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ID0303902800

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    Deutscher Bundestag 39. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1958 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksachen 300, 354, 357, 362 bis 365, 378, 400 bis 404, 408, 412, 413, 440 bis 444, 447, 460 bis 468) ; Zusammenstellung der Beschlüsse zweiter Beratung (Drucksache 490) — Fortsetzung der dritten Beratung — Allgemeine Aussprache Margulies (FDP) . .. . . . . . 2249 C Kurlbaum (SPD) . . . . 2253 B, 2279 D Dr. Steinmetz (DP) 2260 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 2262 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . . 2266 C Dr. Hellwig (CDU/CSU) 2272 A Dr. Starke (FDP) 2277 C Köhler (FDP) . . . . . . . . 2280 A Logemann (DP) 2283 B Dr. Sonnemann, Staatssekretär . 2286 B Bading (SPD) 2289 B Glahn (FDP) . . . . . . . . 2289 C Diekmann (SPD) 2291 A Dr. Schellenberg (SPD) 2293 B Blank, Bundesminister . . 2295 B, 2304 C Mischnick (FDP) 2300 A Frehsee (SPD) . . . . . . . 2301 D Frau Kalinke (DP) 2305 B Pohle (SPD) . . . . . . . . 2308 B Horn (CDU/CSU) 2308 D Rehs (SPD) . . . . . . . . 2309 B Kuntscher (CDU/CSU) . . . . . 2312 D Dr. Nahm, Staatssekretär . . . . 2315 C Weiterberatung vertagt . . . . . . . 2316 D Nächste Sitzung 2317 C Anlage 2319 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1958 2249 39. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.00 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Graf Adelmann 7. 7. Frau Albertz 5. 7. Altmaier* 5. 7. Dr. Atzenroth 4. 7. Dr. Barzel 5. 7. Bauknecht 5. 7. Bauer (Würzburg)* 5. 7. Frau Beyer (Frankfurt) 5. 7. Birkelbach* 5. 7. Fürst von Bismarck* 5. 7. Blachstein* 5. 7. Frau Dr. Bleyler 3. 7. Blöcker 4. 7. Burgemeister 5. 7. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 7. Döring (Düsseldorf) 5. 7. Euler 4. 7. Dr. Even (Düsseldorf) 3. 7. Even (Köln) 3. 7. Franke 12. 7. Dr. Friedensburg 5. 7. Frau Friese-Korn 5. 7. Gaßmann 5. 7. Geiger (Aalen) 3. 7. Gerns* 5. 7. D. Dr. Gerstenmaier 2. 8. Gockeln 3. 7. Graaff 4. 7. Dr. Gradl 5. 7. Dr. Greve 5. 7. Hackethal 5. 7. Hahn 3. 7. Dr. Dr. Heinemann 3. 7. Frau Herklotz 3. 7. Heye* 5. 7. Höfler* 5. 7. Frau Dr. Hubert* 5. 7. Jacobs* 5. 7. * für die Teilnahme an der Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Kemmer 5. 7. Kiesinger* 5. 7. Kirchhoff 3. 7. Dr. Königswarter 5. 7. Dr. Kopf* 5. 7. Frau Korspeter 5. 7. Kriedemann 5. 7. Kühn (Köln)* 5. 7. Leber 4. 7. Dr. Lindenberg 5. 7. Lücker (München)* 5. 7. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 5. 7. Dr. Maier (Stuttgart) 5. 7. Frau Dr. Maxsein* 5. 7. Metzger* 5. 7. Dr. Meyer (Frankfurt)* 5. 7. Müller-Hermann 5. 7. Neubauer 5. 7. Frau Niggemeyer 12. 7. Paul* 5. 7. Pöhler 3. 7. Dr. Preiß 5. 7. Pusch 5. 7. Rademacher 5. 7. Ramms 5. 7. Ruf 5. 7. Scheel 5. 7. Schneider (Hamburg) 4. 7. Dr. Schneider (Saarbrücken) 5. 7. Schoettle 19. 7. Schütz (Berlin) 5. 7. Schütz (München)* 5. 7. Frau Dr. Schwarzhaupt 5. 7. Seidl (Dorfen)* 5. 7. Spies (Brücken) 5. 7. Stahl 4. 7. Stenger 4. 7. Struve 5. 7. Teriete 3. 7. Wagner 3. 7. Dr. Wahl* 5. 7. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 5. 7. Welslau 3. 7. Dr. Will 5. 7. Dr. Winter 5. 7. Dr. Zimmer* 5. 7. Zoglmann 5. 7.
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    Rede von Otto Köhler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten ist der Auffassung, daß es nicht angängig ist, darauf zu verzichten, im Rahmen dieser Haushaltsdebatte die agrarpolitischen Probleme zu besprechen. Ich werde angesichts der fortgeschrittenen Zeit das, was ich glaube sagen zu müssen, .so konzentriert wie möglich sagen. Ich bedauere, daß es so spät geworden ist; das ist aber nicht unsere Schuld. Wir Bauern sind es ja gewohnt, Überstunden zu machen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Sie dürfen mir glauben, meine Damen und Herren, daß ich seit gestern morgen gebeten worden bin, nicht das Wort zu ergreifen. Es fällt mir nicht ganz leicht, diesem Wunsch nicht nachzukommen, also trotzdem zu sprechen. Wenn ich nicht wirklich glaubte, etwas zu sagen zu haben, würde ich Ihnen den Gefallen getan haben.
    Mit der Annahme des Einzelplans 10 werden dem Bundesernährungsminister wieder einmal die Mittel an die Hand gegeben, die Maßnahmen des Grünen Planes zu verwirklichen. Diese Verhandlungen scheinen mir ,der rechte Augenblick zu sein, um festzustellen, daß das Parlament sich den Wünschen der Landwirtschaft noch niemals versagt hat. Ich stelle dies in einer Zeit fest, in der draußen eine zunehmende Kritik an der Agrarpolitik geübt wird und in der der soziale Abstieg der Landwirtschaft zwar ganz allgemein erkannt wird, über seine Ursachen aber sehr unterschiedliche Auffassungen bestehen. Es wird nach unserer Auffassung Zeit, daß angesichts der babylonischen Verwirrung der öffentlichen Meinung, aber auch in so manchen Amtsstuben und Redaktionen einige Feststellungen getroffen werden, deren Richtigkeit nicht bestritten werden kann und von denen wir bei unseren weiteren Überlegungen ausgehen müssen.
    Erstens. Die Verschuldung der Landwirtschaft ist im Durchschnitt der Jahre um eine Milliarde jährlich gestiegen. Das ist kein „Gerede", wie wir es kürzlich von sehr verantwortlicher Seite hören mußten, sondern eine sehr bedauerliche und ernst zu nehmende Tatsache.
    Zweitens. Netto-Investitionen wurden in etwa gleicher Höhe vorgenommen, also mit Schulden bezahlt, während gleichzeitig in der industriellen Wirtschaft gewaltige Investitionen über den Preis finanziert wurden und laufend beträchtliche Reserven gebildet werden konnten.
    Drittens. Die landwirtschaftlichen Löhne hinken nach wie vor um 40 bis 60 % hinter denen der vergleichbaren Zweige der gewerblichen Wirtschaft her. Die Auffassung des Herrn Bundesernährungsministers, daß es nur 33 % seien, was ja auch viel zuviel wäre, ist nur dann einigermaßen richtig, wenn die Entlohnung ,der familieneigenen Kräfte nicht berücksichtigt wird. Für sie stehen, wenn auf jegliche Kapitalverzinsung verzichtet wird, 2,83 Milliarden DM zur Verfügung, was einschließlich Kost und Logis 75 Pf pro Arbeitsstunde und Arbeitskraft ausmacht.
    Viertens. Die Landflucht besteht nicht nur dort weiter, wo sie, wie wir ebenfalls einmal hören mußten, den Bestrebungen der Regierung entgegenkommt, sondern auch da, wo ihre Beseitigung eines der vordringlichsten Anliegen aller sein sollte, die die Erhaltung einer bodenständigen Landwirtschaft bejahen.
    Fünftens. Während in großen Teilen der übrigen Wirtschaft die Preise ganz allgemein laufend angestiegen sind und zum großen Teil durch Kartelle, Monopole und Preisbindungen .der zweiten Hand — darüber haben wir heute sehr viel Zutreffendes gehört — auf einer volkswirtschaftlich nicht mehr zu verantwortenden Höhe gehalten wurden, ist die Landwirtschaft mit ihren Preisen für eine ganze Reihe von ausschlaggebenden Verkaufsprodukten dort stehengeblieben, wo sie 1951 stand. Teilweise befindet sie sich sogar darunter. Wenn trotzdem die Verbraucher auch für Lebensmittel laufend mehr zahlen mußten, so ist die Landwirtschaft hierfür nicht verantwortlich. Es ist eine Tatsache, daß der Anteil der Erzeuger an den Endpreisen für landwirtschaftliche Produkte ständig niedriger geworden ist, während gleichzeitig die Gestehungskosten gestiegen sind.
    Die Agrarpolitik der Bundesregierung hat lange darauf verzichet, die landwirtschaftlichen Preise in eine richtige Relation zu der allgemeinen Preisentwicklung zu bringen, und jetzt kann sie es nicht mehr. Der im Jahre 1953 noch einmal bekundete freiwillige Verzicht auf höhere Preise hätte die glücklichsten Folgen zeitigen können, wenn man in der übrigen Wirtschaft ebenso gehandelt hätte. Dann wäre zwar an manchen Stellen sehr viel weniger verdient worden, aber wir wären dann dem Ziel der sozialen Marktwirtschaft wesentlich näher gekommen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Dann wäre auch die Lohn-Preis-Spirale nicht durch eine Preis-Lohn-Spirale ausgelöst worden. Schließlich wäre die preispolitische Eingliederung des agrarischen Sektors in die nun erforderliche europäische wirtschaftliche Neuordnung sehr viel einfacher gewesen.
    Wir können deshalb nur bedauern, daß die Erwartung des Herrn Bundesernährungsministers einer Senkung der Preise für landwirtschaftliche Produktionsmittel dem allzu einseitigen Gewinnstreben der industriellen Wirtschaft zum Opfer gefallen ist. Es war eine Utopie des Herrn Bundesernährungsministers, eine schöne Utopie, aber nur eine Utopie. Zu lange hat die deutsche Agrarpolitik gezögert, aus dieser Entwicklung die allein möglichen Folgerungen zu ziehen. Noch im März 1957 erklärte der Herr Bundesernährungsminister, daß der Landwirtschaft über den Preis nicht geholfen



    Köhler
    werden könne, — um sich dann ein Jahr später selber zu korrigieren. Daß die Subventionen und andere Hilfen nur ein schlechter Ersatz für kostendeckende Preise sind, habe ich im Februar hier eingehend begründet; ich will nicht wieder darauf zurückkommen.
    Die Landwirtschaft hat nun versucht, dieser Lage durch immer größere Anstrengungen, d. h. durch Mehrerzeugung sehr großen Ausmaßes zu entrinnen. Das Ergebnis ist, daß heute auf vielen Gebieten die Bedarfsgrenze ganz oder beinahe erreicht wurde und auf einigen Märkten Überangebote bestehen. Das hat zu einer Situation geführt, die den Herrn Bundesernährungsminister vor kurzem veranlaßt hat, den gequälten Ausruf zu tun: Man soll mir doch einmal sagen, wie ich in einer Zeit der Überproduktion kostendeckende Preise erzielen soll. — Leider wußte er das in der Zeit, als wir noch keine Überproduktion hatten, auch nicht.
    Es verdient festgehalten zu werden, daß die durch rückläufige Preise bei Veredelungsprodukten verursachten Mindererlöse die Subventionen und Förderungsmittel voll aufwiegen und dadurch um ihre Wirkung bringen. Auf der anderen Seite sehen wir, wie durch Subventionen verbilligte Düngemittel trotz enormen Mehrverbrauchs im Preise ansteigen. Ja, wir haben das zweifelhafte Vergnügen, zu sehen, daß der deutsche Stickstoff um 15 % billiger ins Ausland geliefert wird als an die deutsche Landwirtschaft. Wir müssen feststellen, daß trotz des Kartellgesetzes noch immer weitere Lieferanten von landwirtschaftlichen Produktionsmitteln zur Methode der Preisbindung der zweiten Hand übergehen, so z. B. auch die Schlepperindustrie. Bei dieser vollzieht sich jetzt zwar unter dem Druck der Verhältnisse eine leichte Wandlung, aber ob sie wirksam wird, muß die Zukunft zeigen. Die deutsche Landwirtschaft muß tagtäglich im freien Wettbewerb auf den Märkten konkurrieren. Bei den Herstellern ihrer Produktionsmittel wird dieser Wettbewerb weitgehend ausgeschaltet. Man möge einmal nachlesen, was Professor Plate über das große Ausmaß der stillen und völlig geräuschlosen Interventionen im industriellen Sektor auszusagen hat. Wäre die Zeit nicht so kostbar, würde ich mich hierüber verbreiten.
    Nun, lesen Sie einmal die optimistische Voraussage des Bundesernährungsministers in seinem Grünen Bericht 1958: Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß für 1958/59 die Aussichten noch ungünstiger sind und daß wir es lediglich einer Reihe von überdurchschnittlichen Ernten zu verdanken haben, daß die Landwirtschaft sich bisher mühsam durchquälen konnte. Die deutsche Landwirtschaft steht wahrhaftig in keiner günstigen Ausgangsposition, wenn es nun in die EWG hineingeht. Die ersten Schritte muß die deutsche Landwirtschaft ohne liquides Eigenkapital tun und ohne daß man ihr die Möglichkeit gegeben hat, durch Verbesserung ihrer Einnahmen ihre Betriebe zu modernisieren und so die notwendigen Voraussetzungen für einen guten Start zu schaffen. Das wiegt um so schwerer, als einige Partner der Europäischen
    Wirtschaftsgemeinschaft nicht nur durch Klima und bessere Böden bedingte günstigere Voraussetzungen mitbringen, sondern zum Teil - besonders Frankreich — auch noch sehr viel größere Produktionsreserven haben als wir.
    Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft entstand in Fortsetzung der Politik der Bundesregierung, über eine wirtschaftliche Integration Teileuropas das politische Ziel zu erreichen, das ihr mit dem EVG-Vertrag zu erzielen 1952 nicht gelang. Ob es ihr jetzt gelingen wird - angesichts der politischen Entwicklung in Frankreich —, läßt sich wohl kaum übersehen.
    Ich kann nur sagen, daß meine Partei, die aus guten Gründen seinerzeit den EVG-Vertrag ablehnte, in der Freihandelszone eine Möglichkeit sieht, manche Gefahren und Unzulänglichkeiten des EWG-Vertrags zu beseitigen. Ohne die Freihandelszone wird die EWG immer nur Stückwerk bleiben und nicht zum geeinten Europa hinführen, sondern zu seiner weiteren Teilung. Es erscheint jedoch notwendig — besonders angesichts der Verhandlungen, die jetzt in Stresa geführt werden —, unmißverständlich zu erklären, daß das Werden Europas, wovon wir vorläufig nur bescheidene Anfänge sehen, nicht schon in seinem Entstehen mit einer Opferung lebenswichtiger landwirtschaftlicher Interessen erkauft werden kann.
    Die Landwirtschaft ist bei ,den Verhandlungen über den EWG-Vertrag nicht beteiligt worden. Wir würden es begrüßen, wenn wir im Rahmen der jetzigen Auseinandersetzungen um die Gestaltung der Freihandelszone im Ernährungsausschuß Näheres darüber erfahren könnten, ob und welche Möglichkeiten der Mitarbeit für die Vertreter der Landwirtschaft jetzt bestehen. Das bisherige Schweigen ist beunruhigend. Wir können uns nicht die weitverbreitete Auffassung zu eigen machen, daß in der EWG die agrarischen Lösungen eine größere Anlaufzeit hätten und daher nicht besonders aktuell seien und daß auch in der Freihandelszone nichts so heiß gegessen werde, wie es gekocht wird. Wir glauben vielmehr, daß schon im Entstehen dieser neuen Wirtschaftsordnung auch für die deutsche Landwirtschaft auf lange Zeit hinaus — vielleicht für alle Zeiten — eine schicksalhafte Entscheidung getroffen wird und daß das Terrain, das jetzt verlorengeht, niemals wieder zurückerobert werden kann.
    Leider müssen wir aus Äußerungen des Herrn Bundesernährungsministers — auch aus solchen der letzten Zeit — entnehmen, daß er die Lage der Landwirtschaft nicht realistisch genug sieht. Das aber ist die erste Voraussetzung für ein zähes und erfolgreiches Verhandeln. Wir vermissen in der Agrarpolitik eine Schau, die die Dinge im Zusammenhang sieht und sich nicht darauf beschränkt, bald die eine und bald die andere verfahrene Situation — sie sind beinahe Legion — mit oder ohne Erfolg zurechtzurücken. Und die Bauern im Lande müssen auch endlich wissen, ob sie mehr oder weniger erzeugen sollen, was sie künftig noch erzeugen sollen und was nicht. Das ist zwar eine etwas vereinfachende Formulierung, das gebe ich zu; aber



    Köhler
    sie umreißt die allgemein bestehende betriebswirtschaftliche Unsicherheit. Wir werden eine planvolle Lenkung der Erzeugung nicht mehr entbehren können, und je mehr wir das mit betriebswirtschaftlichen und marktkonformen Mitteln tun, um so mehr können wir auf dirigistische Maßnahmen, wie sie niemand schätzt, verzichten. Künftigen Schweinebergen müssen wir dadurch begegnen, daß aus der Marktforschung rechtzeitig Folgerungen gezogen werden, daß eine Futtermittelpolitik getrieben wird, die der bodengebundenen Schweinemast einen Vorteil gegenüber der gewerblichen Schweinemast bietet und daß, wenn die E- und V-Stelle noch einmal Schweine aus den Märkten herausnehmen muß, dann lieber Schweine mit 120 Pfund als mit 240 Pfund herausgenommen werden. Das ist billiger und sehr viel wirkungsvoller. Daß die Einfuhrpolitik mehr als bisher der Marktlage angepaßt werden muß, versteht sich von selbst.
    Vor künftigen Roggenbergen schützt uns nur eine durchaus mögliche Einschränkung des Anbaus von Roggen auf den besseren Böden. Mit der jetzt erfolgten Herabsetzung der Lieferprämie trifft man den Roggenanbau ganz allgemein, am härtesten dort, wo die ärmsten Böden sind. Die Herabsetzung der Lieferprämie wird an den Anbauverhältnissen nichts ändern, sondern lediglich die Einnahmen verringern. Den geringeren Böden, die — ganz gleich, wie der Preis ist — Roggen anbauen müssen, ob sie wollen oder nicht, ist nur mit einer Anhebung des Futtergerstenpreises auf etwa Roggenpreishöhe und mit einer fühlbaren Erhöhung des Preises für kleberhaltige Weizensorten geholfen. Dadurch geht der Roggenanbau auf den besseren Böden ganz von selbst zurück.
    Hinzu kommen muß dann aber auch eine Verbesserung der Fruchtfolgemöglichkeiten durch Förderung des Rapsanbaues. Wir sind gerade jetzt Zeugen der Verhandlungen des Herrn Bundesernährungsministers mit der Margarineindustrie über die Rapsbeimischung. Wir können wohl annehmen, daß es der Herr Bundesernährungsminister als einen Erfolg ansieht, wenn er bei von 750 DM auf vielleicht 640 DM herabgesetzten Preisen eine Erhöhung der Beimischung von 5 % auf 71/2 % erreicht. In Schweden werden z. B. 26 % beigemischt, und man kann sogar bis auf 30 % gehen. Das sind meine allerletzten Informationen, die absolut zutreffend sind. In der Bundesrepublik sträubt sich die Margarineindustrie unter Führung des Unilever-Konzerns schon gegen eine so geringe Beimischung. Sie erregt sich darüber, daß — wie sie es nennt - die „unvernünftige" Ausdehnung des Rapsanbaues in der Bundesrepublik weitere Fortschritte macht. Dabei haben wir etwa 45 000 ha mit Raps angebaut gehabt und die sehr viel kleinere schwedische Landwirtschaft 176 000 ha.
    Wenn der Raps die Bedeutung als Regulator innerhalb der Fruchtfolge gewinnen soll, die er haben kann und auch haben muß, werden auch wir zu einer wesentlich höheren Beimischung kommen müssen. Dieselbe Margarineindustrie, die in Deutschland einen Schutz genießt, wie ihn kaum ein anderer Wirtschaftszweig aufweisen kann, deren Rohstoffe vollkommen abgabefrei hereinkommen und deren Fertigfabrikate mit einem prohibitiven Zoll geschützt sind, muß erkennen, daß auch sie sich in den Dienst allgemeinwirtschaftlicher Überlegungen zu stellen hat.

    (Beifall bei der FDP.)

    Die Neuregelung bringt der Margarineindustrie ganz erhebliche Vorteile. Während sie bisher 5 % zum Inlandpreis übernahm, sind es jetzt 7,5 %, sofern überhaupt so viel geerntet wird, was fraglich ist. Die Differenz zum Weltmarktpreis wird aus den Mitteln des Grünen Planes bestritten. Der Rücklieferungspreis für Rapsschrot bleibt jedoch in alter Höhe - nach Verlautbarung der Margarineindustrie - bestehen.
    Es ist schwer, das noch zu verstehen. Angeblich verfügt die deutsche Margarineindustrie nicht über eine Rezeptur, die es ihr ermöglicht, Rüböl ohne geschmackliche Beeinträchtigung der Margarine zu verarbeiten. Nun, dann soll man sich diese Rezeptur aus Schweden holen. Eine solche Ausrede kann nicht ernst genommen werden. Man möchte möglichst erst gar nicht den Anfang mit der Beimischung machen. Auch die bisher übernommenen 5 % sind ja angeblich gar nicht beigemischt worden. Man möchte nicht den Anfang machen, weil das zu einer Weiterentwicklung führen könnte, die den privatwirtschaftlichen Interessen der Margarineindustrie zuwiderläuft, und die deutsche Landwirtschaft macht das offenbar mit.
    Italien und Frankreich räumen ihrem eigenen Oliven- und Ölfrüchteanbau eine absolute Priorität ein. Frankreich bezahlt erhebliche Subventionen, und in Italien schirmt man sich durch Kontingente und Zölle ab. Beide Länder können es sich gar nicht leisten, ihren Ölfruchtanbau dem. Weltmarkt zu opfern. Sie werden also als Partner der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in dieser Hinsicht eine Haltung einnehmen müssen, die auch unserem Rapsanbau zugute kommt.
    Im übrigen würde eine Abschirmung des europäischen Ölanbaus gegenüber dem Weltmarkt der gesamten europäischen Milchwirtschaft zugute kommen. Das wäre wirklich einmal ein lohnendes Ziel und eine konstruktive europäische Agrarpolitik.

    (Beifall bei der FDP.)

    Das Kernproblem für die Landwirtschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wird der Getreidepreis und in allererster Linie der Futtergetreidepreis werden. Dieser wird künftig das Preisniveau aller Bodenfrüchte bestimmen. Er bestimmt aber auch den Preis für die Veredelungsprodukte.
    In der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist noch viel Platz für Futtergetreide und nur wenig Platz mehr für Brotgetreide. Es ist auch kaum noch Platz für Veredelungsprodukte. Auskömmliche Futtergetreidepreise entlasten das Brotgetreide, und sie wirken einer Überproduktion an Veredelungserzeugnissen entgegen, für die einfach der Markt fehlt.
    Nachdem ich in der Diskussion zum Grünen Bericht Grundsätzliches zu der Preispolitik des Herrn



    Köhler
    Bundesernährungsministers gesagt habe, will ich heute darauf verzichten. Aber angesichts seines Hinweises, daß ei- nicht nur Minister für die Erzeuger, sondern auch für die Verbraucher ist — was im übrigen von niemandem bestritten wird —, wiederhole ich, was ich bereits im Februar sagte, daß kein vernünftiger Mensch es für möglich hält, eine Agrarpolitik gegen die große Masse der Verbraucherschaft zu machen.

    (Abg. Pelster: Wenn Sie das nur einsehen!) — Hoffentlich sind wir da auf einer Linie.


    (Abg. Pelster: Ich sehe es ein!)

    — Das freut mich ganz besonders. Ich bin den Beifall aus Ihren Reihen gar nicht so sehr gewohnt.
    Aber angesichts der in vielen Fällen absolut parallel laufenden Interessen dieser beiden großen Schichten sollte es möglich sein, Verbraucher- und Erzeugerinteressen aufeinander abzustimmen. Dieser Aufgabe sollte sich jeder unterziehen, der die soziale Marktwirtschaft befürwortet.
    Ich halte es für das größte Unglück, daß die Agrarpolitik es nicht zuwege gebracht hat, diese beiden großen Gruppen einander näherzubringen. Durch viele unrichtige und unbedachte Äußerungen von sehr maßgeblicher Seite wurde das Verhältnis zwischen Erzeugern und Verbrauchern schwer belastet. Damit ist ein Kapital verlorengegangen, dessen Verlust ich viel höher schätze als die 10 Milliarden DM Schulden, die wir noch haben.
    In der Lage, in die die deutsche Landwirtschaft ohne ihre Schuld und nicht zuletzt durch eine unzulängliche Agrarpolitik hineingeraten ist — und zwar schon in einer Zeit, in der wir noch weitab von einer Bedarfsdeckung waren und tagtäglich von dem sogenannten Wirtschaftswunder sprachen
    muß sie jetzt hart um ihre Existenz kämpfen. Die Zeit des Hinhaltens, des Abwartens und der halben Maßnahmen muß endlich vorbei sein, wenn es kein Unglück geben soll. Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß ich nicht später einmal hier an diesen Satz erinnern werde.
    Mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Werden der Freihandelszone steht die deutsche Landwirtschaft am Scheidewege. Sie kann und darf sich nicht in eine Richtung drängen lassen, die zu ihrer Preisgabe führen muß. Ich glaube, daß es notwendig ist, das hier einmal zu sagen und das Parlament auf eine Lage aufmerksam zu machen, die niemand gleichgültig lassen kann und die zu großer Sorge Anlaß gibt.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Logemann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Logemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich bei meinen Ausführungen zur Agrarpolitik auf eine grundsätzliche Stellungnahme in der dritten Lesung des Etats beschränken. Ich darf mir aber einleitend eine Vorbemerkung gestatten, und zwar über die letzten dreiviertel Jahre Agrarpolitik, die ich hier in Bonn miterleben durfte. Ich habe den Eindruck bekommen, daß sich in ,diesen dreiviertel Jahren, wie auch schon in den vergangenen Jahren, die agrarpolitischen Entscheidungen mehr und mehr vom Parlament in das Bundesernährungsministerium hineinverlagert haben. Meine Damen und Herren! Das ist zum Teil zwangsläufig bedingt durch die Tatsache, daß die Bundesregierung den Auftrag hat, durch ihren Grünen Bericht und Grünen Plan über die Situation der Landwirtschaft zu berichten. Der Grüne Plan ist auch das Kernstück des Etats. Es ist also zuzugeben, daß diese Entwicklung hier etwas zwangsläufig ist, aber trotz alledem, ist es notwendig, daß wir, sowohl Koalition als auch Opposition uns im Ernährungsausschuß sehr gründlich mit den verschiedenen Problemen der Agrarpolitik beschäftigen. Ich meine also, daß es künftig angebracht wäre, den Grünen Bericht früher vorzulegen und den Grünen Plan früher einzubringen, damit im Ernährungsausschuß für eine intensive Beratung mehr Zeit verbleibt, als dies bisher der Fall gewesen ist.
    Ich bedauere auch sehr, daß der Haushaltsausschuß die Etatberatungen vor dem Ernährungsausschuß durchgeführt hat. Ich halte auch das für eine sehr unglückliche Lösung. Es müßte künftig wieder umgekehrt verfahren werden. Ich habe aber noch eine ganz besondere Sorge hier in diesem Zusammenhang anzumelden. Wichtige agrarpolitische Entscheidungen, z. B. die Durchführungsverordnung zum Getreidepreisgesetz, sind dem Ernährungsausschuß nicht mehr vorgelegt worden und konnten von ihm nicht beraten werden. Dabei sind diese Ausschußvorlagen, die wir nicht beraten können, doch von ganz besonderer Wichtigkeit für die Agrarpolitik. Sie wissen, wir haben uns im Getreidepreisgesetz bemüht, die Getreidepreise etwas höher zu staffeln, aber es ist möglich, mit dieser Durchführungsverordnung, insbesondere durch die Feuchtigkeitsregelung, dem Bauer wieder einen Teil der Vergünstigungen zu nehmen, die er durch das Gesetz bekommen hat. Ich halte es auch für sehr bedenklich — auch das können wir nicht hinnehmen —, daß so wichtige Vorlagen, wie sie jetzt zur Rapspreisgestaltung und zur Abnahmeregelung geplant sind, nicht im Ausschuß beraten werden. Es ist doch wichtig, uns solche Vorlagen vorzulegen. Besonders wichtig sind aber in diesem Zusammenhang all die Maßnahmen, die in der Handelspolitik erfolgen und die auf die Entwicklung in der Agrarpolitik einen erheblichen Einfluß haben. Ich finde, daß gerade aus diesem Grunde versucht werden sollte, ,doch von seiten des Ausschusses noch zu einer intensiveren Mitarbeit in .der Agrarpolitik zu kommen. Das ist ein Anliegen, das wir alle vertreten sollten.
    Nun aber, meine Damen und Herren, zur Agrarpolitik! Hier möchte ich mit ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen beginnen, die der Herr Finanzminister Etzel zum Agraretat dieses Jahres gemacht hat. Ich bin der Auffassung, Herr Minister, daß gerade diese Ausführungen das Kernproblem der Agrarpolitik berühren. Zunächst haben Sie Ihre



    Logemann
    Sorgen über einen immer höheren Agraretat zum Ausdruck gebracht, Ich kann diese Sorgen durchaus verstehen. Es ist in der Tat so, daß ,der Einzelplan 10 in den letzten Jahren immer höher geworden ist. Aber wir sollten hier ganz ehrlich sein und erkennen, daß viele Positionen dieses Etats nicht nur der Landwirtschaft zugute kommen, sondern — ich denke an ,die Kosten der Vorratshaltung — diese Maßnahmen doch auch von erheblichem Nutzen für die Allgemeinheit sind. Aber eine Erhöhung des Etats bleibt immerhin, und daran kommen wir nicht vorbei.
    Nun sehen Sie, Herr Finanzminister, mit ungutem Gefühl — so haben Sie es ausgedrückt — vor allen Dingen die Mittel an, die im Etat zur Qualitätsverbesserung der Milch und zur Düngemittelverbilligung eingesetzt worden sind. Mit der gleichen Sorge haben Sie dann die steigenden Kosten der Vorratshaltung erwähnt. Sie haben hinzugefügt, daß es der Wunsch des Finanzministers sei, zu einem Abbau dieser Ausgaben, soweit sie einer vielfältigen Preissubvention dienten — so haben Sie sich ausgedrückt —, zu kommen, und daß dafür mehr Mittel für allgemeine strukturverbessernde Maßnahmen in der Landwirtschaft einzusetzen seien.
    Ähnliche Forderungen hat hier von der linken Seite des Hauses der Abgeordnete Kriedemann kürzlich bei der zweiten Lesung vertreten. Sie haben mit dieser Stellungnahme bei der Einbringung des Etats sehr wichtige Probleme der Agrarpolitik angesprochen, auf die ich nun noch einmal näher eingehen möchte.
    Tatsache ist — das ist vorhin schon zum Ausdruck gebracht worden, und ,das können Sie auch im letzten Grünen Bericht wiederum lesen —, daß die Lage der Landwirtschaft trotz erheblich erhöhter Beträge sowohl im Etat als auch im Grünen Plan gegenüber vergleichbaren Berufen schlechter geworden ist. Damit ist also deutlich geworden, daß wir dem Ziel des Landwirtschaftsgesetzes trotz gesteigerter Maßnahmen doch nicht nähergekommen sind. Der Grüne Bericht 1958 zeigt es ganz klar.
    Ich möchte nicht weiter auf Einzelheiten eingehen, sondern nur einen Hinweis zur neuesten Situation geben. Im Augenblick beträgt der Abstand zwischen Industrielohn und Landarbeiterlohn 94,3 Pf; im Jahre 1950 betrug er nur 36 Pf. Ich kann auch noch darauf hinweisen, daß gerade das Einkommen der familieneigenen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft in den letzten Jahren gegenüber vergleichbaren Berufen sehr erheblich zurückgegangen ist. Dies alles ist geschehen, meine Damen und Herren, obwohl die Landwirtschaft ihre Erzeugung in den letzten Jahren um 20 % steigerte, und trotz der Tatsache, daß auch die Produktivität je Arbeitskraft in der Landwirtschaft in den Jahren von 1950 bis 1956 um 46 % gestiegen ist; die Vergleichszahl für die allgemeine Wirtschaft ist 37 %. Wir können also feststellen, daß die Landwirtschaft versucht hat, die Produktivität zu steigern und ihre Leistungen weiterhin zu verbessern.
    Meine Damen und Herren, indem ich das feststelle, befinde ich mich in guter Gesellschaft mit unserem Landwirtschaftsminister, Herrn Lübke, der vor einigen Monaten vor der CDU/CSU-Fraktion laut Pressemeldungen gesagt hat, daß das landwirtschaftliche Einkommen etwa um anderthalb Jahre hinter dem Einkommen der anderen Wirtschaftszweige herhinkt. Ich bin allerdings der Auffassung, daß es nicht anderthalb Jahre, sondern ein noch längerer Zeitraum ist.
    Diese Tatsachen beweisen, daß die bisherigen Mittel im Grünen Plan nicht entsprechend zum Zuge gekommen sind. Die Ursache liegt darin, daß die Löhne in nach dem Landwirtschaftsgesetz vergleichbaren Berufen mehr gestiegen sind als die Preise der Landwirtschaft und daß vor allen Dingen auch die Preise für landwirtschaftliche Betriebsmittel mehr gestiegen sind als das Agrarpreisniveau zusammen mit den Mitteln aus den Etats und der Grünen Pläne. Die Landwirtschaft hat also — das möchte ich dazu abschließend sagen — trotz erhöhter Erzeugerpreise bei einzelnen Erzeugnissen im gesamten Agrarpreisniveau mehr verloren, als die erhöhten Beträge aus dem Etat und dem Grünen Plan der Landwirtschaft gebracht haben.
    Meine Damen und Herren, wenn wir das erkennen, müssen wir daraus auch gewisse Folgerungen für die Agrarpolitik ziehen. Wenn schon die bisherigen Mittel des Etats nicht ausreichten, uns dem Ziel des Landwirtschaftsgesetzes näherzubringen, kann die Landwirtschaft nicht noch Positionen im Etat und im Grünen Plan aufgeben.
    Ich komme damit auf einen zweiten Einwand zu sprechen. Herr Minister Etzel sagte, daß er bei den Preissubventionen ein ungutes Gefühl habe. Herr Minister, auch wir Bauern haben ein ungutes Gefühl dabei. Aber wir können im Moment irgendwelche Positionen nicht aufgeben oder verlagern, wie Sie es tun möchten. Sie möchten ja von Preisstützungen durch Förderungsmittel zu strukturverbessernden Maßnahmen kommen. Das geht im Augenblick nicht, weil diese Positionen notwendig sind, damit wir den Vergleichslohn erreichen. An sich wäre Ihr Einwand durchaus berechtigt, wenn in ordnungsgemäß geführten bäuerlichen Familienbetrieben, in Betrieben ohne Strukturmängel wie zersplitterte Flurlage oder wasserwirtschaftliche Belastung ein Einkommen erzielt würde, das es gestattete, den Vergleichslohn zu zahlen. Nach dem Grünen Bericht erreicht aber nur eine ganz kleine Spitzengruppe dieses Ziel; sie ist so klein, daß man sie in der Statistik mit der Lupe suchen muß. Wir können daher nicht die Positionen abbauen, die zur Zeit ,der Verbilligung von Düngemitteln oder der Qualitätsverbesserung von Milch dienen.
    Wir sollten in der Agrarpolitik, so möchte ich vorschlagen, den ordnungsgemäß geführten bäuerlichen Familienbetrieb als Modell ansehen. Wir müssen uns dann bemühen, in diesen Betrieben, in denen kein Nachholbedarf vorhanden ist, über das allgemeine Preisniveau und eine sofortige Unkostensenkung einen Ausgleich zu erreichen. Damit würden wir zunächst wenigstens zu dem Ziel der Agrarpolitik gelangen, das die Fraktion der Deutschen Partei mit den verschiedensten Anträgen seit Jahren anstrebte.



    Logemann
    Ich wiederhole es: für den ordnungsmäßig geführten bäuerlichen Familienbetrieb, also für den Modellbetrieb der Agrarpolitik, sollte auf dem Wege über das allgemeine Agrarpreisniveau die Zahlung des Vergleichslohns ermöglicht werden; hinzukommen müssen Unkostensenkungsmaßnahmen mit sofortiger Wirkung, die in die gleiche Richtung zielen sollen.
    Die zweite Aufgabe der Agrarpolitik ist es nach Auffassung meiner Freunde, dafür zu sorgen, daß für Betriebe mit Nachholbedarf die zusätzlichen Maßnahmen des landwirtschaftlichen Strukturprogramms durchgeführt werden. Wir haben einen Entschließungsantrag eingebracht, der von dem Gedanken ausgeht, daß eine Verstärkung strukturverbessernder Maßnahmen im Rahmen des Grünen Plans notwendig ist. Der Entschließungsantrag ist von der CDU/CSU unterstützt worden. Der Antrag will vor allen Dingen besondere Vergünstigungen im Rahmen der Maßnahmen des Grünen Plans für landwirtschaftliche Betriebe in sogenannten gefährdeten Standorten schaffen. Auf Grund der bisherigen Erfahrungen bei der Durchführung der Maßnahmen des Grünen Plans sind wir der Auffassung, daß man versuchen muß, die landwirtschaftlichen Betriebe noch stärker einzubeziehen, die unter besonders schwierigen, naturbedingten Verhältnissen wirtschaften müssen. Das ist ein sehr wichtiges Anliegen, dem wir in Zukunft unsere Aufmerksamkeit schenken müssen. Wir denken vor allen Dingen an Vergünstigungen für Betriebe im Küstenplangebiet, in den Marschen, aber auch an Betriebe, die durch eine besonders hohe Wasserhypothek belastet oder durch Marktferne gehemmt sind. Wir denken aber auch genauso an die Betriebe, die in Berglagen und durch andere wirtschaftliche Nachteile beeinträchtigt sind, Nachteile, die sich aus der naturbedingten Lage dieser Wirtschaften ergeben. Man muß im Grünen Plan künftig speziell für diese Betriebe Erleichterungen schaffen. Es geht uns um Vergünstigungen, wie zum Beispiel die Herabsetzung der finanziellen Eigenleistung, die der Grüne Plan bei den verschiedensten Maßnahmen verlangt. Es ist angebracht, diese finanzielle Beteiligung auf ein angesichts der vorhandenen Vorbelastung wirklich tragbares Maß zu senken. Es wäre durchaus zu verantworten, in extremen Notlagen, zum Beispiel bei Bergbauern, vertriebenen Landwirten, die finanzielle Eigenleistung völlig in Fortfall kommen zu lassen.
    Man muß weiter den Betrieben in Gebirgslagen auch bei der Vermögensabgabe ähnliche Vergünstigungen einräumen, wie sie in den Gebieten des Küstenplans nun schon seit einigen Jahren angelaufen sind, und durch zusätzliche Zinsverbilligungsmaßnahmen diesen Betrieben günstige Rationalisierungskredite zur Verfügung zu stellen. Desgleichen halten wir es für notwendig, in landwirtschaftlich gefährdeten Standorten noch mehr als bisher für landwirtschaftliche Schulen und für die Beratung zu tun. Auch das scheint mir ein sehr wichtiges Anliegen zu sein.
    Man muß auch anerkennen, daß gerade diese armen Landgemeinden nur auf die Steuerkraft der landwirtschaftlichen Betriebe angewiesen sind. Man sollte daher die Durchführung der Maßnahmen des Grünen Plans auch für die Gemeinden erleichtern.
    Als weitere Vergünstigung könnten noch Sondermittel für bauliche Verbesserungen, zur Hebung der Arbeitsproduktivität und für andere Dinge, die speziell in den wirtschaftlich benachteiligten Gebieten notwendig sind, gewährt werden.

    (den ich soeben angedeutet habe, als gezielte Maßnahme einzusetzen. Aber es gibt durchaus eine andere Möglichkeit, den Ansatz für die Düngemittelverbilligung zu verringern. Herr Finanzminister, Sie können uns dabei sogar unterstützen. Wenn Herr Bundesminister Erhard es zum Beispiel ermöglicht, daß der Stickstoffdünger der deutschen Landwirtschaft zu demselben Preis geliefert wird, zu dem er zur Zeit exportiert wird, wenn also hier eine Preissenkung von 10 bis 15 % eintritt, dann können wir uns durchaus mit einer Ermäßigung des Betrages für Düngemittelverbilligung einverstanden erklären. Notwendig ist ferner, durch eine Anhebung der Agrarpreise das landwirtschaftliche Preisniveau anzupassen. Dazu möchte ich jetzt vor allen Dingen Ihre Meinung, Herr Finanzminister, hören. Herr Minister, ich frage Sie: Wenn Sie meinen, daß gewisse Umstellungen notwendig sind, welche Vorschläge haben Sie dann für eine Ersatzlösung? Sind Sie der Meinung, daß man die Agrarpreise entsprechend der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung noch besser anpassen muß? Welche Vorschläge können Sie uns machen, die es uns ermöglichen, zu einer sofortigen Unkostensenkung innerhalb der landwirtschaftlichen Betriebe zu kommen? Ich bin der Auffassung, wir sollten künftig in der Agrarpolitik beide Wege gehen, uns bemühen, durch eine Anpassung der Agrarpreise an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung weiterzukommen, und gleichzeitig Maßnahmen für eine allgemeine, sofort wirksam werdende Unkostensenkung zu ergreifen. Abschließend darf ich noch ganz kurz, Herr Finanzminister, zu Ihrer Kritik an den höheren Kosten für die Vorratshaltung Stellung nehmen. Die Landwirtschaft ist in keiner Weise an dieser Entwicklung zu höheren Getreidebergen das ist heute schon ausgeführt worden — mitschuldig gewesen. Wäre die Änderung der Getreidepolitik, wie wir sie jetzt durchgeführt haben, frühzeitiger erfolgt, dann hätte der Roggenberg nicht so hoch zu werden brauchen, wie er heute ist. Die Landwirtschaft hat die Roggenanbaufläche seit Jahren nicht erhöht und auch die Erntemengen nicht vergrößert. Logemann Ursache ist vielmehr die falsche Relation zwischen Roggenpreis und Futtergetreidepreis. Hätte man das Anliegen meiner Freunde schon frühzeitig im 2. Bundestag berücksichtigt und die Getreidepolitik schon vor Jahren auf diese Richtung umgestellt, dann wären wir vor diesem Roggenberg bewahrt geblieben. Nach meiner Auffassung ist eine Ermäßigung des Etatvolumens nicht möglich. Für uns ergibt sich aber die große Gefahr, daß dieses Etatvolumen weiterhin durch die allgemeine Wirtschaftsund Handelspolitik entwertet werden kann. Hier könnten Sie, Herr Finanzminister, unser besonderer Mitkämpfer werden, da jetzt Maßnahmen gegen Dumping-Einfuhren eingeleitet werden müssen, die vordringlich sind. Die Dumping-Einfuhren haben zu erheblichen Preiseinbrüchen bei Käse, Butter usw. geführt und damit die Beträge entwertet, die Sie im Etat für die Milchwirtschaft, beispielsweise zur Qualitätsverbesserung, eingesetzt haben. Es ist heute schon zum Ausdruck gekommen, daß man angesichts der gedämpften Konjunktur künftig mehr als bisher an die Absatzmöglichkeiten auf dem sogenannten Binnenmarkt denken sollte. Die Landwirtschaft ist in den letzten Jahren auf dem Binnenmarkt mit etwa 12 Milliarden DM als Käufer aufgetreten. Innerhalb der Landwirtschaft — das darf ich hinzufügen — gibt es hier noch ein großes unterentwickeltes Gebiet. Wir könnten hier noch sehr viel mehr kaufen, wenn das Agrarpreisniveau entsprechend ausgerichtet würde. Ich möchte abschließen mit der Bitte, die Vorschläge, die ich Ihnen hier unterbreitet habe, bei künftigen Beratungen zu berücksichtigen. Das Wort hat Herr Staatssekretär Sonnemann vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir bitte in Abwesenheit meines Ministers einige Bemerkungen zu den Ausführungen der Herren Abgeordneten Logemann und Köhler. Ich will versuchen, einige Dinge richtigzustellen, damit keine Mißverständnisse aufkommen. Der Abgeordnete Log e m a n n hat das Entstehen des sogenannten Roggenberges darauf zurückgeführt, daß die Maßnahmen zur Herstellung einer sinnvollen Relation zwischen Weizenund Roggenpreis zu spät gekommen seien, nämlich erst in diesem Jahre. Ich darf darauf hinweisen, daß auch in diesem Jahre von der landwirtschaftlichen Öffentlichkeit und auch von einigen Gruppen des Hohen Hauses erhebliche Bedenken gegen den Abbau der Roggenlieferprämie geltend gemacht worden sind. Diese Bedenken haben aber in der vergangenen Zeit in einem sehr viel stärkeren Maße bestanden. Gegenüber der Darstellung, die Agrarpolitik sei in den vergangenen Jahren einen hilflosen Zickzackweg gegangen, darf ich Ihnen darlegen, aus welchen historischen Umständen die Roggenlieferprämie, die ein wesentlicher Bestandteil des heutigen Roggenpreises ist, entstanden ist. In der Zeit der Korea-Krise, als unsere landwirtschaftliche Produktion keineswegs ausreichte, um unser Volk zu ernähren, auf der anderen Seite aber keineswegs ausreichende Devisen zur Verfügung standen, um den Restbedarf durch Einfuhren zu decken, waren wir sehr darauf angewiesen, die landwirtschaftliche Produktion gewissermaßen à tout prix zu steigern, und zwar durch die Einführung der sogenannten Roggenlieferprämie, die seither im Bewußtsein der Landwirtschaft zu einem Bestandteil des Roggenpreises geworden ist. Ihre Auffassung, Herr Logemann, daß die Landwirtschaft keine Erhöhung der Anbaufläche und keine Steigerung der Hektarerträge bei Roggen vorgenommen habe, ist unzutreffend. Ich darf darauf hinweisen, daß mit der Einführung der Roggenlieferprämie schlagartig die Anbauflächen für Roggen stark nach oben gingen, daß entsprechend ,dem allgemeinen Anstieg der landwirtschaftlichen Produktionsleistung auch ,die Hektarerträge bei Roggen gestiegen sind und ,daß trotz des von der gesamten Öffentlichkeit bemerkten Rückganges im Roggenverzehr die Marktleistungen der Landwirtschaft an Roggen von Jahr zu Jahr zugenommen haben. Sie betrugen im Jahre 1951 noch 41,6 % der Ernte und im Jahre 1957 bereits 46,4 %. Der Grund liegt nicht allein in dem preislichen Anreiz, sondern die Ursache dürfte auch darin liegen, daß in diesen Jahren immer weniger Roggen verfüttert worden ist, obgleich die Landwirtschaft eigentlich die umgekehrte Konsequenz aus dem Anwachsen des Roggenberges hätte ziehen müssen. Damit in Zusammenhang steht das gleichzeitige Anwachsen im Verbrauch der industriell hergestellten Futtermittel. Wir wissen sehr wohl, daß dieses Anwachsen seinen Grund u. a. in der schwindenden menschlichen Arbeitskraft hat bzw. in dem Zwang, menschliche Arbeitskraft zu ersparen. Aber ganz sicher ist es eine volkswirtschaftliche Fehlrechnung, wenn wir den Weg weitergehen, im Lande selbst erzeugte Futtermittel liegenzulassen und darauf zu warten, bis der Staat sie im Wege der Intervention an sich zieht, statt sie auf eine organische Weise im Betrieb zu verfüttern. Die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Logemann zum Umdruck 149 richten sich keineswegs an das Bundesernährungsministerium allein. Das geht auch daraus hervor, daß Sie, Herr Abgeordneter Logemann, einen großen Teil Ihrer Rede an die unmittelbare Adresse des Bundesfinanzministers gerichtet haben. (Zuruf von der SPD: Der gehört ja auch zur Regierung!)





    (Beifall bei der DP.)