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Metadaten
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  • date_rangeDatum: 10. Juni 1959

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    Deutscher Bundestag 73. Sitzung Bonn, den 10. Juni 1959 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des Europäischen Parlaments Robert Schuman Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 3936 C Glückwunsch zum Geburtstag des Abg Kirchhoff 3895 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1959 (Haushaltsgesetz 1959) (Drucksache 650); Berichte des Haushaltsausschusses — Fortsetzung der zweiten Beratung — a) Einzelplan 29, Geschäftsbereich des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen (Drucksache 1071) Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) . . . 3895 B, 3904 A Dürr (FDP) 3895 B, 3910 D Dr. Schild (DP) 3897 B Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) 3897 D, 3903 A Frau Welter (Aachen) (CDU/CSU) 3902 A, 3904 D Frau Krappe (SPD) 3903 B Frau Schanzenbach (SPD) . . . 3905 C Spitzmüller (FDP) 3906 C Dr. Wuermeling, Bundesminister 3907 A b) Einzelplan 14, Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung (Drucksachen 1063, zu 1063) Dr. Vogel (CDU/CSU) . 3911 D, 3938 D Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 3911 D Lohmar (SPD) 3921 C Kreitmeyer (FDP) . . . . . . 3924 D Frenzel (SPD) . . . . . . 3928 A Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) 3930 C Wienand (SPD) . . . . . . . 3932 B Dr. Schäfer (SPD) . . . 3936 A, 3937 B Dr. Steinmetz (DP) . . . . . 3940 B Strauß, Bundesminister 3941 B c) Einzelplan 36, Zivile Notstandsplanung (Drucksache 1076) Kreitmeyer (FDP) . . . 3950 B, 3955 C Ritter von Lex, Staatssekretär . . 3950 C Maier (Freiburg) (SPD). . . . 3955 A Schmitt (Vockenhausen) (SPD) (zur GO) . . . . . . . . . 3957 B Frau Renger (SPD) . . . . . . 3957 B d) Einzelplan 60, Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksache 1078) Dr. Aigner (CDU/CSU) . . . . . 3958 C Margulies (FDP) . . . . . . . 3960 D Eilers (Oldenburg) (FDP) . . . 3963 A e) Haushaltsgesetz 1959 (Drucksachen 1079, zu 1079) Schoettle (SPD) 3966 B Nächste Sitzung 3967 C Anlagen 3969 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Juni 1959 3895 73. Sitzung Bonn, den 10. Juni 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 70. Sitzung Seite 3663 C Zeile 24 statt „Haftung" : Haltung. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Juni 1959 3969 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Graf Adelmann 10. 6. Bauknecht 13. 6. Bausch 29. 6. Berendsen 31. 7. Birkelbach 11. 6. Dr. Burgbacher 12. 6. Conrad 10. 6. Dr. Deist 11. 6. Dr. Frey 10. 6. Dr. Fritz (Ludwigshafen) 12. 6. Gedat 11. 6. Dr. Greve 4. 7. Dr. Gülich 1. 8. Freiherr zu Guttenberg 10. 6. Dr. Hesberg 27. 6. Heye 12. 6. Höfler 10. 6. Holla 10. 6. Jahn (Frankfurt) 11. 7. Jaksch 30. 6. Kalbitzer 11. 6. Keuning 10. 6. Dr. Kliesing (Honnef) 10. 6. Köhler 4. 7. Dr. Kopf 10. 6. Dr. Kreyssig 12. 6. Kühlthau 26. 6. Leukert 12. 6. Dr. Lindenberg 10. 6. Matthes 15. 6. Odenthal 11. 6. Dr. Oesterle 13. 6. Pernoll 20. 6. Dr. Pferdmenges 13. 6. Frau Schmitt (Fulda) 10. 6. Siebel 12. 6. Stahl 15. 6. Stenger 12. 6. Stingl 10. 6. Theis 12. 6. Wittmer-Eigenbrodt 12. 6. Urlaubsanträge Frau Dr. Diemer-Nicolaus 19. 6. Dr. Frede 20. 6. Dr. Gleissner (München) 6. 7. Gottesleben 20. 6. Dr. Knorr 20. 6. Lücker (München) 15. 6. Memmel 20. 6. Pusch 20. 6. Dr. Schneider (Lollar) 20. 6. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 18. 6. Wegener 20. 6. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Pohle (Fragestunde der 70. Sitzung vom 3. Juni 1959, Drucksache 1026, Frage 23): Ist der Herr Bundesarbeitsminister bereit, die besonders schwierigen Verhältnisse bei den kriegsblinden Ohnhändern einer Überprüfung zu unterziehen und Maßnahmen zu erwägen, wie man außer durch eine Erhöhung der Pflegezulage auch durch Bereitstellung von Gerätschaften dem Schwerbeschädigten, aber auch seiner Ehefrau bzw. Pflegerin die schwierige Lebenssituation erleichtert? Bereits das geltende Recht gewährt kriegsblinden Ohnhändern und anderen besonders schwerbeschädigten Personen neben den Geldleistungen der höchsten Stufe eine Reihe von Vergünstigungen, die diesen Personenkreis aus dem Kreis der übrigen Schwerbeschädigten herausheben. So erhalten diese Beschädigten ahne Rücksicht auf ihr sonstiges Einkommen stets die volle Ausgleichsrente. Heilbehandlung für Leiden, die nicht Schädigungsfolge sind, und Krankenbehandlung für ihre Angehörigen und Pflegepersonen wird ihnen auch dann gewährt, wenn dies bei anderen Beschädigten wegen der Höhe des sonstigen Einkommens nicht mehr zulässig wäre. Auch während der Heilanstaltspflege, Heilstättenbehandlung oder Badekur wird diesen Beschädigten die Pflegezulage weitergezahlt. Um den kriegsblinden Ohnhändern, von denen nach einer im Jahre 1957 durchgeführten Erhebung übrigens 40 % eine berufliche Tätigkeit ausübten, die Verrichtungen des täglichen Lebens zu erleichtern, werden ihnen geeignete orthopädische und andere Hilfsmittel gewährt. In meinem Hause besteht ein Beirat für Orthopädietechnik, dem neben namhaften Wissenschaftlern auch Leute der Praxis und Vertreter der Kriegsopferverbände angehören. Dieser Beirat prüft laufend alle Neukonstruktionen des In- und Auslandes, um die bestmögliche Versorgung der Kriegsbeschädigten mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln zu gewährleisten. Für Kriegsblinde und Ohnhänder ist außerdem eine Sonderfürsorge geschaffen worden, die sich dieser Beschädigten und ihrer Angehörigen in jeder Lebenslage anzunehmen hat und ihnen behilflich sein soll, die Folgen der erlittenen Schädigung nach Möglichkeit zu überwinden oder zu mildern. Mein Haus steht in enger Fühlungnahme mit dem Herrn Bundesminister des Innern, um zusätzliche über den Rahmen der Möglichkeiten der Versorgungsverwaltung hinausgehende Hilfe im Rahmen der Sonderfürsorge zu gewähren. Stirbt ein kriegsblinder Ohnhänder, so wird seinen Hinterbliebenen, selbst wenn der Tod des Beschädigten nicht auf Schädigungsfolgen zurückzuführen ist, Hinterbliebenenversorgung durch das Bundesversorgungsgesetz gewährt. Nach dem Entwurf des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Kriegsopferversorgung sollen diese Vergünstigungen beibehalten werden. Hinzu treten neben Verbesserungen allgemeiner Art in der Heilbehandlung und der Hauspflege Verbesserungen 3970 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Juni 1959 der Rentenleistungen. So soll der kriegsblinde Ohnhänder eine Erhöhung der Grundrente und der Ausgleichsrente erhalten. Diese Erhöhung wird ihm in vollem Umfang zugute kommen, weil eine Anrechnung des sonstigen Einkommens bei diesem Personenkreis unterbleibt. Außerdem soll diesen Personen erstmalig die Möglichkeit gegeben werden, einen Ausgleich für den beruflichen Schaden zu erlangen. Das geltende Recht schließt diese Möglichkeit zur Zeit aus. Es gleicht den Berufsschaden durch eine Höherbewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit aus, die aber beim Erwerbsunfähigen nicht möglich ist. Die Rentenleistungen für einen ledigen kriegsblinden Ohnhänder werden durch diese Maßnahmen von 640,— DM auf 720,— DM, für einen verheirateten Beschädigten mit einem Kind von 690,— DM auf 785,— DM ansteigen. Hinzu tritt ggfs. noch der auf die Ausgleichsrente anzurechnende Berufsschadensausgleich. Eine Erhöhung der Pflegezulage sieht der Gesetzentwurf nicht vor. Ich darf jedoch darauf hinweisen, daß die Pflegezulage der höchsten Stufe in Anbetracht der besonders schwierigen Lebensverhältnisse dieses Personenkreises bereits durch das 6, Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes beträchtlich erhöht wurde und z. Z. 275,— DM beträgt. Blank Anlage 3 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Wirtschaft auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Pöhler (Fragestunde der 70. Sitzung vom 3. Juni 1959, Drucksache 1026, Frage 26) : Ist es der Bundesregrerung bekannt, daß viele Mopedfahrer durch die Verordnung PR Nr. 5/57 über Beiträge in der Kraftfahrtversicherung für Fahrräder mit Hilfsmotor gegenüber den Kraftfahrzeughaltern benachteiligt sind, weil sie die Haftpflicht-und Kraftfahrzeugteilversicherung bis zum Ende des Versicherungsjahres abschließen müssen und somit, wenn sie ihr Moped z. B. während der witterungsmäßig ungünstigen Jahreszeit nicht benutzen wollen, auch für diese Monate die Versicherungsprämie entrichten müssen? Ist die Bundesregierung bereit, die Verordnung PR Nr. 5/57 so zu ändern, daß eine Versicherung auch für Mopeds durch zeitweilige Stillegung unterbrochen werden kann? Die der Bundesregierung bekannte Sonderregelung für Mopeds bei der etwaigen Stillegung kann nur im Zusammenhang mit der Kennzeichnungspflicht für Mopeds gesehen werden. Da der Bestand der Mopeds im Jahre 1957 auf etwa 2 Millionen angewachsen war, wurde eine amtliche Kennzeichnung der Mopeds für erforderlich gehalten. Diese wäre aber nicht nur mit erheblichen Kosten für die Mopedhalter, nämlich mit den Kosten des Nummernschildes und den Verwaltungsgebühren für die Registrierung bei den Straßenverkehrsbehörden verbunden gewesen, sondern hätte auch eine erhebliche Verstärkung der zuständigen Verwaltungsbehörden vorausgesetzt. Um beides zu vermeiden, regte der Verband der Fahrrad- und Motorradindustrie an, an Stelle des amtlichen Kennzeichens ein Versicherungskennzeichen einzuführen und dieses unentgeltlich durch die Versicherer auszugeben. Die Versicherer erklärten sich hierzu bereit, wenn die mit Versicherungskennzeichen für sie verbundenen Mehrkosten in anderer Weise, nämlich durch eine Vereinfachung der Verwaltungsarbeiten, insbesondere durch Verzicht auf Stillegung, ausgeglichen würden. Dieser Regelung haben auch die Vertreter der Mopedhalter, nämlich der Bundesverband der Mopedfahrer e. V. und der Bund deutscher Radfahrer, zugestimmt. Die prämienfreie Unterbrechung des Versicherungsvertrages wäre nur möglich, wenn das Versicherungskennzeichen durch ein amtliches Kennzeichen ersetzt würde. Diese Änderung des gegenwärtigen Systems würde aber im Endergebnis für die Mopedhalter nachteilig sein, da ein amtliches Kennzeichen für Kleinkrafträder mit einmaligen Kosten von 10,50 DM verbunden ist und außerdem im Falle der Stillegung jeweils 2,— DM an Verwaltungsgebühren zu entrichten wären. Demgegenüber beträgt die heutige Mopedprämie 16,— DM zuzüglich 2,— DM für Versicherungssteuer und Ausfertigungsgebühren. Außerdem würden die Versicherer wegen der mit der Stillegung für sie verbundenen Verwaltungskosten eine Prämienerhöhung beanspruchen. Bei diesem Vergleich sind die für die öffentliche Hand und damit für die Steuerzahler mit der gegenwärtigen Regelung verbundenen Ersparnisse nicht berücksichtigt. Der Bundesminister für Wirtschaft hält es aber auch nicht für im Interesse des Mopedfahrers gelegen, das derzeitige Verfahren zu ändern. Westrick Anlage 4 Umdruck 253 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Vogel, Schoettle, Lenz (Trossingen) und Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Haushaltsgesetz 1959 (Drucksachen 650, 1079). Der Bundestag wolle beschließen: Im Haushaltsgesetz 1959 wird der § 14 wie folgt gefaßt: „§ 14 (1) Werden Aufgaben von einer Dienststelle auf eine andere innerhalb des Geschäftsbereichs eines Bundesministers oder vom Geschäftsbereich eines Bundesministers zu dem eines anderen übertragen, so sind auch die Planstellen und Mittel hierfür auf die nunmehr zuständige Haushaltsstelle zu übertragen. Die Übertragung bedarf der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen; der Hauhaltsausschuß des Deutschen Bundestages ist zu unterrichten. (2) Zum Ausgleich des Personalbedarfs in den Geschäftsbereichen der Bundesminister kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages Planstellen und Mittel von einem Kapitel auf ein anderes Kapitel desselben oder eines anderen Einzelplans übertragen. Der Beschluß ergeht auf Antrag eines Bundesministers nach Anhörung des Präsidenten Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Juni 1959 3971 des Bundesrechnungshofs. Eines Beschlusses der Bundesregierung bedarf es nicht, wenn der Personalausgleich innerhalb eines Einzelplans erfolgt oder die beteiligten Bundesminister einig sind und der Bundesminister der Finanzen zustimmt. (3) § 36a der Reichshaushaltsordnung bleibt durch die Bestimmungen der Absätze 1 und 2 unberührt." Bonn, den 2. Juni 1959 Dr. Vogel Dr. Stecker Dr. Aigner Dr. Stoltenberg Baier (Mosbach) Windelen Brand Schoettle Dr. Conring Frau Krappe Dr. Götz Müller (Ravensburg) Leicht Dr. Schäfer Niederalt Lenz (Trossingen) Frau Rösch Kreitmeyer Anlage 5 Umdruck 262 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 29 Geschäftsbereich des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen (Drucksachen 650 Anlage, 1071). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 29 01 — Bundesministerium für Familien- und Jugendfragen — In Tit. 571 — Bundesjugendplan a) Allgemeiner Bundesjugendplan — (Drucksache 650 Anlage S. 10) wird der Ansatz von 40 000 000 DM um 12 000 000 DM auf 52 000 000 DM erhöht und dementsprechend in der Erläuterung unter B. III in Nr. 1 Bau und Einrichtung von Studentenwohnheimen der Ansatz von 4 500 000 DM um 12 000 000 DM auf 16 500 000 DM erhöht. Bonn, den 2. Juni 1959 Ollenhauer und Fraktion Anlage 6 Umdruck 266 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 29 Geschäftsbereich des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen (Drucksachen 650 Anlage, 1071). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 29 01 Tit. 661 — Zuschuß für Familien-Ferienheime — (Drucksache 1071 S. 2) wird der Ansatz von 1 500 000 DM um 500 000 auf 2 000 000 DM erhöht. Bonn, den 2. Juni. 1959 Frau Welter (Aachen) Frau Pitz-Savelsberg Dr. Werber Gontrum Frau Dr. Schwarzhaupt und Fraktion Anlage 7 Umdruck 267 Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Brökelschen und Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksachen 650 Anlage, 1078). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 60 02 — Allgemeine Bewilligungen — wird folgender neuer Titel ausgebracht: „Tit. 621 Zuschuß zur Beseitigung kirchlicher Notstände im Salzgittergebiet 250 000 DM." Bonn, den 2. Juni 1959 Frau Dr. Brökelschen Dr. Huys Burgemeister Koch Dr. Elbrächter Krammig Enk Kuntscher Fritz (Welzheim) Dr. Lindenberg Dr. Gossel Nieberg Hackethal Dr. Pflaumbaum Hesemann Pietscher Heye Dr. Siemer Anlage 8 Umdruck 281 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung (Drucksachen 650 Anlage, 1063). Der Bundestag wolle beschließen: 1. Die Friedensstärken der NATO-Kontingente der Bundeswehr sind um 12 vom Hundert zu erhöhen. Das Fehl an Unteroffizierstellen darf durch Mannschaften aufgefüllt werden. 2. Offizieren und Unteroffizieren auf Zeit ist am Ende ihrer Dienstzeit neben den bestehenden Abfindungsmöglichkeiten die Übernahme in den öffentlichen Dienst zu gewährleisten, wenn sie die hierfür erforderlichen Prüfungen abgelegt haben. 3. Die Bundesregierung wird ersucht, mehr als bisher der Heimatverteidigung Aufmerksamkeit zu schenken und dem Deutschen Bundestag bis zum 30. September 1959 über die erforderlichen Maßnahmen zu berichten. Bonn, den 2. Juni 1959 Kreitmeyer Lenz (Trossingen) und Fraktion Anlage 9 Umdruck 292 Änderungsantrag der Abgeordneten Maier (Freiburg), Stauch, Dr. Rutschke, Dr. Schranz und Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haus- 3972 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Juni 1959 haltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 36 Zivile Notstandsplanung (Drucksachen 650 Anlage, 1076). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 36 04 — Notstandsmaßnahmen im Aufgabenbereich des Bundesministers des Innern — 1. In Tit. 602 — Zuschüsse an zentrale Hilfsorganisationen für Mitwirkung im zivilen Luftschutz und zur Vorbereitung allgemeiner Hilfsmaßnahmen bei Katastrophen — Drucksache 650 Anlage S. 4) wird der Ansatz von 5 900 000 DM um 280 000 DM auf 6 180 000 DM erhöht und dementsprechend 2. in Tit. 603 — Laufende Kosten für den Luftschutzhilfsdienst — (Drucksache 650 Anlage S. 5) der Ansatz von 9 000 000 DM um 280 000 DM auf 8 720 000 DM gekürzt. Bonn, den 3. Juni 1959 Maier (Freiburg) Hackethal Stauch Nieberg Dr. Rutschke Frau Schanzenbach Dr. Schranz Epleé Hansing Schmitt (Vockenhausen) Dr. Frede Demmelmeier Birkelbach Dr. Werber Dr. Mommer Frau Renger Dr. Schäfer Gottesleben Gossel Dr. Storm (Duisburg) Frau Nadig Faller Anlage 10 Umdruck 297 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksachen 650 Anlage, 1078). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. A 60 02 — Allgemeine Bewilligungen — In Tit. 951 — Deckung der Verbindlichkeiten der Institute aus Gutschriften auf Sparanlagen nach dem Gesetz zur Sicherung von Ersparnissen im Saarland vom (Bundesgesetzbl. I S...) — (Drucksache 1078 S. 6) wird der Ansatz von 82 000 000 DM um 3 Millionen DM auf 85 000 000 DM erhöht. Bonn, den 3. Juni 1959 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Dr. Preiß und Fraktion Anlage 11 Umdruck 301 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Haushaltsgesetz 1959 (Drucksachen 650, 1079). Der Bundestag wolle beschließen: Im Haushaltsgesetz 1959 wird in § 7 Abs. 1 (Drucksache 1079 S. 6) folgender Halbsatz angefügt: ,,, sowie für Ausgaben des Kap. 1210." Bonn, den 4. Juni 1959 Ollenhauer und Fraktion Anlage 12 Umdruck 310 Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, CDU/ CSU, FDP, DP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 29 Geschäftsbereich des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen (Drucksachen 650 Anlage, 1071). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 29 01 — Bundesministerium für Familien-und Jugendfragen — In Tit. 571 a) — Allgemeiner Bundesjugendplan — (Drucksache 650 Anlage S. 10) wird der Ansatz von 40 000 000 DM um 200 000 DM auf 40 200 000 DM erhöht. Dementsprechend wird in den Erläuterungen unter C. II. in Nr. 5 Kriegsgräberbetreuung durch Jugendgruppen der Ansatz von 150 000 DM um 200 000 DM auf 350 000 DM erhöht. Bonn, den 9. Juni 1959 Ollenhauer und Fraktion Dr. Krone und Fraktion Lenz (Trossingen) und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 13 Umdruck 323 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 29 Geschäftsbereich des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen (Drucksachen 650 Anlage, 1071). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 29 01 — Bundesministerium für Familien-und Jugendfragen — In Tit. 571 — Bundesjugendplan a) Allgemeiner Bundesjugendplan — (Drucksache 650 Anlage S. 10) wird der Ansatz von 40 000 000 DM um 5 000 000 DM auf 45 000 000 DM erhöht. Im letzten Absatz der Erläuterungen wird der Umfang der Ermächtigung, Verpflichtungen für künftige Rechnungsjahre einzugehen, von 15 Millionen DM auf 10 Millionen DM vermindert. Bonn, den 9. Juni 1959 Dr. Krone und Fraktion Anlage 14 Umdruck 332 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP zur zweiten Beratung des Entwurfs Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Juni 1959 3973 des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung (Drucksachen 650 Anlage, 1063). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 14 02 — Allgemeine Ausgaben — 1. Folgender neuer Tit. 605 wird eingefügt: „Titel 605 Wohnungs- und Heizkostenzuschüsse an Angehörige der Bundeswehr und der Bundeswehrverwaltung." Die Erläuterung erhält folgende Fassung: „Zu Tit. 605 Bei der Aufstellung der Bundeswehr hat es sich nicht vermeiden lassen, niedrig besoldete Angehörige der Bundeswehr und der Bundeswehrverwaltung bei gleichzeitigem Fortfall der Trennungsentschädigung in Wohnungen einzuweisen, die für die Mieter nach deren Einkommen zu teuer sind. Um eine unzumutbare Belastung der Mieter zu vermeiden, ist für eine Übergangszeit bis zum 31. März 1961 die Gewährung von Wohnungs- und Heizkostenzuschüssen vorgesehen. Entsprechende Richtlinien werden vom Bundesminister für Verteidigung im Einvernehmen mit den Bundesministern des Innern, der Finanzen, für Wohnungsbau und für wirtschaftlichen Besitz der Bundes erlassen. Da die Höhe der benötigten Mittel im Augenblick noch nicht zu übersehen ist, wird der Titel als Leertitel ausgebracht. Die Ausgaben werden überplanmäßig unter Einsparung an anderer Stelle geleistet." Zu Kap. 14 10 — Verpflegung —2. In Tit. 303 — Truppenverpflegung und Verpflegungszuschüsse a) Kasten der Truppenverpflegung — (Drucksache 650 Anlage S. 104) wird der Ansatz von 63 575 000 DM um 4 148 000 DM auf 67 723 000 DM erhöht. Die Erläuterungen zu Tit. 303 a) werden wie folgt geändert: a) Der erste Absatz erhält folgenden Wortlaut: „Die Verpflegungskosten für Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit werden durch Besoldungsabzug von z. Z. 2,50 DM, ab 1. August 1959 von 2,75 DM je Kopf und Tag gedeckt. Der Besoldungsabzug wird bei Tit. 15a vereinnahmt. Die Wehrpflichtigen erhalten unentgeltlich Verpflegung." b) Nr. 2 unter „Veranschlagt sind" erhält folgende Fassung: „Verpflegungskosten für Wehrsoldempfänger, und zwar für 68 000 Soldaten für die Zeit vom 1. April bis 31. Juli 1959 zu 2,50 DM und ab 1. August 1959 zu 2,75 DM täglich 66 198 000 DM". Als Ausgleich wird bei Kap. 14 23 — Fürsorge —3. in Tit. 111 - Versicherungsbeiträge für ausscheidende Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit — (Drucksache 650 Anlage S. 252) der Ansatz von 25 463 900 DM um 4 148 000 DM auf 21 315 900 DM gekürzt. Die Erläuterungen sind entsprechend zu berichtigen. Bonn, den 10. Juni 1959 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Lenz (Trossingen) und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
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    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat sich die Behandlung des Verteidigungshaushalts ein wenig aufgeteilt. So wird im Laufe dieser Debatte z. B. mein Freund Dr. Schäfer die Frage nach dem Verhältnis von Aufwand und Erfolg der Wehrpolitik der Bundesregierung unter dem finanzwirtschaftlichen Aspekt aufwerfen. Ich möchte dieselbe Frage einmal unter dem Aspekt aufrollen, unter dem sie sich der Truppe selber darbietet.



    Schmidt (Hamburg)

    Ich glaube, das Verteidigungsministerium weiß selber, daß die Truppe mit sehr vielen Sorgen und sehr vielen Nöten belastet ist. Es wird gut sein, wenn über diese Sorgen und Nöte auch hier im Parlament einmal offen gesprochen wird. Inzwischen sind eine ganze Menge Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause mit Sachkenntnis ausgestattet, eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen haben sich die Bundeswehr an Ort und Stelle angeschaut. Sie werden also den Wahrheitsgehalt dessen, was ich zu sagen beabsichtige, durchaus kontrollieren können.
    Ich möchte mit einer allgemeinen Feststellung vorweg beginnen, mit der Feststellung, daß in der Truppe der Bundeswehr im allgemeinen ein guter Geist herrscht. Ich sage ausdrücklich: ein der Truppe. Natürlich gibt es wie überall sonst im Leben auch dort Ausnahmen. Aber man ,muß wirklich sagen, daß vieles anders als in der vormaligen Wehrmacht isst, daß manches besser ist und daß guter Wille vorhanden ist, es noch besser zu machen; das ist an vielen Orten deutlich spürbar. Das gilt erfreulicherweise sowohl für die Masse der Kompaniechefs und der Kommandeure als auch für die Masse der Unteroffiziere.
    Main kann mit Befriedigung feststellen, daß die Grundsätze der inneren Führung, wie das Parlament sie gewünscht hat, sich tatsächlich durchsetzen, wenn auch manche Truppenoffiziere und manche Kommandeure ein wenig eifersüchtig auf diese Richtlinien sind und gar zu gern sagen, das hätten sie früher auch schon immer so gemacht. Das ist aber nicht immer der Fall, meine Damen und Herren.
    Natürlich — das wird niemand verkennen — ist die Erziehung der Führer und Unterführer in einer Truppe nach den Vorstellungen einer demokratischen Gesellschaftsordnung ein langdauernder Prozeß. Es wird denn auch sehr lange noch etwas zu tun sein, die Aufgabe ist noch lange nicht gelöst.
    Eis gibt dort auch schwarze Schafe. Es gibt unbelehrbare „Kommißköppe", und es gibt verkrampfte Karrieristen, es gibt auch Opportunisten und Radfahrer. Alle diese Typen wird eis überall immer geben, nicht nur in der Truppe, auch sonst in der Gesellschaft, sogar in einem Parlament.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es gibt tatsächlich auch eine kleine Minderheit intransigenter Nazis in der Truppe. Aber ebenso gibt es auch in der Wolle gefärbte Demokraten von Courage. Das möchte ich persönlich mit Dankbarkeit feststellen.
    Der Aufbau einer in der Substanz demokratisch und republikanisch gesonnenen Wehr ist in Deutschland ein neuartiges und deshalb 'besonders schwieriges Unterfangen. Es ist ein langer Weg, der heute noch vor uns liegt, und das Ergebnis ist noch ungewiß. Mit einer gewissen Erleichterung kann man feststellen, daß die bisher zurückgelegte Strecke dieses Weges im großen und ganzen in einer richtigen Himmelsrichtung beschritten worden ist. Aber die Fortsetzung des Weges hängt von vielerlei Bedingungen ab, von der allgemeinen Entwicklung unserer Gesellschaft, unseres Staates, von der Entwicklung der Führung unseres Staates, der Führung der Bundeswehr. Wie groß hier überall die Gefährdungen sind, das ist uns ,allen, nehme ich an, deutlich.
    Aber der Weg in die Zukunft hängt auch von Faktoren innerhalb der Bundeswehr selber ab, z. B. von der Frage, wie sich die jungen Berufssoldaten entwickeln werden, die in den letzten Jahren zum erstenmal Soldat geworden sind, um jetzt Vorgesetzte zu werden. Wenn man diese jungen neuen Vorgesetzten vor sich hat, gewinnt man den Eindruck einer erfreulichen Frische. Sie sind voller Zivilcourage, diese jungen Männer, sie sind selbständig im Denken, sie sprechen das aus, was sie denken. Auf der anderen Seite werden Sie hören, wenn Sie mit den Fähnrichsoffizieren oder den Aufsichtsoffizieren der Offiziersschulen sprechen, daß die jung ausgebildeten Nachwuchsoffiziere später, wenn sie zur Truppe versetzt worden sind, von dort her in sehr vielen Fällen schon an ihre früheren Ausbildungsoffiziere recht ,enttäuschte Briefe geschrieben haben.
    Es gibt ebenso im Unteroffizierskorps eine Reihe von durchaus gutwilligen, strebsamen, tüchtigen jungen Leuten, die aus der Bundeswehr enttäuscht wieder ausscheiden, weil ihre Vorstellungen, die sie sich von der allgemeinen Entwicklung der Truppe gemacht haben, an der Stelle, wo sie eingesetzt wurden, nicht erfüllt worden sind.
    Ein Hauptgrund für vielerlei Mißstände in der Bundeswehr liegt in den enormen materiellen und personellen, d. h. Ausbildungserschwernissen, unter denen die Truppe an fast allen Orten zu leiden hat. Die Ausbildung in der gegenwärtigen Bundeswehr ist in den allermeisten Fällen ein kunstvolles System von Provisorien und Aushilfen.
    Ich gebe ein paar Beispiele, meine Damen und Herren, etwa unter dem Aspekt „Ausrüstung". Mir scheint, man muß einmal vor diesem Hause einige Einzelheiten ausbreiten, damit sich das Parlament der Gefahr entzieht, immer nur außenpolitisch-strategische Erörterungen zum Wehrproblem anzustellen und die Tatsachen des Alltags dabei zu übersehen oder nicht zur Kenntnis zu nehmen.
    Unter dem Stichwort Ausrüstung darf ich z. B. erwähnen, daß ich erlebt habe, wie eintausend Soldaten im Pistolenschießen ausgebildet werden sollten. Aber für diese tausend Soldaten waren bei der Truppe nur zwei ganze Pistolen vorhanden. Oder ich darf erwähnen, daß ich Einheiten in der Bundeswehr kenne, die noch nicht einmal zwei Jahre existieren, die noch in der Aufstellung begriffen sind und die trotzdem während dieser kurzen Aufstellungsperiode bereits drei verschiedene Gewehre gehabt haben. Die Leute mußten also dreimal an einem anderen Gewehr ausgebildet werden: zunächst am Canadian rifle, dann am amerikanischen Gewehr M 1, nun an dem FN-Gewehr; und es steht in Aussicht, daß sie demnächst das deutsche Sturmgewehr kriegen. Dann werden sie also zum viertenmal an einem anderen Gewehr ausgebildet. Das mag für die Wehrpflichtigen ziemlich gleichgültig sein — sie scheiden ja nach einem Jahr wieder aus —, aber für die Unterführer,



    Schmidt (Hamburg)

    die Ausbilder selber, ist das von ganz erheblicher Bedeutung.
    Das ist nicht nur bei den Gewehren so, das gibt es auf mancherlei Gebieten. Zum Beispiel hat das Bundesverteidigungsministerium es für richtig gehalten, mich zu einer kurzen Übung bei einer Truppe einzuziehen, wo ich erlebt habe, daß die berufsmäßigen Soldaten, die späteren Unterführer also, die Ausbilder innerhalb einer Aufstellungsperiode, die noch nicht einmal zwei Jahre umfaßte, insgesamt an drei, zum Teil an vier verschiedenen Waffen ausgebildet worden sind, was immer zur Voraussetzung hatte, daß sie für vier, sechs oder acht Wochen auf einen Kursus, in eine Schule, einen Lehrgang geschickt wurden, um diese Waffen kennenzulernen. Die Folge ist in solchen Fällen natürlich, daß keine Sache richtig beherrscht wird.
    Ich habe an anderer Stelle auch gesehen, daß personell voll aufgefüllte Einheiten — mit dem Einziehen sind Sie ja schnell bei der Hand gewesen — z. B. in bezug auf die Zahl ihrer Fahrzeuge unzureichend ausgestattet waren, daß sie nur ein Viertel der Kraftfahrzeuge zur Verfügung hatten, die notwendig gewesen wären, um alle Soldaten zu befördern, wenn es ins Gelände ging. Es gibt auch personell aufgefüllte Einheiten, die in bezug auf die Waffen nur zur Hälfte ausgestattet sind, Einheiten, die zwar über Kanonen verfügen, aber nicht über die Feuerleiteinrichtung, die für die Ausbildung das beinahe noch wichtigere Element ist als die Kanonen. Es gibt auch Fernmeldebautrupps, die keine Stangen haben, um daran die Strippen zu ziehen. So gibt es viele, viele Beispiele, die ich Ihnen hier noch weiter vortragen könnte.
    Verständlicherweise drängen die Kompaniechefs, die Bataillonskommandeure auf die volle Ausstattung, da man die Kompanien und die Bataillone ja längst personell voll aufgefüllt hat; sie sollen die Soldaten an Waffen ausbilden, die sie nicht besitzen. Wenn sie aber auf volle Ausstattung drängen, bekommen sie von oben Befehle — auch die habe ich bei Truppenbesuchen gesehen —, in denen wörtlich steht: Die Erstausstattung wird der Truppe zugewiesen — also von oben —, und es wird der Truppe untersagt, ihrerseits Gerät anzufordern; sie soll gefälligst warten, bis es kommt.
    Es gibt Tausende von Soldaten der Bundeswehr - das werden viele hier im Saal bestätigen können, und viele Soldaten draußen, die das später nachlesen, werden mir recht geben müssen —, die bis heute noch niemals eine scharfe Handgranate gesehen, geschweige denn geworfen haben.
    Auf Grund all dieser Mängel bei der Ausstattung kommt es in der Ausbildung der Bundeswehr in sehr, sehr vielen Kompanien, in sehr, sehr vielen Bataillonen immer wieder zu einem schrecklichen Leerlauf. Das alte Soldatenwort: „Die Hälfte seines Lebens wartet der Soldat vergebens" gilt leider bei der Bundeswehr heute genauso wie für jede andere Wehr, die einmal vorher bei uns in Deutschland bestanden hat. Ich darf vielleicht die Damen und Herren von der Rechten darauf aufmerksam machen, daß in einem ihnen sehr nahestehenden Blatt, im ,,Rheinischen Merkur", in der letzten Woche ein
    überaus intelligenter, kluger Aufsatz sich über eine ganze Seite mit diesen Schwierigkeiten beschäftigt hat, die ich nur gestreift habe.
    Es gibt Beispiele, meine Damen und Herren, etwa aus der groß angelegten Lehr- und Versuchsübung 1958, die ja in der Presse — nicht nur in der deutschen Presse — ein so großes Echo gefunden hat und deren Ergebnisse dazu geführt haben, daß die ganze Bundeswehr umgerüstet und umgegliedert wurde, Beispiele, wo Truppen, die an diesem Manöver teilgenommen haben, in aller Eile drei und vier und fünf Tage vor Beginn des Manövers ihre Ausstattung aus Schwesterkompanien und aus Schwesterbataillonen zusammenklauben mußten und wo sie diese Ausstattung mit Waffen, mit Kraftfahrzeugen, mit Kraftfahrern und anderen Spezialisten unmittelbar nach der Übung wieder an die Schwestereinheiten haben abgeben müssen. Ich habe aus dem Munde von Truppenführern sarkastische Bemerkungen über den großen Türken gehört, den diese Lehr- und Versuchsübung 1958 der Öffentlichkeit vorgeführt hätte. Ich kann, falls das bezweifelt werden sollte, darüber sehr viele Beispiele im einzelnen bringen.
    Die mangelhafte Ausstattung der Bundeswehr ist eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, wieviel Geld das Parlament in sehr großzügiger Weise für die materielle Ausrüstung zur Verfügung gestellt hat, und wenn man betrachtet, wieviel Geld das Verteidigungsministerium per cassa schon ausgegeben hat. Das hat eine Reihe von Gründen. Im Augenblick möchte ich einmal die überaus große Schwerfälligkeit des ganzen bürokratischen Apparats innerhalb der Bundeswehr und insbesondere in ihrer Spitze, im Verteidigungsministerium, hervorheben. Ich habe neulich einmal Gelegenheit gehabt, mir von dem Hauptmann und Führer eines Feldzeugzuges den Leidensweg des Papierkrieges vorerzählen zu lassen, den der arme Mann führen muß, wenn er eine Bakelitverschraubung im Werte von 1,20 DM auf dem freien Markt kaufen muß, weil der Nachschub sie noch nicht liefern kann. Meine Damen und Herren, Sie machen sich keine Vorstellung von diesem Papierkrieg!

    (Zurufe von der Mitte: Doch, doch!)

    Oder aber, wenn das zum Visier eines Gewehrs gehörige Korn mit dem Kornring im Gelände verlorengegangen ist! Der Papierkrieg, den der arme Kerl führen muß, um erst einmal zu beweisen, daß es verlorengegangen ist, und um es in Abgang zu stellen, und dann der Papierkrieg, den er führen muß, um das neue Korn zu beschaffen — er ist unvorstellbar.

    (Abg. Dr. Seffrin: Das stimmt alles!)

    Ich gebe Ihnen ein anderes Beispiel, nun nicht auf dem Gebiet der Materialwirtschaft, sondern der Personalwirtschaft. Wenn ein junger Freiwilliger — ein Mann also, der als Soldat auf Zeit Unteroffizier werden möchte — eingestellt wird, dann muß die Schreibstube dieser Kompanie folgende Papiere, Dokumente, Akten, Fragebogen erledigen — ich muß das einmal vorlesen —: erstens einen dreifachen Bewerbungsbogen von insgesamt 30 Seiten



    Schmidt (Hamburg)

    Umfang, zweitens eine dreimalige Anlage zum Bewerbungswogen, dann je nachdem, ob es in Frage kommt, natürlich die Einwilligung der Eltern, dann die Verpflichtungserklärung — zweifach —, dann die Schuldenerklärung des Mannes - zweifach —, dann die Erklärung über die Mitgliedschaft bei einer verfassungswidrigen Partei — dieses dreifach —, dann ein Prüfungsbericht über den Mann, dann ein Einberufungsbescheid, ein Einplanungsvermerk in bezug auf die Besoldung, dann eine Dienstantrittsmeldung, eine Mitteilung an die Kasse über den Beginn seiner Eignungsübung, ganz zu schweigen von den Urkunden wie Geburts- und Heiratsurkunde, die erforderlich sind, dann die Arbeitsbescheinigung, ein Arbeitgeberzeugnis des Mannes, wo der Freiwillige gearbeitet hat, dann das Lehrzeugnis seiner vorangegangenen Lehre — wenn Sie die Papiere, die in einer Kompanieschreibstube für einen einzigen Freiwilligen geprüft und zum Teil ausgefüllt und weitergeschickt werden müssen, einmal aufeinanderlegen, stellen Sie fest — ich habe mir das angeschaut —, daß sie zusammen den Umfang einer wohlgenährten Wochenzeitung ausmachen, meine Damen und Herren. Und alles das muß die Schreibstube auf einer einzigen Schreibmaschine erledigen. Mehr Schreibmaschinen stehen ihr nicht zu.
    Es steht ihr auch nicht etwa eine Sekretärin oder Stenotypistin zu, sondern das macht ein Soldat, und zwar in aller Regel ein junger wehrpflichtiger Soldat, der eigentlich draußen auf dem Kasernenhof ausgebildet werden sollte. Da er eine kaufmännische Lehre hinter sich hat und im Zivilleben im Büro gearbeitet hat, ist nur er für diese entsetzlichen Papierkriegsarbeiten tauglich. Infolgedessen wird er in die Schreibstube geholt. Da muß man schon Verständnis für den Kompaniechef haben; das geht gar nicht anders, zumal es bei dem Papierkrieg, den ich eben erwähnt habe, gar nicht aufhört.
    Nun geht die eigentliche Arbeit nämlich erst los, nachdem die ganzen Einstellungspapierchen ausgefüllt, bearbeitet, registriert und weggeschickt worden sind. Nun bekommt der Mann eine Nummer. Er bekommt eine Ausbildungs- und Tätigkeitsnummer im gegenwärtigen Militärjargon heißt das „eine ATN". Das ist eine siebenstellige Nummer. Sie gibt an, für welche Dinge dieser Mann nach dem Urteil dessen geeignet ist, der ihn eingestellt hat, er bekommt also eine siebenstellige Einstellungs-ATN. Aber er sollte sich vielleicht später einmal in einer anderen Richtung entwickeln; das prognostiziert man nun und erteilt ihm gleich eine zweite siebenstellige Nummer. Das ist die HauptATN. Nun könnte es sein, daß er zwischenzeitlich auf einem anderen Dienstposten verwendet wird. Auch darüber erteilt man ihm sogleich eine siebenstellige Nummer. Das ist die Dienst-ATN. Nun kommt man vielleicht auf die Idee, daß der Mann später einmal in einer ganz bestimmten Richtung gefördert werden soll, besonders im Hinblick darauf, daß er eine sechs- oder zwölfjährige Dienstzeit vor sich hat. Deshalb bekommt er wieder eine siebenstellige Nummer. Das ist die Leit-ATN. Dann könnte es sein, daß sich im Laufe der Zeit ergibt, daß er eben doch nicht Radarfachmann wird, sondern daß er innerhalb des Fernmeldesektors Telefoniefachmann wird. Deshalb bekommt er noch eine Neben-ATN.
    Ein solcher Satz von siebenstelligen Nummern wird nun dem Mann in die Akten geschrieben, und er muß sie durch seine Unterschrift anerkennen. Er muß begriffen haben, was da über ihn verfügt wird. Wenn er unterschrieben hat und wenn auch der Kompaniechef unterschrieben hat, dann geht es nach Bonn. Dann kann kein Mensch mehr etwas ändern. Nur Bonn kann noch etwas ändern. Wenn also nun der Kompaniechef von einem solchen Mann den Eindruck hat, daß er als Kraftfahrer doch nicht taugt, weil er nach seiner Persönlichkeit nicht zuverlässig genug oder weil seine Reaktionsgeschwindigkeit nicht groß genug ist, daß der Mann also vom Bock herunter muß und nicht Kraftfahrer werden kann, sondern eine andere Ausbildung bekommen muß, dann muß dieser arme Kompaniechef nach Bonn schreiben und darum bitten, daß die ATN-Nummer dieses Mannes geändert wird. Nach drei Wochen schreibt Bonn zurück: „Ja, das kann ja sein. Aber wir möchten das noch etwas näher begründet haben." Dann schreibt der Kompaniechef einen zweiten Brief nach Bonn an die Stammdienststelle. Wenn er Glück hat, ist das Ganze nach fünf oder sechs Wochen geregelt.
    Inzwischen hat natürlich der verantwortungsbewußte Kompaniechef den Mann längst von dem Kraftfahrzeug herunter genommen. Es hätte ja etwas passieren können. Also in der tatsächlichen Ausbildung ist bereits alles längst im richtigen Lot. Aber der Papierkrieg hängt hinten nach. Mit dem Papierkrieg muß sich der arme Chef abquälen.
    Übrigens ist es mit diesen Nummern noch nicht zu Ende. Der Mann bekommt noch viel mehr Nummern. Bei dem Papierkrieg, den der Kompaniechef mit der Stammdienststelle in Bonn führen muß, nützen diesen fünf Nummern gar nichts, obwohl sie sieben Stellen haben, wie ich eben erwähnt habe. Hier muß der Kompaniechef den Papierkrieg für den Schützen Meier unter einer Aktennummer führen, und zwar nicht unter der Aktennummer, die die Kompanie festgelegt hat, sondern unter der Aktennummer, die die Stammdienststelle in Bonn dem Schützen Meier gegeben hat.
    Nrn könnte man meinen, damit wäre es genug. Nein, außerdem hat der Schütze Meier für das maschinelle Berichtswesen noch eine andere Nummer, die nur für ihn persönlich zutrifft. Aber damit noch nicht genug! Er hat außerdem noch eine Erkennungsmarke auf der Brust zu tragen, heute ist sie vereint mit dem Strahlendosimeter. Da steht auch eine Nummer drauf. Das ist wieder eine andere Nummer. Es wäre ja schrecklich, wenn die Nummern übereinstimmten; das wäre viel zu einfach.
    Nun geht es weiter. Jetzt hat der Mann noch einen Truppenausweis. Da steht wieder nicht die Nummer seiner Erkennungsmarke drauf, da steht auch nicht die Nummer für das maschinelle Berichtswesen drauf. Da steht keine der bisher erwähnten Nummern drauf, sondern da steht wieder eine ganz andere Nummer drauf. Außerdem ist der



    Schmidt (Hamburg)

    Truppenausweis auch noch laufend numeriert; er hat also zwei Nummern. Damit ist es immer noch nicht genug. Außerdem trägt der Mann wieder eine andere Nummer in bezug auf die Besoldung durch die Bundeswehr, da hat er also wieder ein anderes Kennzeichen.
    Wenn ich die Aufzählung vollständig machen will, muß ich noch erwähnen, daß schließlich und endlich — ich glaube, wir sind bei Nummer 12 oder 13 — der Mann auch noch persönlich eine Stärke-und Ausrüstungsnachweisnummer, eine Stan-Nummer, hat.
    Das ist geradezu horrend. Über all diese vielen Nummern, die der Mann trägt, muß der arme Kompaniechef, d. h. sein Schreiber, d. h. der wehrpflichtige Soldat, der eigentlich auf dem Kasernenhof stehen und ausgebildet werden sollte, in der Schreibstube Buch führen; sonst vergißt man sie ja. Der Mann selber kann die Nummer nicht behalten. Stellen Sie sich das einmal vor! Infolgedessen sitzen die Kompaniechefs der Bundeswehr je nach den Erfahrungen, nach dem verwaltungsmäßigen Können ihrer Schreibstubenleute und ihres Spießes mindestens zwei, in aller Regel drei und in vielen Fällen vier Stunden am Tage am Schreibtisch und müssen Unterschriften leisten. Wenn die schmutzige Wäsche zur Wäscherei gegeben wird, muß ein Offizier bescheinigen, wieviel Unterhosen und wieviel Hemden da sind.

    (Zuruf.)

    — Natürlich hat er sie nicht selbst gezählt, sondern er unterhaut das blind, wie er ja in all diesen Fällen des Papierkriegs für Dinge, die er gar nicht mehr kontrollieren und übersehen kann, blind Unterschriften leisten muß.
    Meine Damen und Herren, dabei wäre der Kompaniechef — jetzt wird es wieder etwas ernster — auf dem Kasernenhof und auf dem Ausbildungsplatz wirklich dringend notwendig. Da gehört nämlich der Kompaniechef hin; er gehört nicht in die Schreibstube. Das Verteidigungsministerium zwingt ihn, in der Schreibstube zu sitzen, um den Papierkrieg zu führen. Aber er gehört zur Ausbildung, insbesondere deshalb, weil es ihm in seiner Kompanie an einem erfahrenen Kompanieoffizier fehlt. Das ist auch ganz natürlich. Wir haben eben diese Lücke in dem Nachwuchs. Das ist ganz zwangsläufig. Er kann gar keinen erfahrenen Oberleutnant oder erfahrenen Leutnant haben. Er hat bestenfalls einen blutjungen Offizier, dem er keinswegs allein die Ausbildung anvertrauen kann, sondern den muß er ja selber erst in der Ausbildung anlernen.
    Nehmen Sie einmal einen Fall wie damals das Iller-Unglück; das passierte doch deshalb, weil der Kompaniechef gezwungen war, in der Schreibstube Papierkrieg zu führen, und weil er gezwungen war, die Ausbildung von Unteroffizieren leiten und überwachen zu lassen, die dieser Aufgabe noch nicht gewachsen waren.
    Der Mangel an jungen Offizieren ist natürlich zwangsläufig, nachdem so viele Jahre dazwischen fehlen. Auch die Überalterung des Offizierskorps im
    allgemeinen ist zwangsläufig. Aber ich meine, man sollte die Gefahren, die in der Überalterung des Offizierskorps der Bundeswehr liegen, nicht unterschätzen, insbesondere nicht die Gefahr, die darin liegt, daß die Bundeswehr über eine allzu große Zahl von wiedereingestellten Stabsoffizieren verfügt.
    Wir haben geradezu eine Inflation von Stabsoffizieren in der Bundeswehr. Nur der allergeringste Teil von ihnen wird in der Truppe verwendet, kann in der Truppe verwendet werden. Die große Masse ist in den vielerlei Stäben und Dienststellen tätig.
    Ich habe einmal im Haushalt der Reichswehr nachgeblättert. Meine Damen und Herren, in Reichswehrzeiten kamen auf 1000 Soldaten 7 Stabsoffiziere. In der Bundeswehr kommen auf 1000 Soldaten 40 Stabsoffiziere, wobei, wie ich bemerke, die 40 Stabsoffiziersstellen alle besetzt sind, während die Mannschaftsstellen im Haushalt nicht alle besetzt sind, sondern erst im Laufe des auf das Haushaltsjahr folgenden Halbjahres besetzt werden. In der Reichswehr kamen auf 1 Stabsoffizier 3 Leutnante und Oberleutnante. In der Bundeswehr haben wir mehr Stabsoffiziere als Leutnante und Oberleutnante. Es ist ganz klar, daß man sich Leutnante und Oberleutnante nicht aus dem Handgelenk schütteln kann; aber mir erscheint es als durchaus fraglich, ob man diesem Mangel damit begegnen kann, daß man um so mehr Majore, Oberstleutnante und Obersten schafft. Alle diese älteren Herren können natürlich nur in den Dienststellen und in den Stäben beschäftigt werden; und wenn sie dort sitzen und ihre Stellung haben, wollen sie auch etwas tun. Was bleibt ihnen da anderes übrig, als Papierkrieg anzufangen, den die Truppe unten bewältigen muß.
    Der Bundesverteidigungsminister hat neulich einmal in einer Unterhaltung, in der über dieses Problem gesprochen wurde, gesagt, er gebe zu, das sei eigentlich gar kein Personalkegel in der Bundeswehr; er hat selber den Ausdruck geprägt, es sei eigentlich mehr ein „Bundesbürger mit fettem Bauch." Es ist eine sehr lustige, aber treffende Formulierung. Diese Sache läßt sich nicht unbedingt von heute auf morgen regulieren, aber ich meine doch, daß das Ministerium nun langsam dazu kommen muß, Konsequenzen zu ziehen. Unter diesem Aspekt halte ich persönlich es für gut, daß z. B. niemand mehr zum Major befördert werden kann, der nicht eine Stabsoffiziersprüfung abgelegt hat. Ich finde das ausgezeichnet. Übrigens sollte man das auch, scheint mir, für Reserveoffiziere vorschreiben. Man sollte aber auch eine Konsequenz daraus ziehen: Wer nämlich diesen Lehrgang nicht besteht, wer die Qualifikation zum Major nicht bekommt, der muß nun aber nach einer angemessenen Zeit aus der Truppe herausgezogen werden und in die Nachschuborganisation oder sonstwohin getan werden, und nach einer angemessenen Zeit muß er überhaupt ausscheiden und den Platz für jüngere Leute frei machen. Der Begriff der Majorsecke aus dem Kaiserreich wäre, so scheint mir, ganz praktisch für die heutige Bundeswehr. Ich würde diese Ecke nicht nur beim Major, sondern auch bei den



    Schmidt (Hamburg)

    nächstfolgenden Stabsoffiziersdienstgraden für
    durchaus zweckmäßig und angemessen halten.
    Vielleicht wäre es gut, wenn die seit langer Zeit angekündigte Verordnung über die Altersgrenzen in der Bundeswehr nun wirklich bald mal in Kraft träte. Sicherlich, man kann mit solchen Maßnahmen dem Mangel an jungen Offizieren nicht begegnen. Aber man könnte auch auf diesem Gebiet etwas tun.
    Weswegen klammert sich eigentlich die Bundeswehr so an die Voraussetzung des Abiturs?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Luftwaffe hat einen großen Bedarf an Flugzeugführern, an jungen Offizieren als Flugzeugführer. Die Amerikaner haben es längst aufgegeben, dafür die formelle Voraussetzung des Abiturs zu verlangen. Der Mann soll sein Flugzeug führen können, darauf kommt es an. Weswegen ist das bei uns in Deutschland nicht möglich?
    Zweifellos hat der Soldat Anspruch darauf, von einem gebildeten Offizier geführt zu werden. Aber ich möchte fragen: Bietet eigentlich das Zertifikat des Abiturs wirklich eine Gewähr für die Bildung dieses Vorgesetzten?

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich meine, es gibt auch außerhalb des gymnasialen Bildungsstandes Tausende von fähigen und geistig wohlausgerüsteten jungen Männern in Deutschland, insbesondere Männern, die in der Lage sind, ein Flugzeug zu führen.
    Wenn Sie schon nicht über Ihren konservativen Schatten mit dem Abitur springen können, weswegen geben Sie dann nicht wenigstens jungen Unteroffizieren, von denen Sie das Gefühl haben, daß sie etwas taugen und fähig sind, die praktische Möglichkeit, nach kurzer Dienstzeit in die Oiffizierslaufbahn überzuspringen? Ich weiß, daß das theoretisch möglich ist. Aber ich weiß, daß die praktischen Fälle in der Bundeswehr geradezu mit der Lupe gesucht werden müssen. Es sind aus alten Zeiten eine große Zahl von Offizieren heute in der Bundeswehr, die kein Abitur haben. Die sind aber nicht unter der Federführung des gegenwärtigen Verteidigungsministers oder seines Vorgängers das erstemal Offizier geworden, sondern unter der Federfühung seines Vorvorgängers.
    Ich meine also, daß diese fast lückenlose Wiederherstellung der formellen Bildungsschranke für den Zugang zur Offizierslaufbahn ein Rückschritt und daß es außerdem eine sehr unpraktische Schranke ist. Denn der Mangel an jungen Offizieren ist sehr groß. Ein 42jähriger Kompaniechef ist auf die Dauer genauso ein Unding wie ein 38jähriger Feldwebel und Zugführer. Ein 40jähriger — ich bin 40 Jahre alt, meine Damen und Herren — kann dem 19- oder 20jährigen Soldaten nicht mehr das vormachen, was ihm vorzumachen er eigentlich können müßte. Das ist ganz ausgeschlossen. Und ein Ausbilder, der dem Auszubildenden das nicht vormachen kann, was der tun soll, ist auf die Dauer nicht am richtigen Platz. Der Altersabstand der heutigen Truppenvorgesetzten gegenüber der Jugend, die
    eingezogen wird, ist einfach zu groß. Es wird Zeit, daß hier Abhilfe geschaffen wird.
    Es gibt einen bestimmten Teil des Offizierskorps, der nicht so überaltert ist; das sind die Generalstabsoffiziere. Das hängt damit zusammen, daß sie so schnell befördert werden.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Ich will hier nichts Schlechtes über ,die Generalstabsausbildung sagen. Ich bedaure nur sehr, daß man gemeint hat, es sei unbedingt notwendig, denen wieder ein besonderes Abzeichen zu geben. Ich höre mit großen Bedenken, daß einige von ihnen schon wieder davon träumen, sich rote Hosen anziehen zu können. Ich wäre dankbar, wenn Herr Strauß die Gelegenheit benutzte, um einmal offiziell klarzustellen, daß diese Absicht nicht besteht. Sonst müßte man die Generalstabsoffiziere an die Tradition eines großen deutschen Generalstabschefs erinnern, der das Wort in die Welt gesetzt hat: „Mehr sein als scheinen." Das mit den roten Hosen schlägt dieser Tradition geradezu ins Gesicht.

    (Abg. Dr. Vogel: Rote Streifen!)

    — Mit den roten Streifen an der Hose; aber sehr breiten Streifen, Herr Kollege Vogel.
    Ich möchte noch eine Einzelbemerkung zur Personalwirtschaft machen. Uns scheint es ein ausgesprochener Mangel im Einzelhaushalt des Verteidigungsministeriums zu sein, daß für Offiziersplanstellen keine Stellenbewertung vorgenommen wird, wie das für sämtliche Beamtenstellen aller übrigen Einzelpläne selbstverständlich ist. Hier ist dem Ministerium eine sehr große Dispositionsmöglichkeit geboten, die uns nicht zweckmäßig erscheint.
    Nun möchte ich einige Bemerkungen über das Unteroffizierkorps anknüpfen. Ich meine, daß wir beim Aufbau der Bundeswehr die Probleme der Unteroffiziere noch wichtiger nehmen sollten als die Probleme im Offizierkorps.
    Dieser Bundestag kann, meine ich, stolz sein auf die Verdienste, die er sich bei der Einstufung der Unteroffiziersdienstgrade erworben hat, allein schon bei der rein besoldungsmäßigen Einstufung, die leider Gottes in Deutschland sehr häufig den Anhaltspunkt für die allgemeine Wertschätzung und gesellschaftliche Einstufung bildet. Das Parlament hat insbesondere bei den höheren Unteroffiziersdienstgraden die Einstufung sehr angehoben: es hat die neuen Stabsfeldwebel- und Oberstabsfeldwebelstellen geschaffen, die dem mittleren gehobenen Dienst gleichkommen. Meine Parteifreunde können hier besonders zufrieden sein, daß das geglückt ist.
    Das Hauptmotiv, das das Parlament bei diesen Bemühungen gehabt hat, war, dem Unteroffizier wirkliche Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, ihm die Möglichkeit zu geben, sein Selbstbewußtsein wachsen zu lassen, einen natürlichen Berufsstolz zu entwickeln, einen Berufsstolz, bei dem er es nicht nötig hat, sich auf die verkrampfte Machtausübung gegenüber Untergebenen .abzustützen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)




    Schmidt (Hamburg)

    Die Himmelstoß-Typen, die Platzek-Typen, die es in Deutschland und auch in anderen Militärländern immer wieder gegeben hat, die es in Deutschland in besonders hohem Maße gegeben hat, kamen doch eigentlich immer nur dort vor, wo die Unteroffiziere durch das Offizierkorps als Pufferschicht gegenüber der Masse der Soldaten mißbraucht wurden, sie kamen dort vor, wo man dem Unteroffizierkorps, wo man dem einzelnen Unteroffizier nicht die Möglichkeit gegeben hat, sich selber frei nach seinen Fähigkeiten und Leistungen zu entwickeln. Diese Platzek-Typen sind das Symptom, das Ergebnis einer Situation, in der die Tendenz bestand, auf jeden Fall ,den Unteroffizier in seiner subordinierten Stellung zu halten.
    Diese Vergangenheit, meine Damen und Herren, scheint mir allerdings in der Bundeswehr noch nicht überall überwunden zu sein, gerade was die Einstellung gegenüber dem Unteroffizierskorps angeht. Mir scheint, daß wir ein besonderes Augenmerk auf diesen Punkt richten sollten. Ich gebe Ihnen auch hier ein paar Beispiele.
    Es war z. B. die Absicht bei der Hebung dieser höheren Unteroffiziersdienstgrade, wohldotierte Stellen für qualifizierte Techniker in der Bundeswehr zu schaffen, die dort etwa den Rang eines Feldwebels. oder Hauptfeldwebels haben, z. B. für einen Hauptbootsmann in der Marine, der als Fachmann zwei Dieselmotoren zu je 6000 PS zu fahren hat, oder z. B. für einen Hauptfeldwebel bei der Luftwaffe, der als Oberwerkmeister die Aufsicht, das heißt nicht die Dienstaufsicht, sondern die technische Leitung, die arbeitsmäßige Organisation in einer großen Flugzeughalle hat, wo Flugzeuge repariert werden, mit 80 bis 100 Soldaten, die da arbeiten, und mit 40 oder 50 Zivilarbeitern, Facharbeitern, die da arbeiten. Solchen Leuten wollten wir eine entsprechende Aufstiegsmöglichkeit geben. Aber was geschieht in der Praxis? In der Praxis müssen dieser Bootsmann und dieser Oberwerkmeister, wenn sie nun also Stabsfeldwebel und Oberstabsfeldwebel werden wollen, eine Verwaltungsprüfung machen; und da werden sie geödet mit Dingen, die sie nie in ihrer Praxis erlebt haben und die sie in ihrer Praxis nie brauchen werden. Bei dieser Verwaltungsprüfung sind sie dann natürlich ihren Konkurrenten, die beispielsweise aus der Rechnungsführerlaufbahn emporgestiegen sind, weitgehend unterlegen. Die Prüfungen sind völlig verwaltungsmäßig zugeschnitten. Sie sind aber auch für das Zivilleben nicht zu gebrauchen. Ein Unteroffizier oder ein Feldwebel etwa, der heute ein Patent hat, auf Grund dessen er bei der Marine bestimmte Schiffe fahren oder bestimmte Schiffe steuern darf, kann mit diesem Patent nachher draußen in der zivilen, der Handelsschiffahrt nicht ohne weiteres etwas anfangen. Ich glaube, nicht einmal ein Militärführerschein für ein Kraftfahrzeug gilt draußen etwas, und umgekehrt. Das heißt also: ein Oberwerkmeister, der in der Bundeswehr eine Prüfung zum Stabsfeldwebel macht, kann gar nicht damit rechnen, daß diese Prüfung draußen in seinem Beruf anerkannt wird. Sie wird mit Recht nicht anerkannt, kann nicht anerkannt werden,
    denn sie ist auf reine Verwaltung und allgemeine militärische Kenntnisse abgestellt.
    Ich glaube, hier ist sehr viel zu tun. Wenn ich einen Oberwerkmeister in seinem Beruf, in seiner Spezialfunktion fördern will und das von einer Prüfung abhängig mache, dann soll diese Prüfung so beschaffen sein und von solchen Fachleuten abgenommen werden, daß sie ihm auch später in seinem Zivilleben etwas nützt, daß er das Prüfungszeugnis dort vorzeigen kann. Außerdem wäre unter dem Stichwort „Offiziersmangel", nachdem der Verteidigungsminister sich jetzt entschlossen hat, seine Inspektoren, Oberinspektoren und Amtmänner, die bei der Truppe den Wehrsold auszahlen und die Verpflegung ausgeben, in Uniform zu stecken und ihnen militärische Dienstgrade zu verleihen, angesichts dieser Absicht vielleicht zu überlegen, ob das Verhältnis gegenüber den Stabs-und Oberstabsfeldwebeln noch in Ordnung ist, die wir ja doch in den mittleren gehobenen Dienst eingebaut haben, d. h. die den Rang eines Inspektors, Oberinspektors und Amtmannes haben sollten. Ich glaube, daß dies noch zu prüfen sein wird, ehe man zur Tat schreitet.
    Da ich von der Verwertbarkeit der in der Bundeswehr erworbenen Kenntnisse bei den Feldwebeln und Unteroffizieren gesprochen habe, möchte ich darauf hinweisen, daß der berufsfördernde Unterricht, auf den diese Soldaten Anspruch haben, zwar im Gesetz steht, aber bisher praktisch an den meisten Stellen nicht verwirklicht werden konnte.
    Ich will manchen anderen Aspekt des Unteroffiziersproblems beiseite lassen. Mein Freund Frenzel wird insbesondere zu der für die Unteroffiziere besonders schwierigen Wohnungsfrage sprechen. Ich persönlich möchte dem Verteidigungsminister nur empfehlen: Gehen Sie doch einmal, Herr Strauß, zu Ihrem Kollegen, dem Herrn Wohnungsbauminister! Vielleicht gelingt es Ihnen, ihm klarzumachen, daß die sogenannten sozialen Mieten völlig untragbar sind. Sie jedenfalls können es aus Ihrer Bundeswehr heraus beweisen. Was da den Unteroffizieren an Mieten zugemutet wird, ist völlig unerträglich und eigentlich unverständlich.
    Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, das zusammenzufassen, und möchte sagen: Für die auf Zeit und auf Lebenszeit dienenden Unteroffiziere und Feldwebel müssen Bedingungen geschaffen werden, unter denen sie persönlich etwas leisten können und unter denen sie auf Grund ihrer persönlichen Leistungen aufsteigen können. Es müssen Bedingungen geschaffen werden, unter denen sie das Gefühl bekommen können, einen eigenständigen Wert im Verhältnis sowohl zu den Offizieren in der Bundeswehr als auch im Verhältnis zur zivilen Umwelt zu haben.
    Ich glaube nicht, daß der Herr Verteidigungsminister auf dem richtigen Wege ist, den Berufssoldaten ein eigenständiges gewachsenes Lebensgefühl zu geben, wenn ich mir z. B. die Heiratsordnung ansehe, die er jüngst erlassen hat. In dieser Heiratsordnung steht: Die Braut soll aus ehrbarer Familie stammen, sie darf keine Beziehun-



    Schmidt (Hamburg)

    gen zu staatsfeindlichen Kreisen haben usw. usw. Wie ist das eigentlich, Herr Verteidigungsminister, wenn die Braut nun doch ein uneheliches Kind ist? Ist die Familie dann noch ehrbar, oder wie ist das gemeint? Und wenn der Vater der Braut ein Trinker wäre,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Also keine ehrbaren Familien?)

    was hat das mit der Braut zu tun? Und wenn der Vater einmal Kommunist gewesen wäre, was hat das mit der Braut zu tun?

    (Abg. Dr. von Haniel-Niethammer: Also nur Kommunisten sind nicht ehrbar?)

    Ich möchte wissen, meine Damen und Herren, mit welchem Recht auf Grund dieses Heiratserlasses sich der Dienstvorgesetzte in die höchstpersönlichen Angelegenheiten der Soldaten einmischen soll.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich möchte wissen, mit welchem Recht jemand anordnen kann, daß über die Braut des Soldaten in der die Personalsachen des Soldaten bearbeitenden Dienststelle eine Akte angelegt wird. So steht es nämlich darin. Das scheint mir mit unseren Vorstellungen von einem freiheitlichen Staat schlechterdings unvereinbar zu sein.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Ich kann mir nicht vorstellen, daß z. B. das Ministerium oder seine Personalabteilung eine Akte über die Braut eines Ministerialrats anlegt. Das tut man offenbar nur bei Unteroffizieren.
    Da ich bei den Übergriffen gegenüber der persönlichen Freiheit bin, möchte ich auch einen oder zwei Sätze über den militärischen Abwehrdienst sagen, im Militärjargon MAD genannt. Das ist auch ein Thema, das man in der Truppe häufig berührt und bei dem es viel Kritik gibt. Dieser MAD ist in der Sache sicherlich irgendwie notwendig; ich will das nicht bestreiten. Aber die Methoden, mit denen diese Einrichtung arbeitet, sind zum Teil dilettantisch. Da wird die staatspolitische Zuverlässigkeit von Soldaten, die längst Vorgesetzte, die längst Kommandeure sind, nochmals geprüft. Aber mit welchen Methoden! Da fragt man deren Nachbarn, Onkel und Tanten aus, und wer früher mal mit ihm ein Bier getrunken hat, der gibt ein Urteil über die Zuverlässigkeit des Hauptmanns oder des Feldwebels ab; und dann wird in der Stille ein Urteil darüber gefällt, ob dieser Mann geeignet ist, Träger militärischer Geheimnisse dieses oder jenes Grades zu werden. In manchen Fällen kommt man dann zu dem Ergebnis, daß er nicht geeignet ist, und das wird ihm mitgeteilt; ihm wird aber nicht mitgeteilt, auf Grund welcher Tatsachen man zu diesem Ergebnis gekommen ist. Ihm wird keine Möglichkeit gegeben, sich zu den Tatsachen zu äußern, die zu dieser Abqualifikation geführt haben, sondern er muß das hinnehmen. Er muß auch all die Laufbahnnachteile und Berufsnachteile hinnehmen, die mit dieser Abqualifikation begründet werden. Er erfährt nicht, warum und wieso, und kann sich nicht äußern. Ich meine, daß hier tatsächlich die Grenzen des Rechtsstaats angeritzt, nein, verletzt sind.
    Auf der anderen Seite ist aber dieses selbe Verteidigungsministerium überaus großzügig. Durch Zufall hat ein Bonner Journalist neulich herausgebracht, daß da ein Adjutant des Inspekteurs der Luftwaffe sich unter einer Reihe von betrügerischen Manipulationen, falscher Dienstgrad angegeben und alles mögliche, in die Bundeswehr hineingemogelt hat. Er wurde sogar Adjutant von einem General. Und dann hat man das gemerkt. Man hat ihn hinausgeworfen. Man hat ihn nicht etwa beim Staatsanwalt angezeigt, man hat ihn ganz klamm-heimlich entfernt. Durch Zufall hat es jemand in die Presse gebracht. Und dann ist der Staatsanwalt von sich aus aktiv geworden. Er hat den Mann gegriffen; er hat ihn sogar verhaftet. Die Bundeswehr hat nichts getan. Wenn man gegenüber so offenkundig defraudanten Fällen, in denen der Staatsanwalt das Vergehen für so groß hält, daß er den Mann sofort einbuchtet, eine solche Großzügigkeit an den Tag legt, dann kann ich es schlechterdings nicht verstehen, daß einem Offizier die Qualifikation, Geheimnisse bewahren zu können, abgesprochen wird, weil er früher einmal mit Kommunisten oder mit Sozialdemokraten oder ähnlichem Gelichter zusammen Bier getrunken hat. Das paßt nicht zusammen.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ja, ja ich habe da meine Beispiele. Ich kann Ihnen ,auch Einzelheiten bringen, wenn Sie es wünschen. Ich kann Ihnen Beispiele dafür geben, daß Leute leinfach hinausgeworfen wurden, weil sich nachträglich herausstellte, daß sie Sozialdemokraten waren.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Dr. Stecker: Es muß auch einmal einer eingestellt werden! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Ja, es muß auch einmal einer eingestellt werden.

    (Zurufe von der Mitte: Dr. Beermann!)

    — Das wäre auch sehr ungeschickt von Herrn Strauß gewesen, wenn er den Herrn Beermann nicht eingestellt hätte.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Einer der besten von euch!)

    Aber ich wollte gar nicht mit den Wehrexperten der CDU in ,einen Disput geraten, sondern ich wollte wirklich die materiellen Sorgen der Truppe vor Ihnen ausbreiten.
    Ich möchte noch einmal zum Unteroffizier zurückkehren. Die Ausbildung einer Truppe steht und fällt mit den Ausbildern, cl. h. mit den Unteroffizieren. Unsere jungen Unteroffiziere sind heute noch sehr unsicher, insbesondere gegenüber dem jungen Facharbeiter, der da als Rekrut eingezogen wird, der vorher schon 350 oder 400 DM verdient hat, der in seinem Beruf etwas leistet und stolz darauf ist. Den jungen Unteroffizieren wird nicht genug Führung gegeben. Sie können sich nicht anlehnen, sie werden versetzt und verschoben, ein halbes Jahr in diese Kompanie, ein viertel Jahr auf jene Schule, dann wieder sechs Wochen auf diesen Lehrgang.



    Schmidt (Hamburg)

    Es ist ja keine Ruhe in der Truppe. Ich kenne ein Bataillon, das aus 1000 Soldaten besteht und voll aufgefüllt ist. Es sollte eigentlich 200 Unteroffiziere zur Ausbildung der Soldaten und für die Spezialistenstellen haben. Dieses Bataillon hatte zu einem bestimmten Zeitpunkt nur 99 Unteroffiziere; die anderen waren ,einfach persönlich, beruflich und charakterlich noch nicht so weit, daß man sie zu Unteroffizieren hätte befördern ,und mit einer entsprechenden Funktion hätte beauftragen können. Das Bataillon hatte also 1000 Soldaten, aber statt der 200 Unteroffiziere nur 99. Gleichzeitig hatte dieses Bataillon bereits den Befehl, binnen eines halben Jahres, man höre und ,staune, 170 Unteroffiziere zur Aufstellung eines zweiten Bataillons abzugeben. Das sind die Methoden, unter denen in der Bundeswehr die Ausbildung vor sich geht. Die Folge ist, daß der Kommandeur zwangsläufig Leute zur Ernennung zum Unteroffizier einreichen muß, die eigentlich nach seiner eigenen Beurteilung noch gar nicht so weit sind; die nachher ,gegenüber den Rekruten falsch auftreten, die sich durch forciertes Auftreten durchzusetzen versuchen und was derartiger Nachteile mehr sind. Hinzu kommt, daß dann auch noch die Kompaniechefs dauernd wechseln. Ich habe eine Kompanie erlebt, die innerhalb eines einzigen Kalenderjahres vier Kompaniechefs hatte. Stellen Sie sich einmal einen Industriebetrieb vor, wo im Laufe des Jahres in einer Halle der Meister viermal wechselt! Stellen Sie sich vor, was da los ist!
    Als das öffentlich kritisiert wurde, hat Herr Strauß wörtlich gesagt: „Die Versetzungen und Kommandierungen der Bundeswehr sind das Ergebnis mühevoller Planung" — das glaube ich noch —, „die, soweit wie möglich, auf Truppe und Soldaten Rücksicht nimmt". Herr Verteidigungsminister, die Truppe lacht, oder wenn sie etwas taktvoller ist, zuckt sie auf diese Behauptung hin die Achseln. Auf die Truppe und auf die Soldaten wird bei dieser ganzen Personalwirtschaft nicht die Rücksicht genommen, die erforderlich wäre.
    Wenn Sie, Herr Minister, unter Bezugnahme auf die Erfahrungen, die der Herr Kollege Müller-Hermann in der Öffentlichkeit dargeboten hat, gesagt haben, in der Bundeswehr gelte der Grundsatz: Qualität vor Quantität, dann müssen Sie wissen, darüber wird bei den Kommandeuren nur die Achsel gezuckt. Diese Herren sind sehr höflich und können es sich nicht leisten, öffentlich gegen das aufzutreten, was ihr ziviler Oberbefehlshaber sagt. Aber gehen Sie mal in die Truppe, fragen Sie die Kommandeure!
    Sie haben z. B. einem Abgeordneten geantwortet
    das war nicht ich —, er habe bei seiner öffentlichen Kritik alle diese Dinge „voreilig und im Gegensatz zu den Urteilen erfahrener Truppenkommandeure" beurteilt. So haben Sie wörtlich gesagt. Fragen Sie mal die erfahrenen Truppenkommandeure unter Umständen, wo diese es wagen, wirklich das zu sagen, was sie wissen und was sie denken! Jeder Kommandeur wird Ihnen bestätigen, daß das Tempo der Neuaufstellungen eine sorgfältige Ausbildung verhindert. Neulich hat mir ein Brigade-
    general, der Kommandeur einer Brigade oder einer Division — ich weiß es jetzt nicht genau —, wörtlich gesagt: Langsamer und weniger wäre in Wahrheit schneller und mehr. Ich glaube, der trifft den Kern der Dinge viel besser als Sie mit Ihrem offiziellen Statement.
    Das liegt aber daran, daß Sie die Erfahrungsberichte der Truppe nicht lesen. Die Truppe muß alle vier Wochen einen Erfahrungsbericht einreichen. Darin bringt sie alle ihre Klagen vor. Sicher gibt es im Ministerium bestimmte Stellen, die diese Erfahrungsberichte auch abheften. Nur hat die Truppe nicht das Gefühl, daß sie zur Kenntnis genommen und daß dann auch die Sorgen behoben werden, die sie zum Ausdruck bringt.
    Ich habe dem Verteidigungsminister neulich vorgeschlagen, er möchte sich doch einmal wie weiland Harun al Raschid verkleiden und als Oberleutnant bei der Bundeswehr eine Reserveübung machen, damit er sähe, wie es wirklich aussieht. Er meinte, dazu sei es zu spät, das ginge nicht mehr. Damit hat er wahrscheinlich auch recht; das geht nicht mehr.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Aber Scherz beiseite! Warum führen Ihre Inspekteure nicht regelmäßig Konferenzen mit den Kommandeuren der Truppe durch, auf denen diese sich aussprechen, auf denen sie einmal frei von der
    1 Leber weg reden können, wo ihnen nicht gleich einer übergezogen wird, wenn sie sich etwas zu freimütig äußern? Ich meine nicht solche Konferenzen — wie das jüngst auch einmal geschehen ist — mit Kommandeuren, auf denen man diese über die Anrede „Gnädige Frau", über den Handkuß und dergleichen Dinge belehrt hat. Das scheint mir ziemlich überflüssig zu sein.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Das war nicht eine so ganz untergeordnete Stelle, an der das vorgekommen ist.
    Wenn Sie diese Besprechungen mit den Kommandeuren hätten und wenn Ihre Inspekteure diese Besprechungen hätten, Herr Strauß, dann würden Sie wahrscheinlich Ähnliches zu hören bekommen
    wie das, was der Abgeordnete Wehner hier in diesem Hause vor einem Jahr ausgeführt hat — das habe ich nämlich ,in der Truppe häufig zu hören bekommen —: Wenn man die unerhörten finanziellen Aufwendungen des Bundeshaushalts an dem mißt, was tatsächlich militärisch damit erzielt wird, dann scheint die Anstrengung unverhältnismäßig im Vergleich zum militärischen Effekt. Dem Sinne nach habe ich diese Bemerkung nun schon sehr häufig bei Truppenbesuchen gehört. Es wäre ganz gut, wenn Sie sich auch einmal anhörten und wenn Sie im Einzelfall versuchten, dahinterzukommen, was der Anlaß für dieses Urteil durch die Truppenvorgesetzten ist.
    Das Vertrauen, das die Truppe in ihr Ministerium in Bonn hat, ist nämlich nicht sehr groß. Da gibt es böse Worte, die in der Truppe über das Verteidigungsministerium gebraucht werden. Leider, muß ich hinzufügen, hat, die Zivilcourage in Richtung



    Schmidt (Hamburg)

    nach oben, in Richtung Bonn, im Laufe dieser wenigen Jahre deutlich abgenommen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist kein Wunder!)

    Das ist leider nicht nur eine Folge der sich festigenden militärischen Disziplin, sondern das ist eine Folge der militärischen Vorbilder, die von oben gegeben werden. Ich möchte eigentlich hinzufügen: seit der letzten Woche ist es auch eine Folge der zivilen politischen Vorbilder, die gegeben werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich habe da neulich folgendes erlebt. Im Gespräch mit einem höheren Offizier wurde ein bestimmtes militärisches Problem behandelt. Ich sagte zu dem Herrn: Da muß aber der General XY — ich will den Namen einmal weglassen — dem Minister einen ganz klaren und deutlichen Vortrag über die Sache halten, das muß doch geregelt werden. Da sagte der Gesprächspartner: Was wollen Sie, die Helden sind müde geworden!
    Wenn an diesem Stoßseufzer etwas Richtiges war, meine Damen und Herren, dann gibt er mir Anlaß zu folgender Bemerkung. Die Generalität, die hohen, führenden Offiziere im Verteidigungsministerium, sollten die Entschlossenheit dieses Hauses zur Durchsetzung dessen, was wir „Civil Control“ oder „politischen Oberbefehl" genannt haben, eine Entschlossenheit, in der wir uns nach wie vor einig wissen, nicht mißverstehen. Politischer Oberbefehl soll nicht heißen, daß der militärische Führer darauf verzichten darf, erforderlichenfalls auch seine Gegenvorstellungen zu erheben; er soll auch nicht heißen, daß der militärische Führer nicht gegebenenfalls auch Konsequenzen zieht und erträgt.
    Ich verstehe z. B. heute noch nicht, daß die obersten militärischen Berater damals den Herrn Blank in seine utopischen Pläne hineinstolpern ließen, obwohl sie sehr genau wußten, daß diese horrenden Aufstellungspläne mit diesen Zahlen und in dieser kurzen Zeit nach militärischen Erfahrungen — und sie hatten Erfahrungen mit der Aufstellung deutscher Truppen z. B. aus Reichswehrzeiten; das waren Leute, die diese Erfahrungen noch selber gewonnen haben überhaupt nicht zu verwirklichen waren. Hier war ein Fall, wo der militärische Berater kraft seiner Sachkenntnis hätte sagen müssen: So geht es nicht! Ich kenne noch mehr Fälle aus den letzten Jahren, wo ich gewünscht hätte, daß jemand einmal die Konsequenzen gezogen hätte.
    Täuschen Sie sich nicht, meine Herren: das Beispiel das Sie an der Spitze geben, wirkt in die Truppe hinein. Wenn ich vorhin mit Bedauern davon sprach, daß die Zivilcourage unserer uniformierten Staatsbürger deutlich im Abnehmen begriffen ist., so liegt das nicht zuletzt an dem Beispiel, das ihnen von oben gegeben wird. Das ist nämlich auch ein Gesprächsthema, das man in den Kantinen und in den Kasinos der Bundeswehr fast jede Woche berührt. Dort kann man fast jede Woche die eine oder andere Äußerung dazu in sich aufnehmen.
    Es gibt noch sehr viele andere interessante Themen, die in den Kasinos und Kantinen berührt werden. Interessanter noch sind die Gespräche, wenn man sie unter vier Augen führen kann. Unter vier
    Augen erfährt man, daß keineswegs alle Soldaten etwa mit der atomaren Ausrüstung einverstanden seien. Unter vier Augen erfährt man, daß keineswegs alle Soldaten für gewisse politische Reden, die ihr ziviler Oberbefehlshaber hält, auch nur Verständnis hätten. Gott sei Dank! Es hat mich sehr beruhigt, das im Gespräch mit den Soldaten zu erkennen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber noch weniger Verständnis für Ihre Reden!)

    — Für mich hatten sie sehr viel Verständnis! Als ich zur Bundeswehr kam, hatte der Verteidigungsminister gerade der Presse verkündet, ich hätte die ganze Bundeswehr beleidigt. Als ich dann hinkam, habe ich davon nichts gemerkt, sondern ich wurde sehr freundlich und nett aufgenommen. Man hat mir viel mehr über die inneren Sorgen und Nöte der Bundeswehr erzählt, als dem Herrn Verteidigungsminister recht und lieb ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Man hört z. B. im Kasino auch, und das hat mir Spaß gemacht, wie junge Fähnriche — das sind 22-bis 23jährige Offiziersanwärter — einen Militärpfarrer höflich haben abfahren .lassen, der ihnen etwas von der besonderen Standesehre des Offizierskorps vortragen wollte. Der Pfarrer hat mir keinen Spaß gemacht, wohl aber die jungen Leute, die das in einer glänzenden Form beantwortet haben. Das war eine befriedigende, eine beruhigende Erfahrung.
    Man hört in den Kasinos auch freundlichen Spott z. B. über jene zivile Gesellschaft ehemaliger Offiziere, die heute vom Verteidigungsministerium offiziell mit der Schulung des Reserveoffiziernachwuchses betraut ist. Ich will das nicht weiter ausführen und will niemandem zu nahe treten. Was mich aber bei all diesen Gesprächen, die man dort mit anhört und selbst mit führt, immer wieder und immer noch beunruhigt, das ist das vorsichtige, allzu vorsichtige Tasten und das allzu vorsichtige Umgehen der Frage nach dem staatspolitischen Standort der Bundeswehr. Hier spielt im Gespräch der Soldaten die ungelöste Frage nach der Tradition eine große Rolle. Als neulich der Herr General a. D. R a m c k e in Freiburg der Bundeswehr zurief: „Ihr seid Fleisch von unserem Fleisch" — damit meinte er: Geist von meinem Geist —, hat der Divisionsgeneral der Bundeswehr die Tagung verlassen. Sehr gut und in Ordnung! Er hat also gewußt, daß das einfach nicht mehr geht, daß man sich davon abgrenzen muß.
    Aber die eigene positive Substanz steht noch in Frage, meine Damen und Herren. Das ist mit dem bloßen Antikommunismus und mit dem NATO-Bewußtsein allein nicht zu schaffen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Auf der Genfer Konferenz hat der Westen in seinem Friedensplan den Gedanken entwickelt, Deutschland innerhalb von zweieinhalb Jahren wiederzuvereinigen. Ich stelle Ihnen die Frage: ist die Bundeswehr eigentlich in der geistigen Verfassung, um innerhalb einer Periode von zweieinhalb Jahren vereinigt zu werden mit dem, was wir drüben haben? Das ist eine Frage, deren



    Schmidt (Hamburg)

    Beantwortung vielleicht einen guten Maßstab zur Beurteilung der geistigen Substanz unserer eigenen Soldaten abgibt.
    Ist die Bundeswehr geistig stark genug, sich einem wie auch immer gearteten, wie auch immer organisierten und beaufsichtigten Verschmelzungsprozeß mit den Soldaten der DDR zu unterziehen? Wenn man diese Frage bejahen wollte — keiner von Ihnen wird sie heute bejahen können —, wenn man also zu einem Punkt in der Entwicklung kommt, wo man sagen kann: „Jawohl, das Risiko kann ich laufen, diese Frage kann ich nunmehr bejahen", dann wäre z. B. eine geistige Auseinandersetzung mit jenem Traditionsbild notwendig, das heute der Nationalen Volksarmee eingeimpft wird. Bei denen ist von den Bauernkriegen, von Gneisenau und Scharnhorst, von der 48er-Revolution — aber von der richtigen Seite dieser revolutionären Kämpfe — die Rede.
    Meine Damen und Herren, gegen solche Traditionen kann man nicht antreten wollen mit der kaiserlichen Marinetradition und mit Schiffsnamen wie „Admiral Scheer" und „Admiral Hipper", — ehrenwerte Männer, gegen die ich nichts habe. Warum nennen Sie Ihre Kriegsschiffe statt dessen nicht „Graf Stauffenberg" oder „Julius Leber"?

    (Beifall bei der SPD.)

    Es ist doch nicht damit getan, daß man immer wieder beschwichtigend von oben sagt, die auf der einen Seite und die ,auf der anderen Seite am 20. Juli seien alle honorige Leute gewesen. Es ist doch nicht damit getan, daß Sie immer wieder beschwichtigend von oben sagen, man brauche Zeit zur Bewältigung der Vergangenheit. Es fehlt auch hier bei der oberen militärischen und politischen Führung am Mut zum Beispiel.

    (Beifall bei der SPD.)

    Herr Verteidigungsminister, wie auch immer der einzelne Offizier zum 20. Juli steht, ist denn in der Bundeswehr noch ein Zweifel daran möglich, daß der Oberst Graf Stauffenberg und daß der Sozialdemokrat Julius Leber — um bei diesen beiden Namen im Augenblick zu bleiben — für die Freiheit ihres Vaterlandes gefallen sind? Ist noch ein Zweifel daran möglich, daß sie schlechthin Vorbilder für die Zurückstellung der eigenen Person sind, daß sie schlechthin Vorbilder auch für persönliche Tapferkeit sind, auf die es beim Soldaten so besonders ankommt?

    (Beifall bei der SPD.)

    Weshalb zögern Sie? Ich weiß, daß Sie da einige tastende Versuche machen. Aber es ist mit der einen General-Beck-Kaserne in Sonthofen nicht getan.
    Meine Damen und Herren, damit bin ich am Schluß. Wenn die Bundeswehr eine Armee des ganzen Volkes sein und werden soll, ist ihre Grundlage, ihre Tradition nicht allein ihre eigene, sondern unser aller Angelegenheit; mein Freund Lohmar wird dazu noch des näheren Ausführungen machen. Ich für meine Person möchte nur der Mehrheit dieses Hauses zurufen: Wenn wir nicht wollen, daß eine Militärkaste wieder entsteht, wenn wir
    nicht wollen, daß die militärische Tradition eine Kastentradition wird, dann müssen wir uns alle darum bekümmern. Es ist nicht damit getan, meine Damen und Herren von der Rechten, daß Sie jedes Jahr, oder wann immer hier eine Wehrdebatte ist, mit sehr viel Beifall und sehr viel Aufmachung dafür sorgen, daß Ihre Anträge durchgehen. Kümmern Sie sich um Ihre Soldaten!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bis jetzt stehen — ohne den Herrn Berichterstatter und ohne die Vertreter der Regierung — neun, eventuell sogar zehn Redner auf der Liste.
Ich gebe das Wort dem Herrn Abgeordneten Lohmar.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ulrich Lohmar


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich an das Stichwort meines Freundes Helmut Schmidt: Tradition der Bundeswehr, anknüpfen. Es gehört offensichtlich zu den Eigenarten der öffentlichen Meinungsbildung in unserem Staat, daß eine problematische Sache der öffentlichen Aufmerksamkeit nur sicher sein kann, solange sie sich dem Zugriff einer Bürokratie noch entzogen hat.
    Geist und Haltung der Bundeswehr sind ein typisches Beispiel dafür. Seit die deutsche Öffentlichkeit und der Deutsche Bundestag davon Kenntnis genommen haben, daß der „Staatsbürger in Uniform" das offizielle Leitbild der Bundeswehr sein soll, seit eine Reihe von Offizieren der Abteilung Innere Führung, humanistisch gebildet und mit guten Manieren, das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform in Vorträgen, Versammlungen und Diskussionen im öffentlichen Bewußtsein verankern und dabei einigen Erfolg gehabt haben, wird über die Frage nach dem geistigen Profil der Bundeswehr kaum noch ernsthaft diskutiert.
    Der deutsche Gewerkschaftsbund schickt dem Verteidigungsminister rote Nelken, weil er sich von der „Deutschen Soldatenzeitung" — dankenswerterweise — distanziert hat. Die meisten Offiziere der Bundeswehr haben vermutlich mittlerweile eingesehen, daß eine Diskussion zwischen Angehörigen der Bundeswehr und Gewerkschaftlern durchaus ihren guten Sinn für beide Seiten haben kann. Insofern ist ein Gespräch zwischen der Bundeswehr und der Öffentlichkeit in Gang gekommen.
    Aber innerhalb der Bundeswehr werden heute zwei andere Fragen gestellt, die bisher aus dem Kontakt zwischen der Bundeswehr und der Öffentlichkeit ganz ausgeklammert worden sind. Die Offiziere und die Soldaten der Bundeswehr stellen die Frage — die Helmut Schmidt schon angesprochen hat — nach der Tradition, und sie stellen die zweite Frage nach den Wehrmotiven, nach den Gründen, weshalb sie eigentlich Soldat sind, wofür sie im Ernstfall einzutreten haben, kurz gesagt: welche Motive ihr Dasein als Soldat bestimmen sollen.
    Die beiden Fragen können nicht von der Bundeswehr allein oder aus dem militärischen Bereich



    Lohmar
    heraus beantwortet werden. Deshalb, meinen wir, ist es an der Zeit, daß sich alle demokratischen Kräfte in diesem Staat bereit finden, die Frage nach der Tradition und die Frage nach den Wehrmotiven mit den Soldaten gemeinsam durchzusprechen.
    Sie wissen, daß sich das Bundesministerium für Verteidigung einen Beirat für Innere Führung gegeben hat. Eine gute Sache! Aber vielleicht hat der Beirat für Innere Führung seine Diskussionen über Tradition, Sinn und Weg der Bundeswehr bisher gegenüber der Öffentlichkeit ein wenig zu sehr abgeschirmt, mehr jedenfalls, als es der Eigenständigkeit eines solchen Beirats wohltäte und als es der Sache entspräche. Nun, das muß nicht so bleiben.
    Lassen Sie mich Ihnen die Problematik der Traditionsfrage von einem Beispiel her andeuten! Vor einigen Monaten hatte ich eine Unterhaltung mit dem Leiter einer Führungsakademie der Bundeswehr. Der Offizier suchte dem parlamentarisch interessierten Laien einen Zugang zur Traditionsfrage zu eröffnen und erzählte mir, während wir die Galerie von Generalsköpfen an den Wänden seiner Schule betrachteten, es werde niemand etwas dabei finden, wenn beispielsweise ein Arzt sich das Bild des alten Sauerbruch in sein Sprechzimmer hänge oder wenn man das Bild des Herrn von Humboldt in der Studierstube eines deutschen Philologen finde. Ebenso, meinte der General, sei es auch mit der Bundeswehr. Sie müsse sich ihre Vorbilder, also die Bestandteile ihrer Tradition, aus ihrem eigenen, aus dem militärischen Bereich suchen.
    Hier liegt ein für die Demokratie und für die Streitkräfte selbst gefährlicher Trugschluß vor. Das Soldatsein ist kein Beruf, den man ,aus sich heraus rechtfertigen und irgendeiner anderen beruflichen — akademischen oder handwerklichen — Tätigkeit gleichsetzen kann. Der Soldat findet die geistige und moralische Berechtigung für sein Dasein und für sein Tun nur im Wesen der Gesellschaft, die sich ihn für ihren Schutz geschaffen hat. Deshalb können die militärischen Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland bei ihrer Suche nach einer Tradition, deren Gültigkeit heute unbestritten sein müßte, nicht bei Friedrich dem Großen anknüpfen, .am reaktionären Kaiserreich, dessen Ausläufern in der Reichswehr der Weimarer Republik oder bei der nationalsozialistischen Tyrannei. Die Bundeswehr und ihre Führung werden vielmehr nach solchen Traditionen Ausschau halten müssen, die eine Verbindung zwischen militärischer Pflichterfüllung und demokratischem Denken ermöglichen. Es sollte Aufgabe der Bundeswehr sein, zu verhindern, daß Namen wie Scharnhorst, Gneisenau oder vom Stein heute von der „Nationalen Volksarmee" mißbraucht werden, weil die Bundeswehreiner offenen und positiven Begegnung mit solchen Männern ausweicht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Darüber hinaus mutet die Art, wie das Bundesministerium für Verteidigung sich der Bewältigung der Traditionsfrage nähert, einigermaßen merkwürdig an. Es gibt dazu eine Richtlinie des Verteidigungsministers, in der empfohlen wird, beispielsweise Traditionsräume einzurichten oder Kontakte mit den alten Soldaten überall da herzustellen, wo dies möglich ist, d. h. praktisch Kontakt mit den Traditionsv erb ändenaufzunehmen. Nichts wirklich die Sache Treffendes findet man aber in diesen Richtlinien über die geistige Problematik, die mit der Frage nach der Tradition aufgeworfen wird. Zudem weichen die Richtlinien in einigen wesentlichen Punkten von den Empfehlungen ab, die der Beirat für Innere Führung dem Ministerium gegeben hat. Es wäre interessant, für diese Abweichungen eine Erklärung des Ministers zu hören.
    Darüber hinaus aber darf sich die Bundeswehr in ihrer Suche nach der Tradition nicht auf die soeben genannten Verbindungen von militärischer und demokratischer Tradition beschränken, sondern sie wird in ihr geistiges Konzept auch die allgemeine politische und gesellschaftliche Entwicklung einbeziehen müssen, die sich in den letzten 150 Jahren in Deutschland vollzogen hat. Es ist zu bedauern, daß wir in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern keine einheitliche, keine für alle verbindliche demokratische Tradition haben. Aber ich meine, daß ein Offizierskorps, das die Vielfalt der Ideen und der Formen des Zusammenlebens in unserem Gemeinwesen als den entscheidenden Wert unserer Gesellschaft begreifen sollte, keinen Nachteil darin sehen sollte, daß wir in der Geschichte unseres Volkes der letzten 150 Jahre eine Mehrzahl solcher demokratischer Traditionen haben, die nebeneinander ihren Platz haben und die im geistigen Konzept der Bundeswehr ihren Platz finden müssen.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch ein paar Worte über die Art sagen, wie in der Bundeswehr die „Vergangenheit bewältigt" wird, wie man also versucht, mit dem „Dritten Reich" fertigzuwerden. In den schon erwähnten Richtlinien des Ministeriums sollte man genau auf die Formulierung achten, die da zum Problem „20. Juli" gefunden wird. Es heißt dort — ich zitiere —:
    Ein Prüfstein dafür liegt in der gewissenhaften Auseinandersetzung mit dem Ereignis des 20. Juli 1944, das geistig bewältigt und gewürdigt werden muß.
    So weit, so gut. Und dann geht es weiter:
    Die Männer des Widerstandes wurden aus Gewissensgehorsam zu Märtyrern für die menschliche Freiheit und damit ebenso zu Vorbildern wie jene, die aus der Sicht ihres Verantwortungsbereiches in gewissenhafter Überzeugung und soldatischer Pflichterfüllung gehorchten.
    Man bemerkt die leichte Akzentverschiebung, die sich hier andeutet, etwa im Vergleich zu den sehr klaren Worten, die der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Herr von Grolman, zum Problem des 20. Juli gefunden hat. Es wäre auch hier nützlich, wenn sich der Verteidigungsminister zu einem aufklärenden und vielleicht befreienden Wort entschließen könnte.
    Jedenfalls sollte man nicht übersehen, wie diese Art von Bewältigung der Vergangenheit in der



    Lohmar
    Truppe ankommt. Ich habe hier vor mir eine Broschüre, in der ein von sich selbst offensichtlich überzeugter Einheitsführer die Stadt, in der seine Garnison zu Gast Ist, zu einem allgemeinen Fest einlädt. In dieser Festschrift ist die Rede von den Beziehungen zwischen den Einheiten, die in dieser Stadt seit einigen hundert Jahren Unterkunft gefunden haben, und der Bevölkerung. Seitenlang können Sie in dieser Einladung lesen, wie sich die Beziehungen zwischen Bevölkerung und Soldaten im 16., 17., 18. Jahrhundert gestaltet haben. Über die Zeit von 1933 bis 1945 lesen Sie die folgenden drei Absätze, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Ich zitiere — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten —:
    Als dann im schicksalschweren Jahre 1939 die aktiven Truppenteile am frühen Morgen des 21. August, nur von wenigen Einwohnern bemerkt, den Standort verließen, ahnte noch niemand die ganze Schwere der nun folgenden Jahre, an der Truppe und Bürgerschaft gleichermaßen zu tragen hatten.
    Mit dem Einmarsch der US-Truppen im April 1945 schien die sehr zerstörte Stadt für immer aufzuhören, deutsche Garnison zu sein.
    Aber 11 Jahre später, nachdem die Deutsche Bundesrepublik in die NATO einbezogen war und auf Grund vertraglicher Verpflichtung ihr Teil zur Verteidigung der freien Welt beizutragen hatte, zogen wieder deutsche Soldaten in die Stadt ein.
    Das ist alles, meine Damen und Herren, was Sie in der Darstellung der Geschichte von Bevölkerung und Soldaten über das „Dritte Reich" und die nachfolgende Zeit lesen können! Auf diese Weise mogelt man sich in der Bundeswehr um eine wirkliche Bewältigung des Nationalsozialismus herum, und man tut es, weil Bundeswehrführung und Bundesregierung durch unklare und zwiespältig formulierte Erlasse dazu die Möglichkeit geben, anstatt ein Vorbild in der klaren Bestimmung dessen zu setzen, was der Bundeswehr nottut.
    Ich meine deshalb, daß die Bundeswehr auf ihre Traditionsfrage eine unbefangene Antwort finden muß. Nur dann wird man auch die Frage nach den Wehrmotiven überzeugend beantworten können. Der Soldat soll eben für die Vielfalt unserer Lebensordnung einstehen, solange und soweit das in begrenztem Rahmen mit militärischen Mitteln überhaupt noch möglich ist. Und wenn er das soll, muß ihm der Wert dieser Lebensordnung und dieser Vielfalt klar sein; dann muß er verstehen, worin die Ablehnung etwa des Dritten Reiches ihren moralischen und geistigen Grund hat. Totalitäre Ideologien finden hier keinen Raum, auch nicht Vorstellungen, wie sie beispielsweise Herr Winfried Martini in der Dezember-Nummer des vergangenen Jahres der Zeitschrift „Wehrkunde" über die Wehrmotive des Bundeswehrsoldaten entwickelte. Herr Martini schloß seine Überlegungen in diesem Aufsatz sinngemäß mit der bemerkenswerten Feststellung: Es ist nicht Aufgabe des Soldaten, die Freiheit zu erkennen, sondern sie tapfer zu verteidigen.

    (Lachen bei der SPD.)

    Ich frage Sie, meine Damen und Herren, ob das etwas anderes ist als das Programm eines Landsknechthaufens, der sich heute für den und morgen für den zu schlagen hat.

    (Abg. Erler: Deshalb hat der Herr Martini auch als Ideal die Fremdenlegion!)

    Ich erwähne diese Ansicht des Herrn Martini nicht deshalb, weil er in bestimmten katholischen Bevölkerungskreisen ein bemerkenswertes Echo findet oder weil seine Ideen besonders originell wären. Es hat immer Leute gegeben, die ihre Mitmenschen für inferiore Fehlleistungen der Schöpfung hielten, und es hat viele gegeben, die daraus eine - womöglich christliche — Ideologie gemacht haben.
    Aber bemerkenswert ist, daß dieser Aufsatz des Herrn Martini in der „Wehrkunde", einer von der Bundesregierung geförderten Zeitschrift, bis heute seitens der Bundeswehrführung keine distanzierende Stellungnahme erfahren hat. Interessant war es für uns in den Ausschußberatungen auch, daß sich der Verteidigungsminister, auf den Artikel von Herrn Martini angesprochen, lediglich zu der lakonischen Bemerkung bereit fand, Herr Martini sei ein interessanter Mann, von dem man eben solche eigenwilligen Ansichten zu hören gewohnt sei. Das wissen wir auch, Herr Minister; aber uns interessiert, wie die Bundesregierung sich zu solchen Antworten auf die Frage nach der Tradition und nach den Wehrmotiven stellt und wie sie diese Problematik zu beantworten gedenkt. Wenn sich das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform bewähren soll, muß die Frage nach der Tradition und nach den Wehrmotiven eine Antwort finden, die Soldaten und Demokraten gleichermaßen befriedigt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Aufgabe der Inneren Führung kann es in dieser Situation nicht sein, lediglich ein ehrlicher Makler zwischen den Gegnern und den Trägern des 20. Juli, zwischen Freunden und Widersachern etwa einer Friedrich-Ebert-Kaserne oder ein schweigender Zuschauer beim Streit um die Einbeziehung von Herrn Raeder oder Herrn Manstein in die Traditionsreihe der Bundeswehr zu sein. Die Innere Führung der Bundeswehr wird nur so lange und so weit führen, wie sie den Mut hat, die Soldaten und vor allem die Offiziere offen mit den Fragen zu konfrontieren, die beantwortet werden müssen und deren Beantwortung man nicht durch Kompromisse überspielen kann, sondern auf die man eine redliche Antwort finden muß.
    Es wäre sicher falsch, wollte man annehmen, daß der Verteidigungsminister über diese Problematik nicht genau orientiert ist. Aber Herr Strauß hat seine eigene Art, dieser Problematik zu entgehen. Er sucht einen Ausweg beispielsweise - zusammen mit seinen Freunden aus der Riege der kalten Krieger innerhalb der Bundesregierung — in der Weise, daß er der psychologischen Rüstung in der Bundeswehr einen zivilen Ausläufer schuf: die berühmte, mittlerweile beinahe eingeschlafene Aktion „Rettet die Freiheit". Herr Strauß ging bei dieser Aktion von der nicht neuen Einsicht aus, daß man



    Lohmar
    etwas gegen den Kommunismus tun müsse. Ich möchte hier von vornherein unnötige Mißverständnisse ausräumen.

    (Abg. Dr. Zimmermann: Es ist sehr notwendig bei Ihnen!)

    — Es ist sehr liebenswürdig, daß Sie mich darauf aufmerksam machen. Aber wir sind es seit langem gewohnt, Herr Kollege Dr. Zimmermann, daß uns die Kommunisten vorwerfen, eine „rechte" SPD-Führung verhindere die Durchsetzung des Willens der „linken" Mitglieder, und daß Sie sagen, eine „linke" SPD-Führung verhindere die Durchsetzung des Willens der „rechten" Mitglieder. Das ist keine Basis für ein ernsthaftes politisches Gespräch.

    (Abg. Dr. Zimmermann: Da haben Sie recht: das ist zu billig!)

    Uns ist genau bekannt, welche Anstrengungen die mitteldeutschen Kommunisten in den letzten Jahren unternommen haben, um eine halbwegs funktionsfähige und ideologisch sattelfeste Streitmacht auf die Beine zu stellen. Wir wissen, daß die SED auf vielen Wegen und mit zuweilen nicht einmal unwirksamen Methoden versucht, innerhalb und außerhalb der Bundeswehr Boden zu gewinnen. Sogar die Christlich-Demokratische Union ist jetzt Opfer eines solchen Versuchs geworden! Wir deutschen Sozialdemokraten fragen die Offiziere der Nationalen Volksarmee genauso, wie Kurt Schumacher 1951 im ersten Bundestag die Angehörigen der kasernierten Volkspolizei gefragt hat: „Wie lange wollen Sie noch den Weg unter den Fahnen des Kommunismus gegen Ihr eigenes Vaterland weitermarschieren?" Wir übersehen dabei nicht
    um eine Formulierung meines Freundes Karl Mommer aufzugreifen —, daß es sich bei den Soldaten der Nationalen Volksarmee nicht nur um trojanische Pferde, sondern in vielen Fällen wahrscheinlich nur um Esel solcher Art handelt. Und wir haben uns deshalb gegen die Aktion „Rettet die Freiheit" mit aller Härte gewandt, weil wir in ihrer Zielsetzung und ihrer Methodik einen untauglichen und einen unehrlichen Versuch sahen und sehen, etwas Wirksames gegen den Kommunismus zu tun. Wer dem Kommunismus entgegentreten will, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, der darf sich nicht nur gegen ihn wenden, sondern er muß bereit sein, sich gegen das Totalitäre schlechthin zu wenden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir Sozialdemokraten sehen eben nicht nur in der kommunistischen Ideologie und Politik eine Gefahr für unsere freiheitliche Verfassung, sondern auch in Ordnungen wie dem Spanien Francos, dem Portugal Salazars oder in dem „Catcher-Stil", den der Herr Bundeskanzler neuerdings in Deutschland heimisch zu machen gedenkt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir sind weiter der Meinung, daß es nicht genügt, eine Aktion gegen irgend etwas zu starten, sondern daß wir eine Aktion für die Demokratie, ein Bemühen darum brauchen, deutlich werden zu lassen, worin sich denn die freiheitliche Grundordnung eines demokratischen Staates den Ideen und den Institutionen nach positiv von einer totalitären Ordnung unterscheidet. Wir wissen, daß der Widerstand gegen das Totalitäre und das Bemühen um eine solche positive Alternative nicht nur eine Sache der Regierung sein darf, sondern eine Aufgabe der gesamten demokratischen Gesellschaft sein muß. Demgegenüber sehen die Pläne der Bundesregierung zur psychologischen Verteidigung lediglich eine Art exekutiver propagandistischer Hilfestellung der Öffentlichkeit zugunsten der Pläne der Regierung vor und fördern damit geradezu die Unmündigkeit des Bürgers gegenüber einer als autoritär empfundenen Staatspolitik.
    Eine solche psychologische Verteidigung brauchen wir nicht. Wir brauchen keine Manipulation der Menschen, wir brauchen keine schlauen Tricks gegen das Totalitäre, sondern wir benötigen eine großzügige politische Bildung, wir benötigen eine Toleranz im Denken und im Machtanspruch der in unserem Staat miteinander ringenden politischen Kräfte und Ideen. Das heißt für Sie, meine Damen und Herren von der gegenwärtigen Mehrheit, daß Sie sich mit der Vorstellung vertraut machen müssen, daß eines Tages in diesem Hause eine sozialdemokratische Mehrheit und eine sozialdemokratische Bundesregierung ebenso legitim das Steuer dieses Staates führen werden, wie Sie das heute für sich beanspruchen. Wir nehmen es Ihnen nicht übel, daß Sie die Macht behalten wollen. Aber wir halten es für staatspolitisch unverantwortlich, wenn Sie die Bundeswehr zu einem Instrument der Herrschaft Ihrer Partei zu machen gedenken.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nichts anderes können Aktionen mit der Zielsetzung und im Stil wie die Aktion „Rettet die Freiheit" oder auch Veröffentlichungen wie das Hetzblatt „Mann in der Zeit",

    (Lachen und Oh-Rufe bei der CDU/CSU)

    das einer religiösen Gemeinschaft einfach unwürdig ist, im Ergebnis bewirken. — Ja, meine Damen und Herren, Sie müssen sich eben damit abfinden, daß Konrad Adenauer plus Karl Jaspers oder Franz Joseph Strauß plus Theodor Litt noch nicht das ausmachen, was die Sozialdemokraten unter einer freiheitlichen Staatsordnung verstehen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Bundeswehr soll keine „Schule der Nation" sein, aber auch kein christlich-demokratisches Parteiinternat. Sie ist die Einrichtung eines freiheitlichen Staates, dem wir alle angehören und den wir alle gemeinsam zu tragen verpflichtet sind. Vielleicht denken Sie darüber einmal gründlicher nach, als das in der bisherigen Politik des Bundesverteidigungsministeriums zum Ausdruck kommt.

    (Beifall bei der SPD.)