Rede:
ID0305002000

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Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. Frau: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Friese-Korn.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 50. Sitzung Bonn, den 26. November 1958 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Friedensburg, Kinat und Gibbert . . 2765 A Begrüßung von Abgeordneten des englischen Unterhauses . . . . . . . . 2774 D Überweisung der Zusammenstellung über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im 1. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1958 — Drucksache 639 — an den Haushaltsausschuß . . . 2765 B a) Entwurf eines Ersten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1958 (1. Rentenanpassungsgesetz — 1. RAG) (Drucksache 665) — Erste Beratung b) Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der Rentenversicherungen (Sozialbericht 1958) (Drucksachen 568, zu 568) — Beratung — c) Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung zur Abgeltung der Rentenanpassung für das Jahr 1958 (SPD) (Drucksache 619) —Erste Beratung —Entwurf eines Gesetzes über die gegenseitige Auswirkung des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung und der Krankenversicherung der Rentner im Saarland und im übrigen Bundesgebiet einschließlich des Landes Berlin (Auswirkungsgesetz) (Drucksache 607) — Erste Beratung — 2765 D Blank, Bundesminister . . . 2766 B, 2785 C Meyer (Wanne-Eickel) (SPD) . . 2770 B Horn (CDU/CSU) 2775 A Dr. Schellenberg (SPD) . . 2778 C, 2805 A Frau Friese-Korn (FDP) . . . . . 2786 B Frau Kalinke (DP) . . . . 2790 A, 2804 B Walpert (SPD) . . . . . . . . . 2798 A Dr. Atzenroth (FDP) . . . . . . . 2801 A Stingl (CDU/CSU) . . . . . . . 2802 C Schüttler (CDU/CSU) . . . . . . 2803 C Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Kindergeldgesetze (Drucksache 666) — Erste Beratung — . . . . . . . . . . . 2805 C Blank, Bundesminister 2805 D Frau Döhring (Stuttgart) (SPD) . . 2808 A Dr. Wuermeling, Bundesminister . 2811 C Spitzmüller (FDP) . . . . . . . 2811 D Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . . 2814 B Regling (SPD) . . . . . . . . . 2815 C Dr. Schild (DP) 2817 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2819 C Anlage 2821 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1958 2765 50. Sitzung Bonn, den 26. November 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 15.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 11. Dr. Bergmeyer 27. 11. Frau Dr. Bleyler 30. 11. Engelbrecht-Greve 28. 11. Gibbert 26. 11. Jahn (Frankfurt) 31. 12. Frau Keilhack 26. 11. Keuning 26. 11. Kiesinger 26. 11. Knobloch 26. 11. Dr. Königswarter 26. 11. Kühn (Bonn) 26. 11. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 11. Dr. Martin 27. 11. Mattick 28. 11. Mauk 29. 11. Mengelkamp 15. 12. Neubauer 28. 11. Neumann 28. 11. Dr. Oesterle 28. 11. Paul 28. 11. Dr. Preusker 28. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Rademacher 28. 11. Frau Dr. Rehling 5. 12. Reitzner 31. 12. Scheel 26. 11. Schneider (Bremerhaven) 28. 11. Dr. Schneider (Lollar) 28. 11. Dr. Schneider (Saarbrücken) 31. 12. Schütz (Berlin) 28. 11. Schütz (München) 28. 11. Frau Wolff (Berlin) 28. 11. b) Urlaubsanträge Dr. Brecht 6. 12. Dr. Dittrich 31. 12. Frau Eilers (Bielefeld) 31. 12. Gedat 6. 12. Kramel 31. 12. Müller-Hermann 15. 12. Neuburger 6. 12. Dr. Preiß 31. 12. Pütz 6. 12. Scharnberg 6. 12. Schlee 6. 12. Dr.-Ing. Seebohm 10. 12. Seuffert 6. 12. Dr. Seume 6. 12. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 16. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Theodor Blank


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein paar ganz kurze Bemerkungen! Ich bedaure sehr, daß mein Kollege Professor Erhard heute dieser Debatte nicht folgen konnte. Er würde sehr erfreut gewesen sein, erstmalig aus Ihrem Munde ein solches Lob seiner Wirtschaftspolitik zu hören.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ja, Herr Schellenberg hat ausgeführt, was die wirtschaftlichen Daten anbetreffe, was über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Produktivität, die Veränderung des Volkseinkommens usw. im Sozialbericht gesagt sei und woraus die Begründung für eine Anpassung der Renten hergeleitet werde, sei alles richtig. Ich stelle also fest, daß, was diesen Teil des Sozialberichts anbetrifft, das ansonsten so kritisierte Ministerium für Arbeit und Sozialordnung ganz offenbar auch nach Meinung meines sehr geschätzten Kollegen Schellenberg absolut richtige und zutreffende Bemerkungen gebracht hat. Ich danke Ihnen für diese Beurteilung!

    (Zurufe von der SPD.)

    Wir sind sogar völlig übereinstimmend der Meinung — im Gegensatz zu Ihrem Kollegen Meyer —, daß, wie Sie ausdrücklich anerkannt haben, an der Mehrung des Sparkapitals gerade die Rentner maßgeblich Anteil haben. Dagegen gibt es nach der Darstellung Ihres Herrn Kollegen Meyer Millionen von armen Rentnern mit unzureichenden Renten.

    (Abg. Kurlbaum: Das sind doch ganz verschiedene Rentner! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    — Es gibt ja insgesamt nur 7 Millionen Rentner!
    Was den zweiten Teil des Sozialberichts anbetrifft, so sagt Herr Schellenberg, die Zahlen, die dort genannt würden, seien im vollen Umfang unzutreffend. Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eben die Schwierigkeit, in der wir uns befinden: zur Beurteilung wirtschaftlicher Tatbestände



    Bundesarbeitsminister Blank
    können wir auf vorliegende Statistiken zurückgreifen, während wir zur Beurteilung dieser Zahlen - das wissen Sie, Herr Schellenberg so gut wie ich; Sie haben lange genug eine große Sozialeinrichtung geleitet — auf Schätzungen angewiesen sind, und die sind selbstverständlich nicht absolut eindeutig; es wird immer Differenzen darüber geben.
    Wie sehr Herr Schellenberg das auch anerkennt, geht am besten aus folgendem hervor. Er sagte, man werde sich auch seitens der sozialdemokratischen Fraktion — wofür ich ihr sehr dankbar bin — die Zeit nehmen, alle möglichen Sachverständigen zu hören, und man werde sehr viel Zeit brauchen, um diese Dinge im Sozialpolitischen Ausschuß ganz genau zu studieren und ihnen auf den Grund zu gehen. Ja, Herr Kollege Schellenberg, das ist eben die Schwierigkeit, in der man sich befindet, und ich stehe gar nicht an, schon heute zu erklären, daß all die Schätzungen, all die Annahmen, die die Mathematiker gemacht haben, zwar nach bestem Wissen und Gewissen aufgestellt sind, daß aber die endgültigen Ergebnisse niemals mit der Prognose übereinstimmen können; aber das ist eine Binsenwahrheit.

    (Abg. Dr. Schellenberg meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    — Herr Professor, ich bitte Sie, mich das, was ich sagen wollte, im Zusammenhang ausführen zu lassen; daß ich Ihren Fragen nicht ausweiche, ist Ihnen ja hinlänglich bekannt.
    Worin wir uns bezüglich der Beurteilung der finanziellen Lage unterscheiden, ist folgendes. Der Herr Kollege Schellenberg sagt, die Darstellung sei ungenau, man müsse sie sehr genau prüfen; denn mit dieser Darstellung solle offenbar das Parlament dahin beeinflußt werden, eine bestimmte Entscheidung zu fällen, nämlich die Entscheidung im Sinne des Vorschlages der Bundesregierung, die Anpassung erst vom 1. Januar 1959 an vorzunehmen; zu dieser Entscheidung aber sei das Material nicht genügend hieb- und stichfest. Das ist doch der Inhalt seiner Erklärung. Nun aber möchte er, daß Sie eine Entscheidung fällen, und zwar sofort, auf der Stelle — obwohl das Material nicht hieb- und stichfest ist -, eine Anpassung zwar nach einer anderen Technik, aber im Endeffekt mit den gleichen Ausgaben für die Rentenversicherung vorzunehmen, nämlich nach dem sozialdemokratischen Vorschlag. Darin sehe ich einen Widerspruch in sich selbst.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Friese-Korn.

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    Rede von Lotte Friese-Korn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Herren und Damen! Ich möchte zunächst dem scharfen Angriff des Kollegen Schellenberg begegnen, der aus meiner Frage zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Meyer offenbar nur eine negative Einstellung herausgehört hat. Ich glaube, daß mir die Kolleginnen hier im Saal recht geben, wenn ich sage, daß es eine unserer großen Sorgen ist, die Frauen, die irgendwann einmal kurz berufstätig waren und
    dann nicht weiter Mitglied der Rentenversicherung geblieben sind, darüber aufzuklären, woran es liegt, daß sie jetzt durch ihre eigene Schuld eine unzureichende Rente bekommen. Das ist die eine Seite.
    Sie werden sich noch mehr wundern, wenn Sie hören, daß wir gestern abend — inzwischen ist mir bekannt geworden, daß die Drucksache im Büro schon vorliegt — mit Drucksache 675 eine Kleine Anfrage wegen des Ausbleibens der Vorlage zum Fremdrenten- und. Auslandsrentengesetz an die Regierung gerichtet haben. Sie sehen also, daß wir uns gerade Sorge um die ausstehende richtige Berechnung der Fremdrenten und vor allen Dingen Sorge wegen der unendlich vielen machen, die ihre Unterlagen nicht beibringen können. Es ist durchaus unsere Absicht, hier etwas zu tun. Ich wehre mich nur dagegen, vor einem so großen Forum alles in einen Topf werfen und bei Menschen Hoffnungen wecken zu lassen, die letzten Endes niemand, auch Sie nicht mit Ihrer Konzeption, befriedigen könnten.
    Ich gehe auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Schellenberg nachher noch näher ein, denn es ist in ihnen doch sehr vieles gewesen, dem ich nur zustimmen kann und worin ihm auch jeder, der im Sozialpolitischen Ausschuß an diesen Vorlagen weiter mitarbeitet, recht geben wird. „Wir sind in einer fatalen Situation", — dieses Wort möchte ich absolut übernehmen; wir werden nur verschiedener Meinung darüber sein, warum wir in diese fatale Situation gekommen sind.
    Herr Kollege Horn sagte, daß er die Protokolle der ersten, zweiten und dritten Lesung der Rentenreform studiert und daraus den Schluß gezogen hat, wir sollten nicht wieder den Fehler machen, uns heute hier in Einzelheiten zu verlieren. Ich gebe Ihnen recht; der leere Raum zeigt ja, wie wenige unserer Kollegen an den Schwierigkeiten und Einzelheiten der Rentenreform Interesse haben. Aber ich hoffe, Herr Horn, Sie haben in den Protokollen auch gelesen, daß es doch vorwiegend meiner Fraktion — der Freien Demokratischen Partei — vor ihrer Ablehnung des Rentenreformgesetzes um Grundsätzliches gegangen ist, nämlich um die grundsätzliche Klärung, ob man mit dem Experiment der Dynamik im Renteneuregelungsgesetz nicht einen Weg beschritten hat, der sich in einem anderen Weg verliert, den auch Sie — wie sich heute deutlich zeigt — nicht bis zum Ende mitzugehen gedenken, nämlich den Weg zum Versorgungsstaat.
    Ich möchte darum noch einmal zurückgreifen und an das erinnern, was für uns ,seinerzeit der Anlaß gewesen ist. Ursprünglich sollte die Neugestaltung der Rentenversicherung nur ein T eil der gesamten Sozialreform sein. Dann verbiß man sich aber so fest in dein Gedanken, mit der dynamischen Rente ein Experiment zu machen, daß 'es bei den weiteren Auseinandersetzungen .immer wieder nur zu gegenteiligen Meinungen kommen mußte. Die einen sahen in der dynamischen Rente so etwas wie das Ei des Kolumbus, ,andere ein sehr kühnes Experiment auf dem Gebiete der Sozialpolitik, und wieder andere



    Frau Friese-Korn
    sahen ganz schwarz und erblickten darin den Grundstein zum Versorgungsstaat.
    Bei .so entgegengesetzten Meinungen war es allerdings notwendig, in das Gesetzeswerk Bremsen einzubauen. Dieses Wort ist vorhin schon gebraucht worden. Es gibt nicht nur eine Bremse, sondern es ist im Laufe der Ausschußberatungen zu vier Bremsen gekommen.
    Wir sind in unserer Auffassung bestärkt worden, daß es gut war, diese Bremsen einzubauen, nicht allein wegen der Tabellen im heute vorgelegten Sozialbericht, über die Herr Schellenberg mit Recht sagte, sie allein könnten uns keinen Anhaltspunkt bieten. Für uns war es eininteressantes Schauspiel, daß heute alle, die irgendwann einmal auf Grund von selbstangefertigten Tabellen zu weittragenden Entscheidungen gekommen sind, zugeben mußten, daß diese alle sehr vage sind. Insofern ist der Herr Minister jetzt den Einwänden auch richtig begegnet. Alle Berechnungen sind auf Fiktion aufgebaut.
    Auch dieser Gesetzentwurf ist wieder auf einer Fiktion aufgebaut, auf der Fiktion, daß -sich die Löhne jährlich um 4 % steigern werden.
    Durch den Einbau der Bestimmung, die die Anpassung der laufenden Rente durch Gesetz vorschreibt, ist das Rentenneuregelungsgesetz kompliziert worden. Das wollen wir gerne zugeben. Wir waren daran beteiligt und nehmen diesen Teil Schuld, wenn Sie e-s so nennen wollen, gern auf uns; denn wir sehen jetzt unsere Ansicht bestätigt, daß es notwendig war.

    (Beifall bei der FDP.)

    Ob die Tabellen nun richtig oder nicht richtig sind, jedenfalls können wir aus der Tatsache, daß man -ein „Erstes" Gesetz vorlegt, ,den Schluß ziehen, daß die Absicht besteht, weitere Gesetze der gleichen Art mit der gleichen Konsequenz vorzulegen. Dagegen verwahren wir uns allerdings, :und ich muß jetzt Herrn Schellenberg durchaus dankbar dafür ,sein, daß er den Vorschlag machte: Wir wollen ganz gründlich prüfen. Ich freue mich, daß er — das ist erstaunlich — dazu bereit ist und daß er jetzt doch nicht alles „über den Daumen peilen" will. Nichts wäre schlechter als das! Es it eine Tatsache, daß wir an dieser Wende, wie schon ein paarmal gesagt worden ist, ,das Gesetz mit Komplikationen belastet haben. Manche Rentenberechnung ist dadurch erschwert worden. Ich gehe noch weiter: es gibt auch Härten vor allem für diejenigen, die das Pech hatten, daß sie ein Jahr oder gar nur wenige Monate vor -der Verabschiedung Ides Gesetzes Rentner wurden. Ohne Zweifel bestehen für diese Erschwerungen -oder Ungerechtigkeiten, und es ist die Aufgabe des Gesetzgebers, diese Härten bei dem Anpassungsgesetz zu überprüfen. Auch diejenigen im Hause, die in der dynamischen Rente ein gefährliches Experiment sahen, hatten deswegen Bedenken, und das alles hat, wie ich schon am Anfang sagte, unsere Ansicht bestätigt, daß in diesem Zeitpunkt eine gründliche Überprüfung des Systems stattfinden muß. Ich bitte darum auch die Fraktion der SPD, ihren starren Standpunkt, so wie es Hen Schellenberg angedeutet hat, bei -den Beratungen im
    Ausschuß nicht beizubchalten; denn wir müssen neue Wege finden.
    Da aber vorhin schon dieser kleine Streit über den entscheidenden Paragraphen entstanden ist, muß ich Ihnen dazu sagen: das ist auch für mich einer der Angelpunkte. Von ihm möchte ich jetzt ausgehen. Im entscheidenden Paragraphen des Gesetzes heißt es nämlich nicht: „Das Gesetz soll a n die Veränderung der Bemessungsgrundlage angepaßt werden, sondern — wenn Sie inzwischen nachgesehen haben, werden auch Sie es gefunden haben —: Das Gesetz soll b e i Veränderungen der Bemessungsgrundlage angepaßt werden. Hier liegt das Entscheidende. Wir dürfen uns nicht zwingen lassen, deshalb, weil die Bemessungsgrundlage angestiegen ist, die Altrenten unbedingt an die Bemessungsgrundlage anzupassen. Darum wird der Streit gehen.
    Nach unserer Meinung müssen wir nämlich eine andere Formel finden. Zu diesem Zweck müssen wir uns auf das besinnen, was im Gesetz steht. Danach soll auf alle die Faktoren Rücksicht genommen werden, die in dem uns heute vorgelegten Bericht des Herrn Ministers erwähnt worden sind: Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der Produktivität, der Veränderungen des Volkseinkommens und der Finanzlage -der Rentenversicherung.
    Über einen dieser Faktoren macht der Sozialbericht eine Aussage, die erweist, daß sich die Entwicklung des Volkseinkommens je Erwerbstätigen in den letzten Jahren verlangsamt hat. Das ist das Entscheidende: nur verlangsamt. Aber das kann von großer Tragweite sein.
    Hier wird ein Weg gewiesen, etwas zu unternehmen, damit der Rentner, der vor 11/2 Jahren die große Anhebung bekommen hat, jetzt schon wieder eine zweite große Anhebung erlebt, dann aber, weil die Finanzlage es nicht gestattet, jahrelang warten muß. Es ergibt sich vielleicht eine Möglichkeit, die Anpassung nach anderem Gesichtspunkt vorzunehmen.
    Lassen Sie mich einen Vergleich ziehen. Es fragt sich nämlich, ob der Sportwagen mit großem Motor, der von jungen Menschen gefahren wird, und daneben, sagen wir einmal, der überbesetzte Caravan mit der gleichen PS-Zahl, unten am Berge stehend, also von gleichem Ausgangspunkt, mit gleichen Startbedingungen, in demselben Gang den Berg hinauffahren wollen. Dabei käme es wahrscheinlich zu Schäden. Wenn nämlich beide hochkommen wollen, dann muß der Gang nicht automatisch gleichgeschaltet werden, sondern dann müssen sie beide verschiedene Gänge einschalten.

    (Zurufe von der SPD.)

    Auf das Suchen und Finden des richtigen Ganges wird es bei den Abwägungen, vor denen wir im Sozialausschuß stehen, ankommen. Wir werden prüfen, was es für ein Gang sein muß, mit dem wir auch die Bestandsrenten bergauf bekommen. Ich glaube, dann könnten wir uns einigen.



    Frau Friese-Korn
    Wir möchten der Regierung aber auch einige Vorwürfe nicht ersparen. Es ist gut und rühmlich, daß die Absicht besteht, den Gedanken des Sozialbeirats nicht ganz fallenzulassen. Aber daß nach diesem Fiasko des Sozialbeirats, das, nebenbei gesagt, von unserer Seite erwartet war — darauf gehe ich noch näher ein —, er nun in derselben Weise fortbestehen soll, dem werden wir nicht zustimmen. Wir wollen gern den Sozialbeirat hören, wie es Herr Schellenberg vorschlägt. Wir müssen aber auf unseren damaligen Vorschlag zurückkommen. Sie werden sich entsinnen, daß wir den Sozialbeirat in der jetzigen Zusammensetzung aus den Befürchtungen abgelehnt haben, die sich jetzt bewahrheitet haben.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Wir haben damals gesagt, daß der Sozialbeirat in dieser Zusammensetzung wahrscheinlich politische Entscheidungen fällen will oder zumindest in seinen Konzeptionen schon vorher entwickelt. Das ist nicht seine Sache. Der Sozialbeirat soll uns lediglich sachliches Material liefern.
    Wir haben weiter gesagt, daß der Sozialbeirat viel zu groß ist, und wir haben darauf hingewiesen, daß — da Persönlichkeiten gesucht werden müssen — es auch sehr fraglich ist, wen die Bundesregierung suchen wird, wann sie das tun wird und wann der Sozialbeirat zum erstenmal zusammentritt. Meine Herren und Damen, er ist so spät zusammengetreten, daß er in dieser kurzen Zeit in der Tat keine sehr gute, abgerundete Arbeit mehr leisten konnte. Es hat immerhin ein halbes Jahr gedauert, bis man die Persönlichkeiten berufen hatte. Sie wissen, wir haben damals den Vorschlag gemacht, die Berufung gar nicht an Einzelpersönlichkeiten, sondern an Amtsträger, vor allen Dingen an unabhängige Richter, zu binden. Wir möchten bei dieser Gelegenheit unseren damaligen Vorschlag noch einmal in die Debatte werfen. Damit sprechen wir uns nicht für eine Zusammensetzung aus, die Sie, Herr Ruf, kürzlich vorschlugen, als Sie bekanntgaben, daß Sie nur Wissenschaftler für geeignet hielten. Wir sind zwar auch der Meinung, daß Versicherungsmathematiker dazu gehören; aber das müßte man näher präzisieren. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn Persönlichkeiten wie der Präsident des Bundessozialgerichts und des Bundesarbeitsgerichts, der Vertreter der Deutschen Bundesbank — der ja offensichtlich sehr gut in diesem Beirat gearbeitet hat — und die Präsidenten des Statistischen Bundesamtes und des Rechnungshofes diesem Gremium angehörten. Wir halten auch dafür, daß es dem Präsidenten des Statistischen Bundesamtes sehr leicht fallen würde, das Material herbeizuschaffen, das dort gebraucht wird.
    Daß dieser Sozialbeirat nicht genügend ausgerüstet, nicht genügend durch Hilfskräfte gestützt worden ist, sind alles Fehler, die zu beklagen sind; denn wir hätten uns gewünscht, daß heute ein gutes und abgeschlossenes .Gutachten des Sozialbeirats vorläge.
    Die Voraussetzungen zur Verabschiedung eines Anpassungsgesetzes sind unter diesen Umständen noch gar nicht erfüllt. Das Gutachten des Sozialbeirats, das vorn Gesetz gefordert wird, haben wir noch nicht. Wir haben jetzt einen Bericht, der hier von allen Seiten angezweifelt wird, und wir haben einen Gesetzentwurf für eine Teilregelung, der außerdem auf Fiktionen beruht.
    Wir könnten diesen Gesetzentwurf bejahen, bei dieser absoluten Anpassung an die Bemessungsgrundlage — einmalig ab 1959 — aber nur unter einer Voraussetzung mitmachen. Es müßte nämlich deutlich ausgesprochen werden, daß dieses Gesetz nicht weitere Gesetze gleicher Art präjudiziert. Die Feststellung, daß die gleiche Lösung, rein finanziell, in den Jahren 1959, 1960 und 1961 noch durchgehalten werden könnte und daß erst dann die Finanzlage der Versicherungen prekär würde, ist doch ein Beweis dafür, daß wir so nicht fortfahren können. Darin sind wir mit der Regierung einer Meinung. Wir sind aber nicht der Meinung, daß darum auch diesmal schon ein solches Gesetz mit absoluter Anpassung an die Bemessungsgrundlage gemacht werden müßte.
    Nun, dieses einmalige Gesetz wird die Finanzen nicht erschüttern, und wir werden noch nicht in große Schwierigkeiten kommen. Aber, wie gesagt, Wiederholungen in dieser Form könnten von uns nicht bejaht werden.
    Meine Herren und Damen, wir haben wegen der Auswirkungen, die bei einer Fortsetzung dieser Gesetzestechnik zu erwarten wären, der Regierung einige Fragen vorzulegen, die auf Grund der Erfahrungen bei der Verabschiedung der Rentenneuregelungsgesetze abgewogen und genau präzisiert sind. Ich bitte die Regierung, sie bei der Bearbeitung der Vorlagen im Sozialpolitischen Ausschuß möglichst gewissenhaft zu beantworten. Wir fragen: 1. Hält es die Regierung für vertretbar, daß durch eine Anpassung an die Erhöhung der Bemessungsgrundlage die Vermögen der Versicherungsträger in dem aus dem Sozialbericht 1958 ersichtlichen Umfang aufgezehrt werden? 2. Welche Beitragsleistungen und welche Bundeszuschüsse würden notwendig sein, um in Zukunft entsprechend der Konzeption des ersten Rentenanpassungsgesetzes eine Anpassung an weitere Erhöhungen der Bemessungsgrundlage vorzunehmen? 3. Welcher Vomhundertsatz des Arbeitsentgelts wird für die Zukunft als Beitragssatz noch für tragbar gehalten?
    Zu dieser Frage möchte ich noch einiges sagen, weil ich vorhin nicht darauf eingegangen bin. Wir sind durchaus der Meinung, daß irgendwo eine Grenze der Zumutbarkeit der Beitragserhöhung für die zur Zeit arbeitende und versicherte Bevölkerung besteht. Das Maß dessen, was hier als Ausgleich für das Defizit eingesetzt werden soll, wird unsere Einstellung kennzeichnen. Da werden sich die Geister scheiden. Ich würde mich freuen, wenn z. B. auch Herr Hellwig, der vorhin zitiert wurde, seine Meinung, die er neulich in einer großen Versammlung kundgetan hat, hier genauso offen verträte.
    Bei dem Wort „Wahlversammlung" fällt mir eine Bemerkung ein, die Herr Horn hier gemacht hat und auf die ich doch etwas erwidern muß. Herr Horn hat mit Hinblick auf die SPD gesagt: „Sie



    Frau Friese-Korn
    können uns gar keine Vorwürfe machen, denn auch Sie haben mit dem Blick auf die Wahlen dem Gesetz zugestimmt." Nun, das kann ein Versprechen gewesen sein. Aber uns hat es daran erinnert, daß wir damals trotz Wahlen zu dem unpopulären Beschluß gekommen sind, der Rentenreform, jedenfalls in dieser Konzeption eine Absage zu erteilen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir wollen uns immer wieder die große Zahl von Rentnern und Versicherten vorhalten: Es sind rund 7,5 Millionen Rentenempfänger und 20 Millionen Versicherte. Bei diesen Zahlen sollte man es sich angesichts der Tragweite der Gesetzgebungswerke versagen, demagogische Diskussionen zu führen, sondern sich zu einer echten Sachentscheidung durchringen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir sind also — um noch einmal zusammenzufassen — der Meinung, daß die Voraussetzungen für die gesetzliche Anpassung noch nicht erfüllt sind. Wir stellen darum, wie es vorhin auch Herr Schellenberg getan hat, die Bedingung, daß diese Angelegenheiten im Sozialpolitischen Ausschuß unter Hinzuziehung der Sachverständigen gründlich durchgesprochen 'werden.
    Dann muß unser Vorschlag mitdiskutiert werden, der darauf abzielt, einen neuen Weg einzuschlagen, zu dem ich Ihnen zum Schluß erst noch die vierte Frage vorlese. Die Frage lautet: Hält die Regierung die sich aus der Beantwortung der Frage 2 als notwendig ergebenden Beschlüsse angesichts der Haushaltslage für vertretbar? Das soll heißen: Hält sie es für vertretbar, wenn höhere Beiträge nicht erhoben werden können, den im Gesetz bisher vorgesehenen Zuschuß aus dem Bundeshaushalt zu erhöhen, und in welchem Ausmaße glaubt sie es mit unserer gesamten Wirtschaftssituation, vor allem der Situation des Bundeshaushalts vereinbaren zu können?
    Ich weiß, daß da von gewisser Seite wieder der Einwand kommen wird, das ließe sich machen, dann brauchte man nur die Rüstung zu beschränken. Meine Herren und Damen, was hat nicht schon alles mit den möglichen Einsparunngen bei der Rüstung gedeckt werden sollen! Auch ich bin für Einsparungen bei der Rüstung; aber wir sollten nicht all und jede Ausgabe damit rechtfertigen, mit einem „vielleicht" oder einem „womöglich". Das geht zu weit. Ich glaube, daß ich da doch mit sehr vielen in diesem Hause einig bin, die weiter mit großer Aufmerksamkeit diese Entwicklung beobachten.