Rede von
Dr.
Eugen
Gerstenmaier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Keine weiteren Wortmeldungen. Änderungsanträge zur dritten Lesung sind nicht gestellt.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen.
Ich lasse über den Entschließungsantrag Umdruck 241 der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei
3) Deutschlands abstimmen. — Wollen Sie ihn noch begründen? Begründet ist er doch, Sie haben ihn ja begründet, Herr Abgeordneter Wehr.
— Möglichst nicht mehr als zwei Ausschüsse!
— Es ist Antrag auf Überweisung an den Wirtschaftsausschuß und den Ausschuß für Steuern und Finanzen gestellt. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Die Überweisung ist abgelehnt.
Ich lasse über den Entschließungsantrag als solchen abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe Punkt 6 unserer Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (Drucksache 935).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, — 2, —3, — 4, — Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung.
Wird in der allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht! Wer zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist auch in dritter Beratung einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, auch einem Wunsche des Ausschusses folgend und in Übereinstimmung mit allen Fraktionen des Hauses, zu diesem Gesetz einige Worte sagen.
Es ist ein Gesetz, von dem ich den Eindruck habe, daß es nicht wenige Mitglieder dieses Hauses und ganz gewiß viele außerhalb des Hauses in der ganzen Bundesrepublik Deutschland verwirklicht sehen möchten und nicht nur in Berlin-West. Indessen, glaube ich, sind wir uns darin einig, daß wir es gegenwärtig für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland im ganzen leider nicht verwirklichen können. Nichtsdestoweniger ist sich das Haus darin einig, daß diese in ihrem Ausmaß ungewöhnlichen Maßnahmen in der gegenwärtigen Situation der Reichshauptstadt für Berlin gerechtfertigt, ja, notwendig sind.
Eine entscheidende Aufgabe in diesem Augenblick ist es, daß nicht nur die freie Welt mit allem, was sie ist und hat, im Kampf um die Erhaltung der Freiheit Berlins zusammensteht, sondern daß auch wir selber immer wieder alles tun, was wir tun können, um der Bevölkerung Berlins an die Seite zu treten.
In diesem Gesetz geht es vor allem um die Erhaltung des Beschäftigungsstandes. Die Maßnahmen, die in dem Gesetz vorgesehen sind, sollen in erster Linie dazu dienen, den gegenwärtigen Beschäftigungsstand der Bevölkerung Berlins zu sichern, ja, ihn nach Möglichkeit weiter auszudehnen und zu heben. Durch die Maßnahmen dieses Berlin-Hilfe-Gesetzes wird versucht, weitere Anreize zur Errichtung neuer und zur Erweiterung bestehender Produktionsstätten zu geben. Damit soll das Gesetz — das ist sein eigentlicher Sinn --. eine weitere Initialzündung für die kraftvolle Entwicklung der Wirtschaft Westberlins sein.
Selbstverständlich muß das alles im Zusammenhang mit den übrigen Maßnahmen für Berlin und für die Einigung Deutschlands gesehen werden. Es geht dabei natürlich auch darum, Berlin als eine lebendige Hoffnung für die 17 Millionen in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands zu erhalten. Deshalb ist das Gesetz — nicht direkt, aber indirekt — auch eine Stärkung der Hoffnungen unserer Landsleute in Mitteldeutschland. Was wir für Berlin tun, soll eine Ermutigung auch für sie sein!
Diese Hilfe soll von unserer Seite aus in einer bescheidenen, aber nicht zu überhörenden Weise natürlich auch der freien Welt kundtun, daß wir Deutsche gesonnen sind, nicht nur auf das zu warten, was die anderen für uns tun, sondern auch
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
selber die Hände zu regen und es an nichts, aber auch an gar nichts fehlen zu lassen an dem, was wir selber von uns aus tun können. Das ist der eigentliche Sinn des Gesetzes, dem das Haus einmütig zugestimmt hat.
Ich glaube, man darf in dieser Übereinstimmung den Willen des Hauses sehen, in den Dingen, die uns nun wirklich an das Mark gehen, über gewiß bestehende ernste Meinungsverschiedenheiten hinweg zusammenzustehen.
Ich danke dem Haus, daß es diese Vorlage einstimmig angenommen hat, und gebe das Wort dem Herrn Regierenden Bürgermeister von Berlin.
Brandt, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte namens des Landes Berlin dem Herrn Bundestagspräsidenten sehr herzlich danken für das, was er soeben für das Haus gesagt hat, und ich möchte allen Fraktionen dieses Hohen Hauses dafür Dank sagen, daß sie auf einem sehr wichtigen Gebiet so schnell und so wirksam der gegenwärtigen Lage in Berlin Rechnung getragen haben. Dieses schnelle und wirksame Verfahren schafft im Bundesrat eine gewisse Schwierigkeit, indem dort zwei Vorlagen aufeinanderstoßen, die eine, schon fertige, von hier kommend, und die andere, die noch nicht ganz so weit ist. Aber ich denke, der Bundesrat wird damit fertig werden.
Mir scheint, es war von Anfang an klar, daß es zweier Vorbedingungen bedurfte, um die dunklen und schweren Wolken zu durchstoßen, die sich vor einigen Monaten erneut über Berlin zusammengezogen haben. Einmal bedurfte und bedarf es einer würdigen, klaren und festen Haltung der Berliner selbst, damit kein Aufbrechen und kein Aufweichen der inneren Front in Berlin selber erreicht wird.
Zweitens bedurfte es eines festen Zusammenhalts zwischen Berlin und dem Rechts-, dem Wirtschafts- und Währungssystem des deutschen Westens, jenem Rechts-, Wirtschafts- und Währungssystem des deutchen Westens, zu dem wir nach dem Wortlaut des Grundgesetzes und nach dem Willen der betroffenen Bevölkerung gehören und von dem wir uns nicht trennen lassen werden. Diese beiden Voraussetzungen, die Innerberliner Voraussetzung und die des festen Zusammenhalts zwischen Berlin und dem deutschen Westen, sind, davon habe ich mich in den vergangenen Wochen vielfach überzeugen können, auch erforderlich, damit diejenigen draußen, auf die es ankommt, für ein nationales deutsches Anliegen so einstehen, wie wir erwarten, daß sie es tun.
Ich darf dem Hohen Hause zu der einen Vorbedingung sagen, daß es nicht gelungen ist, Gott sei Dank nicht gelungen ist, in Berlin Panik zu erzeugen und — bisher nicht — ernste wirtschaftliche Erschütterungen hervorzurufen. Meine Mitbürgerinnen und Mitbürger sind vielmehr ruhig ihrer Arbeit nachgegangen. Es hat gewiß sorgenvolle Gespräche gegeben — und es gibt sie — über das, was noch kommen mag. Aber die Haltung der Berliner ist getragen von Selbstvertrauen und vom Vertrauen zu unseren Freunden. Zum anderen ist es nicht gelungen, Gott sei Dank nicht gelungen, durch den Berliner Fall den Graben im deutschen Westen zu vertiefen oder gar Gegensätze zwischen der Bevölkerung der Bundesrepublik und den Menschen in der bedrängten Hauptstadt zu erzeugen. Wir haben im Gegenteil viele und schöne Zeichen der Verbundenheit in den hinter uns liegenden Wochen und Monaten erlebt. Dafür sind wir dankbar, ebenso dafür, daß die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes und die Bundesregierung die wirtschaftlichen und finanziellen Konsequenzen der neuen Schwierigkeiten, die auf Berlin zugekommen sind, zu tragen bereit sind.
Bevor die letzte Krise, die noch nicht abgeschlossen ist, auf uns zukam, waren wir vielleicht etwas überoptimistisch und überlegten Pläne, was wir machen sollten, wenn die Arbeitslosigkeit in Berlin ganz überwunden sei, und wie wir dann wirtschaftlich expandieren könnten. Heute muß ich und darf ich im Anschluß an die Beschlußfassung des Bundestages von dieser Stelle aus noch einmal die herzliche Bitte an alle beteiligten Kreise der westdeutschen Wirtschaft richten, in dieser Situation mit der Vergabe von Aufträgen nach Berlin nicht nachzulassen und sich nicht — auch nicht gedanklich — zu Gefangenen bestimmter Daten machen zu lassen, die andere Leute gelegentlich nennen.
Meine Damen und Herren, ich bleibe dabei: das, was man in diesen Monaten die „Berlin-Krise" nennt, hat sich nicht aus der Existenz Berlins und aus der Haltung seiner Menschen ergeben, sondern ist ein künstliches Produkt weltpolitischer Entscheidungen in der Absicht, die Verhältnisse dort einseitig zu ändern. Nun, das können wir nicht wollen, nicht nur wegen der unmittelbar betroffenen Menschen, sondern auch wegen der schlimmen Auswirkungen, die das für alle anderen haben könnte. Aber die Menschen in Berlin sind sich wohl auch mit diesem Hohen Haus und mit den Landsleuten im deutschen Westen in dieser Zeit immer darin einig gewesen, daß sie mit dem klaren Nein zu jenen beabsichtigten einseitigen Veränderungen die starke Hoffnung verbunden haben, es möge gelingen, die Berlin-Frage mit dem Deutschlandproblem ernsthaft ins Gespräch zu bringen und aus dieser Krise heraus doch noch zu nützlichen, positiven Folgerungen zu gelangen.
Inzwischen ist es gut, zu wissen, daß wir in Berlin in das Verständnis und die Fürsorge unserer Landsleute im deutschen Westen eingebettet sind, der vertreten wird durch alle Fraktionen, alle Teile dieses Hohen Hauses. Haben Sie dafür herzlichen Dank! Dank allen, die verstanden haben, daß sie sich selbst helfen, wenn sie für Berlin mit einstehen!