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ID0303907300

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    Deutscher Bundestag 39. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1958 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksachen 300, 354, 357, 362 bis 365, 378, 400 bis 404, 408, 412, 413, 440 bis 444, 447, 460 bis 468) ; Zusammenstellung der Beschlüsse zweiter Beratung (Drucksache 490) — Fortsetzung der dritten Beratung — Allgemeine Aussprache Margulies (FDP) . .. . . . . . 2249 C Kurlbaum (SPD) . . . . 2253 B, 2279 D Dr. Steinmetz (DP) 2260 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 2262 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . . 2266 C Dr. Hellwig (CDU/CSU) 2272 A Dr. Starke (FDP) 2277 C Köhler (FDP) . . . . . . . . 2280 A Logemann (DP) 2283 B Dr. Sonnemann, Staatssekretär . 2286 B Bading (SPD) 2289 B Glahn (FDP) . . . . . . . . 2289 C Diekmann (SPD) 2291 A Dr. Schellenberg (SPD) 2293 B Blank, Bundesminister . . 2295 B, 2304 C Mischnick (FDP) 2300 A Frehsee (SPD) . . . . . . . 2301 D Frau Kalinke (DP) 2305 B Pohle (SPD) . . . . . . . . 2308 B Horn (CDU/CSU) 2308 D Rehs (SPD) . . . . . . . . 2309 B Kuntscher (CDU/CSU) . . . . . 2312 D Dr. Nahm, Staatssekretär . . . . 2315 C Weiterberatung vertagt . . . . . . . 2316 D Nächste Sitzung 2317 C Anlage 2319 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1958 2249 39. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.00 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Graf Adelmann 7. 7. Frau Albertz 5. 7. Altmaier* 5. 7. Dr. Atzenroth 4. 7. Dr. Barzel 5. 7. Bauknecht 5. 7. Bauer (Würzburg)* 5. 7. Frau Beyer (Frankfurt) 5. 7. Birkelbach* 5. 7. Fürst von Bismarck* 5. 7. Blachstein* 5. 7. Frau Dr. Bleyler 3. 7. Blöcker 4. 7. Burgemeister 5. 7. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 7. Döring (Düsseldorf) 5. 7. Euler 4. 7. Dr. Even (Düsseldorf) 3. 7. Even (Köln) 3. 7. Franke 12. 7. Dr. Friedensburg 5. 7. Frau Friese-Korn 5. 7. Gaßmann 5. 7. Geiger (Aalen) 3. 7. Gerns* 5. 7. D. Dr. Gerstenmaier 2. 8. Gockeln 3. 7. Graaff 4. 7. Dr. Gradl 5. 7. Dr. Greve 5. 7. Hackethal 5. 7. Hahn 3. 7. Dr. Dr. Heinemann 3. 7. Frau Herklotz 3. 7. Heye* 5. 7. Höfler* 5. 7. Frau Dr. Hubert* 5. 7. Jacobs* 5. 7. * für die Teilnahme an der Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Kemmer 5. 7. Kiesinger* 5. 7. Kirchhoff 3. 7. Dr. Königswarter 5. 7. Dr. Kopf* 5. 7. Frau Korspeter 5. 7. Kriedemann 5. 7. Kühn (Köln)* 5. 7. Leber 4. 7. Dr. Lindenberg 5. 7. Lücker (München)* 5. 7. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 5. 7. Dr. Maier (Stuttgart) 5. 7. Frau Dr. Maxsein* 5. 7. Metzger* 5. 7. Dr. Meyer (Frankfurt)* 5. 7. Müller-Hermann 5. 7. Neubauer 5. 7. Frau Niggemeyer 12. 7. Paul* 5. 7. Pöhler 3. 7. Dr. Preiß 5. 7. Pusch 5. 7. Rademacher 5. 7. Ramms 5. 7. Ruf 5. 7. Scheel 5. 7. Schneider (Hamburg) 4. 7. Dr. Schneider (Saarbrücken) 5. 7. Schoettle 19. 7. Schütz (Berlin) 5. 7. Schütz (München)* 5. 7. Frau Dr. Schwarzhaupt 5. 7. Seidl (Dorfen)* 5. 7. Spies (Brücken) 5. 7. Stahl 4. 7. Stenger 4. 7. Struve 5. 7. Teriete 3. 7. Wagner 3. 7. Dr. Wahl* 5. 7. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 5. 7. Welslau 3. 7. Dr. Will 5. 7. Dr. Winter 5. 7. Dr. Zimmer* 5. 7. Zoglmann 5. 7.
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    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Unser Kollege und mein Landsmann Frehsee hat von der wachsenden Einsicht in diesem Hause gesprochen. Ich möchte diesen Appell an die wachsende Einsicht unterstreichen und hinzufügen, es möge uns gelingen, in Fragen der Sozialpolitik wachsende Einsicht mit der wachsenden gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft und den Bestand unserer Sozialpolitik und ihrer Leistungen zu verbinden.
    Auch ich bin nach dieser Debatte besorgt — vor allem um die Erhaltung unserer Freiheiten, auch der Koalitionsfreiheit. Denn es ist nicht der Arbeitsminister und nicht sein Haushalt und nicht das Programm der Regierung, sondern es ist unsere Verfassung, die mit der Garantie der Koalitionsfreiheit die Grundlage geschaffen hat, Gewerkschaften zu bilden und Gewerkschaften wie Tarifvertragsfreiheit zu erhalten. Ich bin dem Minister dankbar dafür, daß er deutlich gemacht hat, daß die Koalitionsfreiheit in Deutschland nicht nur den Traum oder die Realität einer Einheitsgewerkschaft zuläßt, sondern auch die Organisation all der Kräfte, die meinen, auch im Gewerkschaftsleben und im Bekenntnis zu einer Gewerkschaftsrichtung ihren Standort so deutlich machen zu sollen, wie sie das bei der Wahl einer politischen Partei oder bei der Entscheidung für eine andere Organisation ihres Interesses tun. Daß wir freie, sozialistisch geführte Gewerkschaften und christliche Gewerkschaften in Deutschland haben und daß sich diese Kräfte auf dem Gebiet, das ihnen als Aufgabe innerhalb der Demokratie gestellt ist, miteinander messen müssen, dafür hat diese Bundesregierung alle Möglichkeiten — nämlich der Koalitionsfreiheit — geschützt. Ich wäre sehr dankbar, wenn die Herren Kollegen, die um den Bestand der gewerkschaftlichen Freiheit besorgt sind — nicht um die Organisation der Einheitsgewerkschaften, das ist hier nicht unser Auftrag —, dazu beitrügen, daß diese Freiheiten weder durch falsches Monopolstreben noch durch eine unerfreuliche Haltung, wie wir sie unlängst im Sozialwahlkampf leider erlebt haben, gefährdet werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Um diese Freiheiten geht es, meine Herren und Damen, und der Herr Arbeitsminister wird dann unsere Unterstützung haben, wenn er die Freiheiten aller Stände verteidigt, ich meine die Freiheiten der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber in allen ihren Schichten und Organisationen.
    Der Kollege Frehsee hat recht, wenn er auf diesen übergeordneten Auftrag des Ministers hingewiesen hat. Mir ist bei seinen Ausführungen allerdings wie schon oft der Gedanke gekommen, wie schwer es doch ein Mann, der aus der Gewerkschaftsbewegung kommt, hat, mit den Gewerkschaftswünschen des DGB fertig zu werden, und wieviel besser es vielleicht wäre, wenn die Mehrheiten in Deutschland nicht immer nach einem seltsamen ungeschriebenen Gesetz meinten, der Arbeitsminister müsse unbedingt ein Arbeitersekretär oder ein Gewerkschaftler sein.

    (Zustimmung bei der DP. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ich sage das, weil ich selber Gewerkschaftlerin bin; darum habe ich den Mut, auch dies offen auszusprechen. Ich bekenne mich zu einer freien und unabhängigen deutschen Gewerkschaftsbewegung, wenn sich auch meine Auffassung in vielem von der des Deutschen Gewerkschaftsbundes und seiner Vertreter entscheidend trennt.

    (Zuruf von der SPD: Leider! — Heiterkeit.)

    — Ich freue mich über das Kompliment; vielleicht wäre es nützlich, wenn wir uns häufiger im Gespräch über gemeinsame Verantwortung klar würden, und vielleicht könnte sich Ihre Auffassung nach diesem guten Auftakt ändern.

    Frau Kalinke
    Bezüglich der Zitate des Herrn Arbeitsministers, die der Kollege Frehsee aus verschiedenen Reden des Ministers aus der letzten Zeit vorgetragen hat, darf ich sagen, daß wir dem Bundesminister für Arbeit hinsichtlich all der Meinungsäußerungen zustimmen, in denen er auf die Verbindung der Wirtschaftskraft, der Freiheit und der Selbstverantwortung aller Barger dieses Staates mit dem Sozialetat und den sozialen Leistungen hingewiesen hat. Wir werden ihm bei der Durchsetzung solcher Ziele und Versprechungen, mit denen die Freiheit und die Sicherheit garantiert werden sollen, innerhalb der Koalition getreu helfen, auch die Entscheidungen zu treffen, die zur Verwirklichung solcher Thesen und Ziele notwendig sind.
    Herr Frehsee hat davon gesprochen, daß die Verteilung des wachsenden Wohlstandes unbefriedigend sei. Ich glaube, daß seine Auffassung eine andere ist als meine, wenn er von dem Teil des Volkes spricht, für den die Verteilung noch unbefriedigend ist. Wir meinen einen anderen Teil des Volkes: Gerade die freien Berufe und die mittelständischen Schichten wie ,diejenigen, ,die als Opfer des Krieges wirklich noch auf der Schattenseite stehen, nämlich die Frauengeneration, die Alleinstehenden und Alten ohne Rentenansprüche sind diejenigen, ,die in der bisherigen Sozialreform noch zu kurz gekommen sind.
    Mein Kollege Schild und ich hatten die Absicht, im Namen der Fraktion der Deutschen Partei heute bei der Beratung des Haushalts des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — wie sein neuer Titel heißt — eine Reihe grundsätzlicher Ausführungen zu machen und die Fülle der Probleme aufzuzeigen, die hier zur Lösung anstehen. Ich bedauere sehr, daß heute abend immer wieder von dem gesprochen worden ist, was anscheinend das Hauptanliegen des Hauses ist: diese Debatte möglichst kurz und möglichst knapp zu führen.

    (Abg. Stingl: Nicht nur anscheinend, sondern wirklich!)

    Ich glaube, daß dies das Anliegen derjenigen, die hier ausharren, nicht ist, weil sie ihr Interesse an diesem so bedeutenden Haushalt durch ihr Hiersein wenigstens zeigen. Es ist immerhin ein Haushalt, der, wie der Herr Minister sagte, fortgesetzt eine steigende Tendenz gezeigt hat und 35 % des gesamten Haushalts ausmacht.
    Im Gegensatz zu dem Herrn Minister und denen, die in der Höhe des Sozialetats etwas besonders Rühmenswertes sehen, wünschen meine Freunde von der Deutschen Partei, daß der zunehmenden Wohlstandsmehrung ein Höchstmaß von individueller Sicherung folgen möge, damit wir endlich von einem sinkenden Etat der Soziallasten sprechen könnten.

    (Beifall bei der DP.)

    Ich glaube, daß dann auch ein sinkender Ansatz für Sozialversicherungsbeiträge und soziale Steuern — wobei ich die direkten und die indirekten meine -
    ein besonders günstiges Zeichen für die steigende Wohlfahrt für alle Schichten unseres Volkes sein könnte.
    Ich muß leider vor diesem Hohen Hause mit großem Bedauern feststellen, wieviel größer das Interesse am Haushalt der Verteidigung und an den Problemen anderer Haushalte, und wie gering das Interesse am Haushalt der sozialen Lasten ist, der in unserer Zeit, besonders nach zwei Kriegen und deren Erfordernissen, doch so bedeutsame Aufgaben hat. Da kaum 10 % der Mitglieder dieses Hauses an den Debatten über den Haushalt des Arbeitsministers wirklich Anteil nehmen — und das ist nicht nur heute und jetzt während des Wahlkampfes in Nordrhein-Westfalen so, sondern das ist leider immer eine bedauerliche Erscheinung gewesen —, habe ich mir überlegt, ob ich hier und heute überhaupt das Wort nehmen soll; denn die Kollegen, die jetzt anwesend sind, sind ohnehin diejenigen, die ihr Interesse an den sozialpolitischen Fragen in den Ausschüssen zum Ausdruck bringen.
    Aber so bedauerlich das mangelnde Interesse vieler Abgeordneten auch sein mag: Der Auftrag des Parlaments ist, sich darüber klar zu sein, daß bei der Einbringung eines Haushalts von rund 11 Milliarden DM allein für soziale Leistungen - ohne die Wohnungsprobleme, die ich hier nicht besonders erwähnen will - etwas über den Weg, über das Leitbild und über die Konzeption ausgesagt werden muß, unter der die Bundesregierung und ihr Arbeitsminister dazu beitragen wollen, daß zu und neben der äußeren Sicherheit, über die in diesen Tagen so viel gesprochen worden ist, das Maß an innerer Sicherheit garantiert wird. Meine politischen Freunde sind sich mit mir darin einig, daß wir den Herrn Bundesminister — weil wir gegen die Sippenhaftung sind; wir haben das nicht nur bei der Entnazifizierung betont — nicht für die Versäumnisse oder Irrtümer seines Vorgängers schuldig sprechen und auch nicht verantwortlich machen wollen. Aber auch wir würden es sehr begrüßen, wenn der Herr Bundesminister sehr bald Gelegenheit nehmen würde, mit einem der nächsten Reformgesetze — wir hoffen, daß es die Krankenversicherungsreform sein wird - sein Leitbild und das der Bundesregierung über den neuen Weg und die neuen Zielsetzungen auch im Hinblick auf die neuen Aufgaben seines Ministeriums deutlich zu machen. Ich hoffe, daß es sich bei seiner neuen Würde als Minister für Sozialordnung nicht nur um eine neue Überschrift und einen neuen Titel handelt, sondern ich hoffe, daß es dem Minister gelingen wird, nicht etwa mit einer Ausdehnung der Zwangsversicherung, der Sozialversicherungssysteme oder eines neuen Versorgungssystems auf die freien Berufe und die Selbständigen, sondern mit wirklichen Hilfen zur individuellen Sicherung aus eigener Kraft denjenigen Wege zu weisen, die zur Selbsthilfe und Selbstverantwortung noch bereit sind. Wir sind überzeugt, daß der Minister diesen Weg linden wird, wenn ihm die Organisationen der freien Berufe nicht nur Forderungen entgegenhalten, sondern auch Bereitschaft zeigen werden, selbst Verantwortung in Freiheit zu tragen.
    Daß die veränderte Sozialstruktur und die veränderte Wirtschaftslage solche neuen Wege notwendig machen und der Sozialpolitik neue Impulse gegeben werden müssen, erscheint mir selbstverständlich. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat die große Chance, hier erstmalig in der

    Frau Kalinke
    deutschen Sozialpolitik zu erkennen zu geben, daß die veränderte Struktur unserer Gesellschaft auch veränderte Leitbilder — ün Gegensatz zu dem, was wir bisher in der Sozialversicherung und in der Versorgung konserviert haben — erfordert.
    Ich habe schon von den Frauen — die leider so oft vergessen werden — gesprochen. Ich will das Problem der Fremdrenten, der Heimatvertriebenen, der Kriegs- und Nachkriegsopfer, das Problem des Lastenausgleichs und das der 131 er, das genauso dazugehört wie die Kriegsopferversorgung, hier nicht im einzelnen behandeln. Ich möchte aber doch darauf hinweisen, daß wir erwarten, daß durch die Fortsetzung sozialer Reformen auch etwas über die Grenzen der staatlichen Sicherheit ausgesagt wird. Und darin stimme ich mit Herrn Kollegen Mischnick überein, daß die Garantie der Freiheit und des Schutzes unserer Staatsbürger auch mit den Grenzen des Versicherungszwanges und der Versicherungsberechtigung, aber auch mit der Beendigung des Versicherungszwanges und der Versicherungsberechtigung zu tun hat und daß solche Erkenntnis in der Gesetzgebung deutlich gemacht werden muß.
    Angesichts des großen Zusammenhanges aller sozialpolitischen Probleme glaube ich, Herr Kollege Frehsee, daß es sehr falsch wäre, „das Problem der Krankenversicherungsreform" etwa heute zur Diskussion zu stellen. Wir sollten auch Einzelfragen und Teilprobleme der Krankenversicherungsreform nicht in übersteigerter oder unterschätzter Form — je nachdem, wie es zweckmäßig erscheint — in die Debatte werfen, auch dann nicht, wenn in irgendeinem Lande Wahlkampf ist und es vielleicht populär ist, zu sagen: „Wir sind gegen Selbstbeteiligung, gegen höhere Beiträge und nur für Mehrleistungen." Nein, wir sollten in einer so ernsten Debatte, wie sie eine Haushaltsdebatte sein soll, ganz deutlich sagen, daß die Krankenversicherungsreform notwendig ist, daß aber bei den Leistungsproblemen der Krankenversicherung, bei der Finanzierung, auch ein Zusammenhang mit dem Problem der Krankenhäuser, der Ärzte, der Krankenschwestern, der Arzneimittel und vieler anderer Fragen mehr besteht, ja auch eine Wechselwirkung mit der Finanzkraft unserer Gemeinden und ihrer Beanspruchung — sei es für die Krankenhäuser, sei es aber auch wegen der Garantie, die sie für die Krankenkassen tragen müssen und an die diejenigen meistens nicht denken, die sehr vereinfacht nur Forderungen stellen.
    Ebenso dürfen die Probleme des Lohnfortzahlungsgesetzes nicht allein im Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht und der Krankenversicherungsreform gesehen werden, und darum gehe ich wegen der Vielfalt der gerade aus diesem Gesetz resultierenden Fragen heute nicht darauf ein. Sie müssen zusammen mit den weiteren Problemen, die auf uns zukommen werden, gesehen und gelöst werden, wenn wir in diesem Bundestag — ich hoffe, sehr bald — über diese Problematik nach der Einbringung der Regierungsvorlage zur Krankenversicherungsreform sprechen werden.
    Es müßte über das Kindergeldgesetz, über die Familienpolitik und die weitere Anpassung des
    Rechts an der Saar mindestens so ernsthaft wie über weitere Einzelfragen gesprochen werden. Haben Sie keine Sorge, ich tue es heute abend nicht mehr. Dafür ist mir das Problem der Krankenversicherungsreform viel zu bedeutsam.
    Zu den ungelösten Fragen gehört auch die Handwerkerversorgung und die Altershilfe für die Landwirtschaft. Was letztere angeht, so hat der Herr Minister mit Recht gesagt, daß .die Altershilfe für die Landwirte nicht in diese Debatte gehört. Ich meine aber, daß sie uns bei der Besprechung seines Etats ein Beispiel und eine Warnung sein soll. Der Tatbestand, daß die Bedenken der Fraktion der Deutschen Partei — Sie können meine Ausführungen nachlesen — nicht gehört worden sind, der Tatbestand, daß der Beitrag heute nicht ausreicht und demnächst erhöht werden muß und daher viel Unzufriedenheit bei den Beitragsaufbringenden wie bei den Empfängern gekürzter Leistungen besteht, sollte uns veranlassen, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Darum hoffen wir, daß der Herr Minister die Zusage, die er heute gemacht hat, sehr bald weitere Gesetzentwürfe vorzulegen, schnell verwirklichen kann. Wir hoffen, daß die Gesetzesvorlagen über die Krankenversicherungsreform nicht in das Wahlkampfklima hineinkommen und daß sie auch nicht unter den Zeitdruck geraten, unter dem leider das Gesetz über die Altershilfe für die Landwirtschaft und die Rentenreformgesetze beraten werden mußten. Die Fraktion der Deutschen Partei wird dem Herrn Minister dankbar sein, wenn er alles tut, um die grundsätzlichen Entscheidungen über die weiteren Reformfragen im Kabinett voranzutreiben, damit er dann diesem Hause sagen kann, welches das Ziel seiner weiteren Gesetzesvorlagen ist.
    Innere und äußere Sicherheit gehören zusammen und sind genauso unlösbar verbunden wie die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik, die wiederum unlösbar verbunden sind mit der Steuerreform, der Geldstabilität und der Kaufkraft. Heute beträgt die Belastung mit Sozialversicherungsbeiträgen schon 25 bis 30 % aller Einkünfte unserer Arbeitnehmer. Wir hoffen, daß der Bundesminister alles tun wird, um die Beitragslasten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht zu erhöhen, sondern für sinkende Beiträge und vernünftige Reformen besorgt sein wird.

    (Abg. Schlick: Und erhöhte Sozialleistungen!)

    — Wir glauben nicht, daß alle Sozialleistungen in der bisherigen und in gleicher Weise erhöht werden müssen, sondern wir meinen, daß wir auf Grund der sozialen Bedürfnisse der Gegenwart einer modernen Sozialpolitik, die die Freiheit mehrt und den Zwang mindert, Chancen geben sollten.
    Wir begrüßen es, daß der Bundesminister für Arbeit - und das tun wir im Gegensatz zu Ihnen, meine Herren von der SPD — die öffentlichen Diskussionen um Reformpläne in großer Breite eröffnet hat. Wir glauben, daß die rechtzeitige öffentliche Diskussion auch unangenehmer oder unbequemer Probleme der Sozialpolitik dazu beiträgt, in unserem Volk das Verständnis für Sozialbeiträge, für soziale



    Frau Kalinke
    Lasten, für soziale Notwendigkeiten, aber auch die rechte Anerkennung für soziale Leistungen in der Sozialgesetzgebung zu mehren.

    (Anhaltende Unruhe und Zurufe.)

    — Wie sollen wir von den Staatsbürgern erwarten, daß sie Verständnis haben, wenn nicht einmal das Parlament Geduld hat, solche Fragen anzuhören? Wie wollen wir von den Staatsbürgern erwarten, daß sie sich mit der Sozialpolitik beschäftigen, daß der Staatsbürger nicht nur über Steuern und Beiträge klagt, wenn wir nicht die Geduld haben, die wesentlichsten Fragen in aller Kürze miteinander zu besprechen und sie deutlich zu machen?!

    (Abg. Schlick: Aber heute nicht mehr!)

    — Heute nicht, Herr Kollege. Ich will Ihrem Unwillen, zuzuhören, Rechnung tragen. Glauben Sie ja nicht, ich sei der Meinung, daß etwas Entscheidendes zum Haushalt des Arbeitsministeriums in fünf oder zehn Minuten ausgesagt werden könnte! Ich empfinde es als peinlich, daß Sie bei einem so großen Haushalt und bei so leerem Hause nicht die Geduld haben, die wichtigsten Fragen überhaupt nur anzusprechen.

    (Erneute Unruhe und Zurufe.)

    Ich bitte Sie, meine Kollegen, 'die Sie mit idem Problem weniger vertraut sind, einmal darüber nachzudenken, wie lange der Reichstag gebraucht hat, um die Voraussetzungen für eine Reichsversicherungsordnung zu schaffen, die heute noch gilt und unendlich viel Gutes bewirkt hat.
    Ich wünsche dem Bundesminister für Arbeit den Mut zum Heilenden, zum Notwendigen und, wenn es sein muß, auch zum Unpopulären. Die Fraktion der Deutschen Partei wird diesem Minister für Arbeit und Sozialordnung eine Chance geben, und sie wird dem Haushalt zustimmen.

    (Beifall bei der DP und in der Mitte. — Unruhe.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Pohle.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Kurt Pohle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Haus nicht mehr strapazieren.

    (Beifall.)

    Das wäre etwas Ungeheuerliches. Ich hatte nämlich auch die löbliche Absicht, um 18 Uhr das Haus zu verlassen. Aber nichts ist beständiger in diesem Hause als seine Unbeständigkeit in Terminfragen. So kann man nur noch resignieren und in der Nähe der Mitternacht

    (Oho-Rufe bei der CDU/CSU)

    zu dem, was gesagt worden ist, einige Sätze hinzufügen. Ich darf dabei aber sagen, wer jetzt noch den Mut hat, hier das Wort zu ergreifen, der hat wirklich noch etwas auszusagen, weil er bei der überfüllten Pressetribüne nicht die Möglichkeit sieht, in der Presse von morgen oder übermorgen noch genannt zu werden.

    (Beifall.)

    Meine Damen und Herren und Herr Minister, ich möchte einen Eindruck, der vielleicht in der Öffentlichkeit entstehen könnte, von vornherein hier verwischen. Sie könnten den Eindruck haben, Herr Minister, und auch die Öffentlichkeit, weil hier von Fragen der Kriegsopferversorgung nur am Rande gesprochen worden ist, auf dem Sektor wäre alles in Ordnung. Wir haben durchaus eine ganze Reihe von Fragen zu stellen. Wir hätten eine ganze Reihe von Wünschen anzumelden. Aber wir haben auch nicht die Absicht, eine Flickarbeit bei einer Etatberatung zu leisten, wo wir in allerkürzester Zeit einen neuen Anzug für die Bundesversorgung schneidern wollen. Da nach den Ferien unsere Große Anfrage zur Debatte stehen wird, werden wir uns mit dem Bundesarbeitsminister und Ihnen, Herr Finanzminister Etzel, darüber auseinandersetzen. Ich habe Sie bedauert in diesen Tagen, und manchmal habe ich gedacht, hört er zu oder über was denkt er nach.

    (Heiterkeit.)

    Denn das, was hier gesagt worden ist, haben Sie nicht aufnehmen können. Der Kulminationspunkt muß ja auch bei Ihnen schon erreicht sein.
    Aber eine Bitte möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben. Sie haben in Ihrer Haushaltsrede von den Traumvorstellungen der Verbände über die Entwicklung der Kriegsopferversorgung gesprochen. Sie haben aber positiv hinzugesetzt, daß Sie eine Reform im Rahmen der bisherigen Gesamtaufwendungen der Kriegsopferversorgung bejahen.
    Herr Minister, ich möchte Ihnen für die Ferien zur Überlegung mit auf den Weg geben: das „im Rahmen der bisherigen Gesamtaufwendung" ist eine Traumvorstellung Ihrerseits. Wenn wir bei dieser Summe, die wir heute im Haushaltsplan haben, eine Reform des Bundesversorgungsgesetzes durchführen wollen, dann wird daraus nichts, Herr Minister! Bitte, fordern Sie mit Ihrem Kollegen Blank eines Tages hier für die Kriegsopferversorgung Ihr Jahrhundert in die Schranken! Wir hoffen, dann auch den Kriegsopfern und Hinterbliebenen sagen zu dürfen, daß sie nicht vergessen worden sind.

    (Beifall bei der SPD.)