem, dem so unmenschlich objektiven Angebot einen menschlich warmen Bezug zu geben. Public relations, Werbung und Korruption fließen verwirrend ineinander über.
    Meine Damen und Herren, ich darf hier einfügen: auch in der berühmten Schützenpanzeraffäre hat ja ein Jagdhaus mit vielen reizenden Rehlein eine besondere Rolle gespielt.

    (Heiterkeit.)

    Ich frage hier weiter: Was hat die Bundesregierung getan, um den Beamten die Vorschrift des § 70 des Bundesbeamtengesetzes in Erinnerung zu rufen, der die Annahme von Geschenken und Vergünstigungen an die Genehmigung des Vorgesetzten bindet? Ich hatte schon ausgeführt, daß ich nicht der Meinung bin, nunmehr sollte eine kleinliche Zurückhaltung Platz greifen. Aber der Beamte muß sich klar sein und klarwerden, wo die erlaubte Grenze ist. Der Vorgesetzte, der von seinem Beamten korrekterweise um Rat gefragt wird, muß wissen, was er antworten soll.
    Ich muß bei dieser Anfrage auch wieder einmal in die Erinnerung zurückrufen, daß die einfache Bestechung im Sinne des § 331 StGB schon dann gegeben ist, wenn ein Beamter Geschenke oder Vorteile entgegennimmt, ohne dafür eine pflichtwidrige Handlung zugunsten desjenigen zu begehen, von dem er das Geschenk bekommt. Ich verstehe daher die langwierigen Erörterungen nicht, mit denen offensichtlich aus Kreisen der Bundesregierung bei jedem neu auftauchenden Fall untersucht wird, ob der bestochene Beamte dem Geldoder Sachspender auch wirklich einen rechtswidrigen Vorteil verschafft habe. Ob einfache oder schwere Bestechung vorliegt, das werden die Gerichte mit aller Sorgfalt prüfen. Für den Dienstvorgesetzten aber ist das Signal zu disziplinarischen Maßnahmen schon immer dann gegeben, wenn ihm die bloße Tatsache der Annahme eines Geschenks, gleichgültig ob mit oder ohne Gegenleistung, bekanntwird.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich glaube, noch ein weiterer Punkt verdient von höchster Stelle dem Bewußtsein der Allgemeinheit deutlich gemacht zu werden. Bestechung ist nicht auf die Annahme von Geschenken mit Vermögenswert beschränkt. Sie besteht auch in der Gewährung wie in der Annahme von Vorteilen, oder sagen wir es einmal mit dem modernen Ausdruck: von Dienstleistungen.
    Wie weit dieser Begriff zu ziehen ist, hat das Oberlandesgericht Oldenburg — „Niedersächsische Rechtspflege", Jahrgang 1950, Seite 179, zum Nach-



    Schmitt (Vockenhausen)

    lesen! — einmal dargelegt. Es hat auch die Befriedigung des Geltungsbedürfnisses und des Ehrgeizes als einen Vorteil im Sinne des § 331 StGB bezeichnet. Wem von uns drängt sich beim Hören des Wortes „Befriedigung des Geltungsbedürfnisses" nicht das Bild eines bestimmten Beamten im schnittigen Sportwagen einer bekannten südwestdeutschen Automobilfirma auf?

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Ich bin auch der Meinung, daß ein Offizier der Bundeswehr sich nicht wie ein Filmschauspieler auf Seifenfabrikaten als Glamourgirl benutzen lassen sollte. Es gibt bis auf den heutigen Tag keine klare Antwort der Bundesregierung auf die Frage, ob die Benutzung eines Leihwagens, und sei es auch nur für zwei Tage, erlaubt ist oder nicht. Ich erwarte daher als Ausfluß der Fürsorgepflicht eine klare Äußerung des Herrn Ministers.
    Ich möchte hier mit aller Deutlichkeit sagen, daß es unmöglich ist, gerichtlich und disziplinarisch mit zweierlei Maß zu messen. Wie soll der Obersekretär in der Kanzlei und der Assistent der Bundespost oder der Bundesbahn noch Maßstäbe für sein Verhalten haben, wenn er feststellen muß, daß gegen hohe und höchste Beamte, gegen die Strafverfahren laufen, keine Dienststrafverfahren eingeleitet werden, während es nach dem Beamtenrecht in allen anderen Fällen selbstverständlich ist, daß die Behörde ein Dienststrafverfahren einleitet und es bis zum Abschluß des Strafverfahrens aussetzt!

    (Beifall bei der SPD.)

    Zu den Grundsätzen, mit denen sich die Bundesregierung beschäftigen sollte, gehört meines Erachtens nicht zuletzt die Frage, ob und inwieweit Änderungen in den steuerlichen Vorschriften erforderlich sind, damit Klarheit besteht, welche Werbegeschenke nur als Betriebsausgaben angesehen werden dürfen und können. Es wäre sicher viel getan, wenn der Herr Bundesfinanzminister zu einer Änderung der Sitten durch Änderung der Vorschriften zu seinem Teil beitragen würde. Es bleibt schließlich die Frage, ob und inwieweit eine sogenannte Antibestechungsklausel noch stärker als bisher zum Tragen kommen sollte, um bei Verträgen wirklich allen Auswüchsen entgegentreten zu können.
    Nun noch ein Hinweis zu Frage 4. Hier darf ich darauf hinweisen, daß die Betriebe im Bundesbesitz ein noch recht wenig durchleuchtetes Kapitel sind. In ihren Aufsichts- und Verwaltungsräten ist eine nicht unerhebliche Zahl von hohen Bundesbeamten vertreten, die dort den Anfechtungen durch schlechte Sitten noch stärker als in ihren Ministerien ausgesetzt sind. Eine Verordnung bestimmt, daß ein solcher Beamter als Mitglied eines Aufsichtsrates nur 960 DM seiner dort bezogenen Vergütungen behalten darf.
    Es gibt Unterlagen über die Frage der Sachleistungen an Bundesbedienstete in Aufsichtsräten. Der Fall, der die Öffentlichkeit mit am stärksten beeindruckt hat, ist der des späteren Präsidenten des Bundesrechnungshofs und heutigen Ersten Präsidenten der Bundesbahn Heinz-Maria Oeftering. Ich kann mich hier kurz fassen. Es ist einfach nicht angängig, daß die Bestimmungen der Verordnung über die Nebentätigkeit von Beamten auf dem Umwege über Sach- und Dienstleistungen aufgehoben wer-den. Es kommt darauf an, daß die Bundesregierung alles tut, durch Verbesserung und Änderung der bestehenden Bestimmungen einen Beitrag für die Sauberkeit im öffentlichen Dienst zu leisten. Ich darf auf 'den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag Drucksache 84, Drucksache 815, Seite 7, Bezug nehmen, in dem es heißt:
    Es handelt sich insbesondere um Ausgaben für Repräsentation, für Beratungen und für betriebliche Veranstaltungen aus verschiedenen Anlässen, Sitzungsgelder für die Teilnahme an Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse, Trennungsentschädigungen, Vergütungen für Reisen und um die durch die Benutzung firmen- und privateigener Kraftfahrzeuge entstandenen Ausgaben. ... eine rechtzeitige Beanstandung verhütet ... die Wiederholung unwirtschaftlicher Aufwendungen.
    Der Rechnungsprüfungsausschuß hat 'die Bundesregierung ausdrücklich gebeten, alles zu tun, um künftig solche Verfehlungen zu verhindern.
    Ich darf in diesem Zusammenhang auf unsere weitere Frage verweisen, nach welchen Grundsätzen die Sach- und Dienstleistungen erfaßt werden, die Beamte in ihrer Eigenschaft als Mitglieder von Aufsichtsorganen von Wirtschaftsunternehmen erhalten.
    Die letzte Frage der von der SPD-Fraktion eingebrachten Interpellation gilt den Grundsätzen, die die Bundesregierung für die Annahme von Geschenken aus besonderen Anlässen durch Mitglieder der Bundesregierung aufgestellt hat. Auch hier sollte Klarheit geschaffen werden. Niemand wird das Verhalten von Herrn Kilb billigen. Aber man ist mehr als merkwürdig berührt, wenn man hört, daß sein unmittelbarer Dienstvorgesetzter auch einen Leihwagen erhalten hat, der dann seiner Tochter zur Benutzung übergeben wurde. Deshalb bitten wir um klare Bekanntgabe der Grundsätze, die für die Annahme von Geschenken durch Mitglieder der Bundesregierung gelten, damit auch im öffentlichen Leben klar und eindeutig erkennbar ist, daß nicht Worte, sondern Beispiele entscheiden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP.)

    Ich darf mit der Leserzuschrift eines Amtsgerichtspräsidenten an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" schließen:
    Anständigkeit braucht nicht den Fluch der Lächerlichkeit zu fürchten. Den Staatsdiener beglücken nicht Dankeserweise, sondern das Gefühl erfüllter Pflicht.
    In diesem Sinne soll unsere Große Anfrage zur Sauberkeit in der öffentlichen Verwaltung und 'damit in unserem Staat beitragen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesinnenminister.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Große Anfrage, die der Kollege Schmitt (Vockenhausen) begründet hat, zunächst mit einer formulierten Erklärung beantworten. Ich behalte mir vor, im Laufe der Debatte auf einzelne Ausführungen, die er zusätzlich zu den formulierten Fragen gemacht hat, einzugehen.
    In der öffentlichen Meinung ist auf Grund der Bestechungsfälle, die in letzter Zeit in der Presse erörtert worden sind, der Eindruck entstanden, daß Unbestechlichkeit nicht mehr zu den selbverständlichen Tugenden des deutschen Beamten gehöre und daß die Bestechlichkeit stark zugenommen habe. Auch die Große Anfrage der SPD, deren Begründung wir soeben gehört haben, erweckt den Eindruck, daß die Beamten und Angestellten in der Bundesverwaltung in größerem Umfang der Bestechlichkeit zugänglich seien. Ich begrüße es daher, daß die Große Anfrage mir Gelegenheit gibt, zu der entstandenen Korruptionspsychose Stellung zu nehmen und das Mißtrauen zu zerstören, das sich gegenüber dem öffentlichen Dienst in der Bundesrepublik entwickelt hat.
    Es erscheint mir notwendig, bevor ich auf die einzelnen Punkte der Großen Anfrage eingehe, einige grundsätzliche Feststellungen und Betrachtungen vorauszuschicken.
    Es ist selbstverständlich, daß die Bundesregierung jeden Bestechungsfall auf das schärfste verurteilt. Sie hält Bestechungsfälle in den obersten Bundesbehörden für besonders verwerflich, weil von den Angehörigen der Zentralbehörden mit Recht ein besonders starkes Pflichtbewußtsein und eine in jeder Hinsicht untadelige Haltung gefordert werden muß. Die Bundesregierung ist sich 'darüber hinaus der Bedeutung eines unbestechlichen Beamtentums für die Integrität unseres Staatswesens zu sehr bewußt, als daß sie bereit wäre, derartige Verfehlungen zu bagatellisieren.
    Die Bestechungsfälle, die bisher festgestellt worden sind, sind nur Einzelfälle. Man darf diese Einzelfälle nicht verallgemeinern. Es ist auch nicht gerechtfertigt, diese Fälle als Symptome einer allgemein gelockerten Beamtenmoral zu betrachten. Dies wäre gegenüber unserer Beamtenschaft eine sehr ungerechte Feststellung.
    Ich muß auch entschieden die Ausführungen im „Vorwärts" vom 24. Oktober 1958 zurückweisen, in denen davon gesprochen wird, daß die Verhältnisse in der Bundesrepublik — ich zitiere den Satz wörtlich — „wie in den guten alten Zeiten in Rußland und auf dem Balkan" seien.
    Gegenüber dieser maßlosen Kritik und gegenüber der oberflächlichen Verallgemeinerung von Einzelfällen möchte ich mit Nachdruck betonen, daß die Angehörigen des öffentlichen Dienstes in der Bundesrepublik, voran die deutsche Beamtenschaft, in ihrer überwältigenden Mehrheit heute wie früher tagtäglich pflichtbewußt, zuverlässig, fleißig und unbestechlich ihren Dienst verrichten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Auch die verschiedenen Einzelfälle, die die Diskussion der Öffentlichkeit um die Frage nach der ethischen Haltung der heutigen Beamtenschaft verursacht haben, geben nicht den geringsten Anlaß, an dieser allgemeinen Feststellung zu zweifeln. Es ist für die ganze Beamtenschaft und für jeden einzelnen ehr- und pflichtbewußten Beamten ein bedrückendes Gefühl, daß ein ganzer Berufsstand für die Verfehlungen einiger weniger schwarzer Schafe in den eigenen Reihen verantwortlich gemacht wird.
    Vor einigen Monaten, meine Damen und Herren, hat eine hiesige Zeitung bei den Fraktionen des Bundestages eine Umfrage gehalten zu dem Thema: „Sind unsere Beamten wirklich so korrupt?". Ich habe mich gefreut, daß die Vertreter aller Fraktionen, auch Sie, Herr Kollege Ollenhauer, zu dem übereinstimmenden Ergebnis gekommen sind — im Grunde hat das der Kollege Schmitt (Vockenhausen) ja auch bestätigt —: „Es besteht kein Anhaltspunkt, daß die deutsche Beamtenschaft in ihrer Allgemeinheit korrupt ist."
    Wir alle sind uns gewiß auch darin einig, daß die Erhaltung eines fachlich tüchtigen, charakterlich sauberen und unbestechlichen Berufsbeamtentums in unserem gemeinsamen Interesse liegt. Jeder, der von dieser staatspolitischen Notwendigkeit überzeugt ist, sollte sich deshalb aus seiner Verantwortung für das Ganze heraus Zurückhaltung gegen Übertreibungen und Verallgemeinerungen einzelner Vorkommnisse auferlegen. Die Beamtenschaft hat meines Erachtens auch ein Recht darauf, daß ihre Angehörigen gegen Vorwürfe geschützt werden, solange diese weder geprüft noch erwiesen sind. Ich halte es auch nicht für angängig, daß Beamte öffentlich herabgewürdigt und eines schweren Verbrechens bezichtigt werden, solange sie nicht vor ihrem gesetzlichen Richter gestanden haben.
    Noch etwas anderes möchte ich in diesem Zusammenhang sagen. Daß es überhaupt Fälle von Bestechlichkeit und Korruption in der Welt gibt, ist gewiß tief bedauerlich. Wir sollten uns aber vor Augen halten, daß es solche Handlungen gegeben hat, solange überhaupt menschliche Gemeinwesen auf dieser Erde bestehen. Sie waren im alten Rom ebenso bekannt wie in der Wilhelminischen und in der Weimarer Zeit, vom tausendjährigen Reich ganz zu schweigen. Sie kommen leider auch in unserer Zeit vor. Solche Fälle finden sich aber nicht nur in der Bundesverwaltung, sondern auch in den Ländern und Gemeinden, übrigens ohne Schonung dieser oder jener politischen Richtung; ich lege großen Wert darauf, das doch festzuhalten.
    Ich halte es für notwendig, auf diese Tatsache hinzuweisen. Die Bekämpfung der Korruption hat nichts mit dem Parteiinteresse zu tun, sondern nur mit dem übergeordneten Interesse des Staates und des Allgemeinwohls. Würden wir das anders sehen, so würden wir uns eines schweren Fehlers schuldig machen, eines Fehlers, der z. B. in der Weimarer Zeit begangen wurde, als man aus Parteiegoismus vermeintliche oder wirkliche Skandale aufbauschte und verallgemeinerte und damit nicht der Demokratie,



    Bundesinnenminister Dr. Schröder
    sondern den Feinden der Demokratie in die Hände arbeitete.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wenn ich mich nach diesen allgemeinen Betrachtungen nunmehr den tatsächlichen Gegebenheiten zuwende, so darf ich zunächst die Feststellung wiederholen, die bereits in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der SPD — Drucksache 548 — vom 29. September 1958 enthalten war: Die Zahl der Bestechungsfälle in der Bundesverwaltung ist, wie die Statistik der Disziplinarverfahren ergibt, in den letzten Jahren sowohl absolut als auch relativ zur Gesamtzahl der Bediensteten ständig zurückgegangen. Ebenso weist auch nach den Angaben des Statistischen Jahrbuchs die Zahl der durch die Strafgerichte abgeurteilten Amtsdelikte eine sinkende Tendenz auf. Vergleicht man beispielsweise die Zahl der wegen Amtsvergehen Verurteilten in den zwanziger Jahren mit den heutigen Zahlen, so ergibt sich, daß auf 100 000 strafmündige Personen im Jahre 1925 5,8, im Jahre 1926 5,7, im Jahre 1927 4,6 Verurteilte entfielen. Demgegenüber beträgt die Zahl der wegen Amtsvergehen Verurteilten im Jahre 1954 nur 3,2, im Jahre 1956 sogar nur 2,6; das ist weniger als die Hälfte der Verurteilten des Jahres 1925. Es ist schwer verständlich, wie angesichts solcher untrüglicher Ziffern von einer Korruptionsflut in unserer Zeit gesprochen werden kann. Selbst wenn man in Rechnung stellt — was von verschiedenen Seiten immer wieder behauptet wird —, daß sich ein Teil der Korruptionsfälle der Aufdeckung entzieht, so ist der Anteil solcher unaufgeklärter Fälle I in früherer Zeit sicherlich nicht geringer, sondern, entsprechend der höheren Zahl der Verurteilten, wahrscheinlich ebenfalls größer gewesen.
    Eine Vergewaltigung der Wirklichkeit ist es vollends, wenn in diesem Zusammenhang vom „Vorwärts" in seiner Ausgabe vom 6. Februar 1959

    (Zurufe von der SPD)

    - ich bedaure natürlich, daß ich den „Vorwärts" hierfür zitieren muß — das Wort von der „Korruptionshauptstadt Bonn" gebraucht wird.

    (Erneute Zurufe von der SPD.)

    — Ich würde es lieber sehen, das stünde nicht im „Vorwärts", Herr Kollege. Ich halte es für ziemlich leichtfertig, solche Behauptungen ungeprüft aufzustellen. So entnehme ich z. B. dem Band 158 der Statistik der Bundesrepublik Deutschland, daß im Jahre 1954 die Zahl der wegen Amtsdelikten Verurteilten, bezogen auf 100 000 Erwachsene, im Lande Nordrhein-Westfalen 2,8, im Lande Baden-Württemberg 2,7, in Schleswig-Holstein 2,5, im Bundesdurchschnitt 3,5, dagegen in Hamburg 7,8, in Bremen 5,1, in Bayern 4,4 und in Hessen 4,1 betragen hat.

    (Lachen bei der SPD.)

    - Meine Damen und Herren, ich bin für diese Zahlen nicht verantwortlich; das ist die Statistik.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Großstädte!)

    - Sicherlich, Herr Kollege Schmitt (Vockenhausen) ! Warten Sie doch bitte ab! Ich bin bereit, das sehr zurückhaltend zu würdigen.
    Wenn es mir auch fernliegt, aus derartigen Zahlengrößen, die durch verschiedenartige Faktoren bedingt sein können — wir haben gerade bei Hamburg schon das Stichwort „Großstädte" gehört —, den Schluß zu ziehen, daß die Beamtenschaft der an zweiter Stelle genannten Länder moralisch anfälliger sei als anderswo — ich sehe persönlich keinen Anlaß zu einer solchen Vermutung —, so sollte doch dieses Beispiel, um so mehr als es ,sich auf authentische Ziffern stützt, zur Vorsicht mahnen, aus vereinzelten lokalen Vorkommnissen generelle Schlüsse zu ziehen und der Bundeshauptstadt Bonn einen so häßlichen Beinamen zu geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nach einer von mir veranlaßten Umfrage bei allen obersten Bundesbehörden beträgt die Zahl der Angehörigen der Bundesverwaltungen, die innerhalb der zurückliegenden fünf Jahre rechtskräftig verurteilt worden sind a) wegen einfacher passiver Bestechung, 20, b) wegen schwerer passiver Bestechung, 40. Von der Anklage der einfachen oder schweren passiven Bestechung sind rechtskräftig freigesprochen worden 42. Die Zahl der noch nicht abgeschlossenen Strafverfahren, in denen Anklage erhoben worden ist, beträgt 46. In einem dieser Verfahren ist der Beamte im ersten Rechtszug freigesprochen worden; gegen das Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Insgesamt handelt es sich also um 60 Verfahren, die bisher zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt haben. Das entspricht, bezogen auf die zurückliegenden fünf Jahre, einem Jahresdurchschnitt von 12 Verurteilungen von Beamten und Soldaten des Bundesdienstes. Diesen 12 Verurteilungen wegen passiver Bestechung stehen in den Jahren 1954 bis 1956 — die Zahlen der späteren Jahre stehen mir nicht zur Verfügung — im Mittel 47 Verurteilungen von Angehörigen aller übrigen Dienstherren im Bundesgebiet gegenüber. 12 im Bundesmittel, 47 bei den anderen Dienstherren! Bei einem durchschnittlichen Personalbestand von 680 000 Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Bund — ohne Arbeiter — und 960 000 in den Ländern und Gemeinden entfallen also auf je 100 000 Bedienstete im Bundesdienst 1,7 Verurteilte, in den Ländern und Gemeinden dagegen 4,9 Verurteilte.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Der Anteil der wegen Bestechung verurteilten Angehörigen des Bundesdienstes beträgt also ziemlich genau ein Drittel der Verurteiltenziffer bei den übrigen Verwaltungen im Bundesgebiet.
    Ich habe hier eine Übersicht darüber, die sich nicht so ganz leicht vorlesen läßt; ich will aber doch einmal versuchen, sie Ihnen zu verdeutlichen, damit Sie sehen, wie sich das verteilt. Ich habe in dieser Übersicht die strafrechtlichen Bestechungsverfahren gegen Bundesbedienstete in den Jahren 1954 bis 1958 zusammengefaßt. Hier wird auch wieder unterschieden nach rechtskräftiger Verurteilung wegen passiver Bestechung, einfach und schwer, rechtskräftigen Freisprüchen und nicht abgeschlossenen Verfahren, in denen Anklage erhoben worden ist. Ich nenne einmal die vier Ziffern nach den Ressorts:



    Bundesinnenminister Dr. Schröder
    Bundeskanzleramt: 1 Verurteilung wegen einfacher Bestechung, 1 noch nicht abgeschlossenes Verfahren;
    Auswärtiges Amt: 1 Verurteilung wegen einfacher Bestechung;
    Innenministerium: 3 Verurteilungen — aus dem ganzen Geschäftsbereich — wegen schwerer passiver Bestechung, 1 Freispruch, 2 laufende Verfahren;
    Justiz: ohne etwas in irgendeiner dieser Spalten;
    Finanz: — bei den Finanzen müssen Sie natürlich den ganzen Bereich der Finanzverwaltung dazunehmen, Zoll usw. —: 5 Verurteilungen wegen einfacher Bestechung, 23 wegen schwerer, 29 Freisprüche, 25 laufende Verfahren — es tut mir leid, aber in dieser Übersicht ist das Finanzressort weitaus am stärksten vertreten —;
    Wirtschaft: 3 noch nicht abgeschlossene Verfahren, bisher keine Verurteilungen;
    Ernährung: 1 Verurteilung wegen einfacher Bestechung;
    Arbeit: 1 Freispruch, 1 laufendes Verfahren;
    Verteidigung: 3 Verurteilungen wegen einfacher, 6 wegen schwerer Bestechung, 4 Freisprüche, 12 noch laufende Verfahren;
    Verkehr: 8 wegen einfacher, 5 wegen schwerer Bestechung, 7 Freisprüche, kein laufendes Verfahren;
    Post: 1 Verurteilung wegen einfacher, 3 wegen schwerer Bestechung.
    Ich will noch die Ehrentafel der übrigen Ressorts vorlesen: Wohnungsbau, Vertriebene, Gesamtdeutsches, Bundesrat, Familienfragen, Atomenergie „ohne", Ministerium für wirtschaftlichen Besitz: schwebendes Verfahren, Bundespräsidialamt „ohne", Rechnungshof „ohne", Presse- und Informationsamt „ohne", der Bundestag hat sich in dieser Liste mit einem noch nicht abgeschlossenen Verfahren eingefunden.
    Prüft man die genannten Verfahren, soweit sie inzwischen abgeschlossen sind, unter dem Gesichtspunkt, ob zu den ihnen zugrunde liegenden Verfehlungen die Vorstellung beigetragen hat, gewisse Gebräuche aus dem Wirtschaftsleben seien im öffentlichen Dienst erlaubt — und damit komme ich zur Beantwortung der Ziffer 1 der Großen Anfrage —, so muß man sich zunächst Klarheit darüber zu verschaffen versuchen, an welche „gewissen Gebräuche" bei dieser Frage gedacht ist. Da die Große Anfrage unter der Überschritf „Korruptionsfälle in der Bundesverwaltung" steht, können hier wohl nur solche Zuwendungen von Vorteilen gemeint sein, die geeignet sind, bei Beamten den Tatbestand der strafrechtlichen Bestechung zu erfüllen. Wir werden also Gebräuche des Wirtschaftslebens, die dieses Merkmal nicht erfüllen, hier ohne weiteres ausscheiden dürfen und müssen. Dazu gehört beispielsweise die Teilnahme der öffentlichen Bediensteten an allgemein üblichen Rabatt- und Vorzugskäufen der verschiedensten Art. Von derartigen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, kann grundsätzlich auch den öffentlichen Bediensteten nicht verwehrt werden. Anders verhält es sich nur dann, wenn es sich um Beziehungskäufe handelt, bei denen einem Beamten Sondervorteile in bezug auf sein Amt eingeräumt werden.
    Überhaupt erscheint es mir in diesem Zusammenhang notwendig, sich einmal darüber Klarheit zu verschaffen, was eigentlich unter „Korruption" zu verstehen ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Korruption ist nach meiner Auffassung gleichbedeutend mit Bestechung. Von Korruption kann daher nur dort gesprochen werden, wo einem Beamten für eine Amtshandlung ein Vorteil gewährt wird, wenn also zwischen dem Vorteil und der Amtshandlung ein Zusammenhang besteht. Von „Korruption" kann also nicht die Rede sein, wenn der gewährte Vorteil in keinem Zusammenhang mit dienstlichen Handlungen steht. Das gilt für Vorteile aller Art, mag es sich um Rabattkäufe, Darlehnsgewährungen oder anderes handeln. Allerdings ist ein Beamter gehalten, auch den bloßen Anschein der Bestechlichkeit zu vermeiden. Aus diesem Grunde darf er ganz allgemein nach § 70 des Bundesbeamtengesetzes Belohnungen und Geschenke in bezug auf sein Amt nur mit Zustimmung seiner obersten Behörde annehmen. Die Annahme eines Geschenkes ohne diese Zustimmung ist in jedem Falle ein Dienstvergehen, aber deshalb keinesfalls schon in jedem Falle eine Bestechung.

    (Richtig! in der Mitte.)

    Diese wichtige Unterscheidung ist bei den Erörterung der letzten Monate sehr häufg übersehen worden,

    (Sehr gut! in der Mitte)

    und es ist mancher Fall zum „Korruptionsskandal" gestempelt worden, in dem eine Korruption im richtig verstandenen Sinne überhaupt nicht, sondern nur eine dienstliche Unkorrektheit vorgelegen hatte. Wenn dann noch hinzu kam, daß sich ein Teil der Nachrichtenmittel einzelner derartiger Fälle oder Komplexe, die früher höchstens im lokalen Umkreis bekanntgeworden wären, annahm und mit so sensationellen Überschriften wie „Bonn im Nebel der Korruption" verbreitete, dann darf man sich nicht wundern, wenn sich der Öffentlichkeit vielfach die Vorstellung bemächtigte, daß die Beamtenschaft von heute in weitem Umfange korrupt sei.
    Die Frage nun, in welchen der Fälle, bei denen es sich wirklich um Korruption oder Korruptionsverdacht handelt, beim Täter die Vorstellung eine Rolle gespielt hat, gewisse Zuwendungen, wie sie zwischen Geschäftspartnern des Wirtschaftslebens üblich sind, seien auch im öffentlichen Dienst erlaubt, läßt sich naturgemäß schwer beantworten. Sicherlich sind die Beweggründe der Verfehlungen von Fall zu Fall verschieden. Dabei besteht in manchen Fällen fraglos auch die Möglichkeit, daß Gebräuche aus dem Bereich des Wirtschaftslebens das Handeln von Verwaltungsangehörigen mitbestimmt haben. Auch wenn dem im einzelnen Falle so sein sollte, darf daraus aber nicht der Schluß gezogen



    Bundesinnenminister Dr. Schröder
    werden, daß unter dem Einfluß derartiger Vorstellungen das Pflichtbewußtsein der Beamtenschaft im ganzen Schaden genommen habe. Betrachtet man unvoreingenommen die aus derartigen Motiven begangenen Verfehlungen im öffentlichen Dienst, so muß man feststellen, daß sie sowohl absolut wie relativ gering sind und daß unser Berufsbeamtentum nach wie vor von einer seinem Wesen und seiner Tradition entsprechenden Sauberkeit ist. Während nämlich, wie ich mir vorhin auszuführen erlaubt habe, die Zahl der Bestechungsverfahren gegen Beamte und Angestellte seit Jahren ständig rückläufig ist, haben sich nach den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes die Betrugs- und Untreuedelikte im Wirtschaftsleben von 1950 bis 1956 mehr als verdoppelt.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    In diesem Zusammenhang sollte auch nicht außer acht gelassen werden, daß zu einer Beamtenbestechung bekanntlich immer zwei gehören. Wenn es die Moral mancher Wirtschaftskreise zuläßt, den Weg zum Erfolg durch gewisse Hintertüren zu wählen, so darf man die Beamten nicht allein verantwortlich machen. Zum Glück dürfen wir feststellen, daß in den verantwortungsbewußten Führungsgremien unserer Wirtschaft solche fragwürdigen Praktiken ebenso verurteilt werden, wie wir sie verurteilen, und mit Genugtuung können wir zur Kenntnis nehmen, daß ein vor mehreren Monaten ergangener Aufruf des Bundesverbandes der Deutschen Industrie an seine Mitgliederverbände, zu dem ich die Anregung gegeben hatte, inzwischen offenbar schon seine heilsamen Wirkungen geübt hat.
    Lassen Sie mich damit zu den Ziffern 2 und 3 der Anfrage übergehen.
    § 70 des Bundesbeamtengesetzes verbietet den Beamten, Belohnungen und Geschenke in bezug auf ihr Amt ohne Genehmigung ihrer obersten Dienstbehörde anzunehmen. Die §§ 331 und 332 des Strafgesetzbuches stellen darüber hinaus die Annahme von Vorteilen, die für eine in das Amt einschlagende, pflichtmäßige oder pflichtwidrige Handlung gewährt werden, unter schwere Strafen. Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes ist nach § 5 Abs 1 ATO ebenfalls verboten, Belohnungen oder Geschenke für dienstliche Verrichtungen ohne Genehmigung der zuständigen Stelle anzunehmen. Auch für diesen Kreis der Verwaltungsangehörigen ist die Bestechung teils nach dem Strafgesetzbuch, teils nach der Verordnung gegen Bestechung und Geheimnisverrat nichtbeamteter Personen in der Fassung vom 22. Mai 1954 mit Strafe bedroht.
    Diese Rechtslage besteht — von der zuletzt genannten Verordnung abgesehen — nunmehr seit vielen Jahrzehnten unverändert; die sich daraus ergebenden Pflichten sind — zumindest in grundsätzlicher Hinsicht und von Grenzfällen abgesehen — eindeutig und jedem Beamten und Angestellten bekannt. Gleichwohl hat die Bundesregierung in der Vergangenheit bei verschiedenen Gelegenheiten die Angehörigen der Bundesverwaltungen auf die Einhaltung dieser Pflichten hingewiesen. So hat die Bundesregierung z. B. am 12. Oktober 1951 einen
    Beschluß gefaßt, wonach alle Bundesbediensteten persönlich auf das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken hinzuweisen sind. In Vollzug dieses Beschlusses wurden die Bundesbediensteteten in einer von ihnen persönlich unterschriebenen Verpflichtungserklärung auf diese Pflicht aufmerksam gemacht. Auch heute noch wird jeder neu eintretende Bundesbedienstete auf das Verbot, Belohnungen und Geschenke ohne Genehmigung anzunehmen, ausdrücklich hingewiesen. Ich habe ferner als der für Beamtenfragen zuständige Bundesminister in meinem Fernsehinterview vom 26. Septembert 1958 sowie in Presseverlautbarungen an das Pflichtbewußtsein der Beamten appelliert und sie noch einmal auf die bestehende Rechtslage hingewiesen. Dabei habe ich insbesondere erwähnt, daß der Beamte bei Annahme einer Zuwendung, die er, gleichviel aus welchen Gründen, nicht ablehnen zu können glaubt, immer die Entscheidung des zuständigen Dienstvorgesetzten einzuholen hat und daß er nur auf diese Weise davor geschützt ist, in einen falschen Verdacht zu geraten.
    Über diese allgemeinen Hinweise hinaus haben die einzelnen Bundesministerien, die nach § 70 des Bundesbeamtengesetzes für die Erteilung oder Versagung der Genehmigung zuständig und verantwortlich sind, für ihren Geschäftsbereich, soweit dies wegen der besonderen Verhältnisse und Bedürfnisse der jeweiligen Verwaltung notwendig erschien, zur Durchführung des § 70 des Bundesbeamtengesetzes eigene Haus- oder Ressortverfügungen erlassen.
    Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die bisher getroffenen Maßnahmen ausreichen, um die Beamten über die Rechtslage, die das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken regelt, zu unterrichten und sie auf die bei der Annahme von Belohnungen und Geschenken zu beachtenden Gesichtspunkte hinzuweisen. Einheitliche Grundsätze für alle Bundesministerien können im übrigen auch nicht berücksichtigen, daß die Eigenart der einzelnen Verwaltungszweige in verschiedenen Punkten eine verschiedene Handhabung der Genehmigungspraxis erfordert. So wird z. B. an die Genehmigung zur Annahme von Zuwendungen bei Beamten der Zollverwaltung ein anderer Maßstab anzulegen sein als bei Beamten des Auswärtigen Dienstes, in dessen Bereich solche Zuwendungen oft schon aus der Rücksicht auf internationale Gepflogenheiten nicht zurückgewiesen werden können. Das sind Unterschiede, die sich durch eine generelle Regelung schwer überbrücken lassen. Im Grundsätzlichen aber, das darf ich feststellen, nachdem ich die verschiedenen Hausregelungen der Ressorts noch einmal überprüft habe, besteht bei allen Ressorts eine durchaus einheitliche Auffassung. Obwohl also, wie gesagt, ein Bedürfnis für eine generelle Regelung bis jetzt nicht hervorgetreten ist, ist die Bundesregierung selbstverständlich jederzeit bereit, die Notwendigkeit allgemeiner Grundsätze neu zu prüfen.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang vor übertriebenen Erwartungen warnen, die möglicherweise an einen derartigen Erlaß geknüpft werden.
    Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1959 4185
    Bundesinnenminister Dr. Schröder
    Sosehr die Bundesregierung entschlossen ist, jedem ernsthaften Verdacht der Bestechlichkeit von Bundesbediensteten nachzugehen und den zuständigen Disziplinar- und Strafverfolgungsbehörden jede mögliche Unterstützung zu gewähren, so glaubt sie doch andererseits, nicht in den Fehler verfallen zu sollen, auf die Annahme jedes Notizblockes, jedes Drehbleistiftes oder Werbeartikels mit Firmenaufdruck eine Hexenjagd veranstalten zu sollen.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Darüber gibt es keine Meinungsverschiedenheit!)

    Damit würde man über das Ziel weit hinausschießen. Ein Beamter, der einen ihm übersandten Taschenkalender zurückschickte, würde im Volk mit Recht als pedantischer Bürokrat angesehen werden. Er würde sich zudem ein schlechtes Zeugnis ausstellen, wenn er durch die Zurückweisung einräumen würde, daß schon derartige kleine Aufmerksamkeiten geeignet seien, einen Beamten in seiner Objektivität zu beeinflussen. An solchen Gefälligkeiten ohne echten Handelswert wird kein vernünftiger Mensch Anstoß nehmen.
    Herr Schmitt (Vockenhausen), ich registriere mit Genugtuung, daß Sie diese Gedankengänge teilen. Ich habe sie nur deswegen vorgetragen, weil, wie Sie wissen, einzelne Dienstherren dazu übergegangen waren — das hat zu Weihnachten und Neujahr allerhand Enttäuschungen sowohl bei den Gebern als auch bei den mutmaßlichen Empfängern hervorgerufen —, auch die Annahme solcher Dinge zu verbieten und zu inkriminieren, die jahrelang gewohnheitsgemäß gegeben wurden.
    Anders verhält es sich mit der Annahme geldwerter Geschenke und Vorteile. Derartige Zuwendungen wird man als unvereinbar mit den Dienstpflichten eines Beamten ansehen müssen. Der Beamte hat dem Gemeinwohl zu dienen und ist daher nicht berechtigt,. im Zusammenhang mit seiner Amtstätigkeit irgendwelche persönlichen Vorteile zu erstreben. Solche geldwerten Vorteile, die ihm in bezug auf sein Amt angeboten werden, muß der Beamte regelmäßig zurückweisen. Glaubt der Beamte, daß aus besonderen Gründen — etwa weil die Gebote der Höflichkeit oder des Taktes oder andere dienstliche Interessen es gebieten die Zurückweisung nicht angezeigt wäre, so hat er in jedem Fall die Zustimmung seiner obersten Dienstbehörde einzuholen; nur auf diese Weise kann er sich vor dem Vorwurf einer schweren Pflichtverletzung schützen. Die oberste Dienstbehörde wird ihre Zustimmung nur erteilen, wenn von seiten des Gebers eine Beeinflussung des Beamten weder beabsichtigt noch zu besorgen ist und wenn auch nach außen, gegenüber Dritten, der Anschein einer solchen Beeinflussung nicht erweckt wird. In dieser Weise wird von den obersten Bundesbehörden ständig verfahren. Dabei steht es den Bundesressorts frei, die Erteilung der Zustimmung an die Auflage zu knüpfen, das empfangene Geschenk an eine soziale Einrichtung weiterzuleiten.
    Allerdings gibt es zwischen den bloßen Aufmerksamkeiten und den Geschenken und Vorteilen von echtem Geldwert eine Grenzsphäre, innerhalb derer
    Zweifel auftreten können, ob eine Zuwendung genehmigt werden darf oder nicht. Gerade diese Grenzfälle entziehen sich aber einer generellen Regelung, weil es nun einmal nicht möglich ist, alle in der Lebenswirklichkeit vorkommenden oder denkbaren Einzelfälle — sei es auch nur beispielhaft — zu erfassen und ihre rechtliche Behandlung ohne Rücksicht auf die individuellen Besonderheiten jedes Falles im voraus generell festzulegen. Wo von verschiedenen Dienstherren derartiges versucht worden ist, haben sich die Regelungen in der Praxis stets schon nach kurzer Zeit als unzureichend und nicht allen Fällen gerecht werdend erwiesen und eine Fülle kasuistischer Ergänzungsregelungen nach sich gezogen, die die Unsicherheit eher vermehrt als vermindert haben. Gegenüber derartigen Versuchen muten die älteren Erlasse und Verfügungen, insbesondere aus dem vorigen Jahrhundert, in dem es dieses Problem natürlich auch gab, in ihrer Einfachheit und Kürze geradezu wohltuend und als ein vorbildliches Beispiel dafür an, daß die heute so oft beschworene Vereinfachung der Verwaltung nicht durch eine ausgedehnte Erlaßtätigkeit der zuständigen Zentralbehörden, sondern am wirksamsten durch Einräumung eines hinreichend großen Verantwortungsspielraums an die ausführenden Behörden erreicht wird.
    Natürlich gibt es einen Bereich, in dem von den Beamten ein besonders hohes Maß an Korrektheit erwartet werden muß. Das ist die Berührungsfläche zwischen Staat und Wirtschaft. Aber auch für diesen Bereich, in dem sich die strengeren Anschauungen des Beamtendienstes mit den oftmals loseren Auffassungen des Wirtschaftslebens begegnen, gibt es keine für alle Fälle passenden Regeln. Was hier in einem Falle erlaubt sein kann, kann im anderen verboten sein. Das hängt von vielen Umständen ab, von der Stellung und dem Auftrag des Beamten, von der Rücksichtnahme auf gesellschaftliche Gepflogenheiten und von anderem mehr. Auch wird man es grundsätzlich nicht untersagen können, daß sich zwischen Beamten und Personen außerhalb des öffentlichen Dienstes ein privater gesellschaftlicher Verkehr entwickelt. Dies kann sogar in vielen Fällen nützlich sein, weil die Beamten nur auf solche Weise in die Lage versetzt werden, die Verhältnisse und Anliegen der gesamten Bevölkerung richtig zu beurteilen. Keinesfalls darf die Beamtenschaft in die Rolle gedrängt werden, sich als eine besondere Kaste zu fühlen und sich von der Außenwelt abzuschließen.
    Das bedeutet nicht, daß es den Beamten erlaubt werden darf, sich im Umgang mit den Angehörigen der freien Wirtschaft von diesen irgendwelche Vorteile in bezug auf ihr Amt gewähren zu lassen. Man darf aber, so scheint mir, auf der anderen Seite nicht in jeder gemeinsam eingenommenen Mahlzeit einen Korruptionsfall erblicken. Hier zeigt sich, daß, falls in letzter Zeit eine gewisse Unsicherheit die Beamtenschaft ergriffen haben sollte, diese Unsicherheit nicht auf das Fehlen einer detaillierten Einzelregelung, sondern darauf zurückzuführen ist, daß der Begriff der Korruption, wie ich vorhin schon bemerkt habe, über seine eigentliche Bedeutung hinaus im. mer wieder auf Vorgänge ausgedehnt wird, die



    Bundesinnenminister Dr. Schröder
    einen solchen Vorwurf in keiner Weise rechtfertigen.
    Abschließend lassen Sie mich zu den Ziffern 2 und 3 der Anfrage nochmals nachdrücklich versichern, daß die Bundesregierung nichts unterlassen hat, um Korruptionsfälle in der Bundesverwaltung, wo immer ein hinreichender Verdacht auf solche Fälle bestand, rasch aufzuklären und die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft zu unterstützen und zu fördern. Die Bundesregierung hat insbesondere bei jedem Verdacht der Bestechung zu der von der Staatsanwaltschaft oder den Richtern beantragten Aussage die Genehmigung erteilt.
    Daß allerdings eine oberste Bundesbehörde in einem Fall, in dem die Staatsanwaltschaft und ein Landgericht den Verdacht einer passiven Bestechung für begründet hielten, den Sachverhalt anders beurteilt, gibt niemandem das Recht, an dem ernsten und festen Willen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Korruption zu zweifeln. Verschiedene rechtliche Beurteilungen des gleichen Tatbestandes sind nichts Außergewöhnliches. Selbst das Landgericht und das Oberlandesgericht waren in dem betreffenden Fall nicht in allen Punkten derselben Meinung. Auch Bundesregierung und Opposition haben schon oft verschiedene Rechtsansichten vertreten, ohne daß die Bundesregierung deshalb der Opposition ihre Überzeugung von der Richtigkeit ihrer Rechtsauffassung bestritten hat.
    Damit komme ich zur Beantwortung der Ziffer 4 der Großen Anfrage. Unter dieser Ziffer wird die Frage gestellt, durch welche Maßnahmen die Bundesregierung dafür gesorgt hat, daß die Beamten in den Aufsichtsräten von Wirtschaftsunternehmen die für die Beamtenschaft allgemein geltenden Grundsätze beachten. Hierzu darf ich folgendes feststellen.
    Die in Organen von Wirtschaftsunternehmen tätigen Beamten haben selbstverständlich die gleichen Beamtenpflichten wie alle sonstigen Beamten. Auch sie dürfen daher Geschenke, die ihnen in bezug auf ihr Amt gewährt werden, nur mit Genehmigung der obersten Dienstbehörde annehmen. Die von der Bundesregierung und von den einzelnen obersten Bundesbehörden getroffenen Anordnungen gelten somit auch für diese Beamten. Eine andere Frage ist es, wann bei der Annahme eines Geschenkes durch Beamte, die in Organen von Wirtschaftsunternehmen tätig sind, eine Beziehung zum Amt gegeben ist, die den Beamten verpflichtet, die Genehmigung zur Annahme des Geschenkes einzuholen. An einer solchen Beziehung fehlt es, wenn ein Beamter aus rein privaten Gründen und ohne jeden Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit, etwa als Beteiligter eines Familienunternehmens oder wegen seiner besonderen Fachkenntnisse dem Organ eines Wirtschaftsunternehmens angehört. Zur Annahme von Geschenken, die der Beamte in solcher privaten Eigenschaft erhält, bedarf er keiner Genehmigung.
    Anders ist die Rechtslage dann, wenn ein Beamter auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung seines Dienstvorgesetzten oder im Zusammenhang mit seinen dienstlichen Aufgaben zur Wahrung öffentlicher Belange in ein Organ eines Wirtschaftsunternehmens berufen wird. In diesen Fällen handelt es sich um eine dienstlich ausgeübte Hauptoder Nebentätigkeit, für die der Beamte Belohnungen oder Geschenke nur nach vorheriger Genehmigung des Dienstvorgesetzten annehmen darf. Diese Rechtslage, die sich daraus ergibt, daß der Beamte in solchen Fällen als Repräsentant des Staates tätig wird, besteht seit langem unverändert und ist im beamtenrechtlichen Schrifttum unstreitig.
    Unter Ziffer 5 der Großen Anfrage wird um Auskunft darüber ersucht, bei welchen Haushaltstiteln die von Bundesbeamten in Aufsichtsorganen von Wirtschaftsunternehmen gemäß Nr. 13 der Verordnung über die Nebentätigkeit der Beamten abzuliefernden Beträge verbucht werden und wie hoch diese im zuletzt abgeschlossenen Wirtschaftsjahr waren.
    Die Frage beantworte ich wie folgt:
    Die von Bundesbeamten und Angestellten in Organen von Wirtschaftsunternehmen nach Nr. 13 der Verordnung über die Nebentätigkeit der Beamten abzuliefernden Beträge werden bei Titel 69 (vermischte Einnahmen) des ordentlichen Haushalts verbucht. Im zuletzt abgeschlossenen Rechnungsjahr 1957/1958 sind nach Auskunft des Herrn Bundesministers der Finanzen im Bereich aller obersten Bundesbehörden insgesamt 157 150,96 DM vereinnahmt worden.
    Für die Erfassung von Sach- und Dienstleistungen, die Beamte und Angestellte in ihrer Eigenschaft als Mitglieder von Organen von Wirtschaftsunternehmen gewährt werden — damit komme ich zu Ziffer 6 der Großen Anfrage —, gelten die folgenden Grundsätze:
    Sach- und Dienstleistungen für eine rein private, nicht mit dienstlichen Aufgaben zusammenhängende Tätigkeit in Organen von Wirtschaftsunternehmen unterliegen ebenso wie Vergütungen für andere rein private Tätigkeiten keiner Ablieferungspflicht. Soweit Sach- und Dienstleistungen als Geschenk oder Belohnung in bezug auf derartige Tätigkeiten gewährt werden, bedarf der Beamte zu ihrer Annahme keiner Genehmigung.
    Ist der Beamte dagegen auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung seines Dienstvorgesetzten Mitglied des Organs eines Wirtschaftsunternehmens geworden, so sind Sach- und Dienstleistungen, die eine Vergütung für die Aufsichtsratstätigkeit darstellen, mit ihrem Geldwert auf den Höchstbetrag der Vergütung, die dem Beamten nach Nr. 13 der Nebentätigkeitsverordnung belassen werden kann, anzurechnen. Sach- und Dienstleistungen, die keine Vergütung für die Tätigkeit in Organen des Unternehmens darstellen, sind als Geschenke oder Belohnungen im Sinne des § 70 BBG anzusehen. Selbstverständlich gelten auch in. diesen Fällen allgemein übliche Zuwendungen nach der Verkehrssitte als genehmigt.
    Unter Ziffer 7 der Großen Anfrage wird die Frage gestellt, welche Grundsätze für die Annahme von Geschenken aus besonderen Anlässen für Mitglieder der Bundesregierung bestehen. Dazu ist folgendes zu sagen:



    Bundesinnenminister Dr. Schröder
    Geschenke, die einem Bundesminister aus rein persönlichen Gründen und ohne jede Beziehung zu seinem Amt gewährt werden, können ebenso wie von jedem Beamten und Angestellten auch von dem Minister ohne weiteres angenommen werden. Für Geschenke in bezug auf das Amt enthält das Bundesministergesetz keine ausdrückliche Regelung. Das gleiche gilt übrigens für die Ministergesetze sämtlicher Bundesländer. Das bedeutet nicht, daß einem 'Minister die Annahme von Geschenken in bezug auf sein Ministeramt unbeschränkt erlaubt ist. Daß ein Minister keine Geschenke annehmen darf, mit denen direkt oder indirekt auf Amtshandlungen Einfluß genommen werden soll, folgt schon aus den auch für Minister geltenden §§ 331 und 332 StGB. Darüber hinaus wird man davon ausgehen dürfen, daß der für alle öffentlichen Amtsträger geltende Grundsatz, nach dem sie aus ihrer Amtsführung keine persönlichen Vorteile ziehen dürfen, auch für Minister Gültigkeit besitzt. Weitergehende Grundsätze lassen sich nicht aufstellen. Da Minister keine Dienstvorgesetzten haben, die die Genehmigung zur Annahme eines Geschenkes erteilen könnten, müssen sie stets in eigener Verantwortlichkeit darüber entscheiden, ob gegen die Annahme eines Geschenkes Bedenken bestehen. Diese Entscheidung wird immer vom Einzelfall und von der Rücksicht auf die Gebote des Taktes und der Höflichkeit abhängen, die sich einer juristischen Normierung entziehen. Dabei kommt es weniger auf den materiellen Wert des Geschenkes als vielmehr darauf an, unter welchen Umständen es angeboten wird, in welchem Verhältnis sein ideeller und sein materieller Wert zueinander stehen und ob die Ablehnung als eine Kränkung empfunden würde.
    In vielen Fällen werden derartige Geschenke, besonders wenn ihr materieller Wert den ideellen Wert übersteigt, karitativen Zwecken zugeführt.
    Damit komme ich zum Schluß meiner Ausführungen. Ich habe schon gesagt und möchte es an dieser Stelle noch einmal unterstreichen, daß die Bundesregierung Fälle von Bestechlichkeit und verbotener Geschenkannahme innerhalb Ides öffentlichen Dienstes scharf verurteilt. Die Bundesregierung wird in allenderartigen Fällen gegen ,die Schuldigen unnachsichtlich vorgehen. Darüber hinaus wird die Bundesregierung weiterhin bestrebt sein, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um das Pflichtbewußtsein der im Dienst des Bundes stehenden Personen zu festigen und zu vertiefen.
    Auf der anderen Seite sieht es die Bundesregierung aber als ihre Aufgabe an, der Beamtenschaft die Unbefangenheit wiederzugeben, die ihr durch die Korruptionspsychose der vergangenen Monate — leider muß ich sagen — vielfach genommen worden ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Diese Korruptionspsychose steht, wie ich dem Hohen Hause an Hand von Zahlen vor Augen zu führen versucht habe, in einem extremen Mißverhältnis zu der sehr geringen Zahl der wirklich vorgekommenen Fälle.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Die Zahl dieser Fälle ist gegenüber der Gesamtzahl der im Dienst des Bundes beschäftigten Personen von so verschwindender Bedeutung, daß kein Anlaß besteht, an dem Pflichtbewußtsein und der sittlichen Haltung unseres öffentlichen Dienstes zu zweifeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, daß wir allen Grund haben, den Angehörigen des öffentlichen Dienstes für ihre treue und aufopferungsvolle Arbeit im zurückliegenden Jahrzehnt des Aufbaues zu danken, und ich möchte es nicht unterlassen, das hier im Namen der Bundesregierung zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung erwartet von den Angehörigen ihrer Verwaltung, daß sie weiterhin ihre Pflichten gewissenhaft und uneigennützig erfüllen werden. Die Beamten, Richter, Soldaten, Angestellten und Arbeiter des Bundes dürfen auf der anderen Seite des Schutzes und der Fürsorge der Bundesregierung auch in Zukunft gewiß sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)