Rede:
ID0305007300

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 3050

  • date_rangeDatum: 26. November 1958

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 15:01 Uhr

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  • short_textOriginal String: Vizepräsident Dr. Becker: info_outline

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    Vokabeln: 0
    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag 50. Sitzung Bonn, den 26. November 1958 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Friedensburg, Kinat und Gibbert . . 2765 A Begrüßung von Abgeordneten des englischen Unterhauses . . . . . . . . 2774 D Überweisung der Zusammenstellung über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im 1. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1958 — Drucksache 639 — an den Haushaltsausschuß . . . 2765 B a) Entwurf eines Ersten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1958 (1. Rentenanpassungsgesetz — 1. RAG) (Drucksache 665) — Erste Beratung b) Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der Rentenversicherungen (Sozialbericht 1958) (Drucksachen 568, zu 568) — Beratung — c) Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung zur Abgeltung der Rentenanpassung für das Jahr 1958 (SPD) (Drucksache 619) —Erste Beratung —Entwurf eines Gesetzes über die gegenseitige Auswirkung des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung und der Krankenversicherung der Rentner im Saarland und im übrigen Bundesgebiet einschließlich des Landes Berlin (Auswirkungsgesetz) (Drucksache 607) — Erste Beratung — 2765 D Blank, Bundesminister . . . 2766 B, 2785 C Meyer (Wanne-Eickel) (SPD) . . 2770 B Horn (CDU/CSU) 2775 A Dr. Schellenberg (SPD) . . 2778 C, 2805 A Frau Friese-Korn (FDP) . . . . . 2786 B Frau Kalinke (DP) . . . . 2790 A, 2804 B Walpert (SPD) . . . . . . . . . 2798 A Dr. Atzenroth (FDP) . . . . . . . 2801 A Stingl (CDU/CSU) . . . . . . . 2802 C Schüttler (CDU/CSU) . . . . . . 2803 C Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Kindergeldgesetze (Drucksache 666) — Erste Beratung — . . . . . . . . . . . 2805 C Blank, Bundesminister 2805 D Frau Döhring (Stuttgart) (SPD) . . 2808 A Dr. Wuermeling, Bundesminister . 2811 C Spitzmüller (FDP) . . . . . . . 2811 D Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . . 2814 B Regling (SPD) . . . . . . . . . 2815 C Dr. Schild (DP) 2817 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2819 C Anlage 2821 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1958 2765 50. Sitzung Bonn, den 26. November 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 15.01 Uhr
    2. folderAnlagen
      Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 11. Dr. Bergmeyer 27. 11. Frau Dr. Bleyler 30. 11. Engelbrecht-Greve 28. 11. Gibbert 26. 11. Jahn (Frankfurt) 31. 12. Frau Keilhack 26. 11. Keuning 26. 11. Kiesinger 26. 11. Knobloch 26. 11. Dr. Königswarter 26. 11. Kühn (Bonn) 26. 11. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 11. Dr. Martin 27. 11. Mattick 28. 11. Mauk 29. 11. Mengelkamp 15. 12. Neubauer 28. 11. Neumann 28. 11. Dr. Oesterle 28. 11. Paul 28. 11. Dr. Preusker 28. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Rademacher 28. 11. Frau Dr. Rehling 5. 12. Reitzner 31. 12. Scheel 26. 11. Schneider (Bremerhaven) 28. 11. Dr. Schneider (Lollar) 28. 11. Dr. Schneider (Saarbrücken) 31. 12. Schütz (Berlin) 28. 11. Schütz (München) 28. 11. Frau Wolff (Berlin) 28. 11. b) Urlaubsanträge Dr. Brecht 6. 12. Dr. Dittrich 31. 12. Frau Eilers (Bielefeld) 31. 12. Gedat 6. 12. Kramel 31. 12. Müller-Hermann 15. 12. Neuburger 6. 12. Dr. Preiß 31. 12. Pütz 6. 12. Scharnberg 6. 12. Schlee 6. 12. Dr.-Ing. Seebohm 10. 12. Seuffert 6. 12. Dr. Seume 6. 12. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 16. 12.
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Karl Regling


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

      Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist für Sie und auch für mich bestimmt nicht angenehm, daß ich noch zu so später Stunde das Wort nehmen muß; aber ich bin der Meinung, es würde nicht verstanden werden, wenn das Kindergeldgesetz, eines der Gesetze, die draußen am meisten umstritten sind, hier so schnell über die Bühne ginge. Ich muß mich also trotz alledem noch ein wenig mit der Materie beschäftigen, und zwar mit der Schattenseite des Gesetzes, mit der Aufbringung der Mittel.
      Das, was soeben mein Vorredner Herr Kollege Ruf sagte, haben wir nun vor drei Jahren alle miteinander schon gewußt. Wir haben, nachdem das Kindergeldgesetz ein Jahr lang in der Praxis angewandt worden war, von allen Seiten Proteste bekommen. Ich zweifle nicht daran, daß alle Mitglieder dieses Hauses Proteste über Proteste bekommen haben und über diese Berge vielleicht nicht mehr hinwegsehen können.
      Es genügt deshalb doch nicht, immer wieder das gleiche zu sagen wie schon 1955 bei dem ersten Ergänzungsgesetz. Damals sagte ein Kollege — er ist heute abend nicht hier, es ist ein führender Kollege der CDU-Fraktion, ich kann auch den Namen nennen: Rasner, und er hat das damals sehr nett und ordentlich gesagt, und ich nehme ihm das gar nicht übel — nach einer Debatte etwa folgendes: Wir wissen, daß das Gesetz nicht so funktioniert, wie man uns versichert hat! — Im Dezember 1955 sagte er das, und er fuhr fort: Aber das, was wir, also die CDU/CSU, falsch gemacht haben, wollen wir auch selber wieder in Ordnung bringen!
      Gegen diese Formulierung kann man nichts sagen; das ist in Ordnung, das ist gut. Ich habe daraufhin gefragt: Bis wann wollen Sie das wieder in Ordnung bringen? Er hat prompt geantwortet: Spätestens nach einem halben Jahr!



      Regling
      Ich sagte bereits, das war im Dezember 1955. Wir haben jetzt November 1958, es sind jetzt drei Jahre vergangen. Wir haben hier bereits die fünfte Vorlage. Sie bringt eine weitere Verbesserung der Ausgabeseite, gegen die wir, das will ich ausdrücklich betonen, alle miteinander nichts haben. Aber die alte Ungerechtigkeit bleibt beistehen, und von Mal zu Mal werden wir weiter vertröstet, daß diese Ungerechtigkeiten demnächst herausgebracht werden sollen. Verschiedene Ergänzungsgesetze und Anpassungsgesetze haben auf der Ausgabenseite verschiedene Unklarheiten ausgeräumt. Es war sehr viel zu bereinigen. Ich denke an die doppelte Beitragserhebung, an die unterschiedlichen Beitragshöhen und -erhebungen usw.
      Aber alles das ist nicht so entscheidend. Es geht uns einfach darum, daß auch die Seite, die die Lasten aufzubringen hat, zufrieden ist. Aber jeder, der sich wegen der Proteste, die er bekommen hat, mit den Beitragspflichtigen oder mit deren Organisations-Vertretern einmal unterhalten hat, dürfte die Kenntnis gewonnen haben, daß es nicht nur Klagen sind, wie sie bei jedem Gesetz entstehen, nach dem jemand Zahlungen leisten muß, sondern daß die Klagen berechtigt sind, daß man ihnen nachgehen und etwas tun muß.
      Wir erheben hier deshalb nach wie vor ganz eindeutig wiederum die Forderung auf staatliche Regelung. Auch der Bundesrat greift dieses Thema erneut auf — es ist heute schon angesprochen worden, ich will das nicht im einzelnen wiederholen —, und dazu stellt die Bundesregierung zwar fest, daß die Notlage besonders in den Mittelbetrieben vorliegt, aber im übrigen soll alles so bleiben, wie es war. Wir sind der Meinung, daß der Bundesregierung in diesen letzten drei Jahren wirklich etwas anderes hätte einfallen sollen; denn es ist ja laut genug gesagt worden, was da nicht in Ordnung ist.

      (die ja nicht einmal freiwillig — wie es eigentlich sein müßte — zu dieser Aufgabe gekommen sind, sondern die einfach zu ihren sonstigen Obliegenheiten, die mit den Berufsunfällen zusammenhängen, zusätzlich die Aufgaben dieser Familienausgleichskassen durchzuführen haben, sitzen nun plötzlich davor, gucken sich das Gesetz an — und was bleibt ihnen an freiwilliger Selbstentscheidung? Doch so gut wie gar nichts. Überall müssen sie dieses, sie müssen jenes. Sie müssen das Beitragssoll so festsetzen, die man ja doch — als Gegensatz zur staatlichen Regelung — besonders glaubte herausstellen zu müssen. Ich habe damals schon, vor etwa ,drei Jahren, dazu gesagt: Im ,allgemeinen dürfte es so sein, daß der Betroffene, also der, der zahlen soll — hier die Unternehmer und die Selbständigen — sowieso kaum noch einen Unterschied zwischen Finanzamt und Berufsgenossenschaft und jetzt auch Familienausgleichskassen kennt. Damals kamen einige Zwischenrufe, in denen die Ansicht zum Ausdruck kam, daß das gar nicht möglich sei. Ich habe aber im Verlauf dieser drei Jahre feststellen können, daß eis tatsächlich doch so ist und daß der Teil der Betroffenen, der diesen Unterschied ,gar nicht kennt, sehr viel größer ist. Denn die Kassen bedienen sich in der Regel des gleichen Tons wie die Finanzämter, wenn sie die Gelder anfordern, sie bedienen sich, wenn die Gelder nicht hereinkommen, auch des gleichen Gerichtsvollziehers. Der Betroffene sieht also wirklich keinen Unterschied mehr zwischen der Selbstverwaltung und den Finanzämtern. Das Argument, man wolle die Aufgaben in Selbstverwaltung lösen, wenn Sie es damals auch — und das unterstelle ich ohne weiteres — noch so ehrlich und gut gemeint haben, sticht nicht mehr. Es wurde dann weiter gesagt, man wolle eine Regelung auf berufsständicher Ebene. Man dachte dabei sicher daran, daß es zu der damaligen Zeit schon einige Familienlastenausgleichskassen gab — bei den Ärzten, bei den Anwälten, in Seefahrtskreisen usw. —, die (im kleinen Kreis auf der Basis der Freiwilligkeit geschaffen worden waren und die auch gut funktionierten. Aber dadurch, daß man den Berufsgenossenschaften und somit den neugebildeten Familienausgleichskassen die Durchführung übertragen hat, damit ist doch dieses berufsständische Moment, das Sie damals in den Vordergrund gestellt haben, völlig danebengegangen. Wir haben zwar 54 verschiedene Familienausgleichskassen; aber in jeder ist eine Vielzahl von verschiedenen Berufen zusammengefaßt. Also auch da ist eis mit dem Berufsständischen keineswegs so, wie das hier herausgestellt worden ist. Ich finde, man hat diesen Selbstverwaltungsorganen und Gremien der Berufsgenossenschaften, die eigentlich ausschließlich mit den Unfallregulierungen usw. zu tun haben, praktisch Aufgaben ein er Zuschußkasse für kinderreiche Familien übertragen, und es ist kein Wunder, wenn die Betroffenen sich jetzt die Haare raufen. Bitte, lassen Sie sich Idas von den Leuten erzählen, die dort tätig sind! Sie sind keineswegs glücklich über diese zusätzliche Aufgabe, und sie warnen ja auch schon teilweise vor irgendwelchen Weiterungen. Was die Art der Beitragserhebung betrifft, so berechnet die Familienausgleichskasse ihre Beiträge und Umlagen nach der Lohnsumme. Das ist nicht unbedingt nötig; denn das Kindergeldgesetz sprach zunächst nur von Beiträgen. Erst die Familienausgleichskassen als Anhängsel der Berufsunfallgenossenschaften brachten diese Umlage auf die Lohnsumme und legten dies dann in ihren Satzungen im einzelnen fest. Na ja, die Lohnsumme — vielleicht war für andere Überlegungen keine Zeit mehr — war das Gegebene; denn die Berufsunfallbeiträge Regling wurden und werden ebenfalls nach der Lohnsumme erhoben. Die Ungerechtigkeit liegt aber gerade darin, daß die Beiträge und Umlagen nach der Lohnsumme erhoben werden. Auch dazu ist schon sehr viel gesagt worden; ich will es hier nur kurz andeuten. Wir müssen uns im Ausschuß über dieses Thema noch sehr eingehend unterhalten. Ich darf dem bereits Gesagten nur noch eins hinzufügen. Diese Ungerechtigkeit erscheint einem besonders kraß, wenn man sich einmal überlegt, zu welchen Anteilen in den Kleinund Mittelbetrieben Lohn anfällt. Wir müssen hier mit etwa 30 bis 50 % rechnen. In der Großindustrie dagegen — ich nenne einen extremen Fall, die chemische Industrie — beträgt der Lohnanteil nur 2,5 % vom Umsatz. Wenn wir uns weiter überlegen, daß der Selbständige diese Beiträge zur Familienausgleichskasse, die nach der Lohnsumme errechnet werden, von seinem Betriebsertrag abführen muß, so erkennen wir an Hand der Statistik, daß das sehr häufig ein Wegnehmen des Allernötigsten, das er zur Existenzerhaltung braucht, bedeutet. Ich kenne sehr viele Fälle, in denen tatsächlich durch die Bezahlung dieser Beiträge zur Familienausgleichs-kasse der Betreffende unter die Freigrenze gerät, so daß er selbst keine Beiträge mehr zahlen kann. Das kann nicht Sinn und Zweck dieser Regelung sein, selbst wenn damit vielleicht auch eine gute Absicht verbunden sein sollte. Noch ein Wort zur Übernahme auf den Haushalt. Hier wird sicher eingewandt werden: Heute sind es 790 Millionen DM, und das kann der Haushalt nicht verkraften. Ich darf dabei daran erinnern, daß 1955, als wir mit einer Gesamtsumme von etwa 450 Millionen DM rechnen mußten, der damalige Finanzminister Schäffer erklärt hat, daß durch das Kindergeldgesetz bei der Einkommenund Körperschaftsteuer ein Betrag von 204 Millionen DM weniger hereinkommt. Wenn wir das einmal kurz umrechnen, ergeben sich heute Steuerausfälle im Haushalt von etwa 350 Millionen DM, so daß wir uns praktisch nur über einen Ausfall von 440 Millionen DM zu unterhalten brauchten; dann hätten wir diese leidige Frage aus der Welt. Ich glaube, meine Damen und Herren, wir sollten uns im Ausschuß über alle diese Dinge und noch einige andere, die ich zu dieser Stunde nicht mehr anführen will, eingehend unterhalten. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schild. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde im Namen meiner Fraktion in Anbetracht der vorgerückten Stunde nur eine kurze Erklärung abgeben. Wir stehen vor derselben Situation, vor der wir im Jahre 1954 gestanden haben; denn das Grundproblem, ob die Wirtschaft oder, wie ich besser sage, die Selbständigen allein mit dem Kindergeld belastet werden sollen, ist ja nicht ausgepaukt. Wir haben ein sehr schönes Protokoll, in dem klar und deutlich steht, daß unser Freund Ruf gesagt hat: „Wer haben will, muß zahlen!" Das trifft nicht nur für die Selbständigen, das trifft auch für die Unselbständigen zu. Wer haben will, muß zahlen! Sie haben das ohne Einschränkung gesagt, und deshalb ist es hier nun ein entscheidendes Politikum geworden. Wir stehen ja vor der realpolitischen Situation, daß unsere Freunde von der CDU das Gesetz in diesem Hause allein machen können, wie sie es auch im Jahre 1954 mit sieben Stimmen Mehrheit gemacht haben. Die anderen Fraktionen haben also nur die Gelegenheit, andere Vorschläge zu machen, zu kritisieren und gewissermaßen einen Spiegel vorzuhalten, in dem man die Probleme ja schließlich soziologisch, wirtschaftlich, steuertechnisch und politisch sehen muß. Selbstverständlich begrüßt die Fraktion der Deutschen Partei, daß nun vom dritten Kind an 40 DM Kindergeld gezahlt werden sollen. Wir begrüßen ebenfalls die sehr detaillierten Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers über das, was die Koalition und die Regierung in all den Jahren für die Familie überhaupt schon getan haben. Manches fehlte noch dabei, und man hätte das ruhig noch etwas erweitern können. Zum Beispiel ist die Befreiung von den Lernund Lehrmittelkosten nicht genannt worden und vieles andere mehr. Wir haben also allerhand für die Familiensituation getan. Wir begrüßen ferner die Erklärung des Herrn Bundesarbeitsministers, daß einmal in Form eines Gutachtens an die Grundsatzfrage herangegangen werden soll, wie die sozialpolitische Belastung auf lohnintensive und energieintensive Betriebe zu verteilen ist. Das soll nun langsam Gestalt gewinnen. Aber, Herr Bundesarbeitsminister, die Reform des Kindergeldgesetzes ist 1959 fällig. Ich erinnere an das Schreiben des Herrn Familienministers, das an alle Fraktionen gegangen ist. Das Saarproblem kommt auf uns zu. Man muß die Dinge einmal klar sehen. Wenn das Saarproblem auf uns zukommt, gibt es nur vier Lösungen: Entweder machen wir das über das Finanzamt, über die Steuer, oder wir machen es wie bisher über die Familienausgleichskassen, indem wir nur die Selbständigen und die Betriebe belasten. Wir können drittens die Sache bei den Familienausgleichskassen zwischen Selbständigen und Unselbständigen halbieren, gleichgültig, was nachher dabei herauskommt, ob ab 1., 2. oder 3. Kind; das wird ja eine politische Entscheidung der CDU sein, da haben ja alle anderen kaum etwas zu sagen. Das muß einmal ganz deutlich gesagt werden. Der vierte Weg schließlich ist, weder über die Familienausgleichskassen noch aus dem Steuertopf zu zahlen, sondern irgendeine andere Lösung zu finden. Ich will nur einmal ins Unreine sprechen. Man könnte sich eine Energiebesteuerung als Quelle denken, eine Art Gesamtverbrauchsbesteuerung der Energie, die natürlich die gewerbliche Energie wesentlich mehr treffen würde als die Haushaltsenergie der Familien. Das würde Ihnen, Herr FamiDr. Schild lienminister, gar nicht weh tun. Diese vier Möglichkeiten gibt es doch nur im Rahmen unseres Haushaltsund unseres Steuersystems. Die französische Möglichkeit, Herr Familienminister, gibt es bei uns eben nicht, weil sie mit unseren sozialpolitischen Gesetzen und Belastungen gar nicht kombiniert werden kann. Ich möchte Ihnen in dieser späten Stunde noch einmal sagen: Operieren Sie nicht immer mit der französischen Kindergeldregelung! (Bundesminister Dr. Wuermeling: Das habe ich nie getan! Ich habe sie immer abgelehnt!)





      (Beifall bei der SPD.)

    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Dr. Heinrich Schild


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


      (Beifall in der Mitte.)




      — Sie operieren mit der französischen Kindergeldregelung in dem Sinne, daß Sie sagen: Wenn in Frankreich 9,5 % der Lohnsumme möglich sind, dann ist eine ähnliche Lösung auch bei uns möglich.

      (Bundesminister Dr. Wuermeling: Das habe ich auch nicht gesagt!)

      Die ähnliche Lösung ist erstens nicht möglich wegen der 27 % igen Sozialbelastung, die wir sowieso schon auf den Lohn haben,

      (Bundesminister Dr. Wuermeling: Richtig!)

      wovon 11 % die Arbeitnehmer und 16 % die Arbeitgeber oder die Selbständigen zahlen. Das heißt, die Selbständigen haben sich in dieser Massendemokratie schon von den Unselbständigen hierin restlos überrunden lassen, und sie werden weiter überrundet werden nach den Spielregeln, die wir hier anwenden. Man wird den Selbständigen immer wieder nach der sozialutopischen Linie behandeln, nämlich: „daß alles abgewälzt werden kann, alles verkalkuliert werden kann und letzten Endes der Verbraucher doch alles zahlt". Diese Utopie, die seit Jahren in diesem Hause herrscht, wird zu der Tendenz führen, jede neue derartige Belastung den Selbständigen aufzubrummen.

      (Beifall bei der DP.)

      Diese Utopie wird auch von Ihnen vertreten, Herr Familienminister. Das wird Ihnen ja auch in der Zeitschrift Ihres Kollegen Bucerius ganz eindeutig bescheinigt.

      (Bundesfamilienminister Dr. Wuermeling: Dafür kann ich nichts!)

      Es ist immerhin ein Parteifreund von Ihnen, der Ihnen einige Wahrheiten sagt, die man hier ruhig einmal erwähnen darf.
      Ich will zum Schluß kommen. Es kommt jetzt doch auf die Weichenstellung an. Es handelt sich jetzt nicht nur um die 40 Mark, sondern auch um die Glaubwürdigkeit der Politik, die Sie in der Reform des Kindergeldes betreiben. Viele Ihrer Kollegen, die die Selbständigen in diesem Hause vertreten, haben im Wahlkampf gesagt: Wir wünschen eine Reform.

      (Abg. Dr. Stammberger: Auch Herr Ruf hat es gesagt!)

      — Natürlich. Mit Recht haben sie es gesagt; denn
      sie werden von den Menschen aus der Schicht der
      Selbständigen daraufhin ja dauernd angesprochen.
      Die öffentlichen Erklärungen der Verbände der Selbständigen sind seit 1954 in dieser Frage eindeutig.
      Aber mit welcher reservatio mentalis ist diese Reform angekündigt worden! Das ist doch das Problem. Sie haben sich im Wahlkampf nicht substantiiert dazu geäußert, welche Reform sie meinen, sondern sie haben lediglich von einer Reform gesprochen, soweit ich die Herren Kollegen in den Wahlreden verfolgt und darüber meine Notizen gemacht habe.
      Aber bei diesen 40 Mark kommt es jetzt auf die Weichenstellung an. Wenn Sie diese Reform ehrlich betreiben wollen und die Halbwahrheiten, die in dieser Ideologie stecken, beseitigen wollen, nämlich 1. die Selbstverwaltung — das ist eine Halbwahrheit in dieser Sache —, 2. die berufsständische Regelung — sie ist auch eine Halbwahrheit in dieser Sache — und 3. die Subsidiarität — ebenfalls eine Halbwahrheit —, und wenn Sie nicht ewig dem deutschen Volk die ganze Wahrheit vorenthalten wollen, dann muß jetzt die Weiche für das Jahr 1959 gestellt werden. Diese Weiche heißt: Wenn Sie diese Halbwahrheiten und die darauf aufgebaute Institution der Familienausgleichskassen beseitigen und zu echten Wahrheiten in der Gestaltung einschließlich der Institution kommen wollen, müssen Sie jetzt auch die Konsequenzen ziehen. Sie brauchen keine Beitragserhöhung, Sie brauchen nicht einmal das 0,1 0/o, Herr Bundesarbeitsminister, wenn Sie ehrlich und glaubwürdig eine Reform durchführen, die diese Halbwahrheiten beseitigt.

      (Abg. Ruf: Das ist doch eine Utopie! Wir sind doch keine Zauberer!)

      Zunächst haben wir noch keinen Bericht über die Geschäftslage der Familienausgleichskassen im Jahre 1958.

      (Bundesminister Dr. Wuermeling: Also Sie wollen das Inkrafttreten verschleppen?)

      — Nein, das will ich gar nicht! - Wir haben keinen Bericht über die Finanzlage der Kassen im Jahre 1958. Ich vermute nach den Berichten von 1956 und den Vorberichten von 1957, daß in der Gesamtheit der Familienausgleichskassen eine Reserve von 50 Millionen DM gesetzlich angesammelt ist.

      (Abg. Winkelheide: Nein!)

      — Ich sage, ich vermute das, Herr Winkelheide; zumindest liegt die Summe um diesen Betrag herum, Genaues wissen wir nicht.
      Wir haben seinerzeit die ganze Sache mit einem Kassenkredit des Bundes von 70 Millionen DM anlaufen lassen. Was hindert uns - wenn wir eine glaubwürdige Politik der Beseitigung der Familienausgleichskassen mit diesen Halbwahrheiten machen wollen —, mit einem Kassenkredit, der, sagen wir, auf 12 Monate ab 1. Januar 1959 oder von einem anderen Termin an — wie Sie es machen wollen, ist gleichgültig, die Mittel sind nach der Kassensituation des Bundes vorhanden — gegeben wird und etwa 120 Millionen DM betragen müßte, diese 40 DM ohne Beitragserhöhung zu verkraften, Herr Bundesarbeitsminister, und dann in 12 Monaten die echte



      Dr. Schild
      Reform durchzuführen, die nachher das Ganz auf eigene Füße stellt,

      (Beifall bei der SPD)

      sei es über das Finanzamt, sei es über eine Institution, die wir uns noch überlegen müssen, die aber jedenfalls nicht diese Halbwahrheiten der Familienausgleichskassen enthält, die praktisch keine Selbstverwaltung haben, nicht berufsständisch sind und am wenigsten das Subsidiaritätsprinzip verkörpern?! Wir sind in der Lage, mit diesen Mitteln, wenn Sie wollen, die 40 DM ohne Beitragserhöhung zu zahlen.
      Wenn Sie aber glauben, von der Schicht der Selbständigen eine Beitragserhöhung, und mag sie auch nur 0,1 % betragen, verlangen zu müssen, und das damit verbrämen: „Es tut euch nicht weh", dann treffen Sie die Selbständigen nicht nur materiell, sondern auch in ihrem Glauben an Ihre Reformzusagen, und davor möchte ich meine Kollegen aus der Schicht der Selbständigen in Ihrer Fraktion auf das entschiedenste warnen.

      (Beifall bei der FDP.)