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ID0305701800

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    6. Börner.: 1
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    Deutscher Bundestag 57. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1959 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz UVNG) (Drucksache 758) — Erste Beratung ; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung (FDP) (Drucksache 446) ; Mündlicher Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses (Drucksache 638) — Zweite Beratung — Blank, Bundesminister . . . . . 3137 B Börner (SPD) 3142 A, 3157 A Wischnewski (SPD) . . . . . 3142 C Dr.-Ing. Philipp (CDU/CSU) . . . 3146 D Dr. Atzenroth (FDP) . . 3153 A, 3160 A Frau Friese-Korn (FDP) 3156 C Storch (CDU/CSU) 3158 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 9. September 1957 zum Abkommen vom 15. Juli 1931 zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern (Drucksache 543) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 718) — Zweite und dritte Beratung — Seuffert (SPD) 3161 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 3163 A Nächste Sitzung 3163 D Anlagen 3165 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Januar 1959 3137 57. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9.04 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 4. 4. Altmaier* 23. 1. Dr. Bärsch 23. 1. Baur (Augsburg) 23. 1. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Behrendt 23. 1. Benda 23. 1. Birkelbach* 23. 1. Fürst von Bismarck* 23. 1. Blachstein' 23. 1. Frau Blohm 31. 1. Frau Brauksiepe 23. 1. Dr. Burgbacher 23. 1. Caspers 23. 1. Diekmann 23. 1. Diel (Horressen) 23. 2. Dr. Eckhardt 10. 2. Eilers (Oldenburg) 23. 1. Engelbrecht-Greve 23. 1. Etzenbach 7. 2. Even (Köln) 23. 1. Frenzel 23. 1. Dr. Furler* 23. 1. Gedat 30. 1. Geiger (München) 23. 1. Gerns* 23. 1. D. Dr. Gerstenmaier 23. 1. Gleisner (Unna) 20. 2. Graaff 23. 1. Dr. Greve 7. 2. Dr. Gülich 31. 1. Günther 23. 1. Haage 23. 1. Häussler 23. 1. Heinrich 31. 1. Heix 23. 1. Heye* 23. 1. Höfler* 23. 1. Holla 23. 1. Frau Dr. Hubert* 23. 1. Jacobs 28. 2. Dr. Jaeger 26. 1. Dr. Jordan 23. 1. Frau Kalinke 31. 1. Kiesinger* 23. 1. Dr. Kliesing (Honnef)* 23. 1. Köhler 24. 1. Dr. Kohut 24. 1. Dr. Kopf* 23. 1. Kramel 16. 2. Krug 23. 1. Kühlthau 23. 1. Kühn (Bonn) 26. 1. Kühn (Köln) * 23. 1. Kunst 31. 1. Kurlbaum* 23. 1. Dr. Leverkuehn* 23. 1. Lücker (München) * 23. 1. Anlagen zum Stenographischen Bericht Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 1. Dr. Martin 26. 1. Mauk 24. 1. Frau Dr. Maxsein* 23. 1. Memmel 31. 1. Dr. Mende* 23. 1. Dr. Menzel 15. 2. Metzger* 23. 1. Dr. Meyer (Frankfurt)* 23. 1. Müser 17. 2. Dr. Oesterle 6. 2. Paul* 23. 1. Pelster 31. 1. Pernoll 23. 1. Pütz 14. 2. Rademacher 24. 1. Regling 23. 1. Frau Dr. Rehling* 23. 1. Dr. Reith 31. 1. Reitzner 23. 1. Rohde 31. 1. Ruf 23. 1. Ruland 23. 1. Scheel 23. 1. Dr. Schmid (Frankfurt)* 23. 1. Schneider (Hamburg) 2. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 15. 2. Schulze-Pellengahr 23. 1. Schütz (München)* 23. 1. Seidl (Dorten)* 23. 1. Dr. Serres* 23. 1. Spitzmüller 23. 1. Wagner 23. 1. Dr. Wahl* 23. 1. Walpert 31. 1. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 23. 1. Dr. Weber (Koblenz) 23. 1. Weinkamm 23. 1. Winkelheide 23. 1. Wullenhaupt 24. 1. Dr. Zimmer* 23. 1. Zühlke 23. 1. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Wirtschaft auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ritzel (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. 1. 1959, Drucksache 786, Frage 20) : Ich frage die Bundesregierung: Ist es richtig, daß Hersteller und Händler der Fernsehbranche eine Preissünderkartei anzulegen beabsichtigen oder bereits angelegt haben, um sowohl in bezug auf die Fabrikpreise als auch in bezug auf die Verkaufspreise eine absolute Preisbindung herbeizuführen? Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, wenn diese Mitteilung zutrifft? Die Preisbindung der zweiten Hand für Markenwaren ist durch § 16 des Gesetzes gegen Wett- *) für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates 3166 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Januar 1959 bewerbsbeschränkungen (GWB) als Ausnahme von dem generellen Verbot der vertikalen Preisbindung des § 15 GWB unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. Von der Möglichkeit der vertikalen Preisbindung hat die große Mehrzahl der Hersteller von Rundfunk- und Fernsehgeräten im Jahre 1958 Gebrauch gemacht. Diese Unternehmen haben den Groß- und Einzelhandel zur Einhaltung der von ihnen festgesetzten Wiederverkaufspreise verpflichtet. Bei der Preisbindung ist das von den Gerichten in ständiger Rechtsprechung aufgestellte Erfordernis der Lückenlosigkeit zu beachten. Im Hinblick auf dieses Erfordernis kann auch der Handel ein Interesse daran haben, daß Verstöße gegen die Preisbindungsvorschriften der Hersteller festgestellt und unterbunden werden. Es ist der Bundesregierung bei der Sammlung von Unterlagen für die Beantwortung Ihrer Anfrage bekanntgeworden, daß der Vorsitzende des Deutschen Rundfunk- und Fernseh-Fachverbandes (DRFFV) in der Zeitschrift dieses Verbandes „Der Deutsche Rundfunk-Einzelhandel", Oktober-Heft 1958, es als notwendig bezeichnet hat, jeden Preisbindungsverstoß zu erfassen und in einer Preisbindungssünderkartei festzuhalten, um einen Überblick über auftretende Lücken im Preisbindungssystem zu gewinnen. Die genannte Kartei wird in Köln beim DRFFV geführt; aus ihr werden z. B. die preisbindenden Hersteller über festgestellte Verstöße unterrichtet. Soweit in der Kürze der Zeit der Sachverhalt im einzelnen festgestellt werden konnte, bezieht sich die Preisbindungssünderkartei nur auf unlautere Verhaltensweisen und berührt daher nicht die Verbote des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die ausschließlich Beschränkungen eines lauteren Verhaltens untersagen. Nach einer gutachtlichen Stellungnahme des Bundeskartellamtes kann ein Verstoß gegen Bestimmungen des GWB vorliegen, wenn Abnehmer preisgebundener Erzeugnisse außer ihrer vertikalen Verpflichtung gegenüber dem Hersteller noch untereinander horizontale Verpflichtungen zur Einhaltung der gebundenen Preise eingehen; derartige Verpflichtungen ließen sich jedoch im vorliegenden Fall bisher nicht feststellen. Nach den Vorschriften des GWB ist für eine Feststellung etwaiger kartellrechtlicher Verstöße im vorliegenden Fall das Bundeskartellamt in Berlin SW 61, Mehringdamm 129, zuständig; ich werde eine genaue Feststellung des Sachverhalts und der Rechtslage sowie der etwa nach den Vorschriften des GWB zu treffenden Maßnahmen durch das Bundeskartellamt veranlassen und Ihnen von dem Ergebnis Mitteilung machen. Es ist ferner darauf hinzuweisen, daß in der Rundfunk- und Fernsehbranche ein Verein zur Förderung des lauteren Wettbewerbs tätig ist. Dieser beschränkt sich ausweislich seiner Satzung und Geschäftsordnung sowie nach Auskunft seines Geschäftsführers auf die Verfolgung von Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und seine Nebengesetze (Rabattgesetz, Zugabeverordnung, Preisauszeichnungsverordnung). Vor wenigen Tagen haben sechs namhafte Rundfunk-. und Fernsehgerätehersteller mit einem ge- schätzten Umsatzanteil von mindestens 50 % die Preisbindung für ihre Markenerzeugnisse aufgehoben. Sie haben damit den Handelsstufen die Möglichkeit einer freien Preisbildung gegeben. Insoweit dürften Überlegungen über die Errichtung und Führung von Preisbindungssünderkarteien und deren Zulässigkeit nunmehr gegenstandslos geworden sein; ob und welche Bedeutung ihnen im übrigen verbleiben wird, bleibt abzuwarten. Ludwig Erhard Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Wirtschaft auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Friedensburg (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. Januar 1959, Drucksache 786, Frage 22): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Verwendung von Kunststoffen in der Bekleidungsindustrie, insbesondere bei der Strumpffabrikation, bei sehr vielen Menschen zu schweren Hautentzündungen und damit zu ernsten Gesundheitsschädigungen führt, und was gedenkt die Bundesregierung, etwa durch Einführung eines Kennzeichnungszwanges, zu tun, um diese sich immer mehr verbreitenden Nachteile zu bekämpfen? Mit den in der Anfrage erwähnten Kunststoffen, die insbesondere in der Strumpffabrikation Verwendung finden, dürften vornehmlich die vollsynthetischen Fasern und Fäden gemeint sein, die zur Polyamid-Gruppe der Chemiefasern gehören. Sowohl während des Entwicklungsstadiums als auch noch nach dem Erscheinen vollsynthetischer Textilerzeugnisse auf dem Markt ist die Frage ihrer Hautverträglichkeit untersucht und mit medizinischen, biologischen und chemischen Methoden in wissenschaftlichen Versuchsreihen in Universitätskliniken und Fachinstituten eingehend geprüft worden. Übereinstimmend ist dabei festgestellt worden, daß die vollsynthetischen Fasern weder giftige noch die Haut angreifende Eigenschaften haben. Gleichwohl ist bekannt, daß vereinzelt Hautschädigungen aufgetreten sind. Man hat diese anfangs mit der Färbung vollsynthetischer Fasern in Zusammenhang gebracht. Sorgfältig durchgeführte Untersuchungen haben jedoch keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß in der Färbung die Ursache für Hauterkrankungen liegen könnte. Richtig dürfte vielmehr sein, daß die vollsynthetischen Chemiefasern eine geringere Saug- und Schweißtransportfähigkeit als natürliche Textilfasern aufweisen. Diesem Umstand hat jedoch die Industrie inzwischen durch Anwendung besonders poröser Web- und Wirkverfahren sowie durch Mischung von vollsynthetischen Fasern mit anderen Textilrohstoffen weitestgehend Rechnung getragen. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, daß solche Erzeugnisse, die in der Regel bei der Wäsche nicht gekocht werden, bei unzureichender Behandlung sich mit Resten von Waschmitteln, von Schweiß und Hautabscheidungen anreichern, so daß hierdurch Nährböden für Bakterien, Pilze und Hefen und demzufolge auch Hautschäden entstehen können. Schließlich darf darauf Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Januar 1959 3167 hingewiesen werden, daß es immer Menschen mit einer Überempfindlichkeit gegenüber Hautreizungen geben wird. Dies ist bei der Wolle ebenso bekannt wie bei den seit vielen Jahren im Gebrauch befindlichen künstlichen Fasern. Insoweit würden auch durch die Einführung eines Kennzeichnungszwanges die geäußerten Besorgnisse nicht beseitigt. In der Regel werden aber vollsynthetische Textilien ohnehin als solche - meist mit bekanntem Markennamen und Behandlungsanweisungen versehen — dem Konsumenten angeboten. Im übrigen habe ich mich zur Frage des Kennzeichnungszwangs für Textilerzeugnisse bereits in der Fragestunde des deutschen Bundestages am 12. Dezember 1957 geäußert. Ludwig Erhard
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    Rede von Lotte Friese-Korn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Herren und Damen! Trotz des leeren Hauses muß ich noch einmal auf unseren Gesetzentwurf zurückkommen, dessen Ablehnung im Ausschuß heute morgen von dem Kollegen Börner in ausgezeichnet gründlicher Weise dargestellt wurde. Der Entwurf der Freien Demokratischen Partei wurde im Ausschuß mit Stimmengleichheit abgelehnt. Ich wiederhole das hier, damit die anwesenden Kollegen der CDU, von deren Seite die Ablehnung kam, den Tatbestand noch einmal von einer anderen Seite betrachten. Denn ich kann mir nicht gut vorstellen, daß die Mitglieder des Jugend- und Familienausschusses diesem Entwurf ihre Zustimmung verweigert hätten.
    Ich will kurz den Tatbestand darstellen. Es handelt sich darum, daß man allen Unfallwaisen die Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus weiter gewähren soll, die sich in der Ausbildung befinden. Damit ist auch ein wichtiges kulturpolitisches Problem angesprochen. Es geht um einen Personenkreis, bei dem das Hohe Haus — ich kann es mir jedenfalls nicht vorstellen — sicher keine ungleiche Behandlung wünscht: Waisen aus der Rentenversicherung, die seit dem 1. Januar 1957 diese Verbesserung der Waisenrenten haben, während die Waisen aus der Unfallversicherung in den Genuß dieser Verbesserung erst kommen sollen, wenn das Gesetz, das wir heute in erster Lesung beraten, verabschiedet wird. Es handelt sich also um den Vorschlag einer Überbrückung. Wenn wir diese Überbrückung nicht schaffen, wenn wir die Gewährung nicht rückwirkend ab 1. Januar 1957 auch für die Unfallwaisen festlegen, wird eine kleine Gruppe Jugendlicher aus ihrem Berufsgang heraus-
    gerissen, während die nächsten Kinder, vielleicht aus der gleichen Familie, in den Genuß der Waisenrente kommen.
    Es handelt sich um einen verschwindend kleinen Betrag, gemessen an dem, der für die Realisierung dieses Gesetzes aufgebracht werden muß, um die Dynamisierung durchzuführen. Ob man hart bleibt, weil in diesem Fall der Gedanke mal wieder — von einer Oppositionspartei kommt? Sollte der Entwurf deshalb der Ablehnung verfallen, wäre das eine erschütternde Feststellung. Wir erleben so etwas im Sozialausschuß ja öfter, und das werden Sie in anderen Ausschüssen auch erleben. Es wäre zu wünschen, daß dieses Hohe Haus endlich einmal davon abginge, daß wegen einer vorhandenen sicheren Stimmenmehrheit zweckmäßige, sinnvolle Vorschläge, in diesem Falle notwendige soziale Regelungen, nur deshalb der Ablehnung verfallen, weil sie von der Opposition stammen.

    (Abg. Arndgen: Das ist übertrieben! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Nicht so rasch!
    Ich möchte deshalb dieses Hohe Haus bitten — ich appelliere jetzt gerade auch an die übrigen Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion —, diesem Ab-



    Frau Friese-Korn
    lehnungsantrag des Ausschusses nicht zu folgen. Der Entwurf der FDP würde dann, da wir in der zweiten Lesung sind, noch einmal zurückverwiesen und in 2. und 3. Lesung angenommen. Ich könnte mir denken, da der Gesetzgeber in seinem Entwurf dieselbe Regelung vorsieht, daß es keines großen Entschlusses bedarf, diese Regelung rückwirkend ab 1. Januar 1957 zu treffen. Der Kreis der Betroffenen ist nicht groß. Aber das ist nicht entscheidend, es geht um das Prinzip. Und wenn es nur zehn junge Menschen wären, die dann ihre Berufsausbildung fortsetzen können, lohnt es nach unserer Meinung.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Kollege Börner.

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    Rede von Holger Börner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus mit meiner Redezeit nicht über Gebühr beanspruchen; denn ich weiß, daß wir Sozialpolitiker bei unseren Freitagsdebatten immer mit unseren anderen Kollegen kollidieren, die möglichst früh ihre Wahlkreise erreichen wollen. Aber auch in der ersten Beratung dieses für die Sozialpolitik so wichtigen Gesetzentwurfs müssen noch einige Dinge gesagt werden, ehe wir den Entwurf in den Ausschuß verweisen.
    Ich muß sagen, daß meine Fraktion sehr befriedigt ist von der Haltung des Kollegen Dr. Philipp von der CDU/CSU-Fraktion zu einigen von uns als wesentlich angesehenen Punkten dieses Gesetzentwurfs. Denn wir hatten uns, als dieser Entwurf von der Bundesregierung hier vorgelegt wurde, einige sehr ernsthafte Sorgen gemacht, z. B. darüber, daß die Entscheidung der Frage der 25 % Erwerbsminderung oder der Abfindung bei Schädigungen zwischen 25 und 50 %, die Sie in Ihren Darlegungen auch gestreift haben, sehr große und wahrscheinlich von uns allen nicht gewollte Härten in sich bergen könnte.
    Darüber hinaus muß man diesen Gesetzentwurf im Zusammenhang mit bestimmten Veröffentlichungen sehen, die in der letzten Zeit von Herren des Bundesarbeitsministeriums, z. B. im Bundesarbeitsblatt vom 1. Oktober, erschienen sind. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: ich gehe an dieses Gesetz nicht mit der Sachkenntnis eines Mannes heran, der lange Jahre in den Berufsgenossenschaften gearbeitet hat, sondern ich kenne dieses Gesetz bzw. seine Anwendungsmöglichkeiten mehr vom Standpunkt der Betroffenen aus. Denn ehe ich in dieses Hohe Haus einziehen durfte, habe ich zehn Jahre in der Bauindustrie gearbeitet. Sie können mir glauben, daß es noch sehr schwerwiegende Dinge in der Unfallversicherung zu besprechen gibt und daß es durchaus nicht so ist, Herr Kollege Atzenroth, daß man sich mit dem bisherigen Gesetz zufrieden geben könnte, auch dann, wenn wir feststellen, daß die Renten, also das reine Leistungsrecht, seit zwei Jahren eine Verbesserung erfahren haben.
    Worum es uns bei dieser Betrachtung gehen muß, ist, z. B. einmal zu sehen, was sich hinter diesen
    Prozentzahlen eigentlich verbirgt. Ein Herr, der im Hause des Herrn Ministers Blank beschäftigt ist, hat im Bundesarbeitsblatt festgestellt, daß bei einem Unfall mit Erwerbsminderung unter 25 % von einem Schadensersatz nicht die Rede sein könne; wo ein Schaden überhaupt nicht bestehe, sei es logisch und sozialpolitisch ganz schlicht gesagt ein Unfug, eine Rente zu gewähren.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, hinter diesen 25 %, die sich für viele von Ihnen so abstrakt anhören, verbirgt sich z. B. die Tatsache, daß der Verlust des Daumens und des Zeigefingers der linken Hand bisher mit 20 % bewertet wurde.

    (Abg. Arndgen: Auf die Einzelheiten gehen wir später ein!)

    — Herr Kollege, Sie werden mir gestatten, daß ich denjenigen, die nicht so wie Sie in der Praxis stehen, diesen Prozentsatz einmal verdeutliche. Ein Maurer oder ein Feinmechaniker z. B. ist in diesem Fall erheblich in seiner beruflichen Entwicklungsfähigkeit geschädigt. Er hat auf Grund dieser Vorlage der Bundesregierung keinen Rentenanspruch mehr, weil die Schädigung, die ich eben andeutete, mit 20 % bewertet wurde. Das ist doch meines Erachtens eine erhebliche Verminderung der Chance des Betreffenden, in seinem Arbeitsleben noch weiterzukommen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Dann ist die Bewertung falsch!)

    — Schön, Herr Kollege Atzenroth, aber ich will Ihnen dazu etwas sagen. Aus meiner Tätigkeit im Petitionsausschuß dieses Hauses weiß ich, daß man über Versorgungsrecht und insbesondere über die Bewertung von Versorgungsärzten lange streiten kann. Ich kann Ihnen aber auch erschütternde Beispiele dafür bringen, wie sich unter Umständen eine solche Bewertung durch ein Sozialgerichtsurteil für den Betreffenden auswirken kann. Ich möchte glauben, daß, wenn man diese Dinge kennt, es dann am Gesetzgeber ist, schon im Gesetz Klarheit zu schaffen; man sollte nicht alles den Sozialgerichten überlassen. Aber, wie gesagt, wir stellen mit Befriedigung fest, gerade diese sehr umstrittene Frage wird auch von der CDU so gesehen, daß man darüber im Ausschuß noch reden kann und sehr lange und sehr ernsthaft reden sollte.
    Ich glaube, es kommt sehr wesentlich darauf an, bei der Anhörung von Sachverständigen die Frage, ob es z. B. richtig ist, denjenigen, der zwischen 25 % und 50 % liegt, zwangsweise zu entschädigen, einmal aus der Praxis heraus zu sehen. Die völlige Entstellung eines Gesichts durch eine Benzinexplosion im Erwerbsleben wird z. B. nach dem heutigen Brauch mit zwischen 20 und 50 % bewertet. Ich frage Sie: Ist ein Arbeiter oder ein Angestellter, dessen Gesicht durch eine solche Explosion völlig entstellt wird, nachher im Berufsleben noch ebenso wie bisher vermittlungsfähig oder kann er sich mit einer Kapitalabfindung die Basis für das künftige Leben schaffen, mit einer Abfindung, wie sie der Herr Mnister in seiner Begründung hier angedeutet hat? Ich halte das in diesem Fall für sehr zweifelhaft und möchte Sie bitten, diesen Gedanken in



    Börner
    den Ausschußberatungen doch noch einmal bis zu Ende durchzudiskutieren.

    (Abg. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Mann kann nicht alles mit Geld ablösen!)

    — Ja, eben, Frau Kollegin, man kann nicht alles mit Geld gutmachen, und man muß die soziale Sicherheit auch noch unter anderen Gesichtspunkten sehen, als sie die Bundesregierung in der Begründung dieses Entwurfs dargestellt hat. Da wird so getan, als ob die Vollbeschäftigung etwas sei, was immer bleiben könnte, und man hat den Eindruck, als ob die ganzen Begründungen etwa von der Beschäftigungslage und der Vermittlungsfähigkeit des Ruhrgebiets her gesehen wurden.

    (Sehr wahr! bei der SPD und FDP.)

    Daß aber bei einem Arbeiter der irgendwo auf dem flachen Lande ist, schon von vornherein — strukturell — die Vermittlungsfähigkeit eingeengt ist, wird hier völlig vergessen.
    Ich glaube, daß es deshalb wertvoll ist, den Gedanken der Freiwilligkeit bei der Abfindung in diesen Fällen unter allen Umständen aufrechtzuerhalten, vor allen Dingen auch dann, wenn man sich den Gedanken zu eigen macht, daß eine solche Schädigung ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre des Betreffenden ist. Die Bundesregierung hat ja immer Muße, in allen Versammlungen, die Minister der Bundesgregierung abhalten, für die Unverletzlichkeit der Persönlichkeit einzutreten. Hier wäre also eine gute Gelegenheit, die Dinge auch einmal in die Praxis umzudeuten.
    Ich möchte, wie gesagt, diese Gelegenheit heute
    nicht benutzen, unsere bisher so sachlich geführte Debatte in die Gefahr der Polemik zu bringen. Für die Opposition dieses Hauses hat es in den vergangenen Wochen und Monaten in diesen Fragen sehr ernsthafte Überlegungen gegeben. Wir werden im Ausschuß unsere ganze Kraft dafür einsetzen, auch mit Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, um diese Dinge zu ringen, weil wir glauben, daß viele von Ihnen in Ihrem Arbeitsleben die gleichen Erfahrungen machen konnten, wie ich sie Ihnen vorgetragen habe.
    Noch eine Anmerkung zum Schluß, die mir im Laufe des gestrigen Tages in den Sinn kam, und von der ich glaube, daß sie auch im Ausschuß diskutiert werden sollte. Man sollte einmal überprüfen, ob bei dem Kreis der versicherten Personen nicht nur der Lehrling oder der Berufsfachschüler versichert werden muß, sondern auch der Studierende an einer Technischen Hochschule oder an einer Ingenieurschule. Ich kenne aus meinem privaten Lebenskreis Fälle, wo bei technisch-wissenschaftlichen Experimenten an diesen Schulen Unfallverletzungen von Studenten vorgekommen sind. Da es sich bei den Studenten um einen sozial sehr schlecht abgesicherten Personenkreis handelt, sollte man auch diese Frage einmal in die Überlegungen der Ausschußberatung mit einbeziehen.
    Alles in allem sind wir wohl einig mit der Ansicht des Herrn Ministers, daß dieses Gesetz den Erfordernissen der modernen Arbeitswelt gerecht werden müsse. Aber über den Inhalt dieser Formulierung, sehr verehrter Herr Minister, werden wir uns noch öfter im Ausschuß zu unterhalten haben. Es ist zu hoffen und zu wünschen, daß die Beratungen im Ausschuß von der gleichen Sachlichkeit getragen sind wie unsere Auseinandersetzung heute morgen hier.

    (Beifall bei der SPD.)