Rede:
ID0305004800

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 3050

  • date_rangeDatum: 26. November 1958

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 15:01 Uhr

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  • short_textOriginal String: Vizepräsident Dr. Becker: info_outline

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 50. Sitzung Bonn, den 26. November 1958 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Friedensburg, Kinat und Gibbert . . 2765 A Begrüßung von Abgeordneten des englischen Unterhauses . . . . . . . . 2774 D Überweisung der Zusammenstellung über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im 1. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1958 — Drucksache 639 — an den Haushaltsausschuß . . . 2765 B a) Entwurf eines Ersten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1958 (1. Rentenanpassungsgesetz — 1. RAG) (Drucksache 665) — Erste Beratung b) Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der Rentenversicherungen (Sozialbericht 1958) (Drucksachen 568, zu 568) — Beratung — c) Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung zur Abgeltung der Rentenanpassung für das Jahr 1958 (SPD) (Drucksache 619) —Erste Beratung —Entwurf eines Gesetzes über die gegenseitige Auswirkung des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung und der Krankenversicherung der Rentner im Saarland und im übrigen Bundesgebiet einschließlich des Landes Berlin (Auswirkungsgesetz) (Drucksache 607) — Erste Beratung — 2765 D Blank, Bundesminister . . . 2766 B, 2785 C Meyer (Wanne-Eickel) (SPD) . . 2770 B Horn (CDU/CSU) 2775 A Dr. Schellenberg (SPD) . . 2778 C, 2805 A Frau Friese-Korn (FDP) . . . . . 2786 B Frau Kalinke (DP) . . . . 2790 A, 2804 B Walpert (SPD) . . . . . . . . . 2798 A Dr. Atzenroth (FDP) . . . . . . . 2801 A Stingl (CDU/CSU) . . . . . . . 2802 C Schüttler (CDU/CSU) . . . . . . 2803 C Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Kindergeldgesetze (Drucksache 666) — Erste Beratung — . . . . . . . . . . . 2805 C Blank, Bundesminister 2805 D Frau Döhring (Stuttgart) (SPD) . . 2808 A Dr. Wuermeling, Bundesminister . 2811 C Spitzmüller (FDP) . . . . . . . 2811 D Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . . 2814 B Regling (SPD) . . . . . . . . . 2815 C Dr. Schild (DP) 2817 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2819 C Anlage 2821 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1958 2765 50. Sitzung Bonn, den 26. November 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 15.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 11. Dr. Bergmeyer 27. 11. Frau Dr. Bleyler 30. 11. Engelbrecht-Greve 28. 11. Gibbert 26. 11. Jahn (Frankfurt) 31. 12. Frau Keilhack 26. 11. Keuning 26. 11. Kiesinger 26. 11. Knobloch 26. 11. Dr. Königswarter 26. 11. Kühn (Bonn) 26. 11. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 11. Dr. Martin 27. 11. Mattick 28. 11. Mauk 29. 11. Mengelkamp 15. 12. Neubauer 28. 11. Neumann 28. 11. Dr. Oesterle 28. 11. Paul 28. 11. Dr. Preusker 28. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Rademacher 28. 11. Frau Dr. Rehling 5. 12. Reitzner 31. 12. Scheel 26. 11. Schneider (Bremerhaven) 28. 11. Dr. Schneider (Lollar) 28. 11. Dr. Schneider (Saarbrücken) 31. 12. Schütz (Berlin) 28. 11. Schütz (München) 28. 11. Frau Wolff (Berlin) 28. 11. b) Urlaubsanträge Dr. Brecht 6. 12. Dr. Dittrich 31. 12. Frau Eilers (Bielefeld) 31. 12. Gedat 6. 12. Kramel 31. 12. Müller-Hermann 15. 12. Neuburger 6. 12. Dr. Preiß 31. 12. Pütz 6. 12. Scharnberg 6. 12. Schlee 6. 12. Dr.-Ing. Seebohm 10. 12. Seuffert 6. 12. Dr. Seume 6. 12. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 16. 12.
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    Rede von Otto Walpert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man konnte anfangs bei der guten Stimmung des Hauses meinen, es würde hier friedlich zugehen. Ich möchte diese friedliche Stimmung auch nicht stören. Aber, Frau Kollegin Kalinke, ich habe trotz guten Zuhörens nicht mitbekommen können, was Sie für 1958, für 1959 und für die Zukunft wollen. Ich habe nur gehört, daß Sie keine höheren Beiträge, keine höheren Steuern, keine höheren Bundeszuschüsse wollen. Dann muß ich also schlußfolgern, daß die Leistungen der Rentenversicherung auf einen Stand abfallen müssen, wie er vor den Rentenneuregelungsgesetzen war.

    (Abg. Frau Kalinke: Dann haben Sie sehr schlecht zugehört!)

    — Ich habe nur gesagt, ich habe es auch beim besten Zuhören nicht anders mitbekommen können.
    Da lobe ich mir schon den Kollegen Horn von der CDU, der kurz und eindeutig sagte, seine Fraktion und er seien für die Anhebung der Renten ab Januar 1959. Wenn er dabei an die Mehrheit des Hauses gedacht hat, könnte das bedeuten, mein Kollege Schellenberg und ich brauchten überhaupt nicht mehr zu sprechen. Aber ich hoffe, daß das nicht so gemeint war.
    Gestatten auch Sie mir noch ein Wort, Frau Kollegin Friese-Kor n. Es gibt moderne Wagen, bei denen man für einen Aufpreis von 300 DM eine automatische Kupplung bekommen kann, so daß man die Schwierigkeiten am Berg nicht mehr hat. Vielleicht sind wir Sozialdemokraten so fortschrittlich, daß wir automatisch kuppeln und schalten und dann den Berg gut heraufkommen!

    (Abg. Frau Friese-Korn: Es kommt auf die Belastung der Wagen an!)

    - Nein, es kommt auf die Kupplung, die Schaltung und die Automatik an, dann kommt man auf den Berg!
    Ich möchte dem Herrn Bundesarbeitsminister sagen; man kann doch nicht immer nur den Rentner darunter leiden lassen, und man kann nicht solche Schlußfolgerungen ziehen, wenn die Ersparnisse so hoch waren. Selbstverständlich haben auch Rentner gespart, wenn sie Spitzenrenten erhielten. Ich möchte allerdings fragen: glauben Sie im Ernst, daß ein Rentner mit 200 oder meinetwegen 250 DM Rente, von der er mit seiner Frau leben muß, noch Ersparnisse machen kann? Trotz allem ist doch festzuhalten, daß ein großer Teil der Rentner auch heute noch bescheidene Renten bezieht. Ich weiß, das liegt an den Mindestrenten, es liegt am Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz. Aber man sollte doch jetzt nicht das, was einmal die Mehrheit wollte, so abwerten, wie es einige Redner tun. Schließlich haben doch die Landesfürsorgeverbände und hat doch, ich will es einmal kurz sagen, der Staat dadurch Ersparnisse gehabt, daß die Rentenversicherungsträger hier Leistungen übernommen haben.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Die Rentner haben aber gespart!)

    — Selbstverständlich haben die Rentner gespart; aber wir müssen doch mit der Mär aufräumen, daß es den Rentnern so gut gehe. Das nehme ich Ihnen nicht ab.
    Frau Kalinke sagt, sie hoffe, es werde geklärt, wie der Ausgleich zwischen der Arbeiterrentenversicherung und der Angestelltenversicherung wegen der Wanderversicherten erfolgen könne. Auch ich habe diese Hoffnung. Es sind 480 Millionen DM für das Jahr vorgesehen, und die Rentenversicherung soll zahlen. Allardings fordert die Angestelltenversicherung ohne Nachweise 'fast eine Milliarde Mark. Ich finde, daß kein Organmitglied über diese Summe entscheidein kann, wenn nicht hieb- und stichfestes Material vorliegt.
    Ich kann nicht ganz folgen, wenn Frau Kollegin Kalinke sagt, die Indexrente sei gefährlich. Dann wäre sie auch bei anderen gefährlich, die sie schon haben.
    Ich lese aus dein Neuregelungsgesetzen, insbesondere aus dem § 1272 RVO etwas anderes herarus, als viele Diskussionsredner hier herauslesen. Ich gestatte mir deshalb, auszugsweise diese Vorschrift in die Erinnerung zurückzurufen. Es heißt dort:

    (1) Bei Veränderungen der allgemeinen Bemessungsgrundlage werden die Renten durch Gesetz angepaßt.


    (2) Die Anpassung hat der Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie den Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen Rechnung zu tragen.

    Ich finde, das ist klar, und wir haben jetzt erstmalig danach zu handeln. Damit wurde die Verpflichtung ausgesprochen, die Renten durch Gesetz anzupassen. Mit den Neuregelungsgesetzen sollte die Kluft zwischen der unterschiedlichen Entwicklung der Einkommen derjenigen, .die in Arbeit stehen, und solcher, die aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, geschlossen werden. Die Bundesregierung be-



    Walpert
    stätigte, daß dies das Ziel ist, indem sie nach Verabschiedung der Rentenneuregelungsgesetze in der
    an die Rentner verschickten Rentenfibel ausführte:
    Durch die ständige Anpassung der laufenden Renten ist sichergestellt, daß Produktivitätssteigerungen nicht nur den Arbeitenden, sondern auch den Rentnern zugute kommen. Wenn der Lebensstandard des Arbeitenden steigt, wird auch der Lebensstandard des Rentners steigen. Der lin der Vergangenheit beobachtete Vorgang, daß der Lebensistandard des Rentners immer weiter hinter d em Lebensstandard des Arbeiters zurückbleibt, wird sich nicht wiederholen.
    Damit wurde ein klares und unmißverständliches Versprechen gegeben. Auch ,die Bestandsrenten sollten sich in ,der gleichen Weise und in demselben Umfang entwickeln wie die Löhne und Gehälter.
    Nach Auffassung des Kollegen Stingl, der für die CDU-Fraktion sprach, gilt für den Deutschen Bundestag nach § 1272 RVO der Befehl, tätig zu werden. Es wurden zwei wichtige Grundsätze aufgestellt. Erstens: die Renten sollen der Lohn- und Gehaltsentwicklung folgen. Zweitens: nine unterschiedliche Entwicklung der Renten des Zuganges und des Bestandes muß verhindert werden.

    (Abg. Stingl: Von mir ist das gesagt warden?)

    — Nein, ich zitiere jetzt allgemeine Grundsätze. Ich habe gesagt, Kollege Stingl, bei Veränderungen der allgemeinen Bemessungsgrundlage werden die Renten durch Gesetz angepaßt.
    Nach meiner Meinung ist die volle Anpassung bei günstiger wirtschaftlicher Entwicklung zwingend vorgeschrieben. Sie soll wirtschaftlich vertretbar sein. Dazu sollte sich der Sozialbeirat äußern. Die uns hier vorgetragene Meinung war ja nicht einheitlich, sondern nur eine Mehrheitsauffassung. Nur dann, wenn die wirtschaftliche Entwicklung so ungünstigerscheint, daß schwere Bedenken gegen eine volle Rentenanpassung sprechen, würde ein voller oder teilweiser Verzicht darauf, das sozialpolitische Ziel zu erreichen, zulässig sein. Erstrangig bleibt das ,sozialpolitische Ziel einer paritätischen Rentenentwicklung. Die Finanzlage der Rentenversicherungsanstalten kann für die Entscheidung über eine Anpassung der laufenden Renten nicht allein bestimmend sein. Bundesregierung und Sozialbeirat haben im Zusammenhang mit der alle zwei Jahre zu erstellenden versicherungstechnischen Bilanz eine Untersuchung über die Finanzlage 'anzustellen.
    Es isst also eine klare Entscheidung des Gesetzgebers notwendig. Der Gesetzgeber hat dafür zu sorgen, daß beide Rentengruppen, Altrenten und Neurenten, gleichmäßig an der wirtschaftlichen Entwicklung teilnehmen, dais heißt auf dem Wege über die jährliche Festsetzung der allgemeinen Bernessungsgrundlage. Eine der beiden Rentnergruppen, in diesem Falle die Altrentner, unter die zusätzliche Bedingung der Entwicklung wirtschaftlicher Faktoren stellen zu wollen, bedeutet bereits in der Form eine die sozialpolitische Zielsetzung durchbrechende und rechtlich nicht zulässige Maßnahme.
    Ich möchte aber auch auf die finanzielle Lage der Rentenversicherung eingehen.
    Während die Überschüsse der Versicherungsanstalten vor Verabschiedung der Gesetze im Jahre 1957 mit 189 Millionen DM geschätzt wurden, erzielten die Arbeiterrentenversicherung und die Angestelltenversicherung einen tatsächlichen Überschuß von 1,75 Milliarden DM. So erzielte die Arbeiterrentenversicherung im Jahre 1956 einen Überschuß von 1637 Millionen DM, im Jahre 1957 von 1428,2 Millionen DM. In der Angestelltenversicherung wurden im Jahre 1956 729,5 Millionen DM, im Jahre 1957 336,8 Millionen DM Überschuß erzielt. Die Überschüsse sind überwiegend aus den Beiträgen der Versicherten aufgebracht worden. Dies wird besonders bei der Angestelltenversicherung deutlich. Hier stiegen die Beitragseinnahmen von 2,3 auf 3,2 Milliarden DM, das heißt um 39 Prozent, während die Zuschüsse des Bundes lediglich von 0,79 auf 0,84 Milliarden DM, also um 11 v. H., stiegen. Das Vermögen beider Rentenversicherungsträger erhöhte sich somit von 9,64 Milliarden DM Ende 1956 auf 11,164 Milliarden DM Ende 1957.
    Trotz der anerkannten Anhebung der Renten leben noch viele Rentner in bescheidenen Verhältnissen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Für die Angestelltenversicherung liegen seit längerem die Ergebnisse über die Schichtung der ausgezahlten Renten vor. Danach beziehen rund 50 Prozent der Männer eine Rente von über 260 DM monatlich und rund 38 Prozent eine Rente von über 300 DM monatlich. Bei den Männern gibt es ja wenig Mindestrenten, so daß diese Zahlen wohl beispielhaft sein dürften. Bei den Frauen beziehen rund 50 Prozent eine Rente von über 130 DM monatlich, indes nur 8 Prozent eine solche von über 300 DM monatlich. 37 Prozent aller Rentner der Angestelltenversicherung erhalten eine Rente von unter 200 DM monatlich.
    Mein Kollege Meyer hat bei der Begründung des Gesetzentwurfs Zahlen vorgetragen, die vom Verband deutscher Rentenversicherungsträger ermittelt worden sind. Ich kann es mir ersparen, darauf einzugehen. Ich habe aber bei einer großen ArbeiterRentenversicherungsanstalt einmal eine Untersuchung durchführen lassen. Nach einer Ermittlung erhalten bei 12 000 Renten im zweiten Halbjahr 1957 — und zwar Männerrenten — 58 Prozent unter 200 DM, 30 Prozent eine Rente von 200 bis 300 DM, und der Rest liegt über 300 DM monatlich. Bei den weiblichen Versicherten ist das Verhältnis entschieden ungünstiger. Vergleicht man die Normalrente der Arbeiter und der Angestellten mit den durchschnittlichen Beamtenpensionen, so kommt man zu einem Ergebnis, das für die Sozialrentner sehr ungünstig ist. Das gleiche ergibt sich, wenn man die Sozialrenten in ein Verhältnis bringt zu den Pensionen, die auf Grund von Art. 131 des Grundgesetzes gewährt werden.
    In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir auch noch einen Hinweis darauf, daß die Arbeiter und Angestellten jahrzehntelang auf Grund der Pflicht-



    Walpert
    versicherung Beiträge entrichtet haben, während ein Teil der anderen ja nicht nur wegen ihrer Pflichterfüllung hohe Pensionen bezieht. Dazu ist der Personenkreis in Betracht zu ziehen. Es sind rund 7,3 Millionen Renten, — nicht Rentner, sondern Renten.
    Ich möchte auch auf den Verlust der Rücklagen der Rentenversicherung im Jahre 1923 und im Jahre 1948 aufmerksam machen. Die Arbeiter und Angestellten haben dein Verlust der Rücklagen mit einer Beitragserhöhung von 5,6 auf 14 % des Lohns oder Gehalts bezahlt. d. h. sie haben sich solidarisch für die Generation, die nicht mehr in Arbeit steht, verpflichtet gefühlt. Ich weiß auch, daß der Bund einen erheblichen Zuschuß gewährt. Wenn man aber die Vermögensverluste mit berücksichtigt, die große Zahl der Renten und die große Zahl derjenigen, durch deren Einbeziehung die Gemeinde- und Fürsorgehaushalte entlastet werden, erscheint dieser Zuschuß nicht zu hoch.
    Mein Freund Schellenberg hat auch darauf hingewiesen, daß der Konsumstoß, der in diesem Hause und in der Öffentlichkeit angekündigt wurde, ausgeblieben ist. Die Entwicklung ist günstiger, als erwartet wurde. Allerdings sind auch die Lebenshaltungskosten von März 1957 bis März 1958 um 4,7 v. H. gestiegen, und darunter leiden besonders die Bezieher von kleinen Einkommen. Ich sagte schon, daß die Entwicklung günstiger ist, als angenommen wurde. Es erscheint deshalb paradox, wenn man einerseits die konjunkturstützenden Wirkungen von Rentenerhöhungen begrüßt, wie es das Wirtschaftsministerium tut, und andererseits auf eine volle Anpassung verzichtet. Es ist unverständlich, einerseits das sozialpolitische Ziel einer vollen und ständigen Beteiligung aller Rentner an der wirtschaftlichen Entwicklung zu proklamieren und andererseits bei der ersten Gelegenheit von diesem Ziel abzuweichen. Diese Widersprüche sind den Rentnern unverständlich. Sie werden auch nicht durch die wirtschaftliche Entwicklung gerechtfertigt. Es liegt beim Parlament, sie durch eine konsequente Entscheidung zu beseitigen.
    Die von meiner Fraktion geforderte Erhöhung der Renten ab 1. Januar 1958 würde die Rentenversicherung mit 655 Millionen DM nach einer Schätzung des Verbandes deutscher Rentenversicherungsträger — 710 Millionen DM sind es nach dem uns vorliegenden Bericht — belasten. Dieser Mehraufwand kann ohne Gefährdung der Deckungsrücklage getragen werden, wenn der Bund seiner Verpflichtung gegenüber den Trägern der Rentenversicherung nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes für die rückliegende Zeit nachkommt. Dafür werden 1,9 Milliarden DM als nötig genannt. Ich finde, der Bund sollte seine Schulden bezahlen. Dann brauchten wir uns in diesem Hause nicht darüber zu unterhalten, ob wir für 1958 Gerechtigkeit üben könnten.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Stingl: Merken Sie sich das für die AOK-Debatte!)

    — Ja, bitte sehr! Wir haben doch nicht die Mehrheit; hätten wir sie, würde ich mich in meiner Fraktion dafür einsetzen.
    Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die Entschließung der letzten Verbandsversammlung Deutscher Rentenversicherungen, die von den Arbeitgeber- und den Versichertenvertretern einstimmig angenommen worden ist und in der die Bundesregierung aufgefordert wird, die Schulden zu bezahlen. Dann blieben mehr als 1,2 Milliarden DM übrig, die wir der Rücklage zuführen könnten, und wir hätten nicht beini erstenmal schon das Wort gebrochen. Von 1955 bis 1957 sind die Löhne und Gehälter um 18,4 v. H., das Bruttosozialprodukt je Einwohner ist um 28,7 v. H. angestiegen. Diese drei Jahre sind ja zugrunde gelegt worden. Der Bundestag sollte also nicht ein schlechtes Beispiel geben, sollte vielmehr zu den gegebenen Versprechungen stehen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wenn wir die Renten für 1958 nicht anheben, dann sinken die durchschnittlichen Renten, nach dem Arbeitsverdienst berechnet, von 50,7% auf 48,8 % ab. Falls bis 1966 nur eine oder keine Erhöhung erfolgt, fallen diese Leistungen auf 35,7 % ab.
    Die Frühinvalidität hat sich, wie Statistiken ausweisen, auch etwas günstiger entwickelt, als angenommen wurde. Während im Jahre 1950 noch 68,3 % der Männer und 85,8 % der Frauen vor Vollendung des 65. Lebensjahres invalide wurden, wurden es im Jahre 1956 64 % der Männer und 75,7 % der Frauen. Eine ähnlich günstige Entwicklung ist auch in der Angestelltenversicherung zu verzeichnen.
    Frau Kollegin Kalinke sprach von der Überalterung des Volkes. Ich habe aus den Ärztlichen Mitteilungen Nr. 40 vom 1. November 1958 entnommen, daß die Lebenserwartung der über 55 Jahre alten Männer weiterhin geringfügig abgenommen hat. Es ist also unberechtigt, hier irgendwelche Rückschlüsse zu ziehen. Selbstverständlich ist die Alterspyramide des Volkes nicht günstig.


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