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    Deutscher Bundestag 55. Sitzung Bonn, den 21. Januar 1959 Inhalt: Abg. Krüger (Neheim) tritt als Nachfolger des verstorbenen Abg. Gockeln in den Bundestag ein 2999 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Spies (Brücken), Dr. Will, Hilbert, Dr. Hesberg, Dr. Adenauer, Kuntscher . 2999 B Abg. Hübner, bisher Hospitant, tritt der Fraktion der CDU/CSU bei 2999 B Fragestunde (Drucksache 786) Frage 1, Abg. Krüger: Aussiedler und Heimkehrer Dr. Nahm, Staatssekretär 3001 A Frage 2, Abg. Krüger: Wirtschaftliche und soziale Eingliederung der ostdeutschen Bauern; in Verbindung mit Frage 8, Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Wiedergabe einer einseitig gekürzten Bundestagsdebatte in der Veröffentlichung „Der Grüne Plan 1958" Dr. Lübke, Bundesminister . . . . 3001 C Frage 3, Abg. Krüger: Ablösungen nach dem LAG Hartmann, Staatssekretär . . . 3002 A Frage 4, Abg. Rademacher: Frachten in der Binnenschiffahrt Dr. Seebohm, Bundesminister . . 3002 B Ramms (FDP) 3002 C Frage 5, Abg. Börner: Geschwindigkeitsbeschränkungen für Krankentransportwagen Dr. Seebohm, Bundesminister . . 3002 D Börner (SPD) 3003 C Frage 7, Abg. Dr. Mommer: Errichtung einer Tankstelle auf der Autobahn zwischen Darmstadt und Camberg Dr. Seebohm, Bundesminister . . . 3004 A Frage 9, Abg. Jahn (Marburg) : Verweigerung des Einreisevisums für den polnischen Redakteur Jaszunski Dr. Schröder, Bundesminister . . . 3004 C Frage 10, Abg. Dr. Friedensburg: Verzögerungen im Autobahnverkehr durch Arbeiten zur Erneuerung der Autobahndecken Dr. Seebohm, Bundesminister . . . 3005 A Frage 11, Abg. Frau Dr. Rehling: Zusammensetzung des Verwaltungsrates des Kulturfonds des Europarates Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 3006 A Frage 12, Abg. Frau Dr. Rehling: Zusätzliche finanzielle Mittel für den Kulturfonds des Europarates Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 3006 B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. Januar 1959 Frage 13, Abg. Dr. Kreyssig: Bericht der Bundesregierung über den Fortgang der Arbeiten zur Schiffbarmachung der Mosel Dr. Seebohm, Bundesminister . . . 3006 D, 3007 A, B Dr. Kreyssig (SPD) 3007 A, B Frage 14, Abg. Brück: Erfahrungen mit der Geschwindigkeitsbegrenzung in geschlossenen Ortschaften und auf der Autobahn Frankfurt—Mannheim Dr. Seebohm, Bundesminister 3007 C, 3008 C Brück (CDU/CSU) 3008 B Frage 15, Abg. Logemann: Einweisung von Bundeswehrfamilien in noch nicht bezugsfertige Wohnungen Strauß, Bundesminister . . . . . 3009 B Frage 16, Abg. Dr. Serres: Erschließung der Erdgasquellen in der Nordsahara Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 3009 D Frage 17, Abg. Dr. Besold: Bevorzugung dunkler Autobahndecken Dr. Seebohm, Bundesminister . . . 3010 A Wahl eines beratenden Mitglieds des Wahlprüfungsausschusses . . . . . . . . 3011 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Arbeitszeit der Bundesbeamten (Drucksache 591 [neu]); in Verbindung damit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Drucksache 620) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Beschäftigung von Schwerbeschädigten im Bundesdienst (Drucksache 674) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesbeamtengesetzes (FDP) (Drucksache 726) — Erste Beratung — Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesbesoldungsgesetzes (FDP) (Drucksache 727) — Erste Beratung —Falier (SPD) 3011 B Matzner (SPD) . . . . . . . . . 3012 C Dr. Schröder, Bundesminister 3013 A, 3016 D, 3020 A Eilers (Oldenburg) (FDP) 3013 D Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . 3015 C Kühlthau (CDU/CSU) 3017 A Entwurf eines Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) (Drucksache 759) — Erste Beratung —; in Verbindung damit Entwurf eines Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie (Atomgesetz) (FDP) (Drucksache 471) — Erste Beratung - Antrag der Fraktion der SPD betr. Überwachung radioaktiver Verseuchung (Drucksache 496) Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. Dezember 1957 über die Errichtung einer Sicherheitskontrolle auf dem Gebiet der Kernenergie (Drucksache 599) — Erste Beratung — Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. Dezember 1957 über die Gründung der Europäischen Gesellschaft für die Chemische Aufarbeitung Bestrahlter Kernbrennstoffe (EUROCHEMIC) (Drucksache 600) — Erste Beratung — Dr. Bechert (SPD) . . . . . . . 3020 D Dr. Balke, Bundesminister . 3022 B, 3028 D Dr. Rutschke (FDP) . . . . . . . 3026 D Dr. Ratzel (SPD) . . . . . . . . 3032 B Geiger (München) (CDU/CSU) . . . 3036 B Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 3040 C Entwurf eines Gesetzes zur Abkürzung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Aufbewahrungsfristen (Drucksache 372) ; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 722) — Zweite und dritte Beratung — 3042 A Entwurf eines Gesetzes über eine Betriebszählung in der Land- und Forstwirtschaft (Landwirtschaftszählung 1959) (Drucksache 687) — Erste Beratung — . . . . 3042 B Entwurf eines Gesetzes über die Ausfuhrzolliste (Drucksache 713) — Erste Beratung — 3042 C Antrag der Abg. Dr. Zimmer, Dr. Kopf, Metzger u. Gen. betr. Schaffung eines europäischen Beamtenstatuts; Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksachen 268, 458 [neu]) . . . . . . . . . . 3042 C Antrag der Abg. Dr. Wahl, Metzger, Dr. Kopf u. Gen. betr. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit auf dem Gebiete des Privatrechts; Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksachen 267, 626) . . . 3042 D Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. Januar 1959 III Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofs betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofs für das Rechnungsjahr 1955—Einzelplan 20 —; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksachen 63, 704) . 3042 D Antrag der Fraktion der SPD betr. Einreisegenehmigungen für Staatsangehörige der Ostblockstaaten; Mündlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksachen 433, 720) 3042 D Antrag der Fraktion der SDP betr. Erleichterung der Einreise in die Bundesrepublik; Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksachen 152, 724) . . . . . . . 3043 A Entschließungen der 47. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union (Drucksache 663) . . . . . . . . . . . . 3043 A Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (10. ÄndG LAG) (Drucksache 762) — Erste Beratung — 3043 B Entwurf eines Gesetzes zu den drei Abkommen vom 3. April 1958 mit der Portugiesischen Republik über deutsche Vermögenswerte in Portugal, auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und über die Liquidation des früheren deutschportugiesischen Verrechnungsverkehrs (Drucksache 763) — Erste Beratung — . . 3043 B Entwurf eines Gesetzes zu den zwei Abkommen vom 8. April 1958 mit Spanien über gewisse Auswirkungen des zweiten Weltkrieges und über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte (Drucksache 764) — Erste Beratung — . . . . 3043 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) (Bundesrat) (Drucksache 769) — Erste Beratung — 3043 C Entwurf eines Gesetzes über Kostenstrukturstatistik (KoStrukStatG) (Drucksache 770) — Erste Beratung . . . . . . 3043 D Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft (Abg. Schütz [München], Burgemeister, Schmücker u. Gen.) (Drucksache 503) Erste Beratung — 3043 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes (FDP) (Drucksache 744 [neu]) — Erste Beratung — . . 3043 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (Abg. Schulze-Pellengahr, Struve, Unertl u. Gen.) (Drucksache 745) — Erste Beratung — 3044 A Nächste Fragestunde 3044 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3044 C Anlagen 3045 A 55. Sitzung Bonn, den 21. Januar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.07 Uhr.
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 44. Sitzung Sei e 2502 C Zeile 19 statt „450" : 54 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Altmaier * 23. 1. Birkelbach* 23. 1. Fürst von Bismarck * 23. 1. Blachstein * 23. 1. Bruse 21. 1. Dr. Dollinger 21. 1. Dr. Furler* 23. 1. Geiger (München) 23. 1. Gerns * 23. 1. D. Dr. Gerstenmaier 23. 1. Dr. Gossel 21. 1. Hahn 21. 1. Heide 21. 1. Heye * 23. 1. Höfler * 23. 1.. Frau Dr. Hubert * 23. 1. Dr. Jaeger 26. 1. Jürgensen 21. 1. Kiesinger * 23. 1. Frau Kipp-Kaule 21. 1. Dr. Kliesing (Honnef) * 23. 1. Köhler 24. 1. Dr. Kohut 24. 1. Dr. Kopf * 23. 1. Kriedemann 22. 1. Kühn (Bonn) 26. 1. Kühn (Köln) * 23. 1. Kurlbaum * 23. 1. Leber 21. 1. Dr. Leverkuehn * 23. 1. Lücker (München) * 23. 1. Dr. Martin 26. 1. Frau Dr. Maxsein * 23. 1. Dr. Mende * 23. 1. Metzger * 23. 1. Dr. Meyer (Frankfurt) * 23. 1. Paul * 23. 1. Rademacher 24. 1. Frau Dr. Rehling * 23. 1. Dr. Schmid (Frankfurt) * 23. 1. Schneider (Bremerhaven) 21. 1. Schütz (München) * 23. 1. Dr. Seffrin 21. 1. Seidl (Dorfen) * 23. 1. Dr. Serres * 23. 1. * für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Vogt 23. 1. Wagner 21. 1. Dr. Wahl * 23. 1. Frau Dr. h.c. Weber (Essen) * 23. 1. Weimer 21. 1. Wullenhaupt 24. 1. Dr. Zimmer * 23. 1. b) Urlaubsanträge Frau Albertz 4. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Frau Blohm 31. 1. Diel (Horressen) 23. 2. Dr. Eckhardt 10. 2. Etzenbach 7. 2. Gedat 30. 1. Gleisner (Unna) 20. 2. Dr. Greve 7. 2. Dr. Gülich 31. 1. Heinrich 31. 1. Frau Kalinke 31. 1. Kramel 16. 2. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 1. Memmel 31. 1. Dr. Menzel 15. 2. Müser 17. 2. Dr. Oesterle 6. 2. Pelster 31. 1. Pütz 14. 2. Dr. Reith 31. 1. Rohde 31. 1. Schneider (Hamburg) 2. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 15. 2. Walpert 31. 1. Anlage 2 Umdruck 197 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Arbeitszeit der Bundesbeamten - Drucksache 591 (neu) - Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, umgehend eine Neufassung der Arbeitszeitverordnung vorzunehmen, die eine Mitbestimmung der Personalvertretungen nach § 67 des Personalvertretungsgesetzes ,ermöglicht und die den Bestimmungen des § 94 des Bundesbeamtengesetzes gerecht wird. Bonn, den 21. Januar 1959 Ollenhauer und Fraktion
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    Rede von Dr. Ludwig Ratzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ohne daß ich hier eine historische Rückschau veranstalten möchte, will ich doch feststellen, daß es heute fast auf den Tag genau 23 Monate sind, seit wir in diesem Hause im 2. Bundestag die erste Lesung eines Bundesatomgesetzes gehabt haben. Der Leidensweg der Bundesatomgesetzgebung ist ja hinreichend bekannt — auch die Hintergründe —, und ich glaube, ich kann es mir ersparen, auf die Hintergründe einzugehen. Niemand wird wohl hier im Hause besser im Bilde sein als der Herr Minister selbst.
    Uns Sozialdemokraten hat es etwas eigentümlich berührt, daß man im 2. Bundestag eigentlich von uns die Sabotage des Atomgesetzes erwartet hat. Von Ministerialbeamten sind Äußerungen in der Richtung getan worden, die SPD werde das Atomgesetz zu Fall bringen, um es später im 3. Bundestag als Morgengabe auf den Tisch des Hauses zu legen. Die Beamten haben sich hier in ihrer Prognose geirrt, obwohl sie sonst anscheinend über ziemliche hellseherische Fähigkeiten verfügen. Denn dieser Tage konnte man im Regierungsbulletin lesen, daß in einem Handbuch, das von maßgeblichen Beamten des Bundesatomministeriums verfaßt wurde, nicht nur die gegenwärtigen, sondern auch die künftigen gesetzlichen Atombestimmungen klar und deutlich dargelegt seien.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich hoffe trotzdem, daß unsere Kollegen von der CDU den Willen haben, das Atomgesetz im Ausschuß eingehend und anständig zu beraten, und daß wir, wenn wir das Ergebnis dieser Beratung sehen, ein zweites Mal feststellen können, daß es mit den hellseherischen Fähigkeiten der Beamten nicht allzuweit her ist.
    Herr Minister Balke hat, als er vor zwei Jahren hier zum Atomgesetz sprach, von einem Dreistufenplan des deutschen Atomprogramms gesprochen: einmal von der Förderung der Forschung, dann von der Entwicklung von Versuchsreaktoren und schließlich von der Entwicklung von Prototypen der Leistungsreaktoren für Großkraftwerke. Er sagte, die Erfüllung dieses Dreistufenplanes setze eine baldige Verabschiedung des Atomgesetzes voraus. Nun, wenn ich umgekehrt schließen darf, dann kann ich wohl sagen: Die Tatsache, daß das Atomgesetz im 2. Bundestag gescheitert ist, hat uns der Erfüllung eines deutschen Atomprogramms nicht wesentlich nähergebracht. Das haben mittlerweile ja auch andere Leute, nicht nur die Sozialdemokraten, festgestellt. Joachim Besser schreibt in der „Welt", daß man mit Krähwinkel-Methoden — ich möchte, wenn ich an den 2. Juli 1957 denke, auch sagen: mit Schildbürgerstreichen — die Entwicklung auf dem Atomgebiet nicht vorantreiben kann.
    Ich möchte klar und offen sagen: Nach Meinung der SPD hat es die Politik der Bundesregierung von Anfang an — und das ist immerhin fast vier Jahre her — an einem klaren Plan und an dem Willen zu seiner Durchführung fehlen lassen. Es fehlte, um wieder mit den Worten eines Beamten des Ministeriums zu sprechen, eine starke und führende Hand. Wir alle wissen die Qualitäten von Herrn Minister Balke zu schätzen; auch in unserem Kreise ist, glaube ich, das Urteil über seine fachlichen Qualitäten und seine Persönlichkeit durchaus positiv. Aber er hat sich, seit er die Führung der friedlichen Atompolitik in der Bundesregierung übernommen hat, zu sehr von anderen die Hand führen lassen und hat es unterlassen, im gegebenen Zeitpunkt einmal mit der Faust auf den Tisch zu schlagen. Das ist mit ein Grund dafür, daß wir mit der gesetzlichen Regelung so sehr in Rückstand geraten sind.
    Daß die Bundesrepublik seit der ersten Genfer Atomkonferenz 1955 den Rückstand gegenüber den führenden Atomnationen nicht aufgeholt hat, dürfte doch allen klargeworden sein, die im September vergangenen Jahres in Genf waren. Ich weiß nicht mehr, wer gesagt hat, die Bundesrepublik habe jetzt gerade den Stand Indiens erreicht. Ich glaube. ohne daß wir dem indischen Volk zu nahe treten, muß man doch sagen, daß ein Land, das über derartige wissenschaftliche, technische und industrielle Voraussetzungen verfügt wie die Bundesrepublik, heute, wenn man von Anfang an einen klaren Plan und einen Willen gehabt hätte, weiter sein müßte. Diesen Vorwurf können wir leider der Regierung und der sie tragenden Mehrheit nicht ersparen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Es waren doch die Vertreter aller Parteien, die, im Zusammenhang mit einem Besuch der Interparla-



    Dr. Ratzel
    mentarischen Arbeitsgemeinschaft, in Genf waren, genauso wie viele Sachverständige der Überzeugung, daß in der Bundesrepublik nun mehr getan werden müsse, daß man in den Haushalt 1959 größere Mittel einsetzen müsse, um endlich einmal in stärkerem Maße voranzukommen. Erfolg: Im Bundeshaushalt 1959 sind weniger Mittel vorgesehen als im Bundeshaushalt 1958. Nun, ich könnte beinahe für den Bundesfinanzminister Verständnis aufbringen, wenn er sich z. B. beim Verteidigungshaushalt ähnlich verhielte. Wenn man die zurückliegenden Ausgaben betrachtet, muß man feststellen, daß vom Haushalt 1956 — der bestimmt nicht übertrieben war — von den Mitteln für die Forschung und die Entwicklung rund 40 % ausgegeben worden sind, und wenn wir das wegnehmen, was auf Grund vertraglicher Verpflichtung für das Atominstitut in Genf ausgegeben wurde, sind es nur 23 % gewesen. Von 1956 konnte man sagen: das war noch eine gewisse Anlaufzeit. Aber 1957 wurden von den Ansätzen in den allgemeinen und einmaligen Ausgaben nur rund 50 % ausgegeben, und wenn man von CERN absieht, nur 35 %. Die Bundesrepublik hat in den Jahren 1956 und 1957 für die friedliche Atomforschung und -entwicklung noch nicht einmal 10 % von dem ausgegeben, was England in einem Jahr dafür aufwendet. Wir können nur fragen: Wann gedenkt denn die Bundesregierung endlich einmal ein klares Programm mit einer gesicherten Finanzierung vorzulegen, das den Vergleich mit Großbritannien oder mit Frankreich aushält?

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Diese Frage müssen wir stellen. Wir hoffen, daß wir darauf sehr bald eine Antwort bekommen. Denn die besten Ideen unserer Forscher haben ja keinen Sinn, wenn sie nicht die Mittel haben, sie zu realisieren.
    Hinzu kommt, daß dann, wenn die Ideen da sind, von irgendwelchen Interessenten auch noch quergeschossen wird. Es gibt da ein interessantes Projekt eines jungen Forschers, das, was die Wettbewerbsfähigkeit der Atomenergie angeht, sehr erfolgversprechend ist, das auch als Konkurrenzprojekt auf dem Weltmarkt erfolgversprechend ist, weil es sich um mögliche kleine Kraftwerkseinheiten handelt. Dieses Projekt konnte mindestens sechs Monate lang nicht in Angriff genommen werden, weil die finanzielle Grundlage nicht gesichert war.
    Nun, wenn wir den Atomgesetzentwurf der Regierung betrachten, dann erhebt sich für uns Sozialdemokraten zuerst die Frage: Wem soll die Atomenergie dienen? In der Zweckbestimmung in § 1 des Entwurfs der Regierung und in dem ideologischen Unterbau in den Erklärungen im Anhang wird von der privatwirtschaftlichen Initiative gesprochen. Es ist niemand unter uns, der gegen die private, auch die privatwirtschaftliche Initiative wäre. Auch wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß man viele Kräfte der Wirtschaft und der Wissenschaft zur Mitarbeit an dieser großen Aufgabe gewinnen sollte. Der privaten Wirtschaft ist auf dem Gebiete der Entwicklung von Reaktoren, von Meßinstrumenten, von Zusatzgeräten, von Materialien usw. ein weites und, ich glaube, auch ein lukratives Betätigungsfeld gegeben.
    Für uns ist die entscheidende Frage: Wer soll diese Anlagen betreiben, und wem sollen diese Anlagen dienen? Da scheiden sich die Geister. Man spricht von freier, ungehinderter Betätigung der Privaten. Aber wer kann sich denn schon auf dem Gebiete des Baues von Atomkraftwerken betätigen? Unter den Privaten ist das doch ein sehr exklusiver Klub, und diejenigen, die das könnten, wie z. B. Herr Schoeller und das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk, gehören zu denen, die unserem Herrn Bundesatomminister mit die meisten Schwierigkeiten bereiten. Sie werfen Dinge in die Debatte, die sachlich gar nicht haltbar sind, und sagen: Wir wollen uns erst betätigen, wenn die Atomkraft mit der konventionell erzeugten Elektrizität wettbewerbsfähig ist.
    Es ist völlig selbstverständlich: Ein technischer Zweig, der eben beginnt, die Kinderschuhe auszutreten, kann doch mit einem technischen Zweig, der auf eine jahrzehntelange Entwicklung zurückblickt, nicht von Anfang an konkurrieren. Wir sind aber sicher, daß die Atomenergie in sehr kurzer Zeit in der Lage sein wird, hier wettbewerbsfähig zu sein. Das kann sie jedoch nur, wenn man den Atomtechnikern die Möglichkeit gibt, an den geeigneten Objekten ihre Erfahrungen zu sammeln. Nur dann wird sie wettbewerbsfähig werden. Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß die öffentliche Hand auf alle Fälle nicht allein der zahlende Teil, sondern auf diesem Gebiete auch der bestimmende Teil sein muß.
    Man kann auch sonst die Rentabilität eines Atomkraftwerks nicht allein mit den Gesichtspunkten des RWE messen. Denn schließlich wird der volkswirtschaftliche Wirkungsgrad der Atomenergie nicht nur von dem Preis der Kilowattstunde bestimmt. Die Atomenergie wird vielmehr genau wie jeder andere technische Zweig so weite Auswirkungen im Bereich unseres wirtschaftlichen Lebens haben, daß wir sicher sein dürfen, daß sie ein erfolgversprechender Zweig der Technik sein wird. Die Anlagen zur Erzeugung und Nutzung der Kernenergie dürfen deshalb nicht in private Hand gelangen, weil die damit verbundenen Gefahren ein freies Spiel der Kräfte nicht erlauben. Auf diesem wie auf vielen anderen Sektoren läßt das freie Spiel der Kräfte die Gesundheit und das Wohl und Wehe des Volkes zu kurz kommen. Die private Industrie hat das da und dort deutlich zum Ausdruck gebracht. Denken wir an die Frage der Haftpflicht. Wie hat man sich da immer bemüht und bemüht sich auch heute noch, die Lasten auf die Öffentlichkeit, d. h. auf den Steuerzahler, abzuwälzen. Wenn man schon die privatwirtschaftliche These vertritt, dann muß man auch der Privatwirtschaft die notwendigen Risiken, auch in bezug auf die Haftpflicht und die Investitionen, zumuten. Wir können in der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Atomtechnik überhaupt nur vorankommen, wenn die Errichtung und der Betrieb der Anlagen durch Investitionen der öffentlichen Hand erfolgen. Es ist doch interessant, daß selbst in Amerika dieser Tage wieder



    Dr. Ratzel
    die heute stärkste Partei im amerikanischen Parlament durch ihren Vertreter Mr. Anderson hat erklären lassen — ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten —:
    Ich glaube, daß dieser Vorfall
    — nämlich daß Private auf den Bau eines Kraftwerks verzichtet haben —
    die Irrigkeit der Vorstellung demonstriert, die private Industrie könne die technische Leitung und Finanzierung des Baus fortschrittlicher Reaktoren übernehmen. Ich hoffe, daß die Atomenergiekommission und gewisse Kreise der Industrie ihre Einstellung angesichts dieser Erfahrung revidieren.
    Sehen wir uns in Europa um! In England, in Frankreich, in Holland sind alle Elektrizitätsunternehmen, auch die auf Atombasis, in öffentlicher Hand. Auch wir in der Bundesrepublik werden, wenn wir auf diesem Gebiet vorankommen wollen, keinen anderen Weg einschlagen können.
    Außerdem werden sich die Tendenzen zur Machtkonzentration in der Energiewirtschaft nur weiter verstärken, wenn der Bau und der Betrieb von Atomreaktoren in private Hand gelegt werden. In der Bundesrepublik gibt es auf dem Energiesektor bereits genügend private Monopole, mehr als der deutschen Wirtschaft und dem deutschen Volk zuträglich ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Diese Entwicklung würde durch Privatbetriebe mit Atomreaktoren nur noch begünstigt werden, die ja erst Bedeutung gewinnen, wenn sie 200 bis 300 Millionen DM kosten.
    Wir meinen, daß sehr rasch gehandelt werden muß. Die private Industrie handelt nicht. Der Herr Minister hat das des öfteren zum Ausdruck gebracht. Er hat es auch heute wieder anklingen lassen. Aber wir können nicht mehr allzu lange warten; denn wir haben doch auch in Genf im September vergangenen Jahres den Eindruck gehabt: es dauert nur noch kurze Zeit, dann müssen wir mit unseren Atomanlagen auf dem Weltmarkt antreten können, oder aber wir haben hier eine Chance für unabsehbare Zeit verspielt.
    Auch deshalb meinen wir, daß die Atomwirtschaft, soweit es die Errichtung und den Betrieb von Kraftwerken angeht, der öffentlichen Hand vorbehalten bleiben muß.
    Es besteht auch noch die Gefahr, daß die Bundesrepublik sich bei einer mangelnden eigenen Aktivität innerhalb des Gebietes von Euratom langsam zu einem atomar unterentwickelten Sektor entwickelt. Diese Gefahr wird von vielen deutschen Forschern und Wissenschaftlern gesehen. Man kann den Euratom-Behörden noch nicht einmal einen Vorwurf machen, wenn sie den größten Teil des Geldes nach Frankreich oder sonstwohin geben, weil man das Geld in Deutschland wegen des Fehlens von Instituten und Personal nicht verwenden kann.
    Es würde mich sehr interessieren, von dem Herrn Minister zu hören, ob nun wenigstens der Materialprüfreaktor im Zusammenhang mit der gemeinsamen Kernforschungsstelle nach Karlsruhe kommt oder ob auch hier die Franzosen und die Holländer wieder eine Schlacht im Rahmen von Euratom gewonnen haben.
    Vielleicht ist es auch gut, wenn wir in die entsprechenden Behörden von Euratom Personen schicken, die etwas stärker sind, die eher in der Lage sind, sich durchzusetzen. Sie können notfalls in diesen Euratombehörden auch einmal deutsch reden; Deutsch ist ja eine zugelassene Verhandlungssprache in der europäischen Gemeinschaft. Ich glaube, das wird dringend notwendig sein.
    Nun noch einige Bemerkungen zu Einzelheiten des Gesetzentwurfs. Ich darf vielleicht den Entwurf der FDP vorwegnehmen, weil ich mich da sehr kurz fassen kann. Was die wirtschaftliche Grundeinstellung betrifft, so entspricht der FDP-Entwurf im wesentlichen dem Entwurf der Bundesregierung. Er zeigt eine noch etwas stärkere privatwirtschaftliche Einstellung. Das erwartet man ja wohl auch von den Herren der FDP. Sie müssen sich da etwas von der CDU abheben.
    Aber ich meine, der Entwurf der FDP enthält einen ganz gefährlichen Punkt, und zwar bei der Zusammensetzung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt. Ich glaube, das ist eine sehr, sehr gefährliche Sache.

    (Zuruf des Abg. Dr. Rutschke.)

    — Warten Sie ab, Herr Rutschke! — Von den 21 Mitgliedern sollen vier dem Bundestag angehören, sofern wir weiterhin vier Fraktionen haben. Ich weiß nicht, ob es gerade das Richtige ist, daß die DP mit ihren 15 oder 16 Abgeordneten hier im Hause ebenso einen Vertreter im Verwaltungsrat hat wie die Fraktion der CDU/CSU, die mehr als zehnmal so stark ist, oder wie wir. Ich glaube, das entspricht in keiner Weise dem politischen Kräfteverhältnis. Wir gönnen der DP natürlich alles. Aber wir meinen, hier ist des Guten zuviel getan. Und was die neun Vertreter aus der Gesamtwirtschaft angeht, — Herr Rutschke, meinen Sie nicht, daß die Arbeitnehmer, für die nur zwei Vertreter vorgesehen sind, im Rahmen der Gesamtwirtschaft etwas zu sehr unterbewertet werden?
    Auf der anderen Seite: welche Machtfülle soll dieser Verwaltungsrat haben! Auch hier scheint uns angesichts der Tatsache, daß der Verwaltungsrat keine politische Verantwortung hat, des Guten etwas zuviel getan zu sein. Da Sie vielleicht meinen Argumenten nicht so ganz glauben, Herr Kollege Rutschke, möchte ich ein Zitat aus einer Zeitung bringen, die Ihnen bestimmt nähersteht als uns und Ihnen sehr viel Wohlwollen entgegenbringt. Die „Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung" in Stuttgart schreibt z. B. am 15. September zu Ihrem Entwurf folgendes:
    Eine Mehrheit von Interessenvertretern und Professoren soll ebenso über die Verwendung der Mittel für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben wie über die Ernennung des Direktoriums und über die Höhe der privatwirtschaftlich nachzuweisenden Haftpflichtversicherung



    Dr. Ratzel
    entscheiden. Hierbei werden nicht ,allein, wenn man der FDP folgte, die Grenzen zwischen Exekutive und Legislative verwischt und der Staat als Hoheitsträger in einem bedenklichen Maße mit der Wirtschaft verflochten; dieser Weg — konsequent beschritten — dürfte auch dazu führen, den Staat den organisierten Interessenten, in Wirklichkeit also den Funktionären, zu überantworten
    — es sind in diesem Fall kein Gewerkschaftsfunktionäre, sondern nach Ihrem Entwurf andere Funktionäre —
    und das Parlament mehr und mehr zu einem lästigen Debattierklub herabzuwürdigen.
    Ich meine, Herr Kollege Rutschke, dieses Urteil der Deutschen Zeitung trifft diesmal den Nagel ziemlich genau auf den Kopf.
    Die Verantwortung für die deutsche friedliche Atompolitik soll nach unserer Meinung Sache der Regierung und des Parlaments sein. Sie sollen die Verantwortung tragen und nicht ein nach etwas eigentümlichen Gesichtspunkten zusammengewürfeltes Gremium.
    Nun zu dem Entwurf der Bundesregierung. Was die Überwachungsvorschriften betrifft, sind wir auch weiterhin der Meinung, daß das Konzessionsverfahren in dem Sinne, daß die Atomenergie unter Staatsvorbehalt steht, besser ist als das gewerberechtliche Genehmigungsverfahren, das die Bundesregierung vorschlägt. Auch die Lektüre der Debatte im Bundesrat hat mich von dieser Auffassung nicht abbringen können. Wir glauben, daß die Gefährlichkeit der Materie, um die es hier geht, ein solches Konzessionsverfahren erfordert, da es unserer Pflicht, der Bevölkerung Sicherheit und Gesundheit in größtmöglichem Maße zu gewährleisten, besser genügt.
    Herr Minister, in der Begründung zum Gesetzentwurf wird gesagt, der Bürger solle sein Recht auf ein eigenes Atomkraftwerk einklagen können. Diejenigen, die dafür in Frage kommen, sind, so glaube ich, weder zu arm an Geld, um einen Ermessensmißbrauch der Behörden nachweisen zu können, noch zu arm an Geist. Wenn sie zu arm an Geist sein sollten, können sie sich die entsprechenden Juristen besorgen. Sie können also einen Ermessensmißbrauch der Behörden schon nachweisen. Deswegen kann das nicht die Begründung sein.
    Die Einfuhr, Ausfuhr und Beförderung atomarer Stoffe soll nach den vorgeschlagenen Bestimmungen dem Spiel der freien privatwirtschaftlichen Kräfte überlassen werden. Um welche Mengen an radioaktiven Substanzen oder an Kernbrennstoffen werden sich denn diese privaten Beförderer in den nächsten fünf bis zehn Jahren reißen müssen, besonders wenn es bei uns in dem bisherigen Tempo weitergeht? Nach meiner Meinung wäre es für die Sicherheit besser und auch wirtschaftlicher, wenn der Staat diese Dinge eindeutig übernähme. Hier liegt doch wirklich kein großer Spielraum für eine private Betätigung.
    Ein Kernstück des Gesetzentwurfes scheinen mir die Art. 11 und 12 des Regierungsentwurfs zu sein.
    Wir sind mit der Regierung der Meinung, daß hier nur Rahmenvorschriften für spätere Rechtsverordnungen gegeben werden können. Die Verzögerung solcher Strahlenschutzverordnungen hat sich schon in der Vergangenheit ungünstig ausgewirkt.
    Euratom hat es fertiggebracht, in wenigen Monaten Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu erstellen. Diese Grundnormen hätten jetzt bereits in der Bundesrepublik in Kraft gesetzt werden können, aber das entsprechende Atomgesetz fehlt noch.
    Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung macht nach unserer Meinung eine weitere internationale Zusammenarbeit notwendig. Diese internationale Zusammenarbeit ist bei Euratom bereits im Gange, bahnt sich bei OEEC an, und wir hoffen, daß sie auch bei der Weltatombehörde in Wien Erfolg haben wird.
    Aber wenn wir hier auch alles an vorbeugenden Maßnahmen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung tun können, so dürfen wir nicht übersehen, daß es einen Bereich gibt, in dem nichts getan wird: den militärischen Bereich. Euratom trifft alle möglichen Vorkehrungen. Gefährliche Versuche, die in irgendeinem Mitgliedsstaat angestellt werden, müssen gemeldet werden. Besondere Schutzvorkehrungen müssen getroffen werden, sofern Auswirkungen auf andere Mitgliedstaaten und Länder zu erwarten sind.
    Im militärischen Bereich gibt es keine Kontrolle, gefährliche Versuche werden nicht angemeldet, und es wird von dieser Seite aus auch nichts zum Schutz der Bevölkerung getan. Ich meine nicht nur die Auswirkungen von Waffenversuchen, ich meine auch die Lagerung und den Umgang mit Gerät, soweit es atomare Waffen angeht. Auch hier gibt es, soweit ich unterrichtet bin, zum Beispiel im Vertrag der WEU, der ja auch von Ihnen, Herr Minister, angesprochen wurde, keinerlei Kontrollvorkehrungen. Es gibt nur eine Kontrolle, nämlich die, festzustellen, wie viele Waffen in einem bestimmten Gebiet gelagert sind.
    Es wird unser aller Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß wir nicht Ideen und Geld aufwenden und wirtschaftliche Anstrengungen für den Schutz der Zivilbevölkerung bei der friedlichen Anwendung der Atomenergie machen, während ein weiter Bereich völlig ohne diese Schutzvorkehrungen existiert.

    (Beifall bei der SPD.)

    Einige wenige Worte zu den Haftpflichtbestimmungen. Nach unserer Meinung wäre es besser, in den Haftpflichtbestimmungen würde eine Mindestsumme genannt. Dann kämen die wahren wirtschaftlichen Gesichtspunkte etwas besser zum Vorschein. Wenn man wie in Amerika 50 Millionen Dollar oder wie in der Schweiz 30 Millionen Franken für die Haftpflichtversicherung vorschriebe und wenn man dann bei den Prämien den Gefährlichkeitsgrad der Anlage und andere Umstände berücksichtigte, würden wir einen echteren Beitrag dei Wirtschaft für dieses Risiko bekommen. Dann würden sich nämlich zwei Interssenten, nämlich der-



    Dr. Ratzel
    jenige, der das Kraftwerk baut, und derjenige, der ihn versichern soll, darum streiten. Wir sollten uns darüber im Ausschuß noch unterhalten.
    In dem schweizerischen Gesetzentwurf kann man lesen, daß die Schweizer Versicherungswirtschaft in der Lage ist, für einzelne Anlagen Versicherungen bis zu 30 Millionen Schweizer Franken zu gewähren. Angesichts dieser Tatsache ist es etwas eigentümlich, daß die deutsche Versicherungswirtschaft vor zwei Jahren noch keine 3 und 5 Millionen übernehmen wollte und daß man sich schließlich mit Ach und Krach zu 15 Millionen entschließen konnte.
    Zu den Fragen der Verwaltung brauche ich nichts zu sagen. Auch wir halten aus vielerlei Gründen eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern für richtig, und der Entwurf der Regierung basiert ja auf unserem Gesetzesantrag zur Ergänzung des Grundgesetzes.
    Abschließend möchte ich sagen: Es ist allerhöchste Zeit, daß die Bundesrepublik Entscheidendes tut, was dazu führt, daß beim Eintritt in das Atomzeitalter das deutsche Volk nicht zu einem atomar unterentwickelten Volk wird. Es ist an der Zeit, daß wir nicht nur auf dem Gebiet der friedlichen Verwendung der Atomenergie gewaltige Leistungen in ganz anderen Größenordnungen vollbringen, als das bisher geschehen ist, sondern die Anstrengungen auf diesem speziellen technischen Gebiet müssen sich auch einfügen in ein Gesamtprogramm auf dem gesamten Gebiet der wissenschaftlichen und kulturellen Bildung. Es ist wirklich allerhöchste Zeit, die Bundesrepublik wissenschaftlich, technisch und kulturell aufzurüsten, und wir Sozialdemokraten werden bereit sein, dabei jederzeit positiv und konstruktiv mitzuarbeiten.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Geiger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hugo Geiger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen heute zum drittenmal in der Ersten Lesung eines Atomgesetzes. Diese Tatsache ist ein Beweis dafür, daß es sich offenbar um eine sehr schwierige Materie handelt. Dabei tröstet mich allerdings ein Umstand: daß es in der Schweiz, die Herr Kollege Ratzel am Schluß erwähnt hat, auch nicht schneller gegangen ist. Die Schweiz hat ungefähr mit uns vor drei bis vier Jahren die Frage eines Atomgesetzes aufgegriffen, und heute arbeitet die Schweiz immer noch an dem Entwurf dieses Gesetzes.
    Wenn bei uns die Dinge nicht so schnell vorangegangen sind, wie wir es alle gehofft hätten, so dürfen wir uns natürlich nicht entmutigen lassen. Wir werden, nachdem nun der Gesetzentwurf der Bundesregierung vorliegt, im Ausschuß die Beratungen um so eher mit aller Eile und natürlich auch mit der entsprechenden Gründlichkeit durchführen.
    Die öffentliche Meinung hat sich bezüglich der Einschätzung der Gefahren aus der friedlichen
    Nutzung der Atomkräfte in der letzten Zeit — man kann das deutlich beobachten — etwas beruhigt. Aber immer noch finden wir meines Erachtens in allen Schichten der Bevölkerung eine große Unsicherheit, ja eine Ratlosigkeit in der Beurteilung der Gefahren, wenn man die Sprache auf die Nutzung der Atomkräfte bringt. Die großen Gefahren, die ohne Zweifel mit dieser Nutzung zusammenhängen, werden zuweilen in einem allzu grellen Lichte _geschildert und gewöhnlich etwas übertrieben. Wir wollen das einmal ganz deutlich aussprechen. Es gibt auf der anderen Seite aber auch Kreise, in denen man diese Gefahren etwas auf die leichte Schulter nimmt; auch das ist ohne Zweifel der Fall. Gerade wir aber, die wir die große Verantwortung haben, die gesetzlichen Grundlagen für die friedliche Nutzung der Atomkräfte zu schaffen, müssen alle Vorsicht walten lassen. Wenn einmal Jahre vergangen sein werden und wenn man daran gewohnt ist, mit diesen Kräften umzugehen, werden wir in der Bevölkerung ein ganz anderes Verhältnis zu der Frage feststellen und wissen, wie wir die Gefahren einzuschätzen haben.
    Ich darf hier im großen einmal einen Überblick geben und in der Geschichte der Erfindungen der Menschheit zurückschauen. In allen Phasen, in denen die Menschheit zur Nutzung neuer Naturkräfte übergegangen ist, entstanden immer Schwierigkeiten, wurde immer außerordentlich pessimistisch geurteilt und war die Furcht vor der Nutzung der neuen Naturkraft groß. Wir können ruhig einmal in die alte Zeit zurückblicken, in der der Mensch mit dem Feuer Bekanntschaft gemacht hat. Für uns ist der Umgang mit Feuer eine Selbstverständlichkeit. Aber die ersten Menschen, die unter dem Eindruck dieser verheerenden Macht standen, der sie sich damals ohne Hilfe gegenübersahen, waren erschüttert davon, ähnlich wie wir heute von der Macht der Atomkräfte erschüttert sind.
    Wie war es weiter bei der Nutzung der tierischen Arbeitskraft? Wir wissen das aus den Erzählungen von Livius. Zunächst war in der Menschheit eine Bewunderung für denjenigen vorhanden, dem es gelungen war, einen Elefanten zu bändigen. Heute, meine Damen und Herren, ist es für uns eine Alltäglichkeit, daß wir gebändigte Tiere sehen. So ähnlich ist es eben auch mit unserer Atomkraft.
    Denken Sie dann einmal an die Anwendung der Dampfkraft! Der Aberglaube tat damals das Seine, um die Einführung der Dampfkraft in der Wirtschaft zu verhindern. Das sind alles psychologische Vorgänge, die sich heute verständlicherweise bei uns in ähnlicher Form und in einer gewissen Abart vollziehen.
    Wir müssen deshalb etwas Nachsicht haben mit denjenigen Menschen, die heute noch nicht mit aller Zuversicht den Atomkräften trauen und zu einer besonderen Vorsicht mahnen.
    Die Wasserkraft! Von dem altägyptischen unterschlächtigen Wasserrad bis zur heutigen Turbine — welche Entwicklung! Von der Zisterne zum Staubecken — welche Entwicklung! Auch eine Nutzung einer Naturkraft, die selbstverständlich immer wieder ihre Opfer fordert. Viele Menschen haben da



    Geiger (München)

    ihr Leben lassen müssen. Wie ist das beim Gas, wie ist das bei den chemischen Reaktionen, bei der Sprengkraft, wie ist das bei der Elektrizität? Am Anfang das große Mißtrauen, und dann haben wir diese Naturkräfte gezähmt, gebändigt. Trotzdem: so sehr wir glauben, Herr zu sein über diese Naturkräfte, immer wieder fordern sie von uns neue Opfer.
    Ebenso ist es mit den Atomkräften. Ob wir die Reaktoren ansehen oder die Isotopen, überall gilt heute die Mahnung zur Vorsicht. Wir haben noch nicht die Handhabe, diese Strahlen vollständig zu beherrschen, und wir werden sie niemals vollständig in unsere Hand bekommen. Es wird immer wieder Opfer geben, und die Opfer, die auf diesem Feld der Arbeit gefordert werden, sind unvermeidlich, sie sind naturgegeben, möchte ich sagen.
    Trotzdem, gerade deswegen, weil die Gefahren so groß sind, müssen wir alles aufwenden, um sie zu verringern, um die Menschen möglichst zu schützen. Ich glaube, es ist gar nicht unzweckmäßig, sich dieses Prinzipielle genau vor Augen zu führen, wie es sich in der Menschheitsgeschichte immer und immer wiederholt hat. Jede Naturkraft, die wir uns nutzbar machen, fordert von uns immer wieder Opfer an Gesundheit, an Leben und an Gut. Gerade deshalb sind die Verhütungsmaßnahmen, sind die Betriebsvorschriften so sehr wichtig.
    Die Atomkräfte sind deshalb besonders heimtückisch-gefährlich, weil sie, wie die Elektrizität, nicht sichtbar sind. Wir haben kein Organ dafür, zu erkennen, ob ionisierende Strahlen vorhanden sind oder nicht. Wir müssen Meßapparate benutzen wie bei der Elektrizität.
    Auch von einer anderen Seite sind diese Gefahren heimtückisch. Wir haben uns nicht nur gegen somatische Schädigungen, also akute oder latente Schädigungen des Körpers zu schützen. Nein, es gibt sogar Schädigungen in den genetischen Anlagen, Schädigungen, die erst nach längerer Zeit, möglicherweise erst nach Generationen zutage treten. Es ist eine bedauerliche Tatsache, daß wir den Gesetzmäßigkeiten, denen diese genetischen Schädigungen folgen, noch keineswegs auf den Spuren sind. Die analogen Versuche im Tierreich müssen nicht unbedingt auf die Menschen Anwendung finden können. Solche genetischen Schäden sind nicht nur möglich, sie sind schon festgestellt worden. Wir haben es hier mit einer Tatsache zu tun.
    Eine weitere Erschwerung des ganzen Komplexes ist es, daß die Forschungsergebnisse zum Teil stark voneinander abweichen. Nicht nur, daß wir heute andere Ergebnisse haben als vor zehn oder fünfzehn Jahren; nein, auch die gegenwärtigen Forschungsergebnisse sind nicht absolut kongruent, decken sich nicht. Auch deswegen sind wir vielfach dazu veranlaßt, äußerste Vorsicht walten zu lassen. Mit anderen Worten, wir müssen heute von den Maximaldosen, die wir auf Grund der Erfahrungen ermitteln, noch gewisse Sicherheitsabstriche machen, um etwaigen methodischen Fehlern in der Forschung von vornherein zu begegnen. Wir müssen also das Äußerste an Vorsicht walten lassen und lieber die Dinge zu vorsichtig nehmen als zu sorglos.
    Die Bundesregierung hat uns neben dem Gesetzentwurf auch den Euratomentwurf von Grundnormen für den Gesundheitsschutz gegen ionisierende Strahlen vorgelegt. Aus der großen Sorge für Leben und Gesundheit der Bevölkerung und besonders der Arbeitskräfte sind in dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft Vereinbarungen über die einheitliche Anwendung von Grundnormen für den Schutz gegen die Gefahren ionisierender Strahlen aufgenommen worden. Nach Art. 218 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft sollten die Grundnormen innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten des Vertrages, also spätestens bis Ende 1958, ermittelt werden. Das ist geschehen; denn am 9. Oktober 1958 hat die Euratom-Kommission den Entwurf von Richtlinien zur Festlegung dieser Grundnormen den Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ministerrats zur Kenntnis gebracht. Diesem Dokument war die Stellungnahme der vom Ausschuß für Wissenschaft und Technik ernannten Sachverständigen beigefügt. Schließlich hat der Rat am 3. Dezember des vergangenen Jahres dem Europäischen Parlament folgende Dokumente vorgelegt: 1. den Entwurf von Richtlinien der Euratom-Kommission, 2. die Stellungnahme der vom Ausschuß für Wissenschaft und Technik ernannten Sachverständigen sowie die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses und 3. ein Verzeichnis der Änderungen, die die Euratom-Kommission an ihrem ursprünglichen Richtlinienentwurf unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie der Bemerkungen der verschiedenen nationalen Delegationen vorzunehmen gedachte.
    In den Beratungen, die im Europäischen Parlament über diese Vorlagen gepflogen wurden, wurden diese einstimmig gebilligt. Weiterhin wurde ein Entschließungsantrag gefaßt, den ich Ihnen zweckmäßigerweise zur Kenntnis gebe. Ich bitte den Herrn Präsidenten, ihn verlesen zu dürfen. Ich beschränke mich dabei allerdings insbesondere auf die Fragen der ionisierenden Strahlen. Im Entschließungsantrag heißt es:
    Das Parlament fordert die Euratom-Kommission auf, das Notwendige zu veranlassen, damit 1. so schnell wie möglich ein Abkommen betreffend die Normen für die Unfallverhütung in den Kernindustrien und die Wiedergutmachung etwaiger Schäden der Arbeitnehmer und der Bevölkerungen geschlossen wird, 2. so schnell wie möglich eine Studien-, Dokumentations-
    und Informationsabteilung gebildet wird, die auf dem Gebiet der Vorbeugung der mit den ionisierenden Strahlen verbundenen Gefahren spezialisiert ist, 3. zu gegebener Zeit die Schaffung eines Stabs von medizinischen Fachkräften und qualifizierten Technikern im Hinblick auf die supranationale Kontrolle vorbereitet wird, die unmittelbare Sache der Exekutive ist.



    Geiger (München) Weiterhin:
    Das Parlament fordert die Ministerräte auf, die notwendigen Mittel bereitzustellen, damit die oben erwähnten Ziele fristgerecht erreicht werden.
    Und schließlich:
    Das Parlament fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft auf, baldmöglichst die Maßnahmen zu erlassen, die zur Anwendung der vom Ministerrat der Euratom festgelegten Normen für den Schutz gegen radioaktive Strahlungen erforderlich sind.
    Dieser Entschließungsantrag, meine Damen und Herren, der also einstimmige Billigung im Europäischen Parlament gefunden hat, ist eine weitere Ergänzung dessen, was uns die Bundesregierung in der Drucksache 748 vorgelegt hat.
    Wenn Sie diese Drucksache durchsehen, werden Sie den Eindruck bekommen, daß es sich um eine ausgezeichnete Unterlage handelt. Sehr tiefgründige Untersuchungen sind in vielen unabhängigen Reihen durchgeführt worden. Allerdings wird auch das eine klar: in all den Fragen stecken noch sehr viele Probleme, und in zahlreichen Fällen — das wird auch deutlich ausgesprochen — sind wir noch im unklaren.
    Es ist interessant, daß die Höchstdosen, die uns in diesem Dokument empfohlen werden, heute zum Teil nur noch ein Zehntel dessen betragen, was man vor einigen Jahren noch annahm. Selbstverständlich ist darin ein gewisser Sicherheitsfaktor eingeschlossen. Aber daß man mit diesen Höchstdosen so weit zurückgehen mußte, ist ein Beweis dafür, erstens wie schwach unsere Ergebnisse noch fundiert sind und zweitens wie wenig fundiert auch frühere Ergebnisse schon damals waren.
    Ich möchte doch noch einen weiteren Gedanken anführen. Bei dem einschlägigen Gesetz, das die Bundesregierung nun vorlegen wird, sollte man besonderes Augenmerk auf die Verhütung von genetischen Schäden richten. Insbesondere sollte man auch die Vorschriften sehr eingehend prüfen, die für die Beschäftigung von weiblichen Kräften und auch von männlichen Kräften im zeugungsfähigen Alter erlassen werden müssen, wenn sie in Betrieben arbeiten, in denen ionisierende Strahlen vorkommen, damit ,alles getan list, was nach menschlichem Ermessen und mit menschlicher Kraft getan werden kann.
    In Zusammenhang mit diesem Euratomentwurf steht selbstverständlich direkt und indirekt der Entwurf eines Atomgesetzes, den uns die Bundesregierung vorgelegt hat. Dieses Gesetz gibt der Bundesregierung die Ermächtigung, den Vorschlägen des Euratomentwurfs zu folgen.
    Die FDP hat vor einiger Zeit gleichfalls einen Entwurf für ein Atomgesetz vorgelegt. Der Herr Kollege Rutschke hat davon gesprochen, daß es sehr lange gedauert hätte, bis der Regierungsentwurf im Plenum des Bundestages eingebracht worden sei. In der Tat handelt es sich um eine Zeitspanne von über einem halben Jahr. Aber ich habe mir die Mühe gemacht und habe die beiden Gesetzentwürfe eingehend miteinander verglichen. Es besteht doch gar kein Zweifel — auch Herr Kollege Rutschke und seine Freunde werden mir recht geben, wenn ich diese Behauptung aufstelle —, daß der Entwurf der Bundesregierung in vielen Bestimmungen viel ausgereifter, wenn ich so sagen darf, viel mehr unseren Bedürfnissen als Gesetzgeber angepaßt ist als der Entwurf der FDP. Er enthebt uns vieler schwieriger Überlegungen über Fragen, die in dem Entwurf der FDP noch offengeblieben sind. In dem Gesetzentwurf, den uns die Bundesregierung vorlegt, haben wir wirklich einen ausgereiften Entwurf vor uns, und ich empfinde außerordentliche Genugtuung darüber, daß ich feststellen kann: Es war nicht ganz umsonst, daß wir uns noch einige Zeit geduldet haben.
    Selbstverständlich wäre +es viel besser gewesen und hätte auch die Entwicklung sicherlich gefördert, wenn dieses Gesetz früher eingebracht worden wäre. Aber eine ausgesprochene Verzögerung in der Entwicklung der friedlichen Nutzung der Atomkräfte in der Industrie ist deshalb keineswegs eingetreten; denn die Länder haben sich ja durchweg mit provisorischen Gesetzen geholfen und sind damit auch weitergekommen. Wir selbst sind aber jedenfalls jetzt um so mehr gezwungen und verpflichtet, diesen Gesetzentwurf nun sehr rasch Ausschuß zu behandeln und ihn dann mit unseren Änderungsvorschlägen zur zweiten und dritten Lesung im Plenum vorzulegen.
    Man könnte nun jetzt schon auf die Einzelheiten eingehen; das würde ,aber weit über den Rahmen einer ersten Lesung hinausgehen. Einige Punkte sind übrigens schon von meinen Herren Vorrednern erwähnt worden. Ich möchte mich auf ein Spezialgebiet, das hier schon vielfach gestreift worden ist. beschränken, nämlich auf die Haftungsvorschriften. In den Haftungsvorschriften hat die Bundesregierung Änderungen gegenüber der Fassung des Gesetzentwurfs, wie er in der letzten Legislaturperiode in die zweite und dritte Lesung in das Plenum gebracht worden ist, vorgenommen. Herr Minister Balke hat 'ausführlich darüber gesprochen.
    Mir fällt nun auf, daß entgegen dem Beschluß des Atomausschusses in der vergangenen Legislaturperiode für die Haftpflicht aus Reaktoranlagen die Fälle höherer Gewalt eingeschlossen worden sind. Das fällt mir um so mehr auf, als die Schweiz gerade in der letzten Zeit die Haftung in Fällen höherer Gewalt aus ihrem Atomgesetzentwurf herausgenommen hat. Ich entnehme das der Mitteilung des Informationsdienstes des Bundesatomministeriums vom 6. Januar 1959. Man sieht, wie verschieden man doch eine solche Bestimmung beurteilen kann.
    Ich habe einmal zu ergründen versucht, wie wir uns in der letzten Zeit und in den letzten Dezennien von den Bestimmungen über die Haftpflicht, wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch niedergelegt sind, in den einzelnen Gesetzen entfernt haben. Im Bürgerlichen Gesetzbuch gibt es grundsätzlich nur eine Verschuldenshaftung, und diese Verschuldenshaftung ist unbeschränkt. Im Bürgerlichen Gesetzbuch
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. Januar 1959 3039
    Geiger (München)

    gibt es keine Haftung für höhere Gewalt. Denn höhere Gewalt kann ja nie in irgendeinen Zusammenhang mit dem Verschulden gebracht werden, hier sind eben höhere Mächte im Spiel, und hier kann ein Mensch, der durch seine Anlagen einen anderen schädigt, nicht verantwortlich gemacht werden.
    Im Laufe der Gesetzgebung ist man nun von dieser grundsätzlichen Verschuldenshaftung des Bürgerlichen Gesetzbuchs abgekommen; ich gebe zu, zum Teil aus guten Gründen. Im Reichshaftpflichtgesetz z. B. haben wir bereits die Gefährdungshaftung, allerdings mit der Exkulpationsmöglichkeit für höhere Gewalt. Im Sachschadenhaftpflichtgesetz ist gleichfalls eine Gefährdungshaftung eingeführt, mit einer Exkulpationsmöglichkeit für höhere Gewalt und unabwendbares Ereignis. Im Straßenverkehrsgesetz haben wir gleichfalls, abweichend vom Bürgerlichen Gesetzbuch, eine Gefährdungshaftung mit einer Exkulpationsmöglichkeit für höhere Gewalt und unabwendbares Ereignis.
    Im Luftverkehrsgesetz begegnet uns zum erstenmal der Einschluß der höheren Gewalt. Man nennt eine Gefährdungshaftung, bei der auch die höhere Gewalt eingeschlossen ist, Erfolgshaftung. Wir haben also im Luftverkehrsgesetz eine Erfolgshaftung; ohne Rücksicht auf Verschulden oder Nichtverschulden ist in jedem Falle der Flugzeugbesitzer haftpflichtig. Das hat sich als zweckmäßig erwiesen, einfach deshalb, weil Luftverkehrsschäden im allgemeinen Totalschäden sind, bei denen man meist gar nicht feststellen kann, worauf das Schadensereignis zurückzuführen ist. Um allen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, hat man von vornherein auch die höhere Gewalt eingeschlossen. In dem Wasserhaushaltsgesetz, das wir erst in der vergangenen Legislaturperiode beschlossen haben, haben wir gleichfalls eine Erfolgshaftung, also Gefährdungshaftung mit Einschluß der höheren Gewalt, und zwar — etwas sehr Eigenartiges — ohne Begrenzung der Summe.
    Im Atomgesetz haben wir nun zweierlei: für Reaktoren eine Erfolgshaftung, bei Isotopen hingegen eine modifizierte Gefährdungshaftung.
    Sie sehen, es ist heute schon ein bunter Katalog von Bestimmungen, nach denen die Haftpflicht eines Bürgers oder eines Unternehmens geregelt wird. Wenn ich die Liste gar noch dadurch ergänzen wollte, daß ich Ihnen auch die Maximalhöhen der Haftsummen angebe, so würden Sie zugeben, daß es sehr schwer ist, sich in dieser Ubersicht noch auszukennen, um so mehr, als in manchen Gesetzen verschiedene Höchstsummen vorgesehen sind. Wir haben jetzt auch im Atomgesetz verschiedene Summen. Abgesehen davon, daß die Renten gegenüber dem letzten Entwurf aus der vergangenen Legislaturperiode von 6000 auf 15 000 Mark erhöht sind, ist auch noch die Kapitalsumme unbegrenzt geblieben, und auch bei den Isotopen haben wir keine Begrenzung in der Höhe der Haftung.
    Ich komme zu der Auffassung, daß diese Zersplitterung in der Haftpflichtgesetzgebung keine wünschenswerte Entwicklung ist. Man kennt sich bald nicht mehr aus. Wir müssen hier doch in ein gewisses System hineinkommen.
    Noch etwas, meine Damen und Herren. Es scheint mir bedenklich, wenn wir fortfahren, immer mehr die höhere Gewalt einzuschließen. Dadurch belasten wir z. B. den Eigentümer einer Reaktoranlage in unberechtigtem Maße. Er wird auf jeden Fall zur Leistung herangezogen, gleichgültig ob ein Verschulden vorliegt, ein unabwendbares Ereignis oder höhere Gewalt. Das ist eine psychologisch nicht erwünschte Entwicklung. Wir fördern damit eine gewisse Gleichgültigkeit. Ich will nicht sagen, daß das die Folge sein wird; aber Sie fördern eine gewisse Entwicklung ganz allgemein nach der Richtung hin, daß sich jemand sagt: „Es hat gar keinen Zweck, besondere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, denn so oder so — ich bin immer haftpflichtig." Man sollte bei der Gesetzgebung möglichst gar keine Möglichkeiten für solche Gedankengänge bieten, und man sollte deswegen das völlig außerhalb der Menschenmacht liegende Phänomen der höheren Gewalt ausschließen. Wie gesagt, die Schweiz hat ich darf noch einmal darauf hinweisen — die Konsequenz gezogen und ihren Gesetzentwurf abgeändert.
    Bei dieser Gesetzgebung, meine Damen und Herren, kommt der Geschädigte allmählich zu dem sicheren Ergebnis: „Es wird sich immer jemand finden, der mir etwas zahlen muß." Nun, es ist richtig: in vielen Fällen haben wir die Verpflichtung, für sozial Schwache einzutreten, wenn durch ein Naturereignis ein Schaden eintritt. Auch ich befürworte das. Aber doch nicht auf Kosten eines Reaktorbesitzers oder irgendeines anderen, der hier nach den entsprechenden Gesetzesbestimmungen herangezogen werden kann.
    Nun werden Sie mir sagen: „So groß ist diese Auswirkung nicht, weil die Freistellungsverpflichtung des Bundes vorliegt." Das ist richtig. Diese Freistellungsverpflichtung des Bundes gilt aber nur bis zum Jahre 1965, d. h. für diejenigen Reaktoranlagen, die bis zum 31. Dezember 1965 genehmigt sind. Was ist aber dann? Man kann dann nicht zweierlei Reaktoranlagen haben, solche, bei denen die Haftpflicht aus höherer Gewalt eingeschlossen ist, und solche, bei denen sie nicht eingeschlossen ist.
    Ich darf neben dem Beispiel der Schweiz, das ich schon erwähnt habe, auch den Entwurf der OEEC für die Bestimmungen über die Haftpflicht von Reaktoren erwähnen. Auch bei dem Musterentwurf der OEEC ist die Haftpflicht aus höherer Gewalt bei den Reaktoren nicht eingeschlossen. Da wir doch bestrebt sein müssen, innerhalb der OEEC möglichst einheitliche Bestimmungen zu haben, müssen wir im Ausschuß unbedingt einmal die Frage prüfen, ob es notwendig ist, die höhere Gewalt hier einzuschließen, und ob wir nicht einen anderen Ausweg finden können, um die Möglichkeit zu geben, daß sich unser Atomgesetz den einheitlichen Bestimmungen innerhalb der OEEC anpaßt.
    Bezüglich des Genehmigungsverfahrens hat uns der Herr Minister Balke Ausführungen gemacht,



    Geiger (München)

    denen wir durchaus zustimmen müssen. Ich bin hier nicht der Auffassung der SPD, auch nicht der Auffassung der FDP. Wir werden uns im Ausschuß natürlich eingehend beraten. Jedenfalls sind die Vorschläge der Bundesregierung meines Erachtens durchaus begründet, und auch die Formulierung finde ich so klar, daß ich denke, wir haben hier den richtigen Weg gefunden.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Preusker.)

    Auch die Frage, inwieweit die Allgemeinschäden in die Haftpflichtgesetzgebung eingefügt werden sollten, ist noch aufzugreifen; eine Frage, über die wir uns gleichfalls im Ausschuß noch eingehend werden unterhalten müssen.
    Meine Damen und Herren, wenn wir nun diesen Entwurf eines neuen Atomgesetzes möglichst bald dem Bundestag für die zweite und dritte Lesung und die Beschlußfassung zuleiten, dann steht nichts mehr im Wege, auch die Gesetzentwürfe bezüglich der Errichtung einer Sicherheitskontrolle auf dem Gebiet der Kernindustrie, Drucksache 599, und bezüglich der Gründung der Europäischen Gesellschaft für die chemische Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe, die EUROCHEMIC, die uns vorgelegt worden sind, in Kraft zu setzen. Denn diese Einrichtungen sind schon so weit geklärt, daß wir ihnen ohne weiteres unsere Zustimmung geben können.
    Ein Wort zu dem Antrag der Fraktion der SPD bezüglich der überwachung radioaktiver Verseuchung. Ich bin sehr erfreut, daß uns Herr Minister Balke sagen konnte, daß bis auf einen Punkt — das ist Punkt I Ziffer 6, Schaffung einer Zentralstelle — eigentlich alles schon in die Wege geleitet ist und durchgeführt wird. Nun, es ist auch mehr als ein halbes Jahr vergangen. Aber Sie sehen auch, meine Damen und Herren, daß die Bundesregierung schon von vornherein bestrebt war, in einer ähnlichen Weise, wie es die SPD hier beantragt, die Probleme anzufassen. Es ist für die Entwicklung des Atomzeitalters, wenn ich so sagen darf, förderlich, wenn wir die Einrichtungen, die hier verlangt werden, einführen, mit entsprechenden Mitteln ausstatten und von ihnen diese Aufgaben durchführen lassen. Es werden sich im Laufe der Zeit noch mehrere derartige Anregungen ergeben. Ich erinnere mich noch an den ersten Entwurf bezüglich der Überwachung der Radioaktivität in den Luftschichten durch den Wetterdienst, der schon im Jahre 1954 hier eingebracht wurde.
    Nun möchte ich noch ein kurzes Wort zu Herrn Kollegen Rutschke sagen, weil ich ihn hier etwas verbessern muß. Er hat in seinen Ausführungen, wenn ich richtig verstanden habe, gesagt, der erste Entwurf der Bundesregierung für ein Atomgesetz sei am 2. Juli 1957 im Plenum eingebracht worden. Das ist nicht richtig. Ich darf darauf hinweisen, daß der Entwurf Drucksache 3026 dem Bundestag am 14. Dezember 1956 vorgelegt und im Februar 1957 im Plenum beraten worden ist. Das Datum, das Herr Kollege Rutschke in seinen Ausführungen nannte, war das Datum der zweiten und dritten Lesung. Sie kennen das Ergebnis: eine Verabschiedung ist nicht erfolgt. Ich möchte das nur richtigstellen, damit sich keine Legende bildet und diese Darstellung nicht etwa weiterhin verwendet wird. Herrn Kollegen Ratzel hätte ich auch noch Verschiedenes zu sagen, aber ich möchte dem Redner meiner Fraktion, der sich vorgenommen hat, hierauf zu antworten, nicht vorgreifen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)