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    Deutscher Bundestag 68. Sitzung Bonn, den 8. April 1959 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Anton Diel (Horressen) Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 3583 A Abg. Killat tritt für den verstorbenen Abg. Heinrich in den Bundestag ein . . . . 3583 B Abg. Scheuren tritt für den ausgeschiedenen Abg. Gleisner in den Bundestag ein 3583 B Glückwunsch zum 79. Geburtstag des Abg. Dr. h. c. Pferdmenges . . . . . . 3583 C Erweiterung der Tagesordnung 3583 C Fragestunde (Drucksache 961) Frage 1, Abg. Dr. Menzel: Ermittlungsverfahren gegen den Präsidenten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und gegen Botschafter Blankenhorn Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 3584 B, C, D Dr. Menzel (SPD) 3584 B, C Frage 3, Abg. Kalbitzer: Attentat auf den Algerier Ait Ahcene und Sprengstoffanschläge auf die Waffenhändler Schlüter und Puchert und auf den Dampfer „Atlas" Ritter von Lex, Staatssekretär . . . 3584 D Frage 4, Abg. Windelen: Vorratshaltung der Bundesregierung an leicht verderblichen Lebensmitteln Dr. h. c. Lübke, Bundesminister . . 3585 B Frage 5, Abg. Schröter (Berlin) : Kulturelle Betreuung der in den wallonischen Provinzen Belgiens lebenden deutschen Bergarbeiterfamilien Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 3585 D, 3586 A Schröter (Berlin) (SPD) . 3585 D, 3586 A, B Frage 6, Abg. Ritzel: Lärmbekämpfung bei Kraftfahrzeugen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3586 B, 3587 B Ritzel (SPD) 3587 A Frage 7, Abg. Dr. Schmitt (Gellersen): Verarbeitung von Zuckerrüben Dr. h. c. Lübke, Bundesminister . . 3587 C Frage 8, Abg. Josten: Wiederaufbau des Bahnhofs Plaidt Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 3587 D Frage 9, Abg. Kreitmeyer: Mietverschuldung bei Berufssoldaten der Bundeswehr Strauß, Bundesminister . . . . 3588 A, D Kreitmeyer (FDP) 3588 D II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. April 1959 Frage 10, Abg. Kreitmeyer: Unterbringung der Bundeswehrsoldaten Strauß, Bundesminister . . . . 3589 A, D Kreitmeyer (FDP) . . . . . . . 3589 C Frage 11, Abg. Kreitmeyer: Vorfinanzierung der Ansprüche von über 30jährigen Personen auf ihr beschlagnahmtes Eigentum in den USA Dr. Hettlage, Staatssekretär . 3589 D,3590 A Kreitmeyer (FDP) . . . . . . . 3590 A Frage 12, Abg. Bayer (Mosbach) : Verteilung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau Lücke, Bundesminister . . . . . 3590 B,D, Baier (Mosbach) . . . . . 3590 D, 3591 A Frage 13, Abg. Frau Wolff (Berlin) : Äußerung des Bundesernährungsministers zur Frage der Rassentrennung Dr. h. c. Lübke, Bundesminister . 3591 A, D Frau Wolff (Berlin) (SPD) . . . . 3591 C Frage 14, Abg. Gewandt: Verwendung von Lehrbüchern aus der SBZ in japanischen Schulen Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 3592 A Frage 15: Abg. Gewandt: Veräußerung von Preußag-Aktien aus Staatsbesitz Dr. Lindrath, Bundesminister . . . 3592 B Frage 16, Abg. Dr. Rutschke: Fortführung der Bundesstraße 9 in Höhe von Karlsruhe bis Lauterburg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 3592 D Frage 17, Abg. Dr. Rutschke: Wiedererrichtung der Bahnlinie Karlsruhe—Landau als zweigleisigen Schienenweg und Erweiterung oder Umbau der Rheinbrücke bei Maximiliansau Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 3593 A Frage 18, Abg. Junghans: Verkauf von bundeseigenen vermieteten Grundstücken im Zonenrandgebiet an neu errichtete Betriebe Dr. Lindrath, Bundesminister . . . 3593 C Frage 19, Abg. Dr. Besold: Finanzbeihilfe des Bundes für Wohnungsbau in München Lücke, Bundesminister . . 3593 U, 3594 B, C Dr. Besold (CDU/CSU) . . . . . 3594 B,C Frage 20, Abg. Pohle: Öffentliche Münzfernsprecher Stücklen, Bundesminister . . . . . 3594 C Frage 21, Abg. Pohle: Flugplatz Kaltenkirchen-Moorkaten Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 3594 D Frage 22, Abg. Pohle: Verbesserung der Bahnsteigunterkünfte auf dem Hauptbahnhof Neumünster Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 3595 A Entwurf eines Gesetzes über die Versicherung der Handwerker (Handwerkerversicherungsgesetz) (FDP) (Drucksache 634) — Erste Beratung — Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 3595 C Schmücker (CDU/CSU) 3597 A Regling (SPD) 3598 B Entwurf eines Gesetzes gegen den Betriebs-und Belegschaftshandel (CDU/CSU, DP) (Drucksache 747) — Erste Beratung — Wieninger (CDU/CSU) 3600 B Regling (SPD) . . . . . . . . 3602 D Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 3603 C Illerhaus (CDU/CSU) . . . 3605 A, 3606 C Lange (Essen) (SPD) 3606 B Antrag betr. Bericht über die Lage der Mittelschichten (SPD) (Drucksache 712) 3600 A, 3606 C Lange (Essen) (SPD) . . . . 3606 D, 3621 C Keller (FDP) . . . 3613 B Burgemeister (CDU/CSU) . . . . 3615 C Dr. Schild (DP) 3618 A Schmücker (CDU/CSU) 3620 B Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesevakuiertengesetzes (SPD) (Drucksache 889) — Erste Beratung — 3623 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gebrauchsmustergesetzes (FDP) (Drucksache 893) 3623 B Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. April 1959 III Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Patentgesetzes (FDP) (Drucksache 894) . 3623 C Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen (Abg. Kühltau, Dr. Toussaint, Dr. Willeke, Jacobi, Dr. Bleiß, Dr. Schranz u. Gen.) (Drucksache 913) — Erste Beratung — . . 3623 C Entwurf eines Gesetzes gegen Volksverhetzung (Drucksache 918) — Erste Beratung — Probst (Freiburg) (DP) 3623 D Wittrock (SPD) . . . . . . . 3624 C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . 3625 B Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (11. ÄndG LAG) (Drucksache 964) — Erste Beratung - 3626 B Entwurf eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung (Getreidepreisgesetz 1959/1960) (Drucksache 960) — Erste Beratung — . . . . . . . . 3626 B Antrag betr. Beschäftigung von Schwerbeschädigten im Bundesdienst (SPD); Schriftlicher Bericht des Kriegsopferausschusses (Drucksachen 674, 886) . . . . . . . 3626 B Antrag betr. Schlußnovelle für das Gesetz zu Art. 131 GG (DP); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksachen 432, 906) 3626 C Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der SPD betr. Arbeitszeit der Bundesbeamten; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache 907, Umdruck 197) . . . . 3626 D Antrag betr. Gesetzesvorlage über die Gewährung von Berufsausbildungs- und Erziehungsbeihilfen (SPD); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen (Drucksachen 459, 927) . 3626 D Frau Keilhack (SPD) 3626 D Frau Dr. Wülker, Staatssekretärin 3627 D Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Zustimmung zur Überlassung junger Anteile an gesellschaftlichen Unternehmungen, hier: Kapitalbeteiligung des Landes Berlin an der Gemeinnützigen Wohnungsbau-AG Groß-Berlin (Gewobag); Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksachen 804, 895) . . . . 3628 D Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1956 — Einzelplan 20 — (Drucksache 883) . . . . . . . 3629 A Antrag betr. Musterung des Geburtenjahrgangs 1922 (SPD) (Drucksache 868) Wienand (SPD) . . . . . . . . 3629 B Strauß, Bundesminister . . 3630 D, 3634 C Schultz (FDP) . . . . . . . . 3634 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 3634 D Entwurfeiner Fünften Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Flaschenweine, Bergbaumaschinen, Gleisbaumaschinen usw.); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 966, 955) 3635 D Nächste Sitzung 3635 D Anlagen 3637 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. April 1959 3583 68. Sitzung Bonn, den 8. April 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 9. 4. Altmaier 20. 4. Dr. Baade 10. 4. Bauer (Wasserburg) 9. 4. Bausch 9. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 18. 4. Birkelbach 9. 4. Fürst von Bismarck 9. 4. Frau Dr. Bleyler 11. 4. Brand 10. 4. Dr. Brecht 11. 4. Dr. Dehler 8. 4. Demmelmeier 9. 4. Döring (Düsseldorf) 9. 4. Frau Eilers (Bielefeld) 8. 4. Dr. Elbrächter 9. 4. Dr. Friedensburg 12. 4. Geiger (München) 9. 4. Frau Geisendörfer 1. 5. Glüsing (Dithmarschen) 9. 4. Dr. Görgen 7. 5. Graaff 10. 4. Dr. Greve 11. 4. Dr. Gülich 9. 4. Höfler 9. 4. Dr. Huys 10. 4. Jacobs 15. 4. Jahn (Frankfurt) 11. 7. Jahn (Stuttgart) 10. 4. Jaksch 30. 4. Kalbitzer 10. 4. Frau Kalinke 9. 4. Frau Kipp-Kaule 9. 4. Dr. Kopf 9. 4. Kraus 10. 4. Kühn (Köln) 9. 4. Lenze (Attendorn) 12. 4. Lohmar 31. 5. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 4. Margulies 8. 4. Matthes 1. 5. Odenthal 1. 5. Ollenhauer 9. 4. Dr. Preusker 11. 4. Dr. Ratzel 8. 4. Frau Dr. Rehling 9. 4. Rehs 10. 4. Frau Rösch 10. 5. Scharnowski 10. 4. Scheel 8. 4. Dr. Schmidt (Gellersen) 9. 4. Schneider (Hamburg) 8. 4. Dr. Schneider (Lollar) 12. 4. Frau Dr. Schwarzhaupt 9. 4. Stahl 4. 5. Dr. Stammberger 8. 4. Dr. Steinmetz 9, 4. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Storch 9. 4. Wagner 9. 4. b) Urlaubsanträge Dr. Arndt 17. 4. Berendsen 31. '7. Bergmann 17. 4. Dr. Birrenbach 19. 4. Dewald 30. 4. Enk 19. 4. Frehsee 30. 4. Höcker 18. 4. Dr. Jordan 15. 4. Dr. Kreyssig 18. 4. Leber 30. 4. Dr. Lindenberg 18. 4. Mensing 18. 4. Merten 9. 5. Pelster 29. 4. Rasch 27. 4. Schneider (Bremerhaven) 18. 4. Dr, Starke 18. 4. Anlage 2 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dewald zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesevakuiertengesetzes (Drucksache 889). Der 2. Bundestag hat kurz vor der Beendigung der Legislaturperiode ein „Erstes Änderungsgesetz zum Bundesevakuiertengesetz" verabschiedet. Das neue Gesetz brachte vor allem eine Erweiterung des Personenkreises der rückkehrberechtigten Evakuierten, da es auch Evakuierten aus Gebieten, die außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes in der Evakuierung leben, die rechtlichen Möglichkeiten der Rückkehr zugestand. Man rechnete damit, daß etwa 70 000 Evakuierte von den neuen Möglichkeiten Gebrauch machen und sich registrieren lassen würden. Abschließende Zahlen sind noch nicht vorhanden; doch dürfte feststehen, daß die angenommene Zahl nicht erreicht wird. Wenigstens lassen die bis jetzt vorliegenden Zahlen diesen Schluß zu. Die Gesamtzahl der noch zurückzuführenden Evakuierten wurde bei dem Erlaß des Änderungsgesetzes auf rund 350 000 geschätzt, davon zwei Drittel sogenannte Binnenevakuierte und ein Drittel Evakuierte, die von Land zu Land zurückzuführen sind. In der Zwischenzeit haben sich neue Gesichtspunkte ergeben. Nach den Mitteilungen der Evakuiertenstellen der Länder ist es notwendig, zwei Maßnahmen durchzuführen: nämlich den Evakuierten, die durch die Erleichterungen des Ersten Änderungsgesetzes die Möglichkeit der Rückführung erhalten kaben, eine nochmalige Anmeldefrist zu eröffnen und darüber hinaus eine neue Gesamt- 3638 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. April 1959 registrierung vorzunehmen, um endlich ein wirkliches zahlenmäßiges Bild über die tatsächliche Rückkehrwilligkeit der Evakuierten zu erhalten. Durch die lange Dauer der Evakuierung haben sich viele Evakuierte an ihrem Zufluchtsort „eingelebt".Von den Evakuiertenstellen wird erklärt, daß entweder ein echter Rückkehrwille nicht mehr vorhanden ist oder daß der Rückkehrwille durch verschiedene Umstände so behindert ist, daß in absehbarer Zeit an die Rückführung nicht gedacht werden kann. Die Schätzungen über die aus den angeführten Gründen nicht zurückzuführenden Evakuierten schwanken zwischen 20 und 50 %. Eine Sicherheit ist jedoch nicht gegeben. Diese kann nur durch eine neue Maßnahme, wie sie das vorliegende Zweite Änderungsgesetz vorsieht, erlangt werden. Der jetzige ungewisse Zustand bereitet der Verwaltung große Schwierigkeiten. Sie muß bei der Zuteilung der Rückführung in für Evakuierte bestimmte Wohnungen unterscheiden zwischen solchen, die rückführbar sind, und solchen, die es nicht sind. Das erfordert Zeit und unnötige Verwaltungsarbeit, Planungen werden behindert. Es besteht also die unbedingte Notwendigkeit, zu einer Bereinigung des Evakuiertenregisters zu kommen. Die Evakuierten müssen deshalb aufgerufen werden, ihren Rückkehrwillen endgültig zu erklären oder sich im Evakuiertenregister streichen zu lassen. Das letztere hat zur Folge, daß sie aus der Rückführung ausscheiden und ein wirklicher Überblick über das Gesamtproblem erzielt wird. Die Evakuierten haben durch das Bundesevakuiertengesetz gewisse Rechte erworben; eine ersatzlose Streichung im Evakuiertenregister wäre deshalb eine Rechtsbeschneidung, die nicht stattfinden darf. Die Evakuiertenstellen der Länder machen immer wieder die Erfahrung, daß viele Evakuierten, denen die Rückführung vermittelt wurde, darauf verzichten mußten, weil sie die geforderten Mietpreise nicht aufbringen konnten. Das sind die sozial Schwächsten; und das dürfte heute die überwiegende Mehrheit der Evakuierten sein. Die wirtschaftlich Stärkeren und die aus anderen Gesetzen Berechtigten haben großenteils von der Rückführungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Die vorstehenden Verhältnisse haben sich im Laufe der Zeit entwickelt. Es muß bedacht werden, daß viele Evakuierte sich seit 14 bis 16 Jahren an ihrem Zufluchtsort befinden. Änderungen im Familienstand sind eingetreten, die Erwerbsfähigkeit ist verlorengegangen, die Zahl der Rentner und Fürsorgeberechtigten ist gestiegen. Das Gesamtbild hat sich verändert, und es wird sich weiter verändern, je länger die Rückführung sich verzögert. Es erweist sich als notwendig, den geänderten Verhältnissen Rechnung zu tragen. Wer an seinem Zufluchtsort eine Ersatzheimat gefunden hat, wer sich nicht mehr die Kraft zutraut, an seinem Ausgangsort neu anzufangen, dem muß die Möglichkeit geboten werden, an seinem Zufluchtsort zu verbleiben. Zu einer Entscheidung werden die Betreffenden aber nur dann kommen, wenn ihnen die für die Rückkehr in den Ausgangsort gewährten Vergünstigungen am Zufluchtsort gewährt werden. Das kann beispielsweise durch die Zuweisung einer besseren Wohnung am Zufluchtsort geschehen, wobei darauf verwiesen werden darf, daß Wohnungen auf dem Lande billiger zu erstellen sind als in den Ausgangsorten, woher die Mehrheit der Evakuierten kommt. In einer Reihe von Länderministerien haben diesbezügliche Überlegungen stattgefunden und zu den angeführten Schlüssen geführt. Es ist zu hoffen, daß, wenn die im Zweiten Änderungsgesetz zum Bundesevakuiertengesetz vorgeschlagenen Maßnahmen die Zustimmung des Bundestages finden, eine endgültige Lösung dieser an sich begrenzten Aufgabe heranreift und das vom Bundestag und der Bundesregierung erklärte Ziel, dieses Problem im Laufe von drei Jahren zu lösen, erreicht wird. Der Gesetzentwurf erfordert nicht die Bereitstellung zusätzlicher Etatmittel. Die in § 9 des Gesetzentwurfs genannten Zahlen sind bereits eingeplant. Die im Änderungsgesetz vorgeschlagene Fassung soll die Möglichkeit der Erweiterung des Verwendungszwecks herbeiführen. Die angestrebte Bereinigung des Evakuiertenregisters wird dazu die Möglichkeit bieten. Der Vorschlag, den Evakuierten, die ihren Zufluchtsort als bleibenden Aufenthalt wählen, bei Erlangung einer besseren Wohnung die Umzugskosten zu erstatten, erscheint als eine billige Forderung, da ja bei der Rückkehr der Evakuierten in ihren Ausgangsort die Kosten der persönlichen und sachlichen Rückführung zu tragen sind. Ähnlich verhält es sich mit dem Vorschlag, den aus der SBZ zurückkehrenden Evakuierten, denen die Mitnahme ihres Hausrates verweigert wird — derartige Fälle liegen nach den Meldungen der Evakuiertenstellen bereits vor —, eine Entschädigung für den Hausrat zu gewähren. Dieses Verlangen ist um so billiger, als dabei die Transportkosten für den Hausrat entfallen und die ersparten Mittel dem Betreuungszweck zugeführt werden können. Die sonstigen im Bundesevakuiertengesetz angeführten Betreuungsmaßnahmen, die bei der Rückkehr in den Ausgangsort innerhalb eines gewissen Zeitraums gewährt werden, auch jenen Evakuierten zu gewähren, die ihren Zufluchtsort zum dauernden Aufenthalt wählen, erscheint sinnvoll und voll vertretbar. Die Bestimmung betreffend den Stichtag, die der Entwurf vorschlägt, ist im Hinblick auf die außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes wohnenden Evakuierten, insbesondere jener aus der SBZ, angebracht, da sie um die Einhaltung der Stichtage nicht besorgt sein konnten. Der übrige Inhalt der vorgeschlagenen Änderungen dient der technischen Durchführung. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hansing Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. April 1959 3639 (Fragestunde der 66. Sitzung vom 18. 3. 1959, Drucksache 930, Frage 24): Entsprechen Zeitungsmeldungen den Tatsachen, daß in den Kasematten einer griechischen Festung bei Saloniki die Gebeine von 700 gefallenen deutschen Soldaten in ausgedienten US-Munitionskisten aufgestapelt sind? Wenn ja, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, diesen unwürdigen Zustand schnellstens zu beseitigen? Es ist dem Auswärtigen Amt seit 1956 bekannt, daß die Gebeine von 699 deutschen Kriegstoten auf dem auf Anweisung griechischer Behörden aufgelösten ehemaligen deutschen Soldatenfriedhof Piläa bei Saloniki exhumiert und provisorisch aufbewahrt wurden. Da ein Kriegsgräberabkommen, um dessen Zustandekommen sich die Bundesregierung zusammen mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. seit 1954 bemüht, nicht besteht, konnte die Bestattung dieser Toten an anderer Stelle in Griechenland bisher nicht ermöglicht werden. Eine Überführung in die Bundesrepublik hätte die griechische Regierung zu der Forderung auf Überführung sämtlicher deutscher Kriegstoter in Griechenland veranlassen können. Dadurch wäre unter Umständen ein Präzedenzfall für andere Regierungen gegeben. Deshalb konnten bisher weder die Bundesregierung noch der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge etwas für die genannten Toten tun. Das am 26. Juli 1958 in Athen paraphierte deutschgriechische Kriegsgräberabkommen, mit dessen Unterzeichnung in Kürze zu rechnen ist, schafft die Voraussetzungen für die Zusammenbettung der in Griechenland, auf Kreta und den anderen griechischen Inseln weit verstreut ruhenden etwa 15 000 deutschen Gefallenen auf 2 große deutsche Soldatenfriedhöfe bei Athen und auf Kreta. Mit den Umbettungen, auch der zur Zeit in einem Depot der griechischen Armee liegenden 699 Toten, auf die neuen Anlagen beginnt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge im Einvernehmen mit der Bundesregierung und den zuständigen griechischen Stellen voraussichtlich schon im April dieses Jahres. Inzwischen wird der Volksbund die sofortige Umbettung der Gebeine in. Sarkophage veranlassen und für eine sichere Unterbringung bis zur Einbettung in die neue Ehrenstätte bei Athen sorgen. van Scherpenberg Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers des Innern auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Mommer (Fragestunde der 66. Sitzung vom 18. 3. 1959, Drucksache 930, Frage 25) : Wäre die Bundesregierung bereit, dem Bundestag einen Gesetzentwurf über den näheren Inhalt des Asylrechts (Artikel 16 GG) zuzuleiten? Das Grundrecht des Asyls nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG soll den Ausländer vor einer Verfolgung aus politischen Gründen durch die Behörden eines anderen Staates schützen. Dieser Schutz besteht darin, daß die Bundesrepublik von ihrer Befugnis, fremden Staatsangehörigen die Einreise und den Aufenthalt in ihrem Staatsgebiet zu versagen oder sie an den Staat, von dem die Verfolgung ausgeht, auszuliefern, keinen Gebrauch macht. Das Grundrecht des Asyls bindet nach Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar die Verwaltungsbehörden und die Gerichte; es muß daher von den Behörden und Gerichten, die über den Erlaß eines Aufenthaltsverbotes oder die Zulässigkeit und die Bewilligung der Auslieferung entscheiden, beachtet werden. Wegen der Verfassungskraft des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG und des Fehlens einer entsprechenden Ermächtigung im GG ist der Bundesgesetzgeber nicht befugt, den Inhalt des Asylrechts näher zu bestimmen. Die Auslegung muß vielmehr letztlich der Rechtsprechung überlassen werden. Bemerkenswerte Schwierigkeiten sind hierbei meines Wissens bisher nicht aufgetreten. Da im übrigen die Rechtsgebiete der Ausweisung und der Auslieferung sowie das Verfahren hierfür in der auch heute noch anwendbaren Ausländerpolizeiverordnung vom 22. August 1938 (RGBl. I, 1053) und im deutschen Auslieferungsgesetz vom 23. Dezember 1929 (RGBl. I, 239; 1930 I, 28) in der Fassung vom 12. September 1933 (RGBl. I, 618) gesetzlich geregelt sind, besteht nach Auffassung der Bundesregierung kein Bedürfnis, dem Bundestag einen Gesetzentwurf über das Asylrecht vorzulegen. Dr. Schröder Anlage 5 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Bennemann (Fragestunde der 66. Sitzung vom 18. 3. 1959, Drucksache 930, Frage 29) : Was hat die Bundesregierung bei ihrer Bemühung um Freilassung des gegen den Willen der Erziehungsberechtigten in der Fremdenlegion festgehaltenen Ralf Drewes aus Braunschweig, Schunterstr. 57, in Paris erreicht? Welche Schritte hat die Bundesregierung nach dem Beschluß des Bundestages vom November 1958 bisher unternommen, um eine vertragliche Regelung mit der Französischen Republik zu treffen, daß deutsche Staatsangehörige, die noch nicht durch Vollendung des 21. Lebensjahres die Volljährigkeit erreicht haben, nicht gegen den Willen der Erziehungsberechtigten bei der Fremdenlegion festgehalten werden dürfen? Die im Falle Drewes im Auftrage des Auswärtigen Amts von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Paris bei dem französischen Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten erhobenen Vorstellungen haben noch nicht zu einer Entlassung des Legionärs geführt. Die Erörterungen auf diplomatischem Wege sind noch nicht abgeschlossen. Die Botschaft wurde gebeten, sich dieses Falles besonders anzunehmen. Im Hinblick auf den Beschluß des Bundestages vom 30. Januar 1959 ist die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Paris inzwischen an das französische Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten mit dem Vorschlage herangetreten, Verhandlungen aufzunehmen über die Freistellung solcher deutscher Staatsangehöriger vom weiteren Dienst in der Fremdenlegion, die als nach deutschem Recht Minderjährige ohne Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter sich zum Dienst in der Legion verpflichtet haben. Die Antwort von französischer Seite steht noch aus. 3640 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn. Mittwoch, den 8. April 1959 Ob mit einem positiven Abschluß dieser Verhandlungen gerechnet werden kann, ist im Augenblick noch nicht zu übersehen. van Scherpenberg Anlage 6 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Bennemann (Fragestunde der 66. Sitzung vom 18. 3. 1959, Drucksache 930, Frage 30) : Ist eine Änderung der geltenden Richtlinien (vom 17. Oktober 1951) zur Gewährung von Bundesbelhilfen zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge beabsichtigt? Die Bundesbeihilfen zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge werden auf Grund der Richtlinien vom 17. Oktober 1951 gewährt, wenn in besonderen Fällen die satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen der betrieblichen Altersfürsorge nur zum Teil oder gar nicht gezahlt werden können. Mit dieser Regelung sollten gewisse Härten gemildert werden, die durch die Einschränkung bzw. den Wegfall dieser betrieblichen Leistungen eingetreten sind. Viele der zunächst beteiligten Betriebe können inzwischen ihre Verpflichtungen aus eigener Kraft erfüllen. Auch haben sich die Einkommensverhältnisse der in Betracht kommenden Personen durch die Rentenreform wesentlich gebessert. Ich lasse gegenwärtig prüfen, ob trotz der allgemeinen Anhebung der Einkommen im Einzelfall noch Notstände vorliegen, die einer Abhilfe bedürfen. Ein abschließendes Ergebnis liegt noch nicht vor. Sollte es sich erweisen, daß nicht vertretbare Härten vorhanden sind, so werde ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen im Rahmen der Richtlinien das Erforderliche veranlassen. Blank Anlage 7 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Eichelbaum (Fragestunde der 66. Sitzung vom 18. März 1959, Drucksache 930, Frage 36) : Sind der Bundesregierung die Schwierigkeiten bekannt, mit denen die aus der SBZ geflüchteten Wissenschaftler bei ihrer Eingliederung in der Bundesrepublik zu kämpfen haben, und wenn ja, welche Maßnahmen sind von der Bundesregierung zu deren Behebung getroffen worden? 1958 sind 410 Wissenschaftler aus Mitteldeutschland durch die Notaufnahme gegangen. Von diesen gehörten 168 den Lehrkörpern der Hochschulen an — darunter 51 Professoren. 242 waren wissenschaftliche Assistenten und Mitarbeiter der Hochschulen, Akademien und Forschungsinstitute. Von diesen 410 Wissenschaftlern kamen allein 305 von den 6 Universitäten, der Technischen Hochschule Dresden und der Bergakademie Freiberg. Es handelt sich hierbei um Mindestzahlen. Da eine Melde- pflicht für Flüchtlinge nicht besteht, wenden diese sich nicht selten erst nach Monaten an die Notaufnahmestellen. Diese Flüchtlinge erhalten bei Bedarf zunächst vom Hochschulverband eine Überbrückungshilfe. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft leistet den hierzu geeigneten Kräften durch Vergabe von Forschungsbeihilfen ebenfalls eine sehr dankenswerte Hilfe. Die größte Schwierigkeit bei der Eingliederung besteht aber in dem Mangel an Planstellen an unseren Hochschulen. Der Bund verfügt über keine direkten Einwirkungsmöglichkeiten auf die Universitäten. Aber auch die Länder sind durch die Autonomie und das Berufungsrecht der Fakultäten in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt, Die Lösung des Problems der Eingliederung der Wissenschaftler in unser Hochschulleben kann demnach nur im Zusammenwirken von Bund, Ländern und Hochschulen erfolgen. Um diese Schwierigkeiten herabzumindern, hat das Bundeskabinett auf meinen Antrag beschlossen, den Ansatz des früheren Titels 626 — jetzt 614 c — des Herrn Bundesministers des Innern von 3 auf 5 Mio anzuheben. Der Mehrbetrag soll den Ländern die Möglichkeit geben, auf Antrag der Hochschulen zusätzliche Dozenten- und Assistentenstellen zu schaffen. Diese sollen mit qualifizierten Flüchtlingen aus der SBZ besetzt werden. Die von der Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen steigern die Möglichkeit, die Eingliederung durchzuführen. Ich hoffe zuversichtlich, daß es Bund und Ländern in Zusammenarbeit mit den Hochschulen gelingen wird, in absehbarer Zeit auch die letzten Schwierigkeiten bei der Lösung dieses Problems zu überwinden. Dr. Oberländer Anlage 8 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Eichelbaum (Fragestunde der 66. Sitzung vom 18. 3. 1959, Drucksache 930, Frage 37): Ist der Bundesregierung bekannt, ob und gegebenenfalls welche Aktionen von sowjetzonalen Stellen unternommen werden. um die Eingliederung geflüchteter Wisenschaftler in das Hochschulleben der Bundesrepublik zu stören? Die SED versucht auf unsere Hochschulen einen Einfluß auszuüben, indem sie sich bemüht, die geflüchteten Wissenschaftler durch Verbreitung von Gerüchten systematisch zu diffamieren. Mir sind Fälle bekannt, in denen versucht wurde, geflüchteten Hochschullehrern Unredlichkeiten verschiedener Art anzulasten. Einem bekannten Professor wurde z. B. nachgesagt, daß er 27 Bücher unterschlagen habe, einem anderen werden Unstimmigkeiten bei der Abrechnung von Reisekosten vorgeworfen. In wieder einem anderen Falle suchte man einen namhaften Wissenschaftler durch eine entstellte Darstellung seines Privatlebens zu diskreditieren. Wie diese Aktionen im einzelnen durchgeführt werden, ist ebenfalls bekannt. Die SED hat versucht, einige der im vergangenen Jahr geflüchteten Wissenschaftler zum Schreiben solcher, wie eben beschriebener Briefe an Kollegen westdeutscher Hochschulen zu zwingen, in der Absicht die Eingliederung geflüchteter Wissenschaftler unmöglich zu machen. Die Parteileitungen der SED an den Hochschulen suchen sich hierbei besonders bekannter Hochschullehrer zu bedienen, an deren Wort die Kollegen in der Bundesrepublik bisher keinen Anlaß zu zweifeln hatten. Die SED hat schließlich die Hochschulen der SBZ angewiesen, geflüchteten Wissenschaftlern die akademischen Grade und Würden abzuerkennen, um deren Eingliederung in das berufliche Leben in der Bundesrepublik zu verhindern. Dr. Oberländer Anlage 9 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Pohle (Fragestunde der 66. Sitzung vom 18. 3. 1959, Drucksache 930, Frage 39) : Wie hoch sind nach dem gegenwärtigen Stande des Bundesversorgungsgesetzes die Versorgungsbezüge eines verheirateten kriegsblinden Ohnhänders a) mit drei Kindern unter 14 Jahren, b) mit zwei Kindern unter 14 Jahren? Wie hoch würden die Versorgungsbezüge zu a) und b) sein falls der Referentenentwurf zur Neuordnung der Kriegsopferversorgung mit seinen Vorschlägen Gesetz wird? Nach geltendem Recht erhält ein verheirateter kriegsblinder Ohnhänder an Versorgungsbezügen im Falle b) im Falle a) der Anfrage der Anfrage (3 Kinder unter 14 Jahren) : (2 Kinder unter 14 Jahren) : Grundrente 140,- DM 140,- DM Ausgleichsrente 235,- DM 235,- DM Kindergeld 30,- DM Sozialzuschlag 20,- DM 20,- DM Pflegezulage 275,- DM 275,- DM Übertrag 700,- DM 670,- DM im Falle b) im Falle a) der Anfrage der Anfrage (3 Kinder unter 14 Jahren) : (2 Kinder unter 14 Jahren) : Übertrag 700,- DM 670,- DM Pauschbetrag für Kleider- und Wäscheverschleiß 15,- DM 15,- DM Führhundzulage 30,- DM 30,- DM 745,- DM 715,- DM Nach dem Referentenentwurf des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Kriegsopferversorgung würde dieser Beschädigte erhalten: im Falle b) im Falle a) der Anfrage der Anfrage (3 Kinder unter 14 Jahren): (2 Kinder unter 14 Jahren) : Grundrente 150,- DM 150,- DM Ausgleichsrente 250,- DM 250,- DM Ehegattenzuschlag 25,- DM 25,- DM Kinderzuschläge 120,- DM 80,- DM Pflegezulage 275,- DM 275,- DM Pauschbetrag für Kleider- und Wäscheverschleiß 15,- DM 15,- DM Führhundzulage 30,- DM 30,- DM 865,- DM 825,- DM Der Gesetzentwurf läßt zudem unter bestimmten Voraussetzungen die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs zu. Dieser Ausgleich beträgt in der niedrigsten Stufe 50,- DM, in der höchsten Stufe 400,- DM. Nach geltendem Recht ist die Berücksichtigung eines beruflichen Schadens bei einem Erwerbsunfähigen nicht möglich, weil dieser Schaden nach § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG durch die Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit auszugleichen ist. Diese Erhöhung kann jedoch nicht mehr vorgenommen werden, wenn der Beschädigte bereits aus einem anderen Grunde erwerbsunfähig ist, da das Bundesversorgungsgesetz als höchsten Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit die Erwerbsunfähigkeit ansieht. Blank
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Joseph Illerhaus


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten in diesem Fall an der Vereinbarung festhalten und den Gesetzesantrag federführend vom Ausschuß für Mittelstandsfragen behandeln lassen. Den Wirtschaftsausschuß passieren so viele Gesetze. Man kann nicht jedesmal sagen: Hier werden die Interessenten selbst gebeten, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. So kann man es, glaube ich, nicht gut sagen. Ich bin der Meinung, wir sollten hier den Ausschuß für Mittelstandsfragen als federführenden Ausschuß und den Wirtschaftsausschuß als mitberatenden Ausschuß einsetzen. Ich bin davon überzeugt, daß beide Ausschüsse, vor allen Dingen, wenn die ersten Dinge einmal abgeklärt sind, in gemeinsamer Beratung ein Ergebnis finden werden.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Keine weiteren Wortmeldungen. Dann müssen wir abstimmen. Ich kann nicht gut anders verfahren ,als so, daß ich frage: Wer ist für die Überweisung an den Ausschuß für Mittelstandsfragen als federführenden Ausschuß? — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. Also federführender Ausschuß ist der Ausschuß für Mittelstandsfragen, mitberatender Ausschuß ist der Wirtschaftsausschuß.
Zur Begründung des Antrags unter Punkt 3b der Tagesordnung hat das Wort der Abgeordnete Lange.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erwin Lange


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag auf Drucksache 712 betreffend Bericht über die Lage der Mittelschichten wird zum dritten Male seit dem Bestehen des Bundestages eine Debatte über das Problem der Mittelschichten eingeleitet. Ich darf daran erinnern, daß die erste Debatte dieser Art im Jahre 1952 stattgefunden hat. Sie wurde damals durch Anträge der Parteien der Regierungskoalition eingeleitet, so daß man eigentlich vermuten konnte, die Parteien, die die Regierung trügen, stünden zur Politik ihrer Regierung in Opposition und machten — berechtigterweise — auf eine Menge von Unzulänglichkeiten in der Politik und in den Folgen dieser Politik aufmerksam.
    Die zweite Debatte haben wir im Jahre 1955 geführt. Die Ergebnisse sind bis zur Stunde auch nicht befriedigend. Man kann nicht sagen, daß das, was 1955 als praktisch unerledigter Sachverhalt aus dem Jahre 1952 aufgegriffen wurde, nach der Debatte vom 16. Dezember 1955 im Verlauf der zweiten Legislaturperiode erledigt worden wäre. Die Probleme stehen nach wie vor an.
    Heute wird wiederum eine solche Debatte eingeleitet, diesmal durch den Antrag auf Drucksache 712, den die sozialdemokratische Bundestagsfraktion einbringt.
    Ich darf weiter darauf verweisen, daß die Bundesregierung in ihrer Regierungserklärung vom Jahre 1957 sich sehr deutlich zur gesellschaftspoliti-



    Lange (Essen)

    schen und volkswirtschaftlichen Bedeutung der Mittelschichten bekannt hat. Der Bundeskanzler führte in seiner Regierungserklärung aus:
    Weite Schichten der Bevölkerung, die der Mittelklasse angehören, bedürfen der Sorge des Staates. Sie sind hinter anderen Schichten zurückgeblieben. Wir brauchen aus staatspolitischen und aus kulturpolitischen Gründen unbedingt eine gesunde mittlere Schicht. Wir wollen nicht, daß schließlich bei immer größerer Konzentration der Wirtschaft zu Großbetrieben das Volk aus einer kleinen Schicht von Herrschern über die Wirtschaft und einer großen Klasse von Abhängigen besteht. Wir brauchen unabhängige mittlere und kleine Existenzen im Handwerk, Handel und Gewerbe. Dafür soll das Wirtschaftsministerium sargen. Wir brauchen das gleiche in der Landwirtschaft. Für sie soll der Landwirtschaftsminister Sorge tragen. Wir brauchen die anderen freien Berufe. Wir brauchen die Anerkennung und den Aufstieg von Angestellten in den Großbetrieben. Die Wahrung ihrer Interessen und die Sorge für sie fällt in den Bereich dieses erweiterten Ministeriums.
    So weit, so gut!
    Ähnliches, meine Damen und Herren, haben wir im Grunde genommen schon in der Regierungserklärung des Jahres 1953 gehört. Damals hieß es — auch wieder in den Ausführungen des Bundeskanzlers —:
    Die besondere Aufmerksamkeit der Bundesregierung wird weiterhin der Schaffung selbständiger Existenzen in Handwerk, Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft gelten müssen.
    Wenn man sich diese Versprechungen aus den Regierungserklärungen vergegenwärtigt, fragt man sich, wie weit sie verwirklicht worden sind.
    Ich darf daran erinnern, daß während des Wahlkampfes 1957 verantwortliche Leute der Koalitionsparteien, also der Christlich-Demokratischen Union und der Christlich-Sozialen Union und nicht zuletzt auch vom Bundeskanzler, darauf hingewiesen haben, daß man zuerst einmal eine Periode des wirtschaftlichen Aufbaus brauche. Dabei habe man die kleineren und mittleren Selbständigen nicht in entsprechender Weise berücksichtigen können, aber man wolle die nächsten vier Jahre dazu nutzen, das in den vorausgegangenen acht Jahren, also den ersten beiden Legislaturperioden, Versäumte nachzuholen.
    Nun, wie sieht das aus? Darüber wird man sich auch noch unterhalten müssen. Es hat sich ja auch nicht von ungefähr ergeben, daß der Antrag auf Drucksache 702 der CDU/CSU und der DP eingebracht worden ist, der Antrag, der sich auf die wirtschaftliche Konzentration bezieht. Der Hinweis des Kollegen Illerhaus auf die anstehende Konzentrationsdebatte als einen Teil auch einer sogenannten Mittelstandsdebatte, wie er es sagte, hat sich vermutlich auch nicht von ungefähr ergeben. So werden also etliche kritische Anmerkungen zu diesen Aussagen, zu diesen Absichten, zu diesen Versprechen zu machen sein.
    Die Opposition hat - ich will sie jetzt nicht wörtlich zitieren — 1953 auf die gesellschafts- und wirtschaftspolitische Bedeutung kleiner und mittlerer selbständiger Existenzen im Handwerk, im Handel, im übrigen Gewerbe einschließlich der kleineren und mittleren Industrie und in den freien Berufen hingewiesen. Sie hat die Bundesregierung damals in ihrem Wollen um Förderung unterstützt, hat sie aufgefordert, ihr Wollen zu verwirklichen.
    Das hat dann so ausgesehen, daß man, wie ich vorhin zitierte, 1957 in der Regierungserklärung noch einmal auf die Notwendigkeit der Förderung und der Unterstützung der Selbständigen hinweisen mußte. Die Opposition hat sich 1957 ebenfalls erneut sehr eindeutig zu der gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Bedeutung der Selbständigen bekannt, hat die Regierung aber gleichzeitig auf ihre Versäumnisse aufmerksam gemacht und hat ganz bestimmte Fragen an die Regierung gestellt, die ich jetzt im einzelnen nicht wiederholen will. Sie finden sich gleichzeitig in der Begründung unseres Antrages wieder.
    Die Bundesregierung — ich muß es anders sagen: nicht die Bundesregierung, sondern in diesem Falle die Regierungspartei CDU auf ihrem Parteitag in Kiel 1958 — hat darüber hinaus durch den Mund ihrer Mitglieder Etzel und Erhard noch einmal auf die besondere Bedeutung der hier in Rede stehenden Gruppen hingewiesen

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    — Vorsicht, nicht vorzeitig „Sehr richtig!" rufen!
    — und darauf, daß es sich hier nicht nur um ein wirtschaftspolitisches Problem handle, sondern um
    ein soziologisches, um ein gesellschaftspolitisches und in gewissem Sinne auch um ein psychologisches Problem handle.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Genau richtig!)

    — Genau richtig! Ich frage nur: was ist bis zur Stunde geschehen?
    Der Bundeswirtschaftsminister Professor Erhard hat sich immer wieder als den Mittelstandsminister bezeichnet. Er hat seine besondere Fürsorge den kleinen und mittleren Selbständigen zugesagt und versprochen. Er hat das auch noch einmal bei der Einweihung des neuen Gebäudes der Industrie- und Handelskammer in Essen getan.
    Was ist aber bis zur Stunde geschehen? Die Bundesregierung hat entsprechend einer Zusage, die sie in der vorjährigen Haushaltsdebatte am 3. Juli 1958 gemacht hat, eine „Unterrichtung der Abgeordneten des Deutschen Bundestags über Fragen des gewerblichen Mittelstandes" vorgelegt. Ich bin nicht sicher, ob diese in Drucksache 698 vorliegende Unterrichtung gewissermaßen ein Rechenschaftsbericht der Bundesregierung für das sein soll, was bisher geschehen ist. Weil diese Drucksache jedenfalls hier im Hause zur gleichen Zeit aufgelegt worden ist -
    sie ist von der Bundesregierung zwar mit dem 27. November datiert —, als unser Antrag hier eingebracht wurde, bin ich auch nicht ganz sicher, ob diese Unterrichtung so eine Art Antwort auf den Antrag betreffend die Lage der Mittelschichten sein soll. Es wäre sehr reizvoll, schon heute die Unter-



    Lange (Essen)

    richtung in ihren einzelnen Darstellungen zu durchleuchten, um aufzuzeigen, was die Bundesregierung getan hat und was sie zusätzlich als von ihr getan für sich in Anspruch nimmt, wobei es sich aber um Initiativen aus den betroffenen Kreisen handelt.
    Ich führe diese Dinge nur an, um darzutun, daß bis zur Stunde - das haben auch die Debatten im Ausschuß für Mittelstandsfragen um die Kreditversorgung und darüber hinaus um andere Probleme gezeigt — keine befriedigende Lösung dieser Fragen eingetreten ist. Die Bundesregierung ist 1957 in der Aussprache aufgefordert worden, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, die bis jetzt nicht ergriffen worden sind.
    Bevor ich zu diesen kritischen Bemerkungen komme, noch ein anderes! Es ist gut, daß die Bundesregierung ihr Wort eingelöst hat, das sie am 3. Juli 1958 unabhängig davon gegeben hat, ob man zu diesem Bericht kritische Bemerkungen zu machen hat oder nicht. Für weniger gut und nützlich halte ich es allerdings, wenn seitens des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung die Drucksache 698 — ich weiß nicht in welcher Auflage — in der Form einer Broschüre im Format DIN A 5 im Umfang von 36 Seiten mit Umschlag herausgebracht und gewissermaßen auch als Leistungsbericht an alle interessierten Organisationen verschickt wird.
    Meine Damen und Herren, bei allen Auseinandersetzungen, die bis jetzt um das Problem „Mittelschichten" oder, wie es seitens der CDU/CSU bezeichnet wird, „Mittelstand" — Herr Schmücker kann sich noch nicht dazu verstehen, auf den „Stand" zu
    verzichten, und seine Kollegen bis zur Stunde auch nicht — stattgefunden haben, haben wir immer wieder festgestellt, daß wir im Hinblick auf konkrete Maßnahmen keine ausreichenden Unterlagen der soziologischen wie der wirtschaftlichen Sachverhalte haben, die uns in den Stand setzen, wünschenswerte Maßnahmen zu treffen, die allseitig erkannten Benachteiligungen dieser Gruppen in unserer höchst arbeitsteiligen Wirtschaft gegenüber den Großformen der Wirtschaft ausräumen. Weil das so ist, müssen wir uns auch einmal, wie ich glaube, darüber klarwerden, wie man eingrenzen muß, wen man darunter zu verstehen hat. Kollege Schmücker hat einmal dargetan, wer versuche, den Begriff zu definieren, versündige sich eigentlich schon gegen den Geist dieses Begriffs und treibe im Grunde genommen bereits keine entsprechende Politik mehr. Nun, das ist wohl eine sehr romantische Vorstellung von den Dingen, und darauf, Herr Kollege Schmücker, können wir beim besten Willen nicht eingehen. Sie sollten sich bemühen, von diesen romantischen Vorstellungen abzukommen.
    Um wen geht es denn in Wirklichkeit hierbei? Wir haben auf der einen Seite die wirtschaftlichen Großformen, die weitgehend den Ablauf der arbeitsteiligen Wirtschaft bestimmen. Wir haben auf der anderen Seite die abhängig Beschäftigten, die von diesen Großformen mittelbar und weitgehend — soweit sie darin beschäftigt sind — auch unmittelbar abhängig sind, abhängig Beschäftigte also, die praktisch nur ihre Arbeitskraft als Sicherung ihrer Existenz verwerten können.
    Wir haben zwischen diesen beiden diejenigen, die als Selbständige im Handwerk, im Handel, im übrigen Gewerbe einschließlich der kleinen und mittleren Industrie und in den freien Berufen dem Grunde nach ähnlich wie die Arbeiter ihre Berufserfahrungen und ihre Arbeitskraft verwerten müssen. Bei ihnen ergibt sich also eine eindeutige Parallele zu den Arbeitnehmern, und aus ihrer Situation der auf Berufserfahrung gegründeten Verwertung der Arbeitskraft resultiert die Tatsache der ungünstigeren wirtschaftlichen Stellung gegenüber den Großformen unserer Wirtschaft. Das ist wohl unbestritten.
    Als besonderes Merkmal kommt bei diesen Gruppen noch hinzu, daß sie über Arbeitseigentum verfügen. Sie sind nämlich nicht nur Eigentümer von Produktivkräften und Produktionsmitteln, sondern gleichzeitig auch die Besitzer; es ist hier kein anonymes Kapital vorhanden. Sie haben also neben der Arbeitskraft gleichzeitig Arbeitseigentum zur Verfügung, und auf der Verwertung der Berufserfahrung, ihrer Arbeitskraft und des Arbeitseigentums begründen sie ihre und ihrer Familie Existenz, sind aber in den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Merkmalen weitgehend ähnlich den Arbeitnehmern.

    (Abg. Schmücker: Das erzählen Sie ihnen mal! Da sind sie ganz anderer Auffassung!)

    — Gar nicht! Wir erzählen das ja! Das wird hier nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit gesagt! Es ist außerdem nicht so, Herr Schmücker, daß wir nicht in die Versammlungen der entsprechenden Organisationen hineingingen. Es ist also durchaus so, wie hier gesagt.
    Es kommt hinzu — vielleicht hätten Sie sich Ihren Zwischenruf sparen können —, daß diese Selbständigen über die Verwertung der Berufserfahrung und der Arbeitskraft hinaus von einer bestimmten Größenordnung ab, die von Wirtschaftszweig zu Wirtschaftszweig völlig verschieden ist, in einem gewissen Sinne Unternehmerfunktionen erfüllen, also auch eigene Initiativeentwickeln. Eigene Initiative hat jeder in dem Augenblick entwickelt, in dem er sich selbständig gemacht hat. Er hat damit ein zusätzliches Risiko auf sich genommen, das die abhängig Beschäftigten unmittelbar nicht trifft. Die Freiheit der Entscheidung ist aber nur bei dem ersten Schritt gegeben. Bei allen folgenden Schritten macht sich nämlich schon wieder die Verflechtung in die gesamtwirtschaftliche Abhängigkeit und die Abhängigkeit der arbeitsteiligen Wirtschaftsgesellschaft bemerkbar. Die kleineren und mittleren Unternehmungen, die kleineren und mittleren Existenzen sind also in ihren weiteren Entscheidungen weit weniger frei, als das manche romantisierenden Mittelstandspolitiker wahrhaben wollen.
    Außerdem muß man sich darüber klar sein, daß durch die technische Entwicklung und die dadurch bedingte wirtschaftliche Entwicklung Veränderungen in der Struktur unserer arbeitsteiligen Wirtschaft entstanden sind, daß gleichzeitig auch Veränderungen hinsichtlich der Bedeutung der einzel-



    Lange (Essen)

    nen Betriebe entstanden sind. Kleine und mittlere Betriebe sind heute weit weniger als früher unabhängige Produktionsbetriebe, sondern sind im wesentlichen — das haben wir an dieser Stelle schon einmal festgestellt — Zubringerbetriebe, Dienstleistungsbetriebe geworden. Damit ist nichts gegen ihre volkswirtschaftliche Bedeutung gesagt. Im Gegenteil liegt ihre volkswirtschaftliche Bedeutung darin, daß sie ganz bestimmte Aufgaben dieser Art in der Volkswirtschaft erfüllen, die die Großformen der Wirtschaft in der, sagen wir, wirtschaftlichsten Weise, wie das diese Größenordnungen von Betrieben vermögen, nicht erfüllen können.
    Aus der technischen Entwicklung ergeben sich also Veränderungen. Bestimmte Tätigkeiten sterben aus. Es erfolgt, wenn man so will, eine Abschichtung — um diesen Ausdruck einmal zu gebrauchen —, es erfolgt aber auf der anderen Seite eine Anschichtung durch das Schaffen neuer Tätigkeiten. Daraus ergibt sich die höchst dankbare Aufgabe für die für die Politik Verantwortlichen, hier in vorausschauender Weise entsprechende Hilfe zu leisten, damit auch in diese neuen Tätigkeiten entsprechende selbständige Existenzen hineinwachsen. Wenn man weiß, daß sich diese Umschichtungsprozesse und Veränderungen vollziehen, und wenn man gleichzeitig weiß, daß die Zahl der selbständigen Erwerbstätigen 15 bis 18 % der Erwerbstätigen beträgt und verhältnismäßig konstant ist, aber nicht personengleich, so daß sich daraus soziale Verschiebungen ergeben, so erkennt man auch darin wieder eine Aufgabe, die der Lösung bedarf. Man
    muß diese Dinge durchleuchten, um die sich aus den technischen Veränderungen und den wirtschaftlichen Veränderungen ergebenden Notwendigkeiten zu erkennen und entsprechende Maßnahmen treffen zu können, umsoziale Härten zu vermeiden, um gleichzeitig auch bestimmte Entwicklungen zu fördern.
    An dieser genannten technischen Entwicklung ist mit Sicherheit eines zu erkennen: eine fortschreitende Konzentration. Ich will damit jetzt nicht das Stichwort zu einer Konzentrationsdebatte geben. Ich will damit aber sagen, daß die technische Entwicklung einen Trend vom Kleinstbetriebe weg zu einer etwas größeren Betriebsform in sich birgt. Das können wir sehr deutlich bei der Entwicklung der Handwerksbetriebe feststellen; ich werde dazu noch einige Bemerkungen machen.
    Weil das so ist, muß man in den Bereich dessen, was als Mittelschichten anzusehen ist, all das einbeziehen, was zwischen den Arbeitnehmern auf der einen Seite und den Großformen unserer Wirtschaft, den anonymen Kapitalgesellschaften und den sie beherrschenden Kräften auf der anderen Seite steht. So möchte ich das Gebiet gesellschaftspolitisch umreißen. Ich will mich nicht wiederholen mit gesellschaftspolitischen Darlegungen über den Mittelstand und die Mittelschichten, über die ich in der Debatte vom Dezember 1955 gesprochen habe. In der Sache wird davon kein Wort zurückgenommen, sondern es wird in diesem Zusammenhang nur noch einmal unterstrichen, weil der Stand seinem Ursprunge nach anderen gesellschaftlichen Entwicklungsperioden angehört, die in die moderne
    Zeit, auch die der demokratischen Entwicklung, nicht hineinpassen. Deshalb wäre es nützlich, wenn man sich von dieser Seite her einmal zu einer anderen Denkweise verstehen könnte, ohne hinter unserem Anliegen weltanschauliche Gründe zu vermuten.
    Die sozialdemokratische Fraktion ist der Meinung, daß alle Maßnahmen, die in der Drucksache 698 aufgeführt sind, wenn man so will, punktuell sind, also nicht das Problem als Ganzes anpacken, sondern die dem Grunde nach hier einmal ein wenig helfen, dort einmal ein wenig helfen, ohne insgesamt gesellschaftspolitisch und wirtschaftspolitisch das Problem dieser Mittelschichten zu erkennen und anzupacken.
    Weil wir außerdem der Überzeugung sind, daß wir für eine eindeutige, umfassende Politik für diesen Bereich noch keine ausreichenden Klärungen herbeigeführt haben, Klärungen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Tatbestände und Sachverhalte, sollte die Bundesregierung einen solchen Bericht über die Lage der Mittelschichten erstatten. Dieser Bericht sollte die gesellschaftliche und wirtschaftliche Lage der in Handwerk, Handel und dem übrigen Gewerbe und in den freien Berufen selbständig Tätigen und der bei diesen oder in deren Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer erfassen. — Ich werde Ihnen noch sagen, warum hier Arbeitnehmer genannt sind. — Wir wünschen, daß dieser Bericht Aussagen darüber enthält, wie die Unternehmens- und Betriebsstruktur dieser Selbständigen aussieht; denn nur in Kenntnis dieses Sachverhalts wird man eine entsprechende Investitionspolitik und damit eine entsprechende Kreditpolitik und auch — wenn Sie das hinzugefügt sehen möchten —eine die Kreditpolitik stützende Bürgschaftspolitik machen können.
    Wir wissen — um das einmal auf das Handwerk abzustellen, das durch das Gesetz über die Handwerkszählung verhältnismäßig „durchsichtig" gemacht worden ist —, daß im Verlauf von fast einem Jahrzehnt rund 100 000 Handwerksbetriebe verschwunden sind. — Legen Sie mich jetzt nicht auf ein Dutzend Betriebe fest. Rund 100 000 Handwerksbetriebe sind verschwunden, und es hat jetzt keinen Zweck, hier die Dinge Stück für Stück aufzuführen.
    Wir wissen weiter, daß die Beschäftigtenzahl in diesen Handwerksbetrieben — deren Zahl also von rund 850 000 auf rund 750 000 heruntergegangen ist — erheblich gestiegen ist, daß also eine größere Beschäftigungszahl vorhanden ist, als sie 1949 vorhanden war. Wir wissen auch, daß die Betriebe, die bis zu 4 Beschäftigte hatten, der Zahl nach einen wesentlichen Anteil an diesem Rückgang hatten. Darüber hinaus wissen wir, daß die Zahl der Betriebe, die 5 bis 9 Beschäftigte haben, wesentlich vergrößert worden ist. Gleiches gilt auch für die Betriebe mit 10 bis 19 Beschäftigten. Auch hier ist also aus Gründen der wahrscheinlich nicht zu leugnenden technischen Entwicklung eine bestimmte Notwendigkeit der Vergrößerung von Handwerksbetrieben entstanden.
    Auf der anderen Seite dürfte es nicht zu bestreiten sein — bis zum Beweis des Gegenteils; und dazu brauchen wir eben Unterlagen -, daß ein Teil



    Lange (Essen)

    dieser Handwerksbetriebe vermutlich heute noch existieren würde, wenn diesen Betrieben oder den Handwerkern zur rechten Zeit notwendige Umstellungsmittel, Umstellungskredite, Umstellungshilfen zu erträglichen Bedingungen zur Verfügung gestellt worden wären. Ich will also gar nicht sagen, daß diese Minderung der Zahl der Handwerksbetriebe nur auf die technische Entwicklung zurückzuführen ist, sondern ich will ganz bewußt feststellen, daß diese Verminderung der Zahl der Handwerksbetriebe auch auf die unzulänglichen politischen Maßnahmen zurückzuführen ist, auf die unzulänglichen kreditpolitischen Maßnahmen, die unzulängliche Durchleuchtung des Strukturwandels. Wahrscheinlich hätten es zulängliche Maßnahmen ermöglicht, zur rechten Zeit einzugreifen.
    Das, was ich hier zur Veränderung der Unternehmensstruktur beim Handwerk gezeigt habe, könnte ich mit der gleichen Deutlichkeit noch nicht für die kleine und mittlere Industrie sagen, auch nicht für das übrige Gewerbe, für den Handel und für das Hotel- und Gaststättengewerbe. Ich will mich jetzt nicht auf verbandsinterne Statistiken beziehen. Da wäre einiges herauszuklauben. Aber das ist alles so sporadisch, alles so vereinzelt, daß wir keinen eindeutigen Gesamtüberblick haben. Außerdem weiß man, daß die Bundesregierung jetzt den Versuch macht, sich durch die Ergänzung der notwendigen Zählungsgesetze — für Betriebsstätten, Handwerk, Handel, Gaststätten, Fremdenverkehr usw. — und durch das Gesetz über die Kostenstrukturstatistik gewisse Instrumente zu verschaffen, die .dem Wunsch nach einem entsprechenden Bericht über die Lage der Mittelschichten schon entgegenkämen. Diese Instrumente brauchen wir.
    Hierzu gehört auch der -Punkt 2. Wir brauchen einen Überblick über die Kapital-, Umsatz-, Ertrags-und Einkommensstruktur. Das, was ich zur Unternehmensstruktur gesagt habe, gilt dem Grunde nach auch für diesen Punkt.
    Des weiteren interessiert uns folgendes, und auch das müßte durchleuchtet werden: Wer ist heute Selbständiger? Ist er als vormals Unselbständiger zur Selbständigkeit gekommen? Stammt er aus einer Familie, die seit Generationen selbständig wirtschaftlich tätig ist? Auch eine solche durchschaubare Darstellung der Herkunft einschließlich des Bildungsganges und eine entsprechende Altersgliederung gibt die Möglichkeit zu politischen einschließlich denkbarer gesetzlicher Maßnahmen.
    Uns interessiert weiter, wie sich heute die Möglichkeiten der Berufswahl darstellen — das ist vielleicht ein etwas allgemein erscheinender Punkt —, ebenso die Möglichkeiten der Berufsausbildung und als das Entscheidende hierbei die Möglichkeiten der Berufsausübung, nicht zuletzt auch im Hinblick auf den Art. 12 unseres Grundgesetzes. Zu der freiheitlichen Ordnung, zu der wir uns alle miteinander bekennen, gehört auf wirtschaftlichem Gebiet das Bekenntnis zum Wettbewerb, — dort, wo der Wettbewerb möglich ist. Diese Einschränkung machen wir Sozialdemokraten immer und immer wieder, während die Kollegen auf der anderen Seite des Hauses erklären, Wettbewerb sei in der ganzen
    Wirtschaft schlechthin möglich. Nun, darüber brauchen wir jetzt nicht zu streiten. — Wenn man sich all das vergegenwärtigt, dann muß man sich klar darüber sein, daß gerade in bezug auf den Art. 12 und die freiheitliche Ordnung einschließlich dieses Wettbewerbs einige Voraussetzungen sichergestellt sein müssen. Deshalb wollen wir also hinsichtlich der Möglichkeiten der Berufswahl, -ausbildung und -ausübung eine Klarstellung.
    Ein besonderes Problem, das in der heutigen Tagesordnung schon eine Rolle gespielt hat, ist das der Alterssicherung. Wir streiten uns seit Jahr und Tag darum, ob es zweckmäßig ist, eine gesetzliche Regelung der Alterssicherung für die Selbständigen herbeizuführen. Aus großen Teilen der Selbständigen sind nicht zuletzt nach der Verabschiedung der Rentenneuregelungsgesetze solche Wünsche an den Gesetzgeber herangetragen worden. Auf der anderen Seite wehren sich bestimmte Gruppen mit Entschiedenheit dagegen, ihre Alterssicherung irgendeiner gesetzlichen Regelung zugeführt zu sehen. Wir wollen deshalb, daß auch die Frage eindeutig beantwortet werden kann, ob wirklich alle, die in der arbeitsteiligen Gesellschaft ihr Teil zur Befriedigung des Bedarfs aller durch ihre eigene Arbeitsleistung beitragen, auch die Möglichkeit haben — ob auf gesetzlicher oder anderer Basis —, für ihr Alter in solcher Weise vorzusorgen, daß sie nicht Gefahr laufen, am Ende eines arbeitsreichen Lebens den Gang zum Wohlfahrtsamt antreten zu müssen und darauf angewiesen zu sein, ob entsprechend der Ermessensentscheidung des Beamten ein Obolus für sie abfällt oder nicht. Deshalb sind wir also daran interessiert, über die Möglichkeiten der Alterssicherung — die steuerlieber wie auch anderer Art sein können — Klarheit zu bekommen.
    Wir möchten des weiteren gern etwas darüber wissen, wieweit tatsächliche Vorsorge für das Alter getrieben wird. — Hier muß ich auf einen Druckfehler aufmerksam machen. Bei Punkt 5 muß in dem Wort „tatsächlicher" das „r" gestrichen werden. Es geht nämlich nicht um „Möglichkeiten tatsächlicher Vorsorge" — das wäre unlogisch es muß heißen: „tatsächliche Vorsorge für das Alter."
    Nun, meine Damen und Herren, zu dem anderen Punkt, der schon in dem Vorspruch eine Rolle spielt. Wir wollen etwas über die soziale Lage und die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer in diesen Betrieben wissen. Wir wissen, daß die Arbeitnehmer in diesen Betrieben gegenüber den in den Großbetrieben Beschäftigten in den Leistungen, die ihnen betrieblicherseits gewährt werden können, von der Entlohnung angefangen bis zu den freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen, nicht so gestellt sind wie die Arbeitnehmer in den Großbetriebei. Hier muß man prüfen: Beruht die Benachteiligung der in den kleinen und mittleren Betrieben Beschäftigten gegenüber den in den Großbetrieben Beschäftigten auf bösem Willen der Selbständigen, also ihrer Arbeitgeber, oder spielen dabei auch bestimmte wirtschaftspolitische und gesellschaftspolitische Gesamtumstände eine Rolle? Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß für diese Benachteiligung der Arbeitnehmer, die mit der Benachteiligung dieser Betriebe schlechthin, dieser kleinen



    Lange (Essen)

    und mittleren Unternehmen, zusammenfällt, auch eine Menge gesetzgeberischer Maßnahmen dieses Hauses eine Rolle spielen. Wenn freiwillige betriebliche Sozialleistungen gegeben werden, dann ist das wahrscheinlich für diejenigen, die sie empfangen, eine sehr nützliche Sache. Nur muß man sich fragen: Geschieht das in jedem Falle nur um des Nutzens der Empfänger willen, oder ist es nicht so, daß — ich will das jetzt einmal unter dem Stichwort „Pensionsfonds" behandeln — mit diesen Rückstellungen, die steuerlich ja begünstigt sind, nicht zuletzt auch andere, für die Betriebe vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt äußerst interessante und nützliche Nebenwirkungen verbunden sind, praktische Wirkungen dergestalt, daß man auf diese Art und Weise billigstes Kapital zur Verfügung hat? Und jetzt ist die Frage: Was ist für die Betriebe der Ausgangspunkt der Überlegung gewesen? Wollte man den Belegschaften wirklich etwas zugute kommen lassen? Oder wollte man die steuerlichen Möglichkeiten ausschöpfen, sich einträgliches Kapital zur Verfügung zu halten, und als Nebenwirkung außerdem noch eine entsprechende Leistung an die Belegschaft erzielen?
    Auch die Frage muß man einmal untersuchen, inwieweit man für die kleinen und mittleren Unternehmungen Möglichkeiten eröffnen kann, in diesem Zusammenhang gleichzuziehen, damit auch da die Arbeitnehmer in den kleinen und mittleren Betrieben nicht länger benachteiligt werden. Denn die Gesamtbenachteiligung, die in der unzulänglichen Kapitaldecke liegt, die sich dadurch auch in einer bestimmten Einkommensstruktur äußert, wirkt hier zurück auf die Lage der Arbeitnehmer in diesen Betrieben. Aus den statistischen Zahlen ergibt sich, daß in den rund 5000 Großbetrieben, die wir in der Bundesrepublik haben, rund 5 Millionen Personen beschäftigt sind. Der Rest ist in kleinen und mittleren Betrieben tätig, die im Zweifelsfalle solche Vergünstigungen wie der Großbetrieb nicht gewähren können; der Großbetrieb kann sie steuerlich geltend machen und läßt sie den Belegschaften sozusagen als Abfallprodukt zugute kommen. Deshalb wollen wir auch diese Dinge mit durchleuchtet haben. Wir wollen gleichzeitig Auskunft über die steuerlichen und sozialen Lasten haben und wollen als Letztes, aber nicht als Geringstes, Auskunft darüber haben, wie das Verhältnis der Lohnkosten, der installierten Energie und des tatsächlichen Energieverbrauchs zum Umsatz ist.
    Damit kommen wir zu einem Punkt, der uns schon bei den Aussprachen in den Ausschüssen beschäftigt hat. Wir halten es heute nicht mehr für gerechtfertigt, daß als alleiniger Schlüssel für die Verteilung sozialer Lasten die Lohn- und Gehaltssumme, effektiv also die menschliche Arbeitskraft, zugrunde gelegt wird. Je weiter nämlich auf Grund der technischen Entwicklung die Technisierung, die Rationalisierung und Automation fortschreitet, desto stärker werden gegenüber so rationalisierten und im Zweifelsfalle kapitalstarken Unternehmen die arbeitsintensiven Unternehmen und Betriebe benachteiligt, wenn die entscheidenden Lasten nach der Arbeitskraft verteilt werden. Deshalb sind wir der Meinung, man müßte einmal den Versuch machen, hier zu einem anderen Schlüssel zu kommen. Es soll nicht gesagt sein, daß mit dem, was hier angedeutet ist, der Schlüssel schon gefunden sei. Wir wollen aber Voraussetzungen dafür schaffen, damit wir an diesem Problem gemeinsam weiterarbeiten können.
    Der Bericht soll des weiteren Vergleiche dieser Gruppen und ihrer Unternehmen mit den übrigen Bevölkerungsgruppen und Großunternehmen der einzelnen Wirtschaftszweige enthalten. Die Bundesregierung möge dabei gleichzeitig prüfen, wieweit der heutige, nur auf den Löhnen und Gehältern beruhende Schlüssel der sozialen Lasten zugunsten der arbeitsintensiven Unternehmen geändert werden kann.
    Dann brauchen wir natürlich noch etwas, das die gesamtgesellschaftlichen Benachteiligungen auf die Dauer vielleicht ausräumen kann; ich bin nicht so vermessen, zu sagen, daß sie absolut auszuräumen sein werden. Wir müssen, so meine ich, von der Bundesregierung verlangen, daß sie in ihren Bericht Vorschläge darüber hineinbringt, wie die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen durch entsprechende Rationalisierungs- und Modernisierungsmaßnahmen gesteigert werden kann. Es hat keinen Sinn, die Betriebe in der gegenwärtigen Verfassung zu belassen. Damit würde immer wieder nur der Wunsch nach einer Schutzgesetzgebung herausgefordert werden, und diese Schutzgesetzgebung wäre auf keinen Fall zu verantworten. Früher oder später muß nämlich — das ist hier von allen Seiten immer wieder betont worden — von diesem Schutzdenken abgegangen werden.
    Wenn wir von der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit reden, dann ist natürlich auch die Sicherung der Wettbewerbsmöglichkeiten nötig. In diesem Zusammenhang muß man auf das Kartellgesetz verweisen. Es ist hier ein Kartellgesetz verabschiedet worden, von dem wir gesagt haben, es sei kein Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung, sondern ein Gesetz für Wettbewerbsbeschränkung. Die Praxis des Kartellamtes zeigt mit einiger Deutlichkeit, daß dieses Amt gegenüber den entscheidenden wirtschaftlichen Kräften, den entscheidenden Kräften am Markt keinerlei Handhabe aus dem Gesetz hat.
    Die kleinen und mittleren Betriebe sind aus den verschiedensten Gründen, die ich angedeutet habe, in Abhängigkeit von den Großfirmen geraten. Sie sind gegenüber den marktbeherrschenden Unternehmen in einen hoffnungslosen Rückstand geraten Die marktbeherrschenden Unternehmen können von sich aus alles tun, um solche kleinen und mittleren Unternehmen in ihre Abhängigkeit zu bringen. Als Musterbeispiel könnte man wieder die berühmten Tankstellen anführen, die durch Knebelungsverträge an die Ölkonzerne, an die Großunternehmungen gefesselt sind und bei denen man weiß Gott nicht von Freiheit der wirtschaftlichen Entscheidung reden kann. Sie sind im besonderen Maße noch dadurch gefesselt, daß man ihnen keinerlei Bewegungsfreiheit hinsichtlich des Vertriebs gelassen hat, soweit sie mit einem bestimmten Unternehmen abgeschlossen haben. Der Druck dieser Unternehmen kann



    Lange (Essen)

    so weit gehen, daß, da auf Grund der Verträge Kontrollen möglich sind, gute Kunden, die die Tankstellenbesitzer haben, von den großen Ölfirmen herausgeholt und unmittelbar beliefert werden. Die Ölfirmen betreiben damit Eigengeschäfte in Konkurrenz mit den von ihnen abhängigen Tankstellenbesitzern oder -pächtern. Diese werden damit zu Angestellten der Großunternehmungen; denn als Selbständige kann man sie nicht mehr ansehen. Ich glaube, es ist zutreffend, wenn man sie als „Prozentangestellte" bezeichnet; sie sind nicht mehr und nicht weniger, weil sie von dem auf die einzelnen Unternehmungen entfallenden Umsatzanteil absolut abhängig sind. Dazu müssen sie alle Risiken tragen, die ein wirtschaftlich Selbständiger auf sich nehmen muß. Sie befinden sich also als „Prozentangestellte" in völliger Abhängigkeit.
    Ich könnte die Zahl der Beispiele erweitern, will das aber nicht tun. Wir fordern von der Bundesregierung, daß sie in ihrem Bericht Vorschläge über verschärfte Bestimmungen gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen bringt. Was die Bundesregierung in dieser Beziehung bisher gesagt hat, ist nur eine Beteuerung, eine platonische Erklärung gewesen; bis zur Stunde hat man sich an die Kontrolle marktbeherrschender Unternehmungen noch nicht herangemacht.
    Die Bundesregierung sollte des weiteren Vorschläge unterbreiten, wie durch eine gerechtere Gestaltung der Steuergesetze willkürliche Wettbewerbsnachteile vermieden werden können. Ich möchte hier nur die Umsatzsteuer und die Gewerbesteuer nennen, ohne im einzelnen darauf einzugehen.
    Wir brauchen ferner Vorschläge für eine ausreichende Kreditversorgung zu erträglichen Bedingungen. Wir haben schon im Ausschuß für Mittelstandsfragen gefordert, daß die Kredit- und Sanierungsprogramme und Bürgschaftsaktionen vereinfacht und vereinheitlicht werden, und zwar sowohl vom Bund her, soweit er verantwortlich zeichnet, als auch von den Ländern her. Der Bund wird sich darum bemühen müssen, mit den Ländern Übereinkommen zu treffen, damit die Maßnahmen aufeinander abgestimmt und von Bund und Ländern gleichlaufende Maßnahmen ergriffen werden. In einer Sitzung des Ausschusses für Mittelstandsfragen wurde uns berichtet, daß es beim Bund und bei den Ländern insgesamt mehr als 200 solcher Programme gibt. Dabei bestehen sehr unterschiedliche Bedingungen, und es ist keineswegs sichergestellt, daß die Leute Kredite zu erträglichen Bedingungen erhalten.
    Die Bundesregierung muß sich auch überlegen, ob man nicht hinsichtlich des § 1 des Bürgschaftsgesetzes — ich habe hier die Kreditgarantiegemeinschaften im Auge; das sind volkswirtschaftlich wichtige Dinge — eine andere Lösung finden kann und muß, daß man also die Bürgschaftseinrichtungen nicht nur an Berufs- und Fachorganisationen und Wirtschaftszweige als Ganzes bindet. Nützlich wäre eine Lösung, wie sie das Land Schleswig-Holstein, das ärmste deutsche Bundesland, seit Jahr und Tag in der Form der Landesgarantiekasse hat, auch für den Bund.
    Schließlich wird man sich bei der Bundesregierung Gedanken darüber zu machen haben, was angesichts der Vielfalt von Einzelinstituten mit einer verhältnismäßig begrenzten Aktionsmöglichkeit noch geschehen kann — auch das ist in der Drucksache 698 angesprochen -, wenn man wirklich die Förderung der Unternehmen, der gewerblich Selbständigen wie freiberuflich Tätigen, mit Kredit-, Sanierungs- oder anderen Maßnahmen will. Es ist die Frage, ob man nicht ein Institut schaffen sollte, das alle die wirtschaftliche Tätigkeit der Mittelschichten betreffenden Forschungsaufgaben zusammenfaßt, nicht, wie man es mit dem seitens der CDU/CSU mit für meinen Geschmack zuviel Energie und Hartnäkkigkeit erstrebten Mittelstandsinstitut versucht, das jetzt an den Universitäten Bonn und Köln errichtet worden ist. Man sollte vielmehr ein Institut errichten, in dessen Bereich Forschungsaufgaben aller Art fallen und das nicht nur der Grundlagenforschung, sondern auch der Weitervermittlung der Forschungsergebnisse dient, ähnlich dem Max-Planck-Institut und anderen Einrichtungen der Großwirtschaft.
    Letztlich sollte man von der Bundesregierung erwarten, daß sie sich endlich einmal Gedanken darüber macht, wie man zu einer vernünftigen Regelung der Alterssicherung der Selbständigen gelangen kann. Es ist nicht nur die Aufgabe des Parlaments, sich darüber Gedanken zu machen. Auch und vor allem die Bundesregierung muß sich mit dieser Frage beschäftigen, weil sie mit dem ins einzelne gehenden Sachverstand ihrer Ressorts ganz andere Möglichkeiten dazu hat als der schließlich doch weitgehend eingeschränkte Parlamentarier und das damit ebenfalls weitgehend eingeschränkte Parlament.
    Ein solcher Bericht würde uns in den Stand setzen, umfassende Grundlagen für eine geschlossene Mittelschichtenpolitik zu erarbeiten; und das, glaube ich, ist im Interesse dieses Hauses. Wir kämen endlich einmal aus der Verlegenheit heraus, bei allen Überlegungen und Maßnahmen gewissermaßen mit der Stange im Nebel herumfuchteln zu müssen. Dieser unerträgliche Zustand müßte beseitigt werden.
    Deshalb haben wir der Regierung für die Erstellung des Berichts einen Termin gesetzt, von dem wir der Meinung sind, daß er nicht unbillig ist; es ist der 15. November dieses Jahres.
    Wie man aus Unterhaltungen und Gesprächen allenthalben entnehmen kann, ist im Grunde gegen den vorgelegten Antrag kaum etwas einzuwenden. Es ist wünschenswert, die Regierung so schnell wie möglich an die Arbeit zu setzen, d. h. den Auftrag so schnell wie möglich zu erteilen. Ich sage Ihnen ganz offen: es wäre uns lieb, wenn sich das Haus heute entschließen könnte, einen Beschluß zu fassen, durch den die Bundesregierung ersucht wird, den Bericht in der dargestellten Form zu erstellen. Ich sage das insbesondere an die Adresse der Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, weil dieser Antrag nicht dasselbe Schicksal erfahren soll wie unser Antrag aus dem Jahre 1955, dessen schnelle Ver-



    Lange (Essen)

    abschiedung uns damals ebenfalls zugesagt wurde, der aber überhaupt nicht mehr aus den Ausschüssen herausgekommen ist. Er war allerdings anderer Natur als der uns heute vorliegende Antrag. In ihm war die Rede von der „Förderung der Mittelschichten". Er enthielt vier Punkte, auf die ich jetzt nicht im einzelnen eingehen will.
    Ich richte also an Sie, meine Damen und Herren, die dringende Bitte, möglichst heute eine Entscheidung zu fällen. Sollte sich aber die CDU/CSU-Fraktion nicht imstande sehen, heute zu entscheiden, wären wir für die verbindliche Zusage herzlich dankbar, daß dem Antrag Drucksache 712 nicht das gleiche Schicksal widerfährt wie dem Antrag Drucksache 1959 aus der 2. Legislaturperiode.
    Mit dem Bericht soll die für eine vernünftige Politik erforderliche Grundlage erarbeitet werden, damit keiner mehr imstande ist, nur mit leeren, nicht erfüllten Versprechungen weiterhin Politik zu machen. Nach annähernd zehn Jahren Arbeit des Parlaments und der Bundesregierung ist es dringend erforderlich, daß wir für bestimmte gesellschaftspolitische und wirtschaftspolitische Aufgaben umfassende Grundlagen erarbeiten, um einheitliche Vorstellungen entwickeln zu können. Dem soll unser Antrag dienen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie in dem von mir dargestellten Sinne entschieden.

    (Beifall bei der SPD.)