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ID0305702000

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    Deutscher Bundestag 57. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1959 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz UVNG) (Drucksache 758) — Erste Beratung ; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung (FDP) (Drucksache 446) ; Mündlicher Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses (Drucksache 638) — Zweite Beratung — Blank, Bundesminister . . . . . 3137 B Börner (SPD) 3142 A, 3157 A Wischnewski (SPD) . . . . . 3142 C Dr.-Ing. Philipp (CDU/CSU) . . . 3146 D Dr. Atzenroth (FDP) . . 3153 A, 3160 A Frau Friese-Korn (FDP) 3156 C Storch (CDU/CSU) 3158 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 9. September 1957 zum Abkommen vom 15. Juli 1931 zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern (Drucksache 543) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 718) — Zweite und dritte Beratung — Seuffert (SPD) 3161 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 3163 A Nächste Sitzung 3163 D Anlagen 3165 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Januar 1959 3137 57. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9.04 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 4. 4. Altmaier* 23. 1. Dr. Bärsch 23. 1. Baur (Augsburg) 23. 1. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Behrendt 23. 1. Benda 23. 1. Birkelbach* 23. 1. Fürst von Bismarck* 23. 1. Blachstein' 23. 1. Frau Blohm 31. 1. Frau Brauksiepe 23. 1. Dr. Burgbacher 23. 1. Caspers 23. 1. Diekmann 23. 1. Diel (Horressen) 23. 2. Dr. Eckhardt 10. 2. Eilers (Oldenburg) 23. 1. Engelbrecht-Greve 23. 1. Etzenbach 7. 2. Even (Köln) 23. 1. Frenzel 23. 1. Dr. Furler* 23. 1. Gedat 30. 1. Geiger (München) 23. 1. Gerns* 23. 1. D. Dr. Gerstenmaier 23. 1. Gleisner (Unna) 20. 2. Graaff 23. 1. Dr. Greve 7. 2. Dr. Gülich 31. 1. Günther 23. 1. Haage 23. 1. Häussler 23. 1. Heinrich 31. 1. Heix 23. 1. Heye* 23. 1. Höfler* 23. 1. Holla 23. 1. Frau Dr. Hubert* 23. 1. Jacobs 28. 2. Dr. Jaeger 26. 1. Dr. Jordan 23. 1. Frau Kalinke 31. 1. Kiesinger* 23. 1. Dr. Kliesing (Honnef)* 23. 1. Köhler 24. 1. Dr. Kohut 24. 1. Dr. Kopf* 23. 1. Kramel 16. 2. Krug 23. 1. Kühlthau 23. 1. Kühn (Bonn) 26. 1. Kühn (Köln) * 23. 1. Kunst 31. 1. Kurlbaum* 23. 1. Dr. Leverkuehn* 23. 1. Lücker (München) * 23. 1. Anlagen zum Stenographischen Bericht Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 1. Dr. Martin 26. 1. Mauk 24. 1. Frau Dr. Maxsein* 23. 1. Memmel 31. 1. Dr. Mende* 23. 1. Dr. Menzel 15. 2. Metzger* 23. 1. Dr. Meyer (Frankfurt)* 23. 1. Müser 17. 2. Dr. Oesterle 6. 2. Paul* 23. 1. Pelster 31. 1. Pernoll 23. 1. Pütz 14. 2. Rademacher 24. 1. Regling 23. 1. Frau Dr. Rehling* 23. 1. Dr. Reith 31. 1. Reitzner 23. 1. Rohde 31. 1. Ruf 23. 1. Ruland 23. 1. Scheel 23. 1. Dr. Schmid (Frankfurt)* 23. 1. Schneider (Hamburg) 2. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 15. 2. Schulze-Pellengahr 23. 1. Schütz (München)* 23. 1. Seidl (Dorten)* 23. 1. Dr. Serres* 23. 1. Spitzmüller 23. 1. Wagner 23. 1. Dr. Wahl* 23. 1. Walpert 31. 1. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 23. 1. Dr. Weber (Koblenz) 23. 1. Weinkamm 23. 1. Winkelheide 23. 1. Wullenhaupt 24. 1. Dr. Zimmer* 23. 1. Zühlke 23. 1. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Wirtschaft auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ritzel (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. 1. 1959, Drucksache 786, Frage 20) : Ich frage die Bundesregierung: Ist es richtig, daß Hersteller und Händler der Fernsehbranche eine Preissünderkartei anzulegen beabsichtigen oder bereits angelegt haben, um sowohl in bezug auf die Fabrikpreise als auch in bezug auf die Verkaufspreise eine absolute Preisbindung herbeizuführen? Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, wenn diese Mitteilung zutrifft? Die Preisbindung der zweiten Hand für Markenwaren ist durch § 16 des Gesetzes gegen Wett- *) für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates 3166 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Januar 1959 bewerbsbeschränkungen (GWB) als Ausnahme von dem generellen Verbot der vertikalen Preisbindung des § 15 GWB unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. Von der Möglichkeit der vertikalen Preisbindung hat die große Mehrzahl der Hersteller von Rundfunk- und Fernsehgeräten im Jahre 1958 Gebrauch gemacht. Diese Unternehmen haben den Groß- und Einzelhandel zur Einhaltung der von ihnen festgesetzten Wiederverkaufspreise verpflichtet. Bei der Preisbindung ist das von den Gerichten in ständiger Rechtsprechung aufgestellte Erfordernis der Lückenlosigkeit zu beachten. Im Hinblick auf dieses Erfordernis kann auch der Handel ein Interesse daran haben, daß Verstöße gegen die Preisbindungsvorschriften der Hersteller festgestellt und unterbunden werden. Es ist der Bundesregierung bei der Sammlung von Unterlagen für die Beantwortung Ihrer Anfrage bekanntgeworden, daß der Vorsitzende des Deutschen Rundfunk- und Fernseh-Fachverbandes (DRFFV) in der Zeitschrift dieses Verbandes „Der Deutsche Rundfunk-Einzelhandel", Oktober-Heft 1958, es als notwendig bezeichnet hat, jeden Preisbindungsverstoß zu erfassen und in einer Preisbindungssünderkartei festzuhalten, um einen Überblick über auftretende Lücken im Preisbindungssystem zu gewinnen. Die genannte Kartei wird in Köln beim DRFFV geführt; aus ihr werden z. B. die preisbindenden Hersteller über festgestellte Verstöße unterrichtet. Soweit in der Kürze der Zeit der Sachverhalt im einzelnen festgestellt werden konnte, bezieht sich die Preisbindungssünderkartei nur auf unlautere Verhaltensweisen und berührt daher nicht die Verbote des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die ausschließlich Beschränkungen eines lauteren Verhaltens untersagen. Nach einer gutachtlichen Stellungnahme des Bundeskartellamtes kann ein Verstoß gegen Bestimmungen des GWB vorliegen, wenn Abnehmer preisgebundener Erzeugnisse außer ihrer vertikalen Verpflichtung gegenüber dem Hersteller noch untereinander horizontale Verpflichtungen zur Einhaltung der gebundenen Preise eingehen; derartige Verpflichtungen ließen sich jedoch im vorliegenden Fall bisher nicht feststellen. Nach den Vorschriften des GWB ist für eine Feststellung etwaiger kartellrechtlicher Verstöße im vorliegenden Fall das Bundeskartellamt in Berlin SW 61, Mehringdamm 129, zuständig; ich werde eine genaue Feststellung des Sachverhalts und der Rechtslage sowie der etwa nach den Vorschriften des GWB zu treffenden Maßnahmen durch das Bundeskartellamt veranlassen und Ihnen von dem Ergebnis Mitteilung machen. Es ist ferner darauf hinzuweisen, daß in der Rundfunk- und Fernsehbranche ein Verein zur Förderung des lauteren Wettbewerbs tätig ist. Dieser beschränkt sich ausweislich seiner Satzung und Geschäftsordnung sowie nach Auskunft seines Geschäftsführers auf die Verfolgung von Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und seine Nebengesetze (Rabattgesetz, Zugabeverordnung, Preisauszeichnungsverordnung). Vor wenigen Tagen haben sechs namhafte Rundfunk-. und Fernsehgerätehersteller mit einem ge- schätzten Umsatzanteil von mindestens 50 % die Preisbindung für ihre Markenerzeugnisse aufgehoben. Sie haben damit den Handelsstufen die Möglichkeit einer freien Preisbildung gegeben. Insoweit dürften Überlegungen über die Errichtung und Führung von Preisbindungssünderkarteien und deren Zulässigkeit nunmehr gegenstandslos geworden sein; ob und welche Bedeutung ihnen im übrigen verbleiben wird, bleibt abzuwarten. Ludwig Erhard Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Wirtschaft auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Friedensburg (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. Januar 1959, Drucksache 786, Frage 22): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Verwendung von Kunststoffen in der Bekleidungsindustrie, insbesondere bei der Strumpffabrikation, bei sehr vielen Menschen zu schweren Hautentzündungen und damit zu ernsten Gesundheitsschädigungen führt, und was gedenkt die Bundesregierung, etwa durch Einführung eines Kennzeichnungszwanges, zu tun, um diese sich immer mehr verbreitenden Nachteile zu bekämpfen? Mit den in der Anfrage erwähnten Kunststoffen, die insbesondere in der Strumpffabrikation Verwendung finden, dürften vornehmlich die vollsynthetischen Fasern und Fäden gemeint sein, die zur Polyamid-Gruppe der Chemiefasern gehören. Sowohl während des Entwicklungsstadiums als auch noch nach dem Erscheinen vollsynthetischer Textilerzeugnisse auf dem Markt ist die Frage ihrer Hautverträglichkeit untersucht und mit medizinischen, biologischen und chemischen Methoden in wissenschaftlichen Versuchsreihen in Universitätskliniken und Fachinstituten eingehend geprüft worden. Übereinstimmend ist dabei festgestellt worden, daß die vollsynthetischen Fasern weder giftige noch die Haut angreifende Eigenschaften haben. Gleichwohl ist bekannt, daß vereinzelt Hautschädigungen aufgetreten sind. Man hat diese anfangs mit der Färbung vollsynthetischer Fasern in Zusammenhang gebracht. Sorgfältig durchgeführte Untersuchungen haben jedoch keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß in der Färbung die Ursache für Hauterkrankungen liegen könnte. Richtig dürfte vielmehr sein, daß die vollsynthetischen Chemiefasern eine geringere Saug- und Schweißtransportfähigkeit als natürliche Textilfasern aufweisen. Diesem Umstand hat jedoch die Industrie inzwischen durch Anwendung besonders poröser Web- und Wirkverfahren sowie durch Mischung von vollsynthetischen Fasern mit anderen Textilrohstoffen weitestgehend Rechnung getragen. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, daß solche Erzeugnisse, die in der Regel bei der Wäsche nicht gekocht werden, bei unzureichender Behandlung sich mit Resten von Waschmitteln, von Schweiß und Hautabscheidungen anreichern, so daß hierdurch Nährböden für Bakterien, Pilze und Hefen und demzufolge auch Hautschäden entstehen können. Schließlich darf darauf Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Januar 1959 3167 hingewiesen werden, daß es immer Menschen mit einer Überempfindlichkeit gegenüber Hautreizungen geben wird. Dies ist bei der Wolle ebenso bekannt wie bei den seit vielen Jahren im Gebrauch befindlichen künstlichen Fasern. Insoweit würden auch durch die Einführung eines Kennzeichnungszwanges die geäußerten Besorgnisse nicht beseitigt. In der Regel werden aber vollsynthetische Textilien ohnehin als solche - meist mit bekanntem Markennamen und Behandlungsanweisungen versehen — dem Konsumenten angeboten. Im übrigen habe ich mich zur Frage des Kennzeichnungszwangs für Textilerzeugnisse bereits in der Fragestunde des deutschen Bundestages am 12. Dezember 1957 geäußert. Ludwig Erhard
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    Rede von Holger Börner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus mit meiner Redezeit nicht über Gebühr beanspruchen; denn ich weiß, daß wir Sozialpolitiker bei unseren Freitagsdebatten immer mit unseren anderen Kollegen kollidieren, die möglichst früh ihre Wahlkreise erreichen wollen. Aber auch in der ersten Beratung dieses für die Sozialpolitik so wichtigen Gesetzentwurfs müssen noch einige Dinge gesagt werden, ehe wir den Entwurf in den Ausschuß verweisen.
    Ich muß sagen, daß meine Fraktion sehr befriedigt ist von der Haltung des Kollegen Dr. Philipp von der CDU/CSU-Fraktion zu einigen von uns als wesentlich angesehenen Punkten dieses Gesetzentwurfs. Denn wir hatten uns, als dieser Entwurf von der Bundesregierung hier vorgelegt wurde, einige sehr ernsthafte Sorgen gemacht, z. B. darüber, daß die Entscheidung der Frage der 25 % Erwerbsminderung oder der Abfindung bei Schädigungen zwischen 25 und 50 %, die Sie in Ihren Darlegungen auch gestreift haben, sehr große und wahrscheinlich von uns allen nicht gewollte Härten in sich bergen könnte.
    Darüber hinaus muß man diesen Gesetzentwurf im Zusammenhang mit bestimmten Veröffentlichungen sehen, die in der letzten Zeit von Herren des Bundesarbeitsministeriums, z. B. im Bundesarbeitsblatt vom 1. Oktober, erschienen sind. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: ich gehe an dieses Gesetz nicht mit der Sachkenntnis eines Mannes heran, der lange Jahre in den Berufsgenossenschaften gearbeitet hat, sondern ich kenne dieses Gesetz bzw. seine Anwendungsmöglichkeiten mehr vom Standpunkt der Betroffenen aus. Denn ehe ich in dieses Hohe Haus einziehen durfte, habe ich zehn Jahre in der Bauindustrie gearbeitet. Sie können mir glauben, daß es noch sehr schwerwiegende Dinge in der Unfallversicherung zu besprechen gibt und daß es durchaus nicht so ist, Herr Kollege Atzenroth, daß man sich mit dem bisherigen Gesetz zufrieden geben könnte, auch dann, wenn wir feststellen, daß die Renten, also das reine Leistungsrecht, seit zwei Jahren eine Verbesserung erfahren haben.
    Worum es uns bei dieser Betrachtung gehen muß, ist, z. B. einmal zu sehen, was sich hinter diesen
    Prozentzahlen eigentlich verbirgt. Ein Herr, der im Hause des Herrn Ministers Blank beschäftigt ist, hat im Bundesarbeitsblatt festgestellt, daß bei einem Unfall mit Erwerbsminderung unter 25 % von einem Schadensersatz nicht die Rede sein könne; wo ein Schaden überhaupt nicht bestehe, sei es logisch und sozialpolitisch ganz schlicht gesagt ein Unfug, eine Rente zu gewähren.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, hinter diesen 25 %, die sich für viele von Ihnen so abstrakt anhören, verbirgt sich z. B. die Tatsache, daß der Verlust des Daumens und des Zeigefingers der linken Hand bisher mit 20 % bewertet wurde.

    (Abg. Arndgen: Auf die Einzelheiten gehen wir später ein!)

    — Herr Kollege, Sie werden mir gestatten, daß ich denjenigen, die nicht so wie Sie in der Praxis stehen, diesen Prozentsatz einmal verdeutliche. Ein Maurer oder ein Feinmechaniker z. B. ist in diesem Fall erheblich in seiner beruflichen Entwicklungsfähigkeit geschädigt. Er hat auf Grund dieser Vorlage der Bundesregierung keinen Rentenanspruch mehr, weil die Schädigung, die ich eben andeutete, mit 20 % bewertet wurde. Das ist doch meines Erachtens eine erhebliche Verminderung der Chance des Betreffenden, in seinem Arbeitsleben noch weiterzukommen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Dann ist die Bewertung falsch!)

    — Schön, Herr Kollege Atzenroth, aber ich will Ihnen dazu etwas sagen. Aus meiner Tätigkeit im Petitionsausschuß dieses Hauses weiß ich, daß man über Versorgungsrecht und insbesondere über die Bewertung von Versorgungsärzten lange streiten kann. Ich kann Ihnen aber auch erschütternde Beispiele dafür bringen, wie sich unter Umständen eine solche Bewertung durch ein Sozialgerichtsurteil für den Betreffenden auswirken kann. Ich möchte glauben, daß, wenn man diese Dinge kennt, es dann am Gesetzgeber ist, schon im Gesetz Klarheit zu schaffen; man sollte nicht alles den Sozialgerichten überlassen. Aber, wie gesagt, wir stellen mit Befriedigung fest, gerade diese sehr umstrittene Frage wird auch von der CDU so gesehen, daß man darüber im Ausschuß noch reden kann und sehr lange und sehr ernsthaft reden sollte.
    Ich glaube, es kommt sehr wesentlich darauf an, bei der Anhörung von Sachverständigen die Frage, ob es z. B. richtig ist, denjenigen, der zwischen 25 % und 50 % liegt, zwangsweise zu entschädigen, einmal aus der Praxis heraus zu sehen. Die völlige Entstellung eines Gesichts durch eine Benzinexplosion im Erwerbsleben wird z. B. nach dem heutigen Brauch mit zwischen 20 und 50 % bewertet. Ich frage Sie: Ist ein Arbeiter oder ein Angestellter, dessen Gesicht durch eine solche Explosion völlig entstellt wird, nachher im Berufsleben noch ebenso wie bisher vermittlungsfähig oder kann er sich mit einer Kapitalabfindung die Basis für das künftige Leben schaffen, mit einer Abfindung, wie sie der Herr Mnister in seiner Begründung hier angedeutet hat? Ich halte das in diesem Fall für sehr zweifelhaft und möchte Sie bitten, diesen Gedanken in



    Börner
    den Ausschußberatungen doch noch einmal bis zu Ende durchzudiskutieren.

    (Abg. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Mann kann nicht alles mit Geld ablösen!)

    — Ja, eben, Frau Kollegin, man kann nicht alles mit Geld gutmachen, und man muß die soziale Sicherheit auch noch unter anderen Gesichtspunkten sehen, als sie die Bundesregierung in der Begründung dieses Entwurfs dargestellt hat. Da wird so getan, als ob die Vollbeschäftigung etwas sei, was immer bleiben könnte, und man hat den Eindruck, als ob die ganzen Begründungen etwa von der Beschäftigungslage und der Vermittlungsfähigkeit des Ruhrgebiets her gesehen wurden.

    (Sehr wahr! bei der SPD und FDP.)

    Daß aber bei einem Arbeiter der irgendwo auf dem flachen Lande ist, schon von vornherein — strukturell — die Vermittlungsfähigkeit eingeengt ist, wird hier völlig vergessen.
    Ich glaube, daß es deshalb wertvoll ist, den Gedanken der Freiwilligkeit bei der Abfindung in diesen Fällen unter allen Umständen aufrechtzuerhalten, vor allen Dingen auch dann, wenn man sich den Gedanken zu eigen macht, daß eine solche Schädigung ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre des Betreffenden ist. Die Bundesregierung hat ja immer Muße, in allen Versammlungen, die Minister der Bundesgregierung abhalten, für die Unverletzlichkeit der Persönlichkeit einzutreten. Hier wäre also eine gute Gelegenheit, die Dinge auch einmal in die Praxis umzudeuten.
    Ich möchte, wie gesagt, diese Gelegenheit heute
    nicht benutzen, unsere bisher so sachlich geführte Debatte in die Gefahr der Polemik zu bringen. Für die Opposition dieses Hauses hat es in den vergangenen Wochen und Monaten in diesen Fragen sehr ernsthafte Überlegungen gegeben. Wir werden im Ausschuß unsere ganze Kraft dafür einsetzen, auch mit Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, um diese Dinge zu ringen, weil wir glauben, daß viele von Ihnen in Ihrem Arbeitsleben die gleichen Erfahrungen machen konnten, wie ich sie Ihnen vorgetragen habe.
    Noch eine Anmerkung zum Schluß, die mir im Laufe des gestrigen Tages in den Sinn kam, und von der ich glaube, daß sie auch im Ausschuß diskutiert werden sollte. Man sollte einmal überprüfen, ob bei dem Kreis der versicherten Personen nicht nur der Lehrling oder der Berufsfachschüler versichert werden muß, sondern auch der Studierende an einer Technischen Hochschule oder an einer Ingenieurschule. Ich kenne aus meinem privaten Lebenskreis Fälle, wo bei technisch-wissenschaftlichen Experimenten an diesen Schulen Unfallverletzungen von Studenten vorgekommen sind. Da es sich bei den Studenten um einen sozial sehr schlecht abgesicherten Personenkreis handelt, sollte man auch diese Frage einmal in die Überlegungen der Ausschußberatung mit einbeziehen.
    Alles in allem sind wir wohl einig mit der Ansicht des Herrn Ministers, daß dieses Gesetz den Erfordernissen der modernen Arbeitswelt gerecht werden müsse. Aber über den Inhalt dieser Formulierung, sehr verehrter Herr Minister, werden wir uns noch öfter im Ausschuß zu unterhalten haben. Es ist zu hoffen und zu wünschen, daß die Beratungen im Ausschuß von der gleichen Sachlichkeit getragen sind wie unsere Auseinandersetzung heute morgen hier.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Storch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Anton Storch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, heute morgen das Wort zu ergreifen. Aber manche Darlegungen veranlassen mich, doch ans Rednerpult zu gehen.
    Einmal habe ich es sehr bedauert, daß bei allen Reden, die heute morgen gehalten wurden, gleichgültig von welcher Seite, sehr viel über das Materielle und über den Schaden gesprochen worden ist, den der einzelne, den die Volkswirtschaft zu tragen hat. Man hat nicht daran gedacht, daß mit jedem Unfall letztlich Schmerz, Trauer und — wo ein Unfall zu einer Verkrüppelung führt — der Minderwertigkeitskomplex für das ganze Leben gegeben ist, und all das kann man nicht mit Geld abdecken. Weil aber diese Tatsachen nun einmal bei jedem Unfall vorhanden sind, sollte man die Unfallversicherung so gestalten, daß die Menschen, die vom Unglück getroffen werden, die innere Überzeugung haben können: Du hast im Interesse der Allgemeinheit, im Interesse der Wirtschaft deines Volkes eine schwere, eine gefährliche Arbeit übernommen. Das Schicksal hat dich getroffen. Aber die anderen fühlen sich, nicht nur der Not gehorchend, sondern aus einer Verpflichtung, dazu gehalten, deine Lebensgrundlage unbedingt zu sichern.
    Hier muß man sich einmal die Entwicklung der Unfallversicherung ansehen. Wir wissen, daß sie sich als eine Haftpflichtversicherung der Arbeitgeber entwickelt hat. Wir wissen ferner, daß es in einzelnen Ländern und auch bei uns in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg eine ganze Reihe von Leuten gegeben hat, die mit guten Argumenten — sage ich — gesagt haben, die Unfallversicherung sei überlebt; durch die Krankenversicherung sei ja gewährleistet, daß der einzelne bei einem Unfall die nötige Behandlung durch den Arzt und das Krankenhaus haben könne, und die Rentenverpflichtungen, die sich aus einem Unfall ergeben, könne man mehr oder weniger durch die Rentenversicherungen abdecken.
    Ich habe mit einem der bedeutenden Männer, die diesen Gedanken kurz nach dem Kriege vertreten haben, manches Gespräch geführt. Der englische Lord Beveridge hatte in der von ihm entworfenen Versorgung für die Staatsbürger seines Landes die Unfallversicherung ausgeschaltet. Zwei Jahre später hat er mich gefragt: Haben Sie noch die Unfallversicherung? — Ich habe ihm geantwortet: Ja, Gott sei Dank haben wir sie behalten. — Er sagte mir dann: Dazu kann ich Ihnen nur gratu-



    Storch
    lieren; denn wir werden nicht daran vorbeikommen, etwas Ähnliches wiederaufzubauen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Lord Beveridge ist ein schlechter Kronzeuge!)

    — Er ist für mich ein sehr guter Kronzeuge,

    (Beifall bei der SPD)

    und zwar aus einem sehr einfachen Grunde. Ich habe die Überzeugung, daß dieser Mann aus einem ehrlichen inneren Bestreben heraus versucht hat, den breiten Schichten der englischen Arbeiterschaft ein System sozialer Sicherheit zu geben, das in die heutige Zeit paßt. Ob man mit allem, was er dabei vorgeschlagen und durchgesetzt hat, einverstanden ist, ist eine ganz andere Frage, Herr Dr. Atzenroth. Wir sollten den eigentlichen Grundgedanken unserer Unfallversicherung als eines wesentlichen Elements der Selbsthilfe der Wirtschaft beibehalten und nirgendwo die Grenzlinien verwischen.
    Ich habe heute morgen mit einigem Staunen gehört, wie sich der Herr Kollege Wischnewski für seine Partei dafür ausgesprochen hat, daß der Arbeitgeber wieder für die ersten sechs Wochen der Verpflichtete sein soll, wenn ein Verletztengeld anstelle von Krankengeld gezahlt wird. Zu Beginn der Unfallversicherung bestand die persönliche Haftung des Arbeitgebers. Wir haben dann die Unfallversicherung in die heutige Form übergeführt, denn der einzelne Arbeitnehmer hatte zwar einen zivilrechtlichen Anspruch gegenüber seinem Arbeitgeber, dieser war aber in vielen Fällen nicht in der Lage, die Verpflichtung abzudecken, weil ihm dafür die nötigen Mittel fehlten. Sollten wir zu einer Regelung kommen, die wieder das Versehrtengeld vorsieht, so würde ich es im Interesse der Arbeitnehmer für sehr bedauerlich halten, wenn die Gemeinhaftung der Arbeitgeber in der Unfallversicherung für die ersten sechs Wochen der Weiterzahlung des Lohnes nicht mehr gegeben wäre.
    Herr Abgeordneter Atzenroth, Sie haben noch heute Bedenken gegen die Selbstverwaltung in der Unfallversicherung und der Parität von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, und Sie stehen noch heute auf dem Standpunkt, der früher einmal bei der Festsetzung der Sozialbeiträge und der Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane galt: Jeder ist in dem Umfang an der Selbstverwaltung beteiligt, wie er durch die Beitragszahlung an der Aufbringung der Mittel beteiligt ist. Auch Sie, Herr Kollege Atzenroth, werden anerkennen, daß letztlich die Umlage für die Unfallversicherung nicht aus dem persönlichen Gewinn des Arbeitgebers gezahlt wird, sondern daß sie, wie jede andere Betriebsausgabe auch, von den Erträgnissen des Betriebes abgesetzt wird, wenn man einen Gewinn aus dem Betrieb errechnet. Was in den Betrieben erarbeitet wird, kommt durch eine Gemeinschaftsleistung der Unternehmer und der Arbeitnehmer zusammen. Wenn aus diesem gemeinschaftlich Erarbeiteten dann der Beitrag gezahlt wird, sollte hier auch der Arbeitnehmer mitwirken.

    (Zuruf.)

    — Herr Kollege Atzenroth, alle Ihre Freunde aus
    dem Arbeitgeberlager, die in der Selbstverwaltung
    der Sozialversicherung, in diesem Fall: der Unfallversicherung, mitarbeiten, haben keine schädlichen Auswirkungen dieser neuen paritätischen Besetzung gefunden. Deshalb sollten auch Sie heute nicht mehr darüber reden.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Dr. Atzenroth.)

    Dann, Herr Kollege Atzenroth, habe ich sehr bedauert, daß Sie hier gesagt haben, es sei mehr oder weniger Aufgabe der Fürsorge, für denjenigen zu sorgen, der infolge eines Wegeunfalles nicht mehr in der Lage ist, seine volle Arbeitskraft einzusetzen. Herr Kollege Atzenroth, auch hier sollten Sie mit einem großen Teil Ihrer Freunde aus dem Unternehmerlager Schritt halten, die der Meinung sind, daß die Ausdehnung der Unfallversicherung auf die Wegeunfälle eine einfach notwendig gewordene Weiterentwicklung der Unfallversicherung ist.
    Wenn Sie sagen, bezüglich der Wegeunfälle seien die Unternehmer nicht in der Lage, die Sicherheitsvorrichtungen wie in den Betrieben zu treffen, dann mögen Sie zum Teil recht haben. Aber eines ist doch klar, Herr Kollege Atzenroth: Wenn heute irgendwo ein Betrieb aufgebaut wird, in dem 10-, 12-, 15 000 Menschen beschäftigt sind, und wenn man sich dabei keine Gedanken darüber macht, wie die Zugangswege zu diesem Betrieb sind, wenn man auf diesem Gebiet nichts tut oder vielleicht nichts machen kann und der Weg gehört doch letzten Endes zumindest hinsichtlich der persönlichen Gefahr mit der Arbeit im Betrieb zusammen —, dann sollte man um Gottes willen so etwas nicht in der Öffentlichkeit verlautbaren. Dabei werden Sie in Ihren eigenen Kreisen kaum einen Widerhall finden. Diese Fortentwicklung der Unfallversicherung zu der Mitversicherung des Weges zur Arbeit und der Mitversicherung all derjenigen Berufskrankheiten, die mehr oder weniger zur Invalidität führen, ist meines Erachtens das allerbeste und stellt den hieran Beteiligten, auch den Arbeitgebern, das allergrößte Lob aus.
    Frau Kollegin Friese-Korn hat gesagt, es wäre doch wohl zweckmäßig, gemäß dem Entwurf der Freien Demokraten wieder einmal vorweg eine Verbesserung der Leistungen gesetzgeberisch festzulegen. Ich glaube, Frau Kollegin Friese-Korn, der Gesetzentwurf wird, wie er vorliegt, Ihren Wünschen für die Zukunft restlos gerecht. Er geht vielleicht sogar noch etwas weiter. Wir sollten, wenn wir eine Reform machen, das nicht in der Form tun, daß wir heute eine kleine Besserstellung bringen und morgen wieder eine, so daß in dem großen Rest nachher vielleicht auch der eine oder andere Widerhaken drin ist, mit dem wir fertigwerden müssen. Dann wird das Schlußgesetz als etwas sehr Schlechtes hingestellt, weil man, wie vorhin einmal gesagt wurde, die Rosinen vorher aus dem Kuchen gepickt hat. Nun ja, ich bin der Meinung, man sollte Kuchen ohne Rosinen ebenso wohlschmeckend finden; man kann es zumindest.
    Ich bin also der Meinung, wir sollten doch so verfahren, wie der Berichterstatter für Ihren Gesetzentwurf vorgeschlagen hat: jetzt keine Regelung vorweg schaffen, sondern durch das Gesetz



    Storch
    nachher hier eine völlig klare Linie schaffen. Meines Erachtens müßte es möglich sein, bei den wenigen Fällen, die Sie vor Augen haben, diesen jungen Menschen zu helfen, indem man von der Schule aus eingreift; und man wird das auch tun in dem Moment — doch, Frau Friese-Korn! —, wo man bei der Schulleitung oder aber auch in den Ministerien, die in den Ländern dafür zuständig sind, weiß, daß in spätestens einem halben Jahr durch Gesetz eine Regelung geschaffen sein wird, bei der es für diese jungen Leute keine Schwierigkeiten mehr geben wird; sie werden die Schule weiter besuchen können.
    Wir sollten also, meine ich, gerade bei diesem Gesetz wirklich mit der Liebe zu den arbeitenden Menschen an die Arbeit gehen und sollten das Gesetz so gestalten, daß man später wirklich sagen kann: In Deutschland hat man von den Arbeitnehmern, hat man von den breiten Schichten des Volkes, nach dem Kriege Ungeheures verlangt; aber man ist auch gewillt, ihnen gerecht zu werden auf den Gebieten, wo sie Gerechtigkeit für sich in Anspruch nehmen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)