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    Deutscher Bundestag 56. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1959 Inhalt: Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fragen der Justizpolitik (Drucksache 569) Dr. Arndt (SPD) . . . . . 3047 B, 3118 B Schäffer, Bundesminister . . 3056 A, 3076 D, 3117 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler 3069 C, 3095 B Jahn (Marburg) (SPD) 3069 D Dr. Kanka (CDU/CSU) . . . 3077 D, 3114 D Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . . 3082 A Dr. Schneider (Lollar) (DP) . . . 3086 D Rehs (SPD) 3091 B Benda (CDU/CSU) . . . . . . 3098 C Dr. Stammberger (FDP) 3106 A Wittrock (SPD) . . . . . . . 3107 C Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . 3110 D, 3114 A Dr. von Brentano, Bundesminister . 3113 B, 3114 C Dr. Schröder, Bundesminister . . . 3118 B Entwurf eines Gesetzes zu den Vereinbarungen mit den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Ver- einigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, der Republik Frankreich, des Königreichs Dänemark, des Königreichs der Niederlande und des Königreichs Belgien über gegenseitige Hilfe gemäß Art. 3 des Nordatlantik-Vertrages (Drucksache 47); Mündlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache 593) — Zweite und dritte Beratung Graf Adelmann (CDU/CSU) . . . 3123 D Erler (SPD) 3124 C Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) 3126 C Schultz (FDP) . . . . . . . . 3129 D Probst (Freiburg) (DP) . . . . . 3130 B Entwurf eines Gesetzes über das Europäische Währungsabkommen vom 5. August 1955 (Drucksache 541); Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 785, zu 785) — Zweite und dritte Beratung — 3130 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3131 C Anlagen 3133 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Januar 1959 3047 56. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9,03 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 55. Sitzung Seite 3002 D Zeile 11 statt „Rademacher". Ramms. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Januar 1959 3133 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 4.4. Altmaier* 23.1. Dr. Atzenroth 22.1. Dr. Bärsch 23.1. Baur (Augsburg) 23.1. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Birkelbach*- 23.1. Fürst von Bismarck* 23.1. Blachstein* 23.1. Frau Blohm 31.1. Diel (Horressen) 23.2. Dr. Eckhardt 10. 2. Eilers (Oldenburg) 23.1. Etzenbach 7.2. Frenzel 23.1. Dr. Furler* 23.1. Gedat 30. 1. Geiger (München) 23.1. Gerns* 23.1. D. Dr. Gerstenmaier 23.1. Gleisner (Unna) 20. 2. Graaff 23.1. Dr. Greve 7.2. Dr. Gülich 31. 1. Haage 23.1. Häussler 23.1. Heinrich 31.1. Heye* 23.1. Höfler* 23.1. Frau Dr. Hubert* 23.1. Jacobs 28. 2. Dr. Jaeger 26.1. Frau Kalinke 31.1. Kiesinger* 23.1. Dr. Kliesing (Honnef)* 23.1. Köhler 24.1. Dr. Kohut O 24.1. Dr. Kopf* 23.1. Kramel 16.2. Kriedemann 22.1. Kühn (Bonn) 26.1. Kühn (Köln)* 23.1. Kunst 31.1. Kurlbaum* 23.1. Dr. Leverkuehn* 23.1. Lücker (München)* 23.1. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30.1. Dr. Martin 26.1. Mank 24.1. Frau Dr. Maxsein* 23.1. Memmel 31.1. Dr. Mende* 23.1. Dr. Menzel 15.2. Metzger* 23.1. Dr. Meyer (Frankfurt)* 23.1. *für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaub bis einschließlich Müser 17.2. Dr. Oesterle 6.2. Paul' 23.1. Pelster 31.1. Pernoll 23.1. Pütz 14.2. Rademacher 24.1. Frau Dr. Rehling* 23.1. Dr. Reith 31.1. Rohde 31.1. Ruf 23.1. Dr. Schild 22.1. Dr. Schmid (Frankfurt)* 23.1. Schneider (Hamburg) 2.2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 15.2. Schütz (München)* 23.1. Seidl (Dorfen)* 23.1. Dr. Serres* 23.1. Vogt 23.1. Dr. Wahl* 23.1. Walpert 31.1. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 31.1. Weinkamm 23.1. Wullenhaupt 24.1. Dr. Zimmer* 23.1. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Verkehrs auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ritzel (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. 1. 1959, Drucksache 786, Frage 31) : Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um das neu eingerichtete Autotransportwesen der Bundesbahn mit wesentlich vermehrten Ein- und Ausladestationen auszustatten? Ist die Bundesregierung insbesondere bereit, die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn zu veranlassen, auf den bis jetzt für cien Autotransport erschlossenen Strecken eine vor Beginn der Bahnreise des Automobilisten stattfindende Verladung des Autos in geschlossenen oder offenen Güterwagen so rechtzeitig zu ermöglichen, daß der Reisende bei seiner Ankunft am ausländischen oder innerdeutschen Bestimmungsort seinen Wagen sofort zur Verfügung hat? Sieht die Bundesregierung auch die Möglichkeit, die Einrichtung des Autotransports von bundesdeutschen Stationen nach Berlin durchzuführen? Die Beförderung von Autos mit Reisezügen war 1958 noch auf die Sommersaison (Juni bis Oktober) beschränkt. Im vergangenen Jahre waren Autotransportwagen einmal zwischen Hamburg und Basel und zum andern in der Verbindung Ostende-München eingesetzt. Im kommenden Sommer sollen versuchsweise in zwei weiteren Zügen Autotransportwagen mitgeführt werden. Einer dieser Züge wird zwischen Mülheim (Ruhr)-Speldorf und München Ost verkehren. Kraftwagen können dabei auch in Düsseldorf Hauptbahnhof und in Köln-Deutz ein- und ausgeladen werden. Der andere Transportwagen wird von Großenbrode mit Verlademöglichkeit in Lüneburg nach München Ost und zurück verkehren. 3134 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Januar 1959 Zweck des seit einigen Jahren versuchsweise eingeführten Verfahrens ist es, die Reisenden, die am Tage ihren Kraftwagen benutzen, nachts mitsamt ihrem Fahrzeug über längere Strecken auf der Schiene zu befördern. Demgemäß sind jedem der genannten Züge Schlaf- und Liegewagen beigegeben. Eine Unterwegsbedienung ist im allgemeinen deswegen nicht vorgesehen, weil nach allen bisherigen Erfahrungen kein Interesse an einer Kurzstreckenbeförderung besteht und bei der bisherigen Fahrplangestaltung die Zwischenbahnhöfe zur Nachtzeit angelaufen werden. Die Beförderung von Kraftwagen in Tageszügen wurde bisher nicht gefordert. Sie ist deshalb bis auf weiteres auch nicht geplant. Zudem gibt es nur wenige Großstadtbahnhöfe, deren Bahnsteige ohne Schwierigkeit von Personenkraftwagen erreicht und befahren werden können. Die Bundesbahn prüft laufend die Möglichkeit, weitere Verbindungen dieser Art zu schaffen. Maßgebend für die Einrichtung weiterer Verkehre sind neben der Nachfrage die Einrichtung der Personenbahnhöfe mit Anfahrrampen und ausreichend breiten Bahnsteigen sowie das Vorhandensein entsprechend ausgerüsteter Transportwagen. Zur Zeit ist die Bundesbahn bemüht, die Konstruktion der Verladeeinrichtungen dieser Wagen zu verbessern, um die Aufenthalte der Züge abzukürzen. Bei dem heutigen Verfahren hat der Reisende seinen Wagen unmittelbar nach der Ankunft des Zuges zur Verfügung. Es ist deshalb nicht erforderlich, ihm eine vorausgehende Verladung zu ermöglichen, soweit die Beförderungsart „Auto im Zuge" eingeführt ist. Übrigens könnten normale Güterwagen, auf die der Reisende etwa vorher sein Fahrzeug verladen hat, deshalb nicht mit Schnellzügen befördert werden, weil sie für solche Geschwindigkeiten nicht geeignet sind und weil im allgemeinen auf den Personenbahnhöfen unterwegs . nicht die erforderliche Zeit für das Ein- und Ausrangieren vorhanden ist. In den Jahren vor dem letzten Krieg konnten Personenkraftwagen auf allen Güterabfertigungen gegen einen stark ermäßigten Beförderungspreis zur Beförderung mit Güterzügen nach allen Richtungen aufgegeben werden. Von dieser Einrichtung ist so gut wie kein Gebrauch gemacht worden, weil im Güterverkehr, der zum grollen Teil mit Bedarfsgüterzügen bedient wird, die Ankunftszeit im allgemeinen nicht mit völliger Sicherheit vorher angegeben werden kann. In gewissen Schnellzügen werden dagegen besonders eingerichtete Gepäckwagen mitgeführt, die der Autobeförderung dienen. Dabei handelt es sich einmal um Doppelstockgepäckwagen (DPw4üm) mit Schwenkhubbühne. Hier werden die Autos vom Bahnsteig aus durch die Seitentür verladen; Fassungsvermögen 8 Kraftwagen. Außerdem werden zukünftig — ohne Möglichkeit der Verladung an Zwischenstationen — Gepäckwagen mit Stirnwandtüren (MPw4i) verwendet, in denen zwei bis drei Kraftwagen unterzubringen sind. Bisher lief je einer der erwähnten Doppelstockwagen im Fernschnellzug „Komet" zwischen Hamburg und Basel. Der Verkehr wurde täglich bedient. An zwei Wochentagen liefen die Wagen bis Chiasso durch; jedoch soll diese Verlängerung nach Chiasso aufgegeben werden. Ferner gab es eine Verbindung Ostende—München, die an einzelnen Tagen, 1958 insgesamt 19mal, bedient wurde. Hier fanden belgische Spezialgüterwagen Verwendung, die für den Lauf in Schnellzügen geeignet sind. Die neugeplanten Verbindungen Mülheim (Ruhr)—München Ost und Großenbrode—München Ost sollen dreimal wöchentlich durchgeführt werden. Hier werden Gepäckwagen mit Stirnwandtür verwendet. Für die Beförderung der Pkw in Autotransport-wagen wird eine mäßige Fracht erhoben, die nicht vom Gewicht der Wagen abhängig ist. Unterschieden wird lediglich zwischen Pkw mit einer Länge von bis zu 4,42 m und größeren Wagen. Die Beförderungsart „Auto im Reisezug" hat im letzten Jahr recht lebhaften Zuspruch gefunden. Gezählt wurden in der Verbindung Hamburg—Basel 2535 Pkw und 6252 Reisende, auf der Strecke Ostende — München (an 19 Tagen) 865 Pkw und 2573 Reisende. Im Verkehr zwischen der Bundesrepublik und Westberlin kann eine Beförderung auf Autotransportwagen nur eingeführt werden, wenn die Deutsche Reichsbahn (Ost) diesem Verfahren zustimmt. Das ist kaum anzunehmen, um so mehr als gegenwärtig die Zahl der verkehrenden Reisezüge sehr gering ist und deswegen diese Züge schon heute bis an die Grenze des Möglichen mit Personenwagen ausgelastet sind. Dr.-Ing. Seebohm Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Felder (Fragestunde der 55. Sitzung vom 21. 1. 1959, Drucksache 786, Frage 37) : Welche Zeitspanne ist im Rahmen des Straßenbauprogramms des Bundesverkehrsministeriums für den Ausbau der Strecke vom Nürnberger Kreuz nach Tennenlohe und damit zum Anschluß an die bereits vierspurig befahrbare Bundesstraße 4 zwischen Tennenlohe und Erlangen vorgesehen? Ist bei den Planungen zum weiteren Ausbau der Bundesstraße 8 schon eine Entscheidung in der Frage der Ortsumgehungen von Langenzenn und Emskirchen getroffen worden? Die für den Vollausbau der Autobahnteilstrecke Nürnberger Kreuz — Tennenlohe erforderlichen Mittel stehen zur Verfügung. Die Arbeiten zur Herstellung des Fahnbahnunterbaues und eines Teiles der Fahrbahndecke sind vergeben. Der Rest der Deckenarbeiten ist ausgeschrieben; mit der Zuschlagserteilung ist in den nächsten Tagen zu rechnen. Mit der Durchführung der Arbeiten wurde im Herbst 1958 begonnen. Ich rechne damit, daß bis Ende dieses Jahres der gesamte Streckenabschnitt zweibahnig, d. h. vierspurig, dem Verkehr übergeben werden kann. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Januar 1959 3135 Im Wirtschaftsplan der Gemeinde Emskirchen ist bereits eine generelle Linienführung für die Ortsumgehung vorgesehen. Für Langenzenn soll ebenfalls die Trasse für eine spätere Umgehung im Wirtschaftsplan der Gemeinde berücksichtigt werden. Nachdem wir uns entschlossen haben, die Autobahn Frankfurt/M.—Würzburg—Nürnberg jetzt beschleunigt zu bauen, sind diese Umgehungen nicht mehr vordringlich. Der derzeitige starke und für die Gemeinden besonders lästige Durchgangsverkehr wird künftig von der Bundesstraße 8 abwandern und auf die neue Autobahn übergehen. In den generellen Planungen der beiden Ortsumgehungen und deren Aufnahme in die Wirtschaftspläne der Gemeinden sehe ich eine vorsorgliche Maßnahme, um die Mögkeit für spätere Umgehungen bei einer heute noch nicht voraussehbaren Verkehrsentwicklung offenzuhalten. Dr.-Ing. Seebohm
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    Rede von Dr. Adolf Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Schneider, die Entschließung des Hamburger Richterbundes halte ich nicht gerade für glücklich. Auf sie bezieht sich mit aller Eindeutigkeit mein heute morgen in der Begründungsrede gesprochenes Wort, daß Urteilsschelte notwendig Richterschelte sei, weil hinter jedem Urteil der Richter mit seiner ganzen Persönlichkeit stehen sollte. Ich vermag zwischen Urteilsschelte und Richterschelte keinen Unterschied zu sehen.
    Aber es ist doch nicht so, als ob, wie es in der Debatte dauernd zum Ausdruck kam, jede Urteilsschelte den Vorwurf der Rechtsbeugung in sich schließe. Davon kann doch gar keine Rede sein.
    Es gibt leider Gottes — und das mag vielleicht bei einer bestimmten Person gerade in Hamburg so sein — manch einen — dabei spielt unsere juristische Schulung, die sehr eine rein logische Schulung ist, eine große Rolle —, der, ich will ruhig einmal volkstümlich sagen, juristisch so verbildet ist, daß er das Recht gar nicht mehr sehen kann.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Also es ist keineswegs so — und das kam ja auch sonst hier vor, das kam ja auch bei Herrn Benda einmal vor —, als ob die Kritik an solchen Urteilen in der Regel einen Vorwurf der Rechtsbeugung enthalte. Ein derartiger Vorwurf ist nicht gemacht worden.
    Und schließlich ein Letztes gegen Herrn Schneider von der Deutschen Partei. Er hat mir zweimal entgegengehalten, ich hätte gefordert, man müsse die „Masse mobil machen", und ich hätte gesagt: „Sind wir schon wieder so weit?", und es seien „Signale aufzustecken". Nun, das Wort ,.Masse" gehört nicht zu meinem Sprachschatz, und nichts in meiner Rede könnte dahin gedeutet werden, daß ich etwas



    Dr. Arndt
    Derartiges gefordert hätte. Ich habe etwas ganz anderes gesagt. Ich habe erklärt, gegen manche besorgniserregende Erscheinung, auch z. B. gegen das, was ich eben sagte, daß manche Leute vor lauter Paragraphen das Recht nicht mehr sehen können, helfen nicht noch weitere Paragraphen, sondern da hilft oder ist heilsam ein Sturm in der öffentlichen Meinung. Ich habe gerade vom Rechtsbewußtsein gesprochen, das auch in der öffentlichen Meinung in Erscheinung treten sollte, und davon, daß die öffentliche Meinung rechtsbewußtseinbildend zu wirken hat.
    Nun komme ich zu dem, was seitens der Bundesregierung erklärt worden ist. Es ist natürlich unmöglich, auf alle Ausführungen des Herrn Bundesministers der Justiz, des Herrn Bundesministers des Auswärtigen und des Herrn Bundeskanzlers einzugehen. Wenn ich nicht darauf eingehe, so bedeutet das nicht — Herr Minister, seien Sie darüber nicht allzu traurig —, daß wir mit allen Ihren Ausführungen einverstanden sind. Wir sind sehr unzufrieden mit dem, was Sie gesagt haben. Ich glaube, das ist unser gutes Recht als Opposition. Ich beschränke mich auf einiges wenige.
    Sie haben es entschieden zurückgewiesen — so sagten Sie — daß mit Hilfe von Aussageverweigerungen oder Verzögerungen von Aussagegenehmigungen Verfahren manipuliert oder verhindert worden seien. Nun, Sie haben das zurückgewiesen; aber es hat uns angesichts der Tatsachen nicht überzeugt.
    Widersprechen möchte ich Ihrer Schilderung unseres Staates, in der Sie die Verschwiegenheit der Verwaltung so als Regel herausstellten, als ob es — vielleicht war das mißverständlich — keine Verpflichtungen der Exekutive zum Sprechen dem Parlament gegenüber, dem Gericht gegenüber und der Öffentlichkeit gegenüber gäbe. Denn aus dem Bundesbeamtengesetz kann nicht abgeleitet werden, daß wir ein geheimer Verwaltungsstaat seien. Das möchte ich hier doch einmal ausgesprochen haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun, es ist nicht möglich und liegt auch nicht im Rahmen dieser Debatte heute abend, die Rechtsnot der Wiedergutmachung zu erörtern. Ich habe da nur als eines der Beispiele erwähnt, daß man aus dem von den anwesenden Abgeordneten einstimmig angenommenen Wiedergutmachungsgesetz hinterher durch eine offiziöse Propaganda etwas sehr anderes gemacht hat. Denn es sollten die Wiedergutmachungsfragen normativ geregelt werden, aber keineswegs enumerativ oder exklusiv. Ich habe dabei auf die bedenkliche Rolle hingewiesen, die für die Psychologie der Richterschaft die ständigen Kassandrarufe der Bundesfinanzverwaltung zur Folge haben, daß wir uns finanziell und unter Gefährdung der Währung an der Wiedergutmachung verbluten.
    Demgegenüber haben Sie sich auf die Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland berufen. Ich bin der Auffassung, daß das doch nicht so ganz zutrifft, wie es von Ihnen dargestellt worden ist. Diese Allgemeine Wochenzeitung ist so fair und
    höflich gewesen, ein Gespräch mit Ihnen zu veröffentlichen, und hat Ihnen in dem Blatt das Wort gegeben, damit Sie dort Ihre Auffassungen darlegen konnten. Aber identifiziert hat sich die Allgemeine Wochenzeitung mit Ihren Auffassungen in gar keiner Weise. Das einzige, was die Zeitung von sich aus dazu sagt, ist, daß Herr Dr. van Dam Sie auf die vielfachen Mißverständnisse und heftigen Reaktionen sowie auf die schweren Bedenken gegen die einseitige Verbindung von Wiedergutmachungs-
    und Währungsfrage aufmerksam gemacht hat.
    In einem Punkte, Herr Bundesminister, muß ich Ihnen noch ausdrücklich widersprechen, und zwar in der Frage der von Ihnen so kurz und unter Hinweis auf die Fragestunde abgetanen Schwarzen Listen. Ich darf Ihnen den Brief des Präsidenten des Deutschen Anwaltsvereins, Herrn Dr. Emil von Sauer, vom 18. März 1958 in das Gedächtnis rufen, einen Brief, den der Deutsche Anwaltsverein meines Wissens heute noch immer nicht als erledigt ansieht und in dem er ausdrücklich von der Schwarzen Liste der 23 Anwälte schreibt — ich kenne die Liste und kenne die Hintergründe —, gegen die teilweise, ich muß schon sagen, geradezu alberne und unverantwortliche Vorwürfe erhoben worden sind; nicht vom Bundesfinanzminister, das Bundesfinanzministerium hat die Sache ja nur weitergegeben. Aber diese Liste ist, ohne daß einer der 23 Anwälte gehört worden wäre, nun nicht etwa an den zuständigen Landesjustizminister gesandt worden, damit der das nachprüfen könne, sondern sie ist wahllos an sämtliche Wiedergutmachungsbehörden aller Länder in der Bundesrepublik Deutschland gegangen.
    Dazu hat Herr von Sauer in seinem Brief ge- schrieben:
    Mit Bedauern und Befremden stelle ich fest, daß der Fundamentalsatz jedes demokratisch geordneten staatlichen Lebens „audiatur et altera pars" mißachtet worden und Ihr Ministerium mit der Aufstellung obendrein unter solchen Umständen zustande gekommener Schwarzer Listen zu Methoden zurückgekehrt ist, die als endgültig überwunden angesehen worden sind.
    Ich hoffe jedenfalls, daß diese Kritik heute hier im Bundestag — dann hätte sie ja schon einen Sinn gehabt — dazu führt, daß sich ein derartiges Vorkommnis nicht wiederholt.
    Aus den Ausführungen des Herrn Bundesministers des Auswärtigen haben wir mit großem Vergnügen gehört, daß auch von Pretoria die Rede war.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Allerdings ist Pretoria nicht Gegenstand der Verhandlung gewesen, und deshalb liegt es etwas außerhalb.
    Ich darf aber, nachdem der Herr Bundesminister des Auswärtigen so viele Briefe verlesen hat, hier auch meinerseits kurz etwas verlesen. Mir liegt ein Schriftstück vor, gerichtet an den Oberstaatsanwalt in Bonn und überschrieben „Dr. Hans Dahs, Rechtsanwalt". Herr Dr. Dahs verweist darauf, er habe sich zum Verteidiger des beschuldigten Staatssekretärs Professor Hallstein bestellt und seine Voll-



    Dr. Arndt
    macht überreicht, und er zeige hiermit an, daß er auch den beschuldigten Botschafter Blanken • horn vertrete. Er füge seine Vollmacht bei und beantrage, das Verfahren auf Grund des Straffreiheitsgesetzes 1954 einzustellen.
    Und dann fährt dieser angesehene Strafverteidiger, Herr Rechtsanwalt Professor Dr. Dahs, im Laufe des Schriftsatzes ausdrücklich im Namen von Herrn Präsidenten Hallstein und im Namen von Herrn Botschafter Blankenhorn folgendermaßen fort:
    Es sind Herrn Rechtsanwalt Wenmakers weiter
    folgende Vorschläge unterbreitet worden:
    1. Die Bundesregierung ernennt Herrn Dr. Strack zum Ministerialdirigenten im Bundeswirtschaftsministerium.
    2. Im unmittelbaren Anschluß daran wird bei der Irakischen Regierung das Agrément für Herrn Dr. Strack als Botschafter in Bagdad eingeholt. Nach Eingang des Agréments wird Herr Dr. Strack zum Botschafter in Bagdad ernannt.
    3. Nach Freiwerden der Botschafterstelle in Santiago wird Herr Dr. Strack von Bagdad nach Santiago versetzt. Die Stelle wird spätestens am 30. 4. 1959 mit Erreichung der Altersgrenze durch den bisherigen Inhaber frei werden. Es sei infolge anderweitiger Verwendung des bisherigen Inhabers mit einem früheren Freiwerden zu rechnen.
    4. Herr Dr. Strack solle sich mit den unter 1 bis 3 aufgeführten personellen Verfügungen einverstanden erklären.
    5. Nach Beschlußfassung des Kabinetts über seine Ernennung zum Ministerialdirigenten solle Herr Dr. Strack den gestellten Strafantrag zurückziehen.

    (Lebhafte Rufe bei der SPD: Hört! Hört!)

    6. Herr Dr. Strack solle sich an einer politischen Auswertung der Angelegenheit nicht initiativ beteiligen.

    (Erneute Rufe bei der SPD: Hört! Hört! — Abg. Dr. Mommer: Na, Herr Weber?)

    Glauben Sie, daß ein Rechtsanwalt sich diese Sache aus den Fingern saugt und in einem Schriftstück dem Gericht zur Kenntnis bringt, ohne daß man annehmen darf, der Hintergrund ist im wesentlichen klar? Der Weg nach Pretoria endet manchmal woanders.

    (Heiterkeit und Zurufe bei der SPD.)

    Nun zu allerletzt zum Herrn Bundeskanzler. Der Herr Bundeskanzler hat hier geäußert, er könne nicht einsehen, wie weit auch nur der Schatten einer Beeinflussung der Rechtsprechung dadurch hervorgerufen sei, daß er als Bundeskanzler gemäß § 202 der Strafprozeßordnung

    (Abg. Dr. Kanka: Hier als Zeuge!)

    — ja — beantragt hat, als Zeuge nochmals richter-
    lich vernommen zu werden. Ich bedaure, daß ich
    darin dem Herrn Bundeskanzler nicht folgen kann.
    Antragsberechtigt bei einem Strafgericht sind nach einer strengen und wohlüberlegten Regelung des Gesetzes ausschließlich der Angeschuldigte oder Angeklagte, der Staatsanwalt und ein etwa durch besonderen Gerichtsbeschluß zugelassener Nebenkläger. Aber sonst niemand. Es stand und steht dem Herrn Bundeskanzler frei, wenn er glaubte, in der ihm nicht als Dienstherrn, sondern als Dienstvorgesetzten

    (Sehr gut! Sehr richtig! bei der SPD)

    zugestellten Anklageschrift Irrtümer oder Mängel zu entdecken, sich an den Herrn Landesminister der Justiz zu wenden und darauf aufmerksam zu machen, damit der zuständige Minister bei der ihm nachgeordneten Staatsanwaltschaft dann für entsprechende Berichtigungen und Anträge sorgt. Aber sich unmittelbar an das Gericht mit der vollen Wucht des Bundeskanzleramts wenden

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Mit der Bitte als Zeuge!)

    ist ein massiver Eingriff in die Rechtspflege.

    (Beifall bei der SPD.)

    Da mögen Sie den Kopf schütteln. Das ist eine ganz klare Sache.


Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Dr. Arndt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Kanka?

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    Rede von Dr. Adolf Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ja.