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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 55. Sitzung Bonn, den 21. Januar 1959 Inhalt: Abg. Krüger (Neheim) tritt als Nachfolger des verstorbenen Abg. Gockeln in den Bundestag ein 2999 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Spies (Brücken), Dr. Will, Hilbert, Dr. Hesberg, Dr. Adenauer, Kuntscher . 2999 B Abg. Hübner, bisher Hospitant, tritt der Fraktion der CDU/CSU bei 2999 B Fragestunde (Drucksache 786) Frage 1, Abg. Krüger: Aussiedler und Heimkehrer Dr. Nahm, Staatssekretär 3001 A Frage 2, Abg. Krüger: Wirtschaftliche und soziale Eingliederung der ostdeutschen Bauern; in Verbindung mit Frage 8, Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Wiedergabe einer einseitig gekürzten Bundestagsdebatte in der Veröffentlichung „Der Grüne Plan 1958" Dr. Lübke, Bundesminister . . . . 3001 C Frage 3, Abg. Krüger: Ablösungen nach dem LAG Hartmann, Staatssekretär . . . 3002 A Frage 4, Abg. Rademacher: Frachten in der Binnenschiffahrt Dr. Seebohm, Bundesminister . . 3002 B Ramms (FDP) 3002 C Frage 5, Abg. Börner: Geschwindigkeitsbeschränkungen für Krankentransportwagen Dr. Seebohm, Bundesminister . . 3002 D Börner (SPD) 3003 C Frage 7, Abg. Dr. Mommer: Errichtung einer Tankstelle auf der Autobahn zwischen Darmstadt und Camberg Dr. Seebohm, Bundesminister . . . 3004 A Frage 9, Abg. Jahn (Marburg) : Verweigerung des Einreisevisums für den polnischen Redakteur Jaszunski Dr. Schröder, Bundesminister . . . 3004 C Frage 10, Abg. Dr. Friedensburg: Verzögerungen im Autobahnverkehr durch Arbeiten zur Erneuerung der Autobahndecken Dr. Seebohm, Bundesminister . . . 3005 A Frage 11, Abg. Frau Dr. Rehling: Zusammensetzung des Verwaltungsrates des Kulturfonds des Europarates Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 3006 A Frage 12, Abg. Frau Dr. Rehling: Zusätzliche finanzielle Mittel für den Kulturfonds des Europarates Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 3006 B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. Januar 1959 Frage 13, Abg. Dr. Kreyssig: Bericht der Bundesregierung über den Fortgang der Arbeiten zur Schiffbarmachung der Mosel Dr. Seebohm, Bundesminister . . . 3006 D, 3007 A, B Dr. Kreyssig (SPD) 3007 A, B Frage 14, Abg. Brück: Erfahrungen mit der Geschwindigkeitsbegrenzung in geschlossenen Ortschaften und auf der Autobahn Frankfurt—Mannheim Dr. Seebohm, Bundesminister 3007 C, 3008 C Brück (CDU/CSU) 3008 B Frage 15, Abg. Logemann: Einweisung von Bundeswehrfamilien in noch nicht bezugsfertige Wohnungen Strauß, Bundesminister . . . . . 3009 B Frage 16, Abg. Dr. Serres: Erschließung der Erdgasquellen in der Nordsahara Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 3009 D Frage 17, Abg. Dr. Besold: Bevorzugung dunkler Autobahndecken Dr. Seebohm, Bundesminister . . . 3010 A Wahl eines beratenden Mitglieds des Wahlprüfungsausschusses . . . . . . . . 3011 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Arbeitszeit der Bundesbeamten (Drucksache 591 [neu]); in Verbindung damit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Drucksache 620) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Beschäftigung von Schwerbeschädigten im Bundesdienst (Drucksache 674) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesbeamtengesetzes (FDP) (Drucksache 726) — Erste Beratung — Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesbesoldungsgesetzes (FDP) (Drucksache 727) — Erste Beratung —Falier (SPD) 3011 B Matzner (SPD) . . . . . . . . . 3012 C Dr. Schröder, Bundesminister 3013 A, 3016 D, 3020 A Eilers (Oldenburg) (FDP) 3013 D Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . 3015 C Kühlthau (CDU/CSU) 3017 A Entwurf eines Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) (Drucksache 759) — Erste Beratung —; in Verbindung damit Entwurf eines Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie (Atomgesetz) (FDP) (Drucksache 471) — Erste Beratung - Antrag der Fraktion der SPD betr. Überwachung radioaktiver Verseuchung (Drucksache 496) Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. Dezember 1957 über die Errichtung einer Sicherheitskontrolle auf dem Gebiet der Kernenergie (Drucksache 599) — Erste Beratung — Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. Dezember 1957 über die Gründung der Europäischen Gesellschaft für die Chemische Aufarbeitung Bestrahlter Kernbrennstoffe (EUROCHEMIC) (Drucksache 600) — Erste Beratung — Dr. Bechert (SPD) . . . . . . . 3020 D Dr. Balke, Bundesminister . 3022 B, 3028 D Dr. Rutschke (FDP) . . . . . . . 3026 D Dr. Ratzel (SPD) . . . . . . . . 3032 B Geiger (München) (CDU/CSU) . . . 3036 B Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 3040 C Entwurf eines Gesetzes zur Abkürzung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Aufbewahrungsfristen (Drucksache 372) ; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 722) — Zweite und dritte Beratung — 3042 A Entwurf eines Gesetzes über eine Betriebszählung in der Land- und Forstwirtschaft (Landwirtschaftszählung 1959) (Drucksache 687) — Erste Beratung — . . . . 3042 B Entwurf eines Gesetzes über die Ausfuhrzolliste (Drucksache 713) — Erste Beratung — 3042 C Antrag der Abg. Dr. Zimmer, Dr. Kopf, Metzger u. Gen. betr. Schaffung eines europäischen Beamtenstatuts; Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksachen 268, 458 [neu]) . . . . . . . . . . 3042 C Antrag der Abg. Dr. Wahl, Metzger, Dr. Kopf u. Gen. betr. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit auf dem Gebiete des Privatrechts; Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksachen 267, 626) . . . 3042 D Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. Januar 1959 III Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofs betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofs für das Rechnungsjahr 1955—Einzelplan 20 —; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksachen 63, 704) . 3042 D Antrag der Fraktion der SPD betr. Einreisegenehmigungen für Staatsangehörige der Ostblockstaaten; Mündlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksachen 433, 720) 3042 D Antrag der Fraktion der SDP betr. Erleichterung der Einreise in die Bundesrepublik; Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksachen 152, 724) . . . . . . . 3043 A Entschließungen der 47. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union (Drucksache 663) . . . . . . . . . . . . 3043 A Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (10. ÄndG LAG) (Drucksache 762) — Erste Beratung — 3043 B Entwurf eines Gesetzes zu den drei Abkommen vom 3. April 1958 mit der Portugiesischen Republik über deutsche Vermögenswerte in Portugal, auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und über die Liquidation des früheren deutschportugiesischen Verrechnungsverkehrs (Drucksache 763) — Erste Beratung — . . 3043 B Entwurf eines Gesetzes zu den zwei Abkommen vom 8. April 1958 mit Spanien über gewisse Auswirkungen des zweiten Weltkrieges und über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte (Drucksache 764) — Erste Beratung — . . . . 3043 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) (Bundesrat) (Drucksache 769) — Erste Beratung — 3043 C Entwurf eines Gesetzes über Kostenstrukturstatistik (KoStrukStatG) (Drucksache 770) — Erste Beratung . . . . . . 3043 D Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft (Abg. Schütz [München], Burgemeister, Schmücker u. Gen.) (Drucksache 503) Erste Beratung — 3043 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes (FDP) (Drucksache 744 [neu]) — Erste Beratung — . . 3043 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (Abg. Schulze-Pellengahr, Struve, Unertl u. Gen.) (Drucksache 745) — Erste Beratung — 3044 A Nächste Fragestunde 3044 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3044 C Anlagen 3045 A 55. Sitzung Bonn, den 21. Januar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.07 Uhr.
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 44. Sitzung Sei e 2502 C Zeile 19 statt „450" : 54 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Altmaier * 23. 1. Birkelbach* 23. 1. Fürst von Bismarck * 23. 1. Blachstein * 23. 1. Bruse 21. 1. Dr. Dollinger 21. 1. Dr. Furler* 23. 1. Geiger (München) 23. 1. Gerns * 23. 1. D. Dr. Gerstenmaier 23. 1. Dr. Gossel 21. 1. Hahn 21. 1. Heide 21. 1. Heye * 23. 1. Höfler * 23. 1.. Frau Dr. Hubert * 23. 1. Dr. Jaeger 26. 1. Jürgensen 21. 1. Kiesinger * 23. 1. Frau Kipp-Kaule 21. 1. Dr. Kliesing (Honnef) * 23. 1. Köhler 24. 1. Dr. Kohut 24. 1. Dr. Kopf * 23. 1. Kriedemann 22. 1. Kühn (Bonn) 26. 1. Kühn (Köln) * 23. 1. Kurlbaum * 23. 1. Leber 21. 1. Dr. Leverkuehn * 23. 1. Lücker (München) * 23. 1. Dr. Martin 26. 1. Frau Dr. Maxsein * 23. 1. Dr. Mende * 23. 1. Metzger * 23. 1. Dr. Meyer (Frankfurt) * 23. 1. Paul * 23. 1. Rademacher 24. 1. Frau Dr. Rehling * 23. 1. Dr. Schmid (Frankfurt) * 23. 1. Schneider (Bremerhaven) 21. 1. Schütz (München) * 23. 1. Dr. Seffrin 21. 1. Seidl (Dorfen) * 23. 1. Dr. Serres * 23. 1. * für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Vogt 23. 1. Wagner 21. 1. Dr. Wahl * 23. 1. Frau Dr. h.c. Weber (Essen) * 23. 1. Weimer 21. 1. Wullenhaupt 24. 1. Dr. Zimmer * 23. 1. b) Urlaubsanträge Frau Albertz 4. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Frau Blohm 31. 1. Diel (Horressen) 23. 2. Dr. Eckhardt 10. 2. Etzenbach 7. 2. Gedat 30. 1. Gleisner (Unna) 20. 2. Dr. Greve 7. 2. Dr. Gülich 31. 1. Heinrich 31. 1. Frau Kalinke 31. 1. Kramel 16. 2. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 1. Memmel 31. 1. Dr. Menzel 15. 2. Müser 17. 2. Dr. Oesterle 6. 2. Pelster 31. 1. Pütz 14. 2. Dr. Reith 31. 1. Rohde 31. 1. Schneider (Hamburg) 2. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 15. 2. Walpert 31. 1. Anlage 2 Umdruck 197 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Arbeitszeit der Bundesbeamten - Drucksache 591 (neu) - Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, umgehend eine Neufassung der Arbeitszeitverordnung vorzunehmen, die eine Mitbestimmung der Personalvertretungen nach § 67 des Personalvertretungsgesetzes ,ermöglicht und die den Bestimmungen des § 94 des Bundesbeamtengesetzes gerecht wird. Bonn, den 21. Januar 1959 Ollenhauer und Fraktion
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    Rede von Dr. Siegfried Balke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine nur kurze Stellungnahme zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Rutschke und den von ihm begründeten Gesetzentwurf. Die Fraktion der FDP hat mit dem Entwurf eines Atomgesetzes zu erkennen gegeben, welche Bedeutung auch sie der friedlichen Verwendung der Kernenergie und ihrer gesetzlichen Regelung beimißt. Wie der Gesetzentwurf zeigt, hat sie sich bemüht, die von dieser Entwicklung gestellten



    Bundesminister Dr.-Ing. Balke
    schwierigen legislativen Aufgaben lösen zu helfen. Das wird von der Bundesregierung dankbar anerkannt.
    Ein Vergleich der beiden Gesetzentwürfe, also dem der Regierung nach Drucksache 759 und dem der FDP-Fraktion nach Drucksache 471, zeigt sofort, daß verschiedene Wege vorgeschlagen werden. Da beide Entwürfe wahrscheinlich den Ausschüssen überwiesen werden, wird ein Eingehen auf Einzelheiten des FDP-Entwurfs jetzt wohl nicht angebracht sein. In den Ausschußberatungen wird sich ergeben, welche Wege die zweckmäßigeren sind.
    Gestatten Sie mir nur ein paar Worte zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Rutschke zu dem Regierungsentwurf. Zunächst handelt es sich hierbei um ein er st es Atomgesetz der Bundesregierung, das zweifellos noch nicht Gestalt für lange Jahrzehnte gewinnt. Es ist notwendig, Erfahrungen mit diesem Atomgesetz zu sammeln, und man soll die künftige Entwicklung nicht durch eine zu starre Gestaltung aller Bestimmungen vorwegnehmen oder abdrosseln. Ferner bin ich der Meinung, wir sollten wegen der Haftungsbestimmungen, die ein sehr schwieriges Kapitel darstellen, hier keinen Prioritätsstreit entfachen; das Ergebnis ist, glaube ich, wichtiger.
    Ich möchte nur einen grundsätzlichen Unterschied in den Auffassungen der beiden Entwürfe herausgreifen, weil darauf soeben besonders Bezug genommen wurde, nämlich die Frage der Benutzung von Bundesanstalten. Wir gehen davon aus, zwar vorhandene Bundesanstalten zu benutzen, aber keine neuen für diesen Zweck zu schaffen. Während der Regierungsentwurf die Verwaltungsarbeit in der Hauptsache den schon vorhandenen Länderbehörden überträgt, sieht der Entwurf der FDP-Fraktion vor, eine neue „Bundesanstalt für Kernenergie" zu errichten und dort die gesamte Atomverwaltung zu konzentrieren. Dieser Vorschlag einer zentralen Bundesverwaltung für das Sachgebiet der Kernenergie erscheint wenig länderfreundlich und dürfte beim Bundesrat kein Verständnis und keine Zustimmung finden. Weiter wäre eine Bundesanstalt gemäß ihrer Rechtsnatur und ihrer weitgehenden Unabhängigkeit von Parlament und Regierung für die zu bewältigenden wichtigen Hoheitsaufgaben kaum geeignet. Um praktisch arbeiten zu können, müßte sie zahlreiche Außenstellen errichten, die eine betriebs- und ortsnahe Aufsicht ermöglichen. Das wäre verwaltungsmäßig unnötig kompliziert und teuer, abgesehen davon, daß eine solche Bundesanstalt neben einem Bundesministerium und den Länderbehörden sachlich überflüssig wäre. Bei der Bedeutung, die einer „Atomverwaltung" zukommt, kann diese nicht von einer so weitgehend unabhängigen Bundesanstalt gesteuert werden, sondern nur von einem Bundesressort. Sitz und Stimme einer obersten Atombehörde im Bundeskabinett sind schon aus politischen und psychologischen Gründen erforderlich, weil damit auch ihre parlamentarische Verantwortlichkeit sichergestellt ist.
    Ich darf mich vielleicht auf diese wenigen Worte zu der Begründung des FDP-Entwurfs beschränken und mit Genehmigung des Herrn Präsidenten nunmehr zu dem Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 496 Stellung nehmen. Eine solche Stellungnahme der Bundesregierung zum Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 496 erfordert eine etwas eingehendere Behandlung des derzeitigen Standes der Uberwachung radioaktiver Verseuchung in der Bundesrepublik. Ich bitte mir zu gestatten, daß ich dies ausführlich genug tue, um eine Beurteilung der Situation durch dieses Hohe Haus zu ermöglichen, es sei denn, meine Damen und Herren, es wird von Ihnen gewünscht, daß die Einzelheiten, die vielleicht etwas ermüdend sind, erst in den Ausschußberatungen vorgetragen werden. Ich werde jedenfalls beginnen.
    Zu I Ziffer 1 des Antrags! Der Sonderausschuß „Radioaktivität" konstituierte sich am 1. Oktober 1956. Zur Finanzierung seines Sekretariats, das ihn bei der Erstattung von Berichten über die radiologische Lage in der Bundesrepublik unterstützen soll, wurde für ihn auf seinen Antrag hin in den Haushaltsjahren 1956 und 1957 ein Betrag von insgesamt 205 000 DM aus den Mitteln des Bundesatomministeriums bereitgestellt. Gemäß den vorgelegten Verwendungsnachweisen war der Geldbedarf um 64 000 DM geringer als die bewilligte Gesamtsumme. Im Haushaltsjahr 1958 wurden vom Bundesatomministerium weitere 90 000 DM für das Sekretariat bewilligt. Der Entwurf des Bundeshaushaltsplanes für das Rechnungsjahr 1959 sieht weiterhin entsprechende Mittel für diesen Zweck vor.
    Zur Finanzierung der vom Sonderausschuß empfohlenen Forschungsvorhaben wurden beim Bundesatomministerium angefordert und bewilligt: für die Forschungsarbeiten der 12 Mitglieder des Sonderausschusses und ihrer Institute im Jahre 1957 626 700 DM, im Jahre 1958 658 500 DM; für Forschungsarbeiten von Nichtmitgliedern des Sonderausschusses 1957 rund 73 000 DM, 1958 rund 164 000 DM. Dem bewilligten Gesamtbetrag im Haushaltsjahr 1957 von 700 185 DM steht ein tatsächlich verausgabter Betrag von 544 750 DM gegenüber. Es verbleibt also ein unverbrauchter Restbetrag von 155 435 DM. Hieraus geht hervor, daß sowohl für das Sekretariat als auch für das Forschungsprogramm des Sonderausschusses „Radioaktivität" ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt worden sind.
    Der Sonderausschuß „Radioaktivität" ist, wie Ihnen bekannt, in seiner Arbeit völlig unabhängig; seine Forschungsarbeiten und die Auswertung ihrer Ergebnisse unterliegen nur der freien wissenschaftlichen Verantwortung jedes Ausschußmitgliedes. Die Prüfung des Bundesatomministeriums erstreckt sich aber selbstverständlich auf die Einhaltung der haushaltsrechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Nachweise der Verwendung der Mittel.
    Zum Arbeitsprogramm des Sonderausschusses möchte ich bemerken, daß auf diesen wissenschaftlichen Gebieten auch noch andere Forschungsarbeiten durchgeführt werden müssen, z. B. an Hochschulen und Kliniken. Das gesamte Forschungsprogramm auf dem Gebiet der Radiologie und ver-



    Bundesminister Dr.-Ing. Balke
    wandter Disziplinen ist aber durch die Arbeitsmöglichkeiten in der Bundesrepublik begrenzt. Die Bundesregierung ist bestrebt, diese Möglichkeiten dauernd zu erweitern und zu verbessern, weil diese unzureichenden Möglichkeiten zweifellos auch die Ursache dafür sind, daß die zur Verfügung gestellten Geldmittel vom Sonderausschuß nicht völlig verbraucht werden konnten.
    Zu I Ziffer 2! Bereits seit 1954 wird unter finanzieller Förderung durch das Bundesministerium des Innern vom Deutschen Roten Kreuz ein Strahlenschutz-Ausbildungsprogramm durchgeführt. Die Lehrgänge finden ausschließlich in Universitätsinstituten statt und unterstehen Professor Dr. Langendorff im Radiologischen Institut der Universität Freiburg im Breisgau und Professor Dr. von Braunbehrens, Institut und Poliklinik für Physikalische Therapie und Röntgenologie der Universität München. Zu diesen Lehrgängen werden Röntgenologen und radiologisch vorgebildete Ärzte zugelassen. Nach dieser Ausbildung werden im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft für DRK-Strahlenschutzärzte Fortbildungskurse gehalten. Bis zum Ende des laufenden Rechnungsjahres sind 121 DRK-Ärzte im Strahlenschutz ausgebildet. Für das Jahr 1959 ist die Ausbildung von weiteren 50 Ärzten geplant.
    Neben der DRK-Ausbildung, die sich im übrigen auch auf Personen physikalisch-technischer Berufszweige erstreckt, werden Lehrgänge für die Ausbildung von Ärzten des öffentlichen Gesundheitsdienstes im Strahlenschutz vorbereitet. In die Lehrpläne der Akademie für Staatsmedizin sind im Einvernehmen mit den Ländern Strahlenschutzvorträge eingefügt worden. Ferner ist sichergestellt, daß in der Bundesdienststelle für zivilen Bevölkerungsschutz die Amtsärzte durch Lehrgänge im Strahlenschutz unterrichtet werden, soweit diese Ausbildung von den Ländern nicht selbst übernommen wird. Das Bundesatomministerium hat die Ausbildung von Strahlenbiologen und Strahlenärzten durch Gewährung von Beihilfen zur Teilnahme an in- und ausländischen Kursen, wissenschaftlichen Konferenzen und Studienaufenthalten, insbesondere in England, in den Vereinigten Staaten von Amerika und Japan gefördert. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Kompetenz des Bundes zur Regelung des Strahlenschutzes vorliegen, wird die Bundesregierung in enger Zusammenarbeit mit den Ländern der „Ausbildung der Ausbilder" sowie des medizinischen und technischen Überwachungspersonals überhaupt verstärkte Aufmerksamkeit widmen können.
    Zu I Ziffer 3. In mehreren Universitätsinstituten laufen seit geraumer Zeit Untersuchungen über die Strahlenbelastung der Bevölkerung bei diagnostischer und therapeutischer Anwendung von harten Strahlen. Hierbei werden nicht nur die Belastungen bei typischen Strahlenanwendungen, sondern auch die statistischen Häufigkeiten der verschiedenen Strahlenanwendungen unter Mitarbeit von Statistischen Landesämtern und Krankenkassenverbänden erfaßt. In den Haushaltsjahren 1957 und 1958 wurde für diese Erhebungen ein Betrag von 430 250 DM aus Mitteln des Bundesatomministeriums zur Verfügung gestellt. Die Untersuchungen und Erhebungen werden noch einige Jahre andauern. Personen, die in strahlengefährlichen Betrieben beschäftigt sind, werden bereits seit Jahren auf freiwilliger Basis oder in Ausführung von Länderverordnungen — z. B. zur Zeit in Schleswig-Holstein und in Bayern — mit Film- und Ionisatiönskammer-
    Dosimetern überwacht. Im Jahre 1956 wurden 25 000, im Jahre 1957 41 000 und bis zum 30. Juni 1958 36 000 Filmdosimetermessungen ausgewertet. Die Anwendung von Filmdosimetern hat sich aus einer Versuchsreihe ergeben, die seinerzeit das Bundesarbeitsministerium finanziert hat.
    Bei der Genehmigung des Umgangs mit radioaktiven Stoffen schreibt das Bundesatomministerium regelmäßig die dosimetrische Überwachung als Strahlenschutzmaßnahme vor. Der Entwurf der Strahlenschutzverordnung macht die registrierende Messung der Strahlenschutzbelastung von Personen bundeseinheitlich zur Pflicht. Wenn dem Bund durch die Grundgesetzergänzung die Gesetzgebungsbefugnis zum Schutz der Bevölkerung gegen die Gefahren aller ionisierenden Strahlen übertragen wird, wird die Bundesregierung weitgehende Maßnahmen auf dem Gesamtgebiet des Strahlenschutzes, einschließlich der Röntgenstrahlen, treffen können.
    Zu I Ziffer 4 des Antrags. Wenn in dem Antrag, der die Überschrift „Überwachung radioaktiver Verseuchung" trägt, die Förderung von Forschungen über die Aufnahme radioaktiver Substanzen in Pflanzen, Tieren und Lebensmitteln gefordert wird, so darf angenommen werden, daß in erster Linie die Aufnahme der künstlichen radioaktiven Stoffe gemeint ist.

    (Zustimmung.)

    Im Vordergrund des Interesses stehen dabei die Spaltprodukte, die im sogenannten „fall-out" enthalten sind, insbesondere aber die radioaktiven Substanzen Strontium-90 und Zäsium-137. Mit speziellen Untersuchungen über die Aufnahme von Strontium-90 haben Institute in der Bundesrepublik bereits vor Jahren begonnen. Wichtige Forschungsstätten auf diesem Gebiet sind die Pfälzische Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt in Speyer, das Anorganisch-chemische Institut der Universität Mainz, das II. Physikalische Institut der Universität Heidelberg, das Physikalische Institut der Bundesforschungsanstalt für Milchwirtschaft in Kiel, das Agrikulturchemische und bodenkundliche Institut in Göttingen, die Bundesanstalt für Lebensmittelfrischhaltung in Karlsruhe, die Forschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig-
    Völkenrode, das Radiologische Institut der Universität Freiburg/Breisgau, das Physikalische Institut der Universität Freiburg/Breisgau, das Max-Planck-
    Institut für Biophysik in Frankfurt/Main, die Bundesforfschungsanstalt für Fischerei in Hamburg — einschließlich der Biologischen Anstalt Helgoland —und das Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamts in Berlin.
    Wesentliche Studien sind außerdem im Auftrag des Bundesministers des Innern von der Schutzkommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft veranlaßt worden. Dem Deutschen Hydrographi-



    Bundesminister Dr.-Ing. Balke
    I sehen Institut in Hamburg obliegt die Untersuchung
    des Meerwassers auf radioaktive Beimengungen.
    Die Bundesanstalt für Gewässerkunde ist mit der Überprüfung der radioaktiven Belastung der Bundeswasserstraßen betraut. Als Zentralinstitut der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung ist sie am besten geeignet, diesen Auftrag im Rahmen ihrer laufenden Wassergüteuntersuchungen großräumig und nach einheitlichen Gesichtspunkten durchzuführen. Ihre primäre Aufgabe besteht darin, für den Bereich der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung Meßstellen einzurichten, die Entnahme von Proben zu überwachen und die Proben in physikalisch-chemischer Hinsicht auszuwerten. Zur physiologischen Auswertung der Unterlagen ist in erster Linie an eine Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsamt gedacht.
    Die Probleme einer ausreichenden Erfassung des Niederschlags und der Aufnahme von Zäsium 137 durch Pflanzen, Tiere und den Menschen sind bislang in der Bundesrepublik wie auch in den übrigen Ländern der Welt noch nicht befriedigend gelöst, werden aber bereits als eine Schwerpunktaufgabe betrachtet und behandelt.
    Daneben bemüht sich das Bundesatomministerium weiterhin, auf breiter Basis die biologische und medizinische Grundlagenforschung zu fördern. Bis Ende 1958 wurden für diesen Zweck rund 17 Millionen DM zur Verfügung gestellt und weitere rund 4,5 Millionen DM grundsätzlich zugesagt.
    Von den Zuschußempfängern sind unter anderem folgende Institute zu nennen: das Radiologische Institut der Universität Freiburg, das Heiligenberg-Institut in Überlingen, d as Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt/Main, die Universitäts-
    Frauenklinik in Hamburg-Eppendorf, das Strahleninstitut der Universität Marburg, das Max-Planck-
    Institut für vergleichende Erbbiologie und Erbpathologie in Berlin-Dahlem, das Czerny-Krankenhaus für Strahlenbehandlung in Heidelberg, das Röntgen- und Strahleninstitut der Universität Mainz, das Institut für physikalische Therapie der Universität München, das Strahleninstitut der Freien Universität Berlin, das Institut für physikalische Therapie der Universität Erlangen.
    Im Entwurf des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1959 sind weitere 10,3 Millionen DM veranschlagt für die Förderung der Atomforschung auf dem Gebiet der Medizin, Biologie und Landwirtschaft. Darüber hinaus sind erhebliche Mittel für die Nachwuchsausbildung auf diesem Sektor vorgesehen.
    Untersuchungen über die Bewegungen und die Verweilzeit radioaktiver Aerosole in den Luftschichten werden vom Deutschen Wetterdienst, von den Meteorologischen Instituten der Technischen Hochschulen Karlsruhe und Darmstadt und dem Institut für Flugmeteorologie in München, ferner von der Vereinigung der Technischen Überwachungsvereine durchgeführt.
    Neben den theoretischen Studien hat der Deutsche Wetterdienst bereits vor drei Jahren mit direkten Messungen des atomtechnischen Aerosols in der freien Atmosphäre begonnen. Hierbei handelt es sich, abgesehen von Versuchsmessungen von Flugzeugen der Deutschen Lufthansa aus, um die Sondierung der Atmosphäre mittels Apparaturen, die an frei fliegenden Ballonen in die Höhe gelassen werden und die Aktivitätswerte über Funk melden. Aus finanziellen Gründen kann die Methode der systematischen Messung der Radioaktivität in der Höhe von Spezialflugzeugen aus, die besonders einwandfreie Ergebnisse liefern würde, vorläufig noch nicht angewandt werden.
    Zu Punkt I Ziffer 5! Die zehn Stationen der Luftüberwachung des Deutschen Wetterdienstes in Schleswig, Emden, Hannover, Berlin, Essen, Aachen, Königstein/Taunus, Stuttgart, Nürnberg und München sind mit modernen Geräten für die Messung der Radioaktivität der Atmosphäre und der Niederschläge ausgerüstet. Für die zentrale Betreuung des Meßnetzes und Auswertung der Meßergebnisse sind zwei wissenschaftliche Kräfte tätig.
    Die Geräte werden auf den zehn Stationen, die in räumlicher Anlehnung an vorhandene Wetterdienststellen eingerichtet wurden, von zehn Bediensteten hauptamtlich bedient. Sie wurden auf Lehrgängen beim Physikalischen Institut der Universität Freiburg in ihre Aufgaben eingewiesen. In diesem Institut wird auch die wissenschaftlich-technische Weiterentwicklung der Apparaturen und Meßgeräte betrieben.
    Auch die bei den Universitäten und Hochschulen aus Haushaltsmitteln des Bundes eingerichteten Meßstellen sind personell und technisch so ausgestattet, daß sie die gestellten Aufgaben erfüllen können. Für die Verbesserung und Angleichung der Ausrüstungen an den neuesten Stand der Technik sind Mittel in den Haushaltsplänen der zuständigen Bundesressorts, insbesondere im Haushaltsplan des Bundesatomministeriums, vorgesehen.
    Die Bundesanstalt für Gewässerkunde begann mit dem Programm zur Überwachung der radioaktiven Belastung der Bundeswasserstraßen Anfang 1958, nachdem ein Laboratorium mit Spezialgeräten ausgestattet und ein Radiochemiker eingestellt worden war. Es wird notwendig sein, weitere Haushaltsmittel zur Vervollständigung dieses Laboratoriums und zur Einrichtung örtlicher Meßstellen bei den Wasser- und Schiffahrtsdirektionen in Anspruch zu nehmen.
    Für Geräteausstattungen des Deutschen Hydrographischen Instituts zur Überwachung des Meerwassers auf radioaktive Beimengungen sind Bundesmittel veranschlagt. Einige Teilbeträge wurden bisher bewilligt. Die im Haushaltsjahr 1957 vorgesehenen Stellen für einen wissenschaftlichen und einen technischen Angestellten konnten mangels geeigneter Bewerber erst im Herbst 1957 bzw. Anfang 1958 besetzt werden, Die Errichtung eines Speziallaboratoriums für radiologische Untersuchungen von Meerwasser wird erwogen.
    Schließlich zu Punkt I Ziffer 6! Es ist Vorsorge dafür getroffen, daß die durch das Überwachungssystem gewonnenen Meßergebnisse kontinuierlich gesammelt und unter biologischen und medizinischen Gesichtspunkten ausgewertet werden. Die



    Bundesminister Dr.-Ing. Balke
    Sammlung erfolgt beim Bundesatomministerium, beim Sekretariat des „Sonderausschusses Radioaktivität" und auf Veranlassung des Bundesministers des Innern beim I. Physikalischen Institut der Universität Freiburg. Die wissenschaftliche Auswertung dieser Ergebnisse erfolgt im Rahmen der Deutschen Atomkommission durch die Fachkommission IV „Strahlenschutz" und ihre Arbeitskreise sowie beim „Sonderausschuß Radioaktivität" und beim Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamtes. Darüber hinaus werden die in der Bundesrepublik gesammelten Erkenntnisse internationalen Gremien, insbesondere den Gesundheitsausschüssen der WEU, von Euratom, der OEEC und der UN zur Verfügung gestellt.
    Bei dieser Sachlage ist aber festzustellen, daß die in dem Antrag der SPD-Fraktion Drucksache 496 aufgestellte Forderung, eine Zentralstelle zu schaffen, derzeit noch nicht erfüllt ist. Die Bundesregierung hält jedoch ebenfalls eine solche Stelle für notwendig, die in der Bundesrepublik eine regelmäßige Analyse der Meßergebnisse unter biologischen und medizinischen Gesichtspunkten gewährleistet. Dies ist auch erforderlich, um den internationalen Institutionen über die radiologische Lage der Bundesrepublik berichten zu können. Vorarbeiten zur Organisation einer solchen Zentralstelle sind eingeleitet.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, die Entwürfe sind eingebracht und begründet. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Sie betrifft die Gesamtheit der eingebrachten Entwürfe.
Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Ratzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Ratzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ohne daß ich hier eine historische Rückschau veranstalten möchte, will ich doch feststellen, daß es heute fast auf den Tag genau 23 Monate sind, seit wir in diesem Hause im 2. Bundestag die erste Lesung eines Bundesatomgesetzes gehabt haben. Der Leidensweg der Bundesatomgesetzgebung ist ja hinreichend bekannt — auch die Hintergründe —, und ich glaube, ich kann es mir ersparen, auf die Hintergründe einzugehen. Niemand wird wohl hier im Hause besser im Bilde sein als der Herr Minister selbst.
    Uns Sozialdemokraten hat es etwas eigentümlich berührt, daß man im 2. Bundestag eigentlich von uns die Sabotage des Atomgesetzes erwartet hat. Von Ministerialbeamten sind Äußerungen in der Richtung getan worden, die SPD werde das Atomgesetz zu Fall bringen, um es später im 3. Bundestag als Morgengabe auf den Tisch des Hauses zu legen. Die Beamten haben sich hier in ihrer Prognose geirrt, obwohl sie sonst anscheinend über ziemliche hellseherische Fähigkeiten verfügen. Denn dieser Tage konnte man im Regierungsbulletin lesen, daß in einem Handbuch, das von maßgeblichen Beamten des Bundesatomministeriums verfaßt wurde, nicht nur die gegenwärtigen, sondern auch die künftigen gesetzlichen Atombestimmungen klar und deutlich dargelegt seien.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich hoffe trotzdem, daß unsere Kollegen von der CDU den Willen haben, das Atomgesetz im Ausschuß eingehend und anständig zu beraten, und daß wir, wenn wir das Ergebnis dieser Beratung sehen, ein zweites Mal feststellen können, daß es mit den hellseherischen Fähigkeiten der Beamten nicht allzuweit her ist.
    Herr Minister Balke hat, als er vor zwei Jahren hier zum Atomgesetz sprach, von einem Dreistufenplan des deutschen Atomprogramms gesprochen: einmal von der Förderung der Forschung, dann von der Entwicklung von Versuchsreaktoren und schließlich von der Entwicklung von Prototypen der Leistungsreaktoren für Großkraftwerke. Er sagte, die Erfüllung dieses Dreistufenplanes setze eine baldige Verabschiedung des Atomgesetzes voraus. Nun, wenn ich umgekehrt schließen darf, dann kann ich wohl sagen: Die Tatsache, daß das Atomgesetz im 2. Bundestag gescheitert ist, hat uns der Erfüllung eines deutschen Atomprogramms nicht wesentlich nähergebracht. Das haben mittlerweile ja auch andere Leute, nicht nur die Sozialdemokraten, festgestellt. Joachim Besser schreibt in der „Welt", daß man mit Krähwinkel-Methoden — ich möchte, wenn ich an den 2. Juli 1957 denke, auch sagen: mit Schildbürgerstreichen — die Entwicklung auf dem Atomgebiet nicht vorantreiben kann.
    Ich möchte klar und offen sagen: Nach Meinung der SPD hat es die Politik der Bundesregierung von Anfang an — und das ist immerhin fast vier Jahre her — an einem klaren Plan und an dem Willen zu seiner Durchführung fehlen lassen. Es fehlte, um wieder mit den Worten eines Beamten des Ministeriums zu sprechen, eine starke und führende Hand. Wir alle wissen die Qualitäten von Herrn Minister Balke zu schätzen; auch in unserem Kreise ist, glaube ich, das Urteil über seine fachlichen Qualitäten und seine Persönlichkeit durchaus positiv. Aber er hat sich, seit er die Führung der friedlichen Atompolitik in der Bundesregierung übernommen hat, zu sehr von anderen die Hand führen lassen und hat es unterlassen, im gegebenen Zeitpunkt einmal mit der Faust auf den Tisch zu schlagen. Das ist mit ein Grund dafür, daß wir mit der gesetzlichen Regelung so sehr in Rückstand geraten sind.
    Daß die Bundesrepublik seit der ersten Genfer Atomkonferenz 1955 den Rückstand gegenüber den führenden Atomnationen nicht aufgeholt hat, dürfte doch allen klargeworden sein, die im September vergangenen Jahres in Genf waren. Ich weiß nicht mehr, wer gesagt hat, die Bundesrepublik habe jetzt gerade den Stand Indiens erreicht. Ich glaube. ohne daß wir dem indischen Volk zu nahe treten, muß man doch sagen, daß ein Land, das über derartige wissenschaftliche, technische und industrielle Voraussetzungen verfügt wie die Bundesrepublik, heute, wenn man von Anfang an einen klaren Plan und einen Willen gehabt hätte, weiter sein müßte. Diesen Vorwurf können wir leider der Regierung und der sie tragenden Mehrheit nicht ersparen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Es waren doch die Vertreter aller Parteien, die, im Zusammenhang mit einem Besuch der Interparla-



    Dr. Ratzel
    mentarischen Arbeitsgemeinschaft, in Genf waren, genauso wie viele Sachverständige der Überzeugung, daß in der Bundesrepublik nun mehr getan werden müsse, daß man in den Haushalt 1959 größere Mittel einsetzen müsse, um endlich einmal in stärkerem Maße voranzukommen. Erfolg: Im Bundeshaushalt 1959 sind weniger Mittel vorgesehen als im Bundeshaushalt 1958. Nun, ich könnte beinahe für den Bundesfinanzminister Verständnis aufbringen, wenn er sich z. B. beim Verteidigungshaushalt ähnlich verhielte. Wenn man die zurückliegenden Ausgaben betrachtet, muß man feststellen, daß vom Haushalt 1956 — der bestimmt nicht übertrieben war — von den Mitteln für die Forschung und die Entwicklung rund 40 % ausgegeben worden sind, und wenn wir das wegnehmen, was auf Grund vertraglicher Verpflichtung für das Atominstitut in Genf ausgegeben wurde, sind es nur 23 % gewesen. Von 1956 konnte man sagen: das war noch eine gewisse Anlaufzeit. Aber 1957 wurden von den Ansätzen in den allgemeinen und einmaligen Ausgaben nur rund 50 % ausgegeben, und wenn man von CERN absieht, nur 35 %. Die Bundesrepublik hat in den Jahren 1956 und 1957 für die friedliche Atomforschung und -entwicklung noch nicht einmal 10 % von dem ausgegeben, was England in einem Jahr dafür aufwendet. Wir können nur fragen: Wann gedenkt denn die Bundesregierung endlich einmal ein klares Programm mit einer gesicherten Finanzierung vorzulegen, das den Vergleich mit Großbritannien oder mit Frankreich aushält?

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Diese Frage müssen wir stellen. Wir hoffen, daß wir darauf sehr bald eine Antwort bekommen. Denn die besten Ideen unserer Forscher haben ja keinen Sinn, wenn sie nicht die Mittel haben, sie zu realisieren.
    Hinzu kommt, daß dann, wenn die Ideen da sind, von irgendwelchen Interessenten auch noch quergeschossen wird. Es gibt da ein interessantes Projekt eines jungen Forschers, das, was die Wettbewerbsfähigkeit der Atomenergie angeht, sehr erfolgversprechend ist, das auch als Konkurrenzprojekt auf dem Weltmarkt erfolgversprechend ist, weil es sich um mögliche kleine Kraftwerkseinheiten handelt. Dieses Projekt konnte mindestens sechs Monate lang nicht in Angriff genommen werden, weil die finanzielle Grundlage nicht gesichert war.
    Nun, wenn wir den Atomgesetzentwurf der Regierung betrachten, dann erhebt sich für uns Sozialdemokraten zuerst die Frage: Wem soll die Atomenergie dienen? In der Zweckbestimmung in § 1 des Entwurfs der Regierung und in dem ideologischen Unterbau in den Erklärungen im Anhang wird von der privatwirtschaftlichen Initiative gesprochen. Es ist niemand unter uns, der gegen die private, auch die privatwirtschaftliche Initiative wäre. Auch wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß man viele Kräfte der Wirtschaft und der Wissenschaft zur Mitarbeit an dieser großen Aufgabe gewinnen sollte. Der privaten Wirtschaft ist auf dem Gebiete der Entwicklung von Reaktoren, von Meßinstrumenten, von Zusatzgeräten, von Materialien usw. ein weites und, ich glaube, auch ein lukratives Betätigungsfeld gegeben.
    Für uns ist die entscheidende Frage: Wer soll diese Anlagen betreiben, und wem sollen diese Anlagen dienen? Da scheiden sich die Geister. Man spricht von freier, ungehinderter Betätigung der Privaten. Aber wer kann sich denn schon auf dem Gebiete des Baues von Atomkraftwerken betätigen? Unter den Privaten ist das doch ein sehr exklusiver Klub, und diejenigen, die das könnten, wie z. B. Herr Schoeller und das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk, gehören zu denen, die unserem Herrn Bundesatomminister mit die meisten Schwierigkeiten bereiten. Sie werfen Dinge in die Debatte, die sachlich gar nicht haltbar sind, und sagen: Wir wollen uns erst betätigen, wenn die Atomkraft mit der konventionell erzeugten Elektrizität wettbewerbsfähig ist.
    Es ist völlig selbstverständlich: Ein technischer Zweig, der eben beginnt, die Kinderschuhe auszutreten, kann doch mit einem technischen Zweig, der auf eine jahrzehntelange Entwicklung zurückblickt, nicht von Anfang an konkurrieren. Wir sind aber sicher, daß die Atomenergie in sehr kurzer Zeit in der Lage sein wird, hier wettbewerbsfähig zu sein. Das kann sie jedoch nur, wenn man den Atomtechnikern die Möglichkeit gibt, an den geeigneten Objekten ihre Erfahrungen zu sammeln. Nur dann wird sie wettbewerbsfähig werden. Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß die öffentliche Hand auf alle Fälle nicht allein der zahlende Teil, sondern auf diesem Gebiete auch der bestimmende Teil sein muß.
    Man kann auch sonst die Rentabilität eines Atomkraftwerks nicht allein mit den Gesichtspunkten des RWE messen. Denn schließlich wird der volkswirtschaftliche Wirkungsgrad der Atomenergie nicht nur von dem Preis der Kilowattstunde bestimmt. Die Atomenergie wird vielmehr genau wie jeder andere technische Zweig so weite Auswirkungen im Bereich unseres wirtschaftlichen Lebens haben, daß wir sicher sein dürfen, daß sie ein erfolgversprechender Zweig der Technik sein wird. Die Anlagen zur Erzeugung und Nutzung der Kernenergie dürfen deshalb nicht in private Hand gelangen, weil die damit verbundenen Gefahren ein freies Spiel der Kräfte nicht erlauben. Auf diesem wie auf vielen anderen Sektoren läßt das freie Spiel der Kräfte die Gesundheit und das Wohl und Wehe des Volkes zu kurz kommen. Die private Industrie hat das da und dort deutlich zum Ausdruck gebracht. Denken wir an die Frage der Haftpflicht. Wie hat man sich da immer bemüht und bemüht sich auch heute noch, die Lasten auf die Öffentlichkeit, d. h. auf den Steuerzahler, abzuwälzen. Wenn man schon die privatwirtschaftliche These vertritt, dann muß man auch der Privatwirtschaft die notwendigen Risiken, auch in bezug auf die Haftpflicht und die Investitionen, zumuten. Wir können in der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Atomtechnik überhaupt nur vorankommen, wenn die Errichtung und der Betrieb der Anlagen durch Investitionen der öffentlichen Hand erfolgen. Es ist doch interessant, daß selbst in Amerika dieser Tage wieder



    Dr. Ratzel
    die heute stärkste Partei im amerikanischen Parlament durch ihren Vertreter Mr. Anderson hat erklären lassen — ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten —:
    Ich glaube, daß dieser Vorfall
    — nämlich daß Private auf den Bau eines Kraftwerks verzichtet haben —
    die Irrigkeit der Vorstellung demonstriert, die private Industrie könne die technische Leitung und Finanzierung des Baus fortschrittlicher Reaktoren übernehmen. Ich hoffe, daß die Atomenergiekommission und gewisse Kreise der Industrie ihre Einstellung angesichts dieser Erfahrung revidieren.
    Sehen wir uns in Europa um! In England, in Frankreich, in Holland sind alle Elektrizitätsunternehmen, auch die auf Atombasis, in öffentlicher Hand. Auch wir in der Bundesrepublik werden, wenn wir auf diesem Gebiet vorankommen wollen, keinen anderen Weg einschlagen können.
    Außerdem werden sich die Tendenzen zur Machtkonzentration in der Energiewirtschaft nur weiter verstärken, wenn der Bau und der Betrieb von Atomreaktoren in private Hand gelegt werden. In der Bundesrepublik gibt es auf dem Energiesektor bereits genügend private Monopole, mehr als der deutschen Wirtschaft und dem deutschen Volk zuträglich ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Diese Entwicklung würde durch Privatbetriebe mit Atomreaktoren nur noch begünstigt werden, die ja erst Bedeutung gewinnen, wenn sie 200 bis 300 Millionen DM kosten.
    Wir meinen, daß sehr rasch gehandelt werden muß. Die private Industrie handelt nicht. Der Herr Minister hat das des öfteren zum Ausdruck gebracht. Er hat es auch heute wieder anklingen lassen. Aber wir können nicht mehr allzu lange warten; denn wir haben doch auch in Genf im September vergangenen Jahres den Eindruck gehabt: es dauert nur noch kurze Zeit, dann müssen wir mit unseren Atomanlagen auf dem Weltmarkt antreten können, oder aber wir haben hier eine Chance für unabsehbare Zeit verspielt.
    Auch deshalb meinen wir, daß die Atomwirtschaft, soweit es die Errichtung und den Betrieb von Kraftwerken angeht, der öffentlichen Hand vorbehalten bleiben muß.
    Es besteht auch noch die Gefahr, daß die Bundesrepublik sich bei einer mangelnden eigenen Aktivität innerhalb des Gebietes von Euratom langsam zu einem atomar unterentwickelten Sektor entwickelt. Diese Gefahr wird von vielen deutschen Forschern und Wissenschaftlern gesehen. Man kann den Euratom-Behörden noch nicht einmal einen Vorwurf machen, wenn sie den größten Teil des Geldes nach Frankreich oder sonstwohin geben, weil man das Geld in Deutschland wegen des Fehlens von Instituten und Personal nicht verwenden kann.
    Es würde mich sehr interessieren, von dem Herrn Minister zu hören, ob nun wenigstens der Materialprüfreaktor im Zusammenhang mit der gemeinsamen Kernforschungsstelle nach Karlsruhe kommt oder ob auch hier die Franzosen und die Holländer wieder eine Schlacht im Rahmen von Euratom gewonnen haben.
    Vielleicht ist es auch gut, wenn wir in die entsprechenden Behörden von Euratom Personen schicken, die etwas stärker sind, die eher in der Lage sind, sich durchzusetzen. Sie können notfalls in diesen Euratombehörden auch einmal deutsch reden; Deutsch ist ja eine zugelassene Verhandlungssprache in der europäischen Gemeinschaft. Ich glaube, das wird dringend notwendig sein.
    Nun noch einige Bemerkungen zu Einzelheiten des Gesetzentwurfs. Ich darf vielleicht den Entwurf der FDP vorwegnehmen, weil ich mich da sehr kurz fassen kann. Was die wirtschaftliche Grundeinstellung betrifft, so entspricht der FDP-Entwurf im wesentlichen dem Entwurf der Bundesregierung. Er zeigt eine noch etwas stärkere privatwirtschaftliche Einstellung. Das erwartet man ja wohl auch von den Herren der FDP. Sie müssen sich da etwas von der CDU abheben.
    Aber ich meine, der Entwurf der FDP enthält einen ganz gefährlichen Punkt, und zwar bei der Zusammensetzung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt. Ich glaube, das ist eine sehr, sehr gefährliche Sache.

    (Zuruf des Abg. Dr. Rutschke.)

    — Warten Sie ab, Herr Rutschke! — Von den 21 Mitgliedern sollen vier dem Bundestag angehören, sofern wir weiterhin vier Fraktionen haben. Ich weiß nicht, ob es gerade das Richtige ist, daß die DP mit ihren 15 oder 16 Abgeordneten hier im Hause ebenso einen Vertreter im Verwaltungsrat hat wie die Fraktion der CDU/CSU, die mehr als zehnmal so stark ist, oder wie wir. Ich glaube, das entspricht in keiner Weise dem politischen Kräfteverhältnis. Wir gönnen der DP natürlich alles. Aber wir meinen, hier ist des Guten zuviel getan. Und was die neun Vertreter aus der Gesamtwirtschaft angeht, — Herr Rutschke, meinen Sie nicht, daß die Arbeitnehmer, für die nur zwei Vertreter vorgesehen sind, im Rahmen der Gesamtwirtschaft etwas zu sehr unterbewertet werden?
    Auf der anderen Seite: welche Machtfülle soll dieser Verwaltungsrat haben! Auch hier scheint uns angesichts der Tatsache, daß der Verwaltungsrat keine politische Verantwortung hat, des Guten etwas zuviel getan zu sein. Da Sie vielleicht meinen Argumenten nicht so ganz glauben, Herr Kollege Rutschke, möchte ich ein Zitat aus einer Zeitung bringen, die Ihnen bestimmt nähersteht als uns und Ihnen sehr viel Wohlwollen entgegenbringt. Die „Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung" in Stuttgart schreibt z. B. am 15. September zu Ihrem Entwurf folgendes:
    Eine Mehrheit von Interessenvertretern und Professoren soll ebenso über die Verwendung der Mittel für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben wie über die Ernennung des Direktoriums und über die Höhe der privatwirtschaftlich nachzuweisenden Haftpflichtversicherung



    Dr. Ratzel
    entscheiden. Hierbei werden nicht ,allein, wenn man der FDP folgte, die Grenzen zwischen Exekutive und Legislative verwischt und der Staat als Hoheitsträger in einem bedenklichen Maße mit der Wirtschaft verflochten; dieser Weg — konsequent beschritten — dürfte auch dazu führen, den Staat den organisierten Interessenten, in Wirklichkeit also den Funktionären, zu überantworten
    — es sind in diesem Fall kein Gewerkschaftsfunktionäre, sondern nach Ihrem Entwurf andere Funktionäre —
    und das Parlament mehr und mehr zu einem lästigen Debattierklub herabzuwürdigen.
    Ich meine, Herr Kollege Rutschke, dieses Urteil der Deutschen Zeitung trifft diesmal den Nagel ziemlich genau auf den Kopf.
    Die Verantwortung für die deutsche friedliche Atompolitik soll nach unserer Meinung Sache der Regierung und des Parlaments sein. Sie sollen die Verantwortung tragen und nicht ein nach etwas eigentümlichen Gesichtspunkten zusammengewürfeltes Gremium.
    Nun zu dem Entwurf der Bundesregierung. Was die Überwachungsvorschriften betrifft, sind wir auch weiterhin der Meinung, daß das Konzessionsverfahren in dem Sinne, daß die Atomenergie unter Staatsvorbehalt steht, besser ist als das gewerberechtliche Genehmigungsverfahren, das die Bundesregierung vorschlägt. Auch die Lektüre der Debatte im Bundesrat hat mich von dieser Auffassung nicht abbringen können. Wir glauben, daß die Gefährlichkeit der Materie, um die es hier geht, ein solches Konzessionsverfahren erfordert, da es unserer Pflicht, der Bevölkerung Sicherheit und Gesundheit in größtmöglichem Maße zu gewährleisten, besser genügt.
    Herr Minister, in der Begründung zum Gesetzentwurf wird gesagt, der Bürger solle sein Recht auf ein eigenes Atomkraftwerk einklagen können. Diejenigen, die dafür in Frage kommen, sind, so glaube ich, weder zu arm an Geld, um einen Ermessensmißbrauch der Behörden nachweisen zu können, noch zu arm an Geist. Wenn sie zu arm an Geist sein sollten, können sie sich die entsprechenden Juristen besorgen. Sie können also einen Ermessensmißbrauch der Behörden schon nachweisen. Deswegen kann das nicht die Begründung sein.
    Die Einfuhr, Ausfuhr und Beförderung atomarer Stoffe soll nach den vorgeschlagenen Bestimmungen dem Spiel der freien privatwirtschaftlichen Kräfte überlassen werden. Um welche Mengen an radioaktiven Substanzen oder an Kernbrennstoffen werden sich denn diese privaten Beförderer in den nächsten fünf bis zehn Jahren reißen müssen, besonders wenn es bei uns in dem bisherigen Tempo weitergeht? Nach meiner Meinung wäre es für die Sicherheit besser und auch wirtschaftlicher, wenn der Staat diese Dinge eindeutig übernähme. Hier liegt doch wirklich kein großer Spielraum für eine private Betätigung.
    Ein Kernstück des Gesetzentwurfes scheinen mir die Art. 11 und 12 des Regierungsentwurfs zu sein.
    Wir sind mit der Regierung der Meinung, daß hier nur Rahmenvorschriften für spätere Rechtsverordnungen gegeben werden können. Die Verzögerung solcher Strahlenschutzverordnungen hat sich schon in der Vergangenheit ungünstig ausgewirkt.
    Euratom hat es fertiggebracht, in wenigen Monaten Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu erstellen. Diese Grundnormen hätten jetzt bereits in der Bundesrepublik in Kraft gesetzt werden können, aber das entsprechende Atomgesetz fehlt noch.
    Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung macht nach unserer Meinung eine weitere internationale Zusammenarbeit notwendig. Diese internationale Zusammenarbeit ist bei Euratom bereits im Gange, bahnt sich bei OEEC an, und wir hoffen, daß sie auch bei der Weltatombehörde in Wien Erfolg haben wird.
    Aber wenn wir hier auch alles an vorbeugenden Maßnahmen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung tun können, so dürfen wir nicht übersehen, daß es einen Bereich gibt, in dem nichts getan wird: den militärischen Bereich. Euratom trifft alle möglichen Vorkehrungen. Gefährliche Versuche, die in irgendeinem Mitgliedsstaat angestellt werden, müssen gemeldet werden. Besondere Schutzvorkehrungen müssen getroffen werden, sofern Auswirkungen auf andere Mitgliedstaaten und Länder zu erwarten sind.
    Im militärischen Bereich gibt es keine Kontrolle, gefährliche Versuche werden nicht angemeldet, und es wird von dieser Seite aus auch nichts zum Schutz der Bevölkerung getan. Ich meine nicht nur die Auswirkungen von Waffenversuchen, ich meine auch die Lagerung und den Umgang mit Gerät, soweit es atomare Waffen angeht. Auch hier gibt es, soweit ich unterrichtet bin, zum Beispiel im Vertrag der WEU, der ja auch von Ihnen, Herr Minister, angesprochen wurde, keinerlei Kontrollvorkehrungen. Es gibt nur eine Kontrolle, nämlich die, festzustellen, wie viele Waffen in einem bestimmten Gebiet gelagert sind.
    Es wird unser aller Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß wir nicht Ideen und Geld aufwenden und wirtschaftliche Anstrengungen für den Schutz der Zivilbevölkerung bei der friedlichen Anwendung der Atomenergie machen, während ein weiter Bereich völlig ohne diese Schutzvorkehrungen existiert.

    (Beifall bei der SPD.)

    Einige wenige Worte zu den Haftpflichtbestimmungen. Nach unserer Meinung wäre es besser, in den Haftpflichtbestimmungen würde eine Mindestsumme genannt. Dann kämen die wahren wirtschaftlichen Gesichtspunkte etwas besser zum Vorschein. Wenn man wie in Amerika 50 Millionen Dollar oder wie in der Schweiz 30 Millionen Franken für die Haftpflichtversicherung vorschriebe und wenn man dann bei den Prämien den Gefährlichkeitsgrad der Anlage und andere Umstände berücksichtigte, würden wir einen echteren Beitrag dei Wirtschaft für dieses Risiko bekommen. Dann würden sich nämlich zwei Interssenten, nämlich der-



    Dr. Ratzel
    jenige, der das Kraftwerk baut, und derjenige, der ihn versichern soll, darum streiten. Wir sollten uns darüber im Ausschuß noch unterhalten.
    In dem schweizerischen Gesetzentwurf kann man lesen, daß die Schweizer Versicherungswirtschaft in der Lage ist, für einzelne Anlagen Versicherungen bis zu 30 Millionen Schweizer Franken zu gewähren. Angesichts dieser Tatsache ist es etwas eigentümlich, daß die deutsche Versicherungswirtschaft vor zwei Jahren noch keine 3 und 5 Millionen übernehmen wollte und daß man sich schließlich mit Ach und Krach zu 15 Millionen entschließen konnte.
    Zu den Fragen der Verwaltung brauche ich nichts zu sagen. Auch wir halten aus vielerlei Gründen eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern für richtig, und der Entwurf der Regierung basiert ja auf unserem Gesetzesantrag zur Ergänzung des Grundgesetzes.
    Abschließend möchte ich sagen: Es ist allerhöchste Zeit, daß die Bundesrepublik Entscheidendes tut, was dazu führt, daß beim Eintritt in das Atomzeitalter das deutsche Volk nicht zu einem atomar unterentwickelten Volk wird. Es ist an der Zeit, daß wir nicht nur auf dem Gebiet der friedlichen Verwendung der Atomenergie gewaltige Leistungen in ganz anderen Größenordnungen vollbringen, als das bisher geschehen ist, sondern die Anstrengungen auf diesem speziellen technischen Gebiet müssen sich auch einfügen in ein Gesamtprogramm auf dem gesamten Gebiet der wissenschaftlichen und kulturellen Bildung. Es ist wirklich allerhöchste Zeit, die Bundesrepublik wissenschaftlich, technisch und kulturell aufzurüsten, und wir Sozialdemokraten werden bereit sein, dabei jederzeit positiv und konstruktiv mitzuarbeiten.

    (Beifall bei der SPD.)