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ID0303900200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 39. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1958 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksachen 300, 354, 357, 362 bis 365, 378, 400 bis 404, 408, 412, 413, 440 bis 444, 447, 460 bis 468) ; Zusammenstellung der Beschlüsse zweiter Beratung (Drucksache 490) — Fortsetzung der dritten Beratung — Allgemeine Aussprache Margulies (FDP) . .. . . . . . 2249 C Kurlbaum (SPD) . . . . 2253 B, 2279 D Dr. Steinmetz (DP) 2260 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 2262 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . . 2266 C Dr. Hellwig (CDU/CSU) 2272 A Dr. Starke (FDP) 2277 C Köhler (FDP) . . . . . . . . 2280 A Logemann (DP) 2283 B Dr. Sonnemann, Staatssekretär . 2286 B Bading (SPD) 2289 B Glahn (FDP) . . . . . . . . 2289 C Diekmann (SPD) 2291 A Dr. Schellenberg (SPD) 2293 B Blank, Bundesminister . . 2295 B, 2304 C Mischnick (FDP) 2300 A Frehsee (SPD) . . . . . . . 2301 D Frau Kalinke (DP) 2305 B Pohle (SPD) . . . . . . . . 2308 B Horn (CDU/CSU) 2308 D Rehs (SPD) . . . . . . . . 2309 B Kuntscher (CDU/CSU) . . . . . 2312 D Dr. Nahm, Staatssekretär . . . . 2315 C Weiterberatung vertagt . . . . . . . 2316 D Nächste Sitzung 2317 C Anlage 2319 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1958 2249 39. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Graf Adelmann 7. 7. Frau Albertz 5. 7. Altmaier* 5. 7. Dr. Atzenroth 4. 7. Dr. Barzel 5. 7. Bauknecht 5. 7. Bauer (Würzburg)* 5. 7. Frau Beyer (Frankfurt) 5. 7. Birkelbach* 5. 7. Fürst von Bismarck* 5. 7. Blachstein* 5. 7. Frau Dr. Bleyler 3. 7. Blöcker 4. 7. Burgemeister 5. 7. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 7. Döring (Düsseldorf) 5. 7. Euler 4. 7. Dr. Even (Düsseldorf) 3. 7. Even (Köln) 3. 7. Franke 12. 7. Dr. Friedensburg 5. 7. Frau Friese-Korn 5. 7. Gaßmann 5. 7. Geiger (Aalen) 3. 7. Gerns* 5. 7. D. Dr. Gerstenmaier 2. 8. Gockeln 3. 7. Graaff 4. 7. Dr. Gradl 5. 7. Dr. Greve 5. 7. Hackethal 5. 7. Hahn 3. 7. Dr. Dr. Heinemann 3. 7. Frau Herklotz 3. 7. Heye* 5. 7. Höfler* 5. 7. Frau Dr. Hubert* 5. 7. Jacobs* 5. 7. * für die Teilnahme an der Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Kemmer 5. 7. Kiesinger* 5. 7. Kirchhoff 3. 7. Dr. Königswarter 5. 7. Dr. Kopf* 5. 7. Frau Korspeter 5. 7. Kriedemann 5. 7. Kühn (Köln)* 5. 7. Leber 4. 7. Dr. Lindenberg 5. 7. Lücker (München)* 5. 7. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 5. 7. Dr. Maier (Stuttgart) 5. 7. Frau Dr. Maxsein* 5. 7. Metzger* 5. 7. Dr. Meyer (Frankfurt)* 5. 7. Müller-Hermann 5. 7. Neubauer 5. 7. Frau Niggemeyer 12. 7. Paul* 5. 7. Pöhler 3. 7. Dr. Preiß 5. 7. Pusch 5. 7. Rademacher 5. 7. Ramms 5. 7. Ruf 5. 7. Scheel 5. 7. Schneider (Hamburg) 4. 7. Dr. Schneider (Saarbrücken) 5. 7. Schoettle 19. 7. Schütz (Berlin) 5. 7. Schütz (München)* 5. 7. Frau Dr. Schwarzhaupt 5. 7. Seidl (Dorfen)* 5. 7. Spies (Brücken) 5. 7. Stahl 4. 7. Stenger 4. 7. Struve 5. 7. Teriete 3. 7. Wagner 3. 7. Dr. Wahl* 5. 7. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 5. 7. Welslau 3. 7. Dr. Will 5. 7. Dr. Winter 5. 7. Dr. Zimmer* 5. 7. Zoglmann 5. 7.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Robert Margulies


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen gar nicht bestreiten, daß die Ergebnisse der Wirtschaftspolitik im allgemeinen befriedigend sind, und wir glauben auch, daß wir über die Bedenken, die ich vorzutragen habe, hinwegkommen können, wenn sich Herr Professor Erhard intensiv damit beschäftigt. Ich habe also nicht etwa die Absicht, eine Beunruhigung hervorzurufen, indem ich diese Bedenken vortrage; aber seitdem Herr Professor Erhard beschloß, Politiker zu werden,

    (Lachen in der Mitte)

    hat sein wirtschaftswissenschaftliches Gewissen eine Elastizität angenommen, die uns etwas erschreckt.
    Wir gehen doch davon aus, daß so, wie der Herr Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt — er hat es uns in dieser Woche dargelegt —, der Vizekanzler die Richtlinien der Wirtschaftspolitik bestimmt, er also die Aufgaben der verschiedenen Ministerien, die in ihren Arbeitsbereichen die Wirtschaftspolitik berühren, koordiniert und dann versucht, eine Wirtschaftspolitik aus einem Guß zu schaffen, mit der dann die Ziele erreicht werden können, die als Aufgabe auch dieser Regierung deklariert sind, nämlich der sozialen Marktwirtschaft weiter zum Durchbruch in die Bereiche zu verhelfen, in denen sie zur Zeit noch nicht praktiziert wird, und vor allen Dingen den Wohlstand des Volkes zu sichern.
    Dazu gehört natürlich in erster Linie ein funktionierender Apparat, und ein Professor der Nationalökonomie wird niemals müde, zu sagen, wie



    Margulies
    wichtig es ist, den richtigen Mann auf den richtigen Platz zu setzen, und wie wichtig es ist, die verschiedenen Aufgaben innerhalb großer Betriebe zu koordinieren und übersichtlich zu ordnen. Da fragen wir uns doch, warum das eigentlich im Bundeswirtschaftsministerium in Duisdorf augenscheinlich nicht möglich ist. Wir sehen mit Bedauern, daß so mancher der uns als sehr qualifiziert bekannten Herren inzwischen Duisdorf verlassen hat oder im Begriffe ist, wegzugehen, oder mit dem Gedanken spielt, aus der Behörde auszuscheiden. Da kann doch irgend etwas nicht in Ordnung sein. Wir wären also der Meinung, daß der Herr Minister gerade auf diese Dinge ein besonderes Augenmerk legen und dem Leistungsprinzip zunächst einmal in seinem Haus zum Durchbruch verhelfen sollte.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir haben auch etwas Sorge; denn das Bundeswirtschaftsministerium ist sehr groß geworden. Die Abteilungen stellen fast schon selbständige Ministerien dar; aber wenn es hier schon nicht gelingt, die Arbeit der Abteilungen miteinander zu koordinieren, wie soll es dann erst möglich sein, die Zusammenarbeit mit den vielen Ministerien, deren Arbeitsbereich sich mit dem des Wirtschaftsministeriums überschneidet, in Einklang zu bringen? Da haben wir also einige Bedenken, zumal die sehr löbliche Absicht des Herrn Bundeswirtschaftsministers, auch auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Rüstung ein Auge zu haben, zwar zur Gründung eines Koordinationsausschusses geführt hat, dieses Vorhaben aber doch offenkundig in Resignation geendet hat. Wir haben zumindest gehört, daß einer der Herren zu der Auffassung gekommen ist, diese Aufgabe könne das Verteidigungsministerium allein wahrnehmen.
    Ich will nun keineswegs die Qualitäten der betreffenden Herren des Verteidigungsministeriums bezweifeln, aber wenn man schon die Absicht hatte — wir hielten sie für gut und richtig —, sich mit der Koordinierung auf wirtschaftlichem Gebiet etwas zu befassen, dann wären wir doch daran interessiert, gelegentlich etwas über die Ergebnisse zu hören.
    Meine Damen und Herren! Die soziale Marktwirtschaft, die auf den liberalen Prinzipien beruht, zu denen wir uns bekennen, wird in Deutschland nun seit 1948 mit Erfolg praktiziert. Wir haben ununterbrochen die Wirtschaft zu Höchstleistungen angespornt. Wir halten ständig die Unternehmen und die Unternehmer auf Hochtouren, um zum Teil auch politisch etwas gewagte Unternehmen durchziehen zu können. Es läßt sich gar nicht leugnen, daß die Menschen einfach nicht in der Lage sind, diese Höchstleistungen ununterbrochen zu vollbringen. Es wäre dringend erforderlich, daß die erklärten Absichten des Herrn Bundeswirtschaftsministers, weitere Bereiche unseres Wirtschaftslebens auch unter das Prinzip der Wettbewerbswirtschaft zu stellen, nun endlich einmal zu sichtbaren Erfolgen führten. Wir hören seit Jahren — und kämpfen darum —, daß allmählich einmal die Wohnungszwangswirtschaft aufgehoben werden soll, die doch in sehr krassem Gegensatz zu den sonstigen wirtschaftlichen Prinzipien steht; denn sie bedeutet ja eine entschädigungslose partielle Enteignung des Althausbesitzes, und sie führt laufend zu einer Eigentumsverlagerung auf die öffentliche Hand, für die meistens die gemeinnützigen Gesellschaften mit öffentlichen Mitteln und unter Ausschöpfung des Geldmarktes bauen. Da wäre es doch eigentlich an der Zeit, daß der Koordinator der Wirtschaftspolitik etwas kräftiger darauf drängt, daß hier etwas geschieht.
    Ich erinnere mich all der Vorgänge, bei denen in früheren Zeiten die Folgen der Aufhebung einer Zwangswirtschaft jeweils in den schwärzesten Farben gemalt wurde. Nachher, wenn es vollzogen war, passierte überhaupt nichts. Ich glaube, die letzte derartige Erfahrung war die Aufhebung der Zwangswirtschaft für gewerblich genutzten Raum. Sie werden sich noch erinnern, wie wir stundenlang hier im Hause darüber diskutiert haben, welche Notbremse eingebaut, welche Vorsorge getroffen werden müsse, daß ein Schlichtungsverfahren vorgesehen werden solle. Das ist alles geschehen, und nachher ist es in einem derart geringen Umfang in Anspruch genommen worden, daß es eigentlich schade um die Zeit war, die wir darauf verwendet haben.
    Wir wissen also aus der Erfahrung, daß es bei all den Dingen nur auf den mutigen Schritt ankommt. Ich glaube, darauf, daß dieser mutige Schritt getan wird, hat die Wirtschaft, die seit zehn Jahren gut vorangegangen ist, allmählich einen Anspruch. Es gibt noch andere Gebiete, bei denen wir gar nicht überzeugt sind, daß sie heute noch einer Zwangsregelung unterworfen sein müssen. Ich möchte als Beispiele nur das Bank- und Zinswesen und ebenso die Versicherungen nennen. Wir sind gar nicht überzeugt, daß da heute noch eine solche Zwangsregelung, ein solcher Dirigismus erforderlich ist.
    Man muß sich auch einmal die Konsequenzen vorstellen. Wir beobachten mit großem Bedauern, daß sich innerhalb unserer Wirtschaft ein Konzentrationsprozeß zum Großbetrieb hin vollzieht. Der Mittelstand ist eingezwängt zwischen einer ganzen Reihe von mächtigen Gebilden, die seine Kosten bestimmen. Da ist Kohle, da ist Stahl, da ist 01, da sind die Zinsen, die Versicherungen und für die Lohnkosten die Gewerkschaften, an deren Macht er nicht rühren kann, weil er viel zu klein ist, um darauf einen Einfluß auszuüben, selbst in der Zusammenfassung eines Verbandes. Er befindet sich da ungefähr in der Lage wie seinerzeit der Hund Laika in dem russischen Sputnik, der nur mit dem Schwanz wedeln konnte und von dem man gesagt hat, daß er völlig frei sei. So ungefähr ist die Lage des Mittelstandes, der von allen Seiten in seiner Kostengebarung eingeengt ist, nämlich durch Kosten, an denen er wegen der übergroßen Macht der Gebilde, die diese Kosten bestimmen, nicht rühren kann. Auf seinem kleinen Bereich vollzieht er das, was wir den Wettbewerb nennen.
    Daraus rührt aber auch die Unbeweglichkeit der Preisgestaltung her. Während wir nach der Lehre der Nationalökonomie erwarten, daß die Preise bei rückläufiger Konjunktur heruntergehen und damit



    Margulies
    den Automatismus der Marktwirtschaft herstellen, stellen wir mit Bedauern fest, daß diese erwartete und nach allen Berechnungen zu erwartende Erscheinung eben leider nicht eintritt.
    Im Gegensatz zu dem propagierten Prinzip der breiten Eigentumsstreuung, das wir voll und ganz unterstreichen und das auch unser Anliegen ist, nimmt doch die Steuer den kleineren und mittleren Unternehmen die Initiative. Der Unternehmer kommt gar nicht dazu, Eigenkapital zu bilden, seine Schulden, vor allem seine Bankschulden, abzubauen. Er muß einen unverhältnismäßig hohen Teil des Ertrages seiner Arbeit für die Zinsen aufwenden, weil ihm die Steuer auch heute noch, zehn Jahre nach der Schaffung der D-Mark, so viel von seinem Gewinn wegnimmt, daß er zur Eigenkapitalbildung gar nicht kommt. Hier sehen Sie die Ursachen, die bewirken — zusammen mit den schon geschilderten Ermüdungserscheinungen, die die Folge einer naturgemäßen Abnutzung sind —, daß die Initiative allmählich verloren geht, daß die Leute die Lust verlieren.
    Wir haben uns bemüht, eine etwas mittelstandsfreundlichere Steuerpolitik durchzusetzen. Die Vorlagen, die jetzt verabschiedet worden sind, entsprechen zwar unserer Vorstellung — das Verfassungsgericht hat das Bundesfinanzministerium gezwungen, sie nun endlich einmal so zu gestalten, wir wir Freien Demokraten es seit .Jahr und Tag gefordert haben —, aber das Pünktchen auf dem i, d. h. eine etwas mittelstandsfreundlichere Tarifgestaltung, haben Sie leider abgelehnt. Gerade diese
    aber wäre einer der Hauptantriebe für die Wirtschaft.
    Man kann natürlich den gewerblichen Mittelstand nicht durch ein besonderes Gesetz fördern. Die eine oder andere zweckentsprechende Maßnahme kann man allerdings mit einem Gesetz treffen. Was uns in der Gesamtkonzeption fehlt, ist der sichtbare Ausdruck des so oft propagierten Willens, den Mittelstand zu erhalten und zu fördern. Dieser Wille müßte seinen Niederschlag in allen Gesetzen finden.
    Mit dem Ladenschlußgesetz, meine Damen und Herren, haben Sie im Einzelhandel ein Chaos hervorgerufen; das können wir alle täglich sehen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß die Einkaufszeit für die große Mehrzahl der Menschen auf wenige Stunden zusammengeschrumpft ist. Dieser Zusammenpressung der Einkaufszeit kann der Großbetrieb vielleicht gerade noch gerecht werden, weil er entsprechende Hilfskräfte heranholen kann. Der kleine Gewerbetreibende, besonders der Familienbetrieb steht diesen Anforderungen hilflos gegenüber.

    (Widerspruch bei der SPD.)

    Es ist eine Tatsache, daß sich die Gesetze für die einzelnen Sparten und Betriebsgrößen der Wirtschaft unterschiedlich auswirken. Nehmen wir einmal als Beispiel die Lehrlingsausbildung! Immer wieder wird verlangt, daß die Berufsausbildung gefördert wird. Wir haben uns sehr oft den Kopf darüber zerbrochen, wie dies geschehen kann. Eine der besten Schulungen ist die Ausbildung des Lehrlings im Kleinbetrieb. Der Großbetrieb kann verhältnismäßig leicht den sozialen Erfordernissen des Jugendschutzgesetzes, des Kündigungsschutzgesetzes und all dieser an sich sehr gut gemeinten und auch zweckentsprechenden Gesetze durch Vermehrung der Lehrstellen gerecht werden. Die Kosten spielen dabei kaum eine Rolle. Übrigens sind sie auch im kleinen Betrieb nicht ausschlaggebend; aber der Kleinbetrieb kann natürlich nicht ein halbes Dutzend Lehrlinge einstellen, bloß um jederzeit welche da zu haben; er braucht vielleicht nur zwei Lehrlinge. Der Großbetrieb kann das verhältnismäßig leicht machen. Ein solches rollierendes System kann sich der Kleinbetrieb natürlich nicht leisten.
    Ich erwähne ein anderes Beispiel. Sie wissen so gut wie ich, meine Damen und Herren, daß man bei der Bank einen Kredit über 500 000 DM sehr viel leichter bekommt als einen über 5000 DM. Das ist ganz verständlich; denn die Kosten, die der Bank aus dem Kreditgeschäft erwachsen, sind in beiden Fällen gleich, während der Nutzen für die Bank bei dem kleinen Kredit natürlich erheblich geringer ist.
    Das alles sind Erscheinungen, die den Konzentrationsprozeß in der Wirtschaft zum Großbetrieb hin fördern, beginnend bei der Steuergesetzgebung, insbesondere bei der Umsatzsteuer, die ja keineswegs wettbewerbsneutral ist und für die wir noch immer eine Lösung in Richtung auf eine Wettbewerbsneutralität suchen. Alle diese Dinge fördern, zusammengefaßt, einen Konzentrationsprozeß, der genau das Gegenteil von dem ist, was wir alle wünschen und was uns der Herr Bundeswirtschaftsminister immer als wünschenswert hinstellt.
    Allgemeinwirtchaftlich gesehen, haben wir gewisse Bedenken, daß wir mit einem Teil der Gesetze, die wir im letzten Jahre mit der Mehrheit dieses Hauses verabschiedet haben, in gewisser Hinsicht die wachsende Produktivität unserer Wirtschaft überzogen haben. Ich will mich vorsichtig ausdrücken: mindestens haben wir den künftigen Produktivitätsgewinn außerordentlich vorbelastet. Nun kann niemand mehr ausgeben, jedenfalls nicht auf die Dauer, als er einnimmt. Das kann jeder selbst ausprobieren, das kann nun einmal zu nichts Gutem führen. Wenn wir aber den für die Zukunft erwarteten Produktivitätsgewinn durch allerhand Sozialgesetze — die jedes für sich durchaus sinnvoll und zweckentsprechend sein mögen — so stark vorbelasten, daß wir in dem Moment, in dem die erwartete Produktivitätssteigerung nicht eintritt, in außerordentliche Schwierigkeiten geraten müssen, dann besteht doch einiger Anlaß zur Vorsicht.
    Wir stehen in der Gefahr eines Menschen, der von allen Seiten angegangen wird. Wir erhöhen Renten, wir erhöhen Krankenkassenbeiträge, wir erhöhen dies und jenes. Auf der anderen Seite kommt die Arbeitszeitverkürzung. All das sind Probleme, über die wir in diesem Hause schon gesprochen haben, die aber noch einmal in Erinnerung gerufen werden müssen. So laufen wir Gefahr,
    2252 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, ,den 3. Juli 1958
    Margulies
    eines Tages mehr auszugeben, als wir haben, mit der Folge, die wir in unseren Nachbarstaaten deutlich beobachten können.
    Dann gibt es keine andere Lösung, als die schleichende Inflation, und das ist — das glaube ich jedenfalls im Namen der Freien Demokraten sagen zu müssen — natürlich das Unsozialste. All den Menschen, die ihr Leben lang sparen, die sich aus eigener Kraft bemühen, zu etwas zu kommen, nun den Ertrag dieses Fleißes wegzunehmen, ist das Unsozialste, was geschehen kann, und das wiegt alles auf, was sonst an sozialem Willen in Gesetzesform seinen Ausdruck findet.
    Vor allen Dingen aber stört uns an diesen Maßnahmen, daß immer mehr Menschen von der Selbstvorsorge abgedrängt und in eine Zwangsversicherung übergeführt werden. Wir liefern damit die Menschen einer Bürokratie aus, die mit den komplizierten Berechnungen einfach nicht mehr fertig wird. Ich habe einen Fall in meinem Wahlkreis, in dem ein Angestellter mit 65 Jahrein pensioniert worden ist und nun seit 17 Monaten auf seine Rente wartet. Der Mann hat sich vielfach bemüht, auch ich habe an die Anstalt geschrieben; ich habe noch nicht einmal eine Antwort bekommen. Ich weiß nicht, wem die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte untersteht, aber alle diese Dinge hängen meiner Ansicht nach unmittelbar mit dem wirtschaftlichen Geschehen zusammen. Um sie müßte sich der Vizekanzler, der Vorsitzende des Wirtschaftskabinetts, kümmern.
    Das beschränkt sich im übrigen nicht auf die Angestelltenversicherung, das ist in der Knappschaftsversicherung nicht anders. Kein Mensch kümmert sich darum, wovon die Leute in der Zwischenzeit eigentlich leben. Aus dem Arbeitsprozeß sind sie ausgeschieden. Sie haben Anspruch darauf, von da an ihre Rente zu bekommen, müssen dann aber mehr als ein oder anderthalb Jahre warten, bis sie das erste Geld sehen. Ich finde, das sind unglaubliche Zustände, und wir sollten uns unbedingt einmal darum kümmern.
    Eine weitere Sorge — ich möchte nur kurz davon sprechen — ist die, daß die Bundesregierung, in erster Linie der Herr Bundeswirtschaftsminister, so gar keine Notiz davon nimmt, daß sich unsere Position gegenüber unseren ausländischen Handelspartnern fortlaufend kritisch verschlechtert. Wir haben in den vergangenen Jahren durch unseren guten Willen zur europäischen Zusammenarbeit in der OEEC die außerhalb dieser Organisation stehenden Länder dadurch etwas benachteiligt, daß wir innerhalb des europäischen Warenaustausches schneller vorangeschritten sind. Das hat eine kleine Mißstimmung gegeben, die sich gelegentlich in GATT-Verhandlungen in Genf niedergeschlagen hat, die aber nicht gerade von großer Tragweite gewesen ist. Sehr viel mißtrauischer — das wußten wir — ist im Ausland dann die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft betrachtet worden, weil man befürchtet, von dem Handel mit der Bundesrepublik ausgeschlossen zu werden.
    Der eigentliche Anlaß der kritischen Stimmung aber ist der laufende Trend zur Erhöhung unseres
    Außenhandelsüberschusses, mit dem wir unseren Handelspartnern ihr Gold und ihre Devisen abziehen. Nach unserem Gesetz muß die Bundesbank diese Devisenbeträge aufkaufen. Zur Zeit weisen wir wieder einen Bestand von 24 Milliarden DM an Gold, Dollar und Devisen aus. Das ist eine sehr gefährliche Sache; denn wenn ein solcher Turm besteht, dann wächst überall die Begehrlichkeit, von diesem Turm etwas abzubekommen. Ich gebe zu, daß es gar nicht leicht ist, die Summen in diesem Turm zu mobilisieren. Der so oft gehörte und sehr plausibel klingende Vorschlag, man solle dann eben Kapital exportieren und Kapitalanlagen im Ausland fördern, ist gar nicht zu verwirklichen; denn dazu müßte man den D-Mark-Gegenwert in Deutschland aufbringen, und wir leiden selbst unter der Kapitalarmut. Wir haben selbst nicht genug Kapital, als daß wir noch andere teilhaben lassen könnten. Dieser Weg ist also nicht gangbar.
    Die Freien Demokraten haben einen Vorschlag gemacht. Wir haben dem Hause einen Gesetzentwurf unterbreitet, nach dem ein Teil der Summe in Vorräte an einzuführenden Rohstoffen umgewandelt werden sollte. Das Gesetz war Ihnen nicht gut genug. Sie haben darüber gespottet und gesagt: Die Freien Demokraten bringen hier eindirigistisches Gesetz ein. Ich weiß nicht, was ausgerechnet Sie an dem Dirigismus stören sollte, aber von uns aus gesehen handelt 'es sich um ein Gesetz zur Vermeidung der staatlichen Vorratshaltung, in die Sie immer weiter hineinrutschen, die sich jedes Jahr vergrößert und für die Sie jedes Jahr größere Beträge bereitstellen. Mit einer absolut grundsatztreuen liberalen Linie kann man diesem Vorgang eben leider nicht mehr begegnen. Sie haben in diesem Haushalt wieder 48 Millionen DM mehr für staatliche Lagerhaltung bewilligt, aber eine private Lagerhaltung in dem Sinne, wie wir sie Ihnen vorgeschlagen haben, ist Ihnen zu dirigistisch, obwohl ,es in diesem Moment möglich wäre — vielleicht machen Sie sich diesen Zusammenhang auch einmal klar —, mit dem Einkauf solcher Rohstoffvorräte die Rohstoffmärkte im Ausland etwas zu stützen, Wir hätten nicht nur billig gekauft, sondern hätten auch unseren Handelspartnern die Möglichkeit zu einem preiswürdigen Absatz ihrer Rohstoffe gegeben.
    Wenn Sie bedenken, 'daß diese Rohstoffe zu einem nicht unerheblichen Teil aus Ländern mit Monokulturen kommen, die also ausschließlich auf den Ertrag dieser Rohstoffverkäufe angewiesen sind und nur in 'diesem Rahmen bei uns wieder einkaufen können, dann werden Sie mir zugeben, daß es wünschenswerter gewesen wäre, sich dieser Sache zum mindesten gedanklich einmal anzunehmen, und das um so mehr, als bis jetzt niemandem etwas Besseres eingefallen ist. Ich bedaure, überhaupt feststellen zu müssen, daß dem Herrn Bundeswirtschaftsminister bis jetzt nichts eingefallen ist, wie er ,diesem seit Jahren anhaltenden Trend begegnen kann, der, wie ich noch einmal betonen möchte, zu einer wachsenden Unzufriedenheit unserer Handelspartner geführt hat.



    Margulies
    Meine Damen und Herren! Ich habe eingangs ausgeführt, daß wir mit den Grundsätzen, die Herr Professor Erhard vertritt, durchaus einverstanden sind und daß er immer auf die Freien Demokraten zählen kann — leider nicht immer auf seine eigene Fraktion —, wenn er irgend etwas vorschlägt, was die Wirtschaft fördert. Wir freuen uns über die Vitalität, mit ,der ,er als Apostel der Marktwirtschaft durch die Welt zieht. Aber uns, den Freien Demokraten, wäre es lieber, wenn er zunächst einmal seine Ministerkollegen zu überzeugen suchte und wenn er die Dienstaufsicht über die anderen an der Wirtschaft beteiligten Ministerien etwas strenger ausübte.

    (Abg. Dr. Vogel: Er hat doch keine Dienstaufsicht!)

    — Herr Dr. Vogel, er hat, wie ich vorhin schon ausführte, die Koordinierungsaufgabe.

    (Abg. Dr. Vogel: Das ist eine höchst fragwürdige Geschichte!)

    — Ich bin kein Beamter, das wissen Sie — Sie sind es inzwischen geworden —,

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD)

    und diese sehr feinen Unterscheidungen sind mir
    nicht geläufig. Aber sicherlich — ich glaube, darin
    werden Sie dann wieder mit uns übereinstimmen
    — würden wir alle es sehr gern sehen, wenn die ihm übertragene Koordinierung der Wirtschaftspolitik mit den verschiedenen an der Wirtschaft beteiligten Ministerien etwas besser funktionierte, als es zur Zeit der Fall ist.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich muß noch etwas zur Handhabung des Geschäfts sagen. Es sind einige Wortmeldungen zu Einzelplänen wie Landwirtschaft usw. eingegangen. Ich glaube, mit Ihrer Zustimmung zu handeln, wenn ich diese Wortmeldungen an den Schluß der allgemeinen wirtschaftspolitischen Debatte setze. Ich bitte auch, dem Präsidenten nicht zu verübeln, wenn er angesichts der Gesamtsituation — ich habe jetzt bereits wieder acht Wortmeldungen vorliegen — die einzelnen Redner jeweils, wenn sie von der Sache abgehen, sofort zur Sache ermahnt.
Ich darf jetzt dem Abgeordneten Kurlbaum das Wort geben.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Georg Kurlbaum


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Zustimmung des ganzen Hauses zu finden, wenn ich mich nach der bereits langen Dauer der Verhandlungen in dritter Lesung auf solche aktuellen Probleme beschränke, die Bedeutung haben, wenn ich mich weiter auf Meinungsverschiedenheiten beschränke, die tatsächlich zwischen den verschiedenen Fraktionen hier im Hause bestehen, und wenn ich dabei allerdings drittens auch nicht unterlasse, ab und zu auf das Gemeinsame unserer Auffassungen hinzuweisen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte aber gleich zu Anfang sagen, daß uns eine solche vernünftige Beschränkung sehr schwer gemacht wird, wenn der Bundeswirtschaftsminister nicht aufhört, uns in der Öffentlichkeit in einer unqualifizierbaren Weise anzugreifen, und zwar wegen Meinungen — und das möchte ich hier einmal ganz deutlich sagen —, die wir überhaupt nicht haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die schlimmste Probe davon ist zweifellos das Bulletin des Presse- und Informationsamtes vom 20. Juni. — Ich möchte diese Angelegenheit hier jetzt nicht weiter ausspinnen. Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister sich dazu äußern will, sind wir vorbereitet, im einzelnen darauf zu antworten.
    Meine Damen und Herren! Zu den aktuellsten Problemen gehört zweifellos die Zukunft unserer Konjunktur. Ich glaube, daß Sie uns Sozialdemokraten das gleiche Verantwortungsbewußtsein bezüglich der Zukunft unserer Konjunktur zubilligen werden, das Sie für sich selber in Anspruch nehmen.
    Ich muß in diesem Zusammenhang auf einen kurzen Satz eingehen, der in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 18. Juni zu finden war. Dort steht der kurze Satz auf der ersten Seite geschrieben: „Die SPD setzt auf die Krise." Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, daß diese Unterstellung nicht nur objektiv unwahr, sondern sehr wenig verantwortungsbewußt ist.

    (Beifall bei der SPD. — Zustimmung des Abg. Dr. Hellwig.)

    Ich habe heute in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" einen Artikel von dem gleichen Schreiber gelesen; ich habe mich mit einigen anderen Mitarbeitern der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" darüber unterhalten können und dabei festgestellt, daß man dort der Meinung ist, daß der Schreiber, der ,diesen Artikel geschrieben hat, eigentlich in der Wirtschaftspolitik auch nicht zu Hause sei.

    (Zuruf: Daher!)

    Das verwundert auch nicht, wenn man diesen Artikel liest. Denn der Schreiber dieses Artikels geht offenbar von der Auffassung aus, daß die Frage, ob wir eine Wirtschaftskrise in der Bundesrepublik vermeiden können, allein von uns selber oder unserer inneren Wirtschaftsordnung abhänge. Ich glaube aber, wir alle sind der Meinung, daß die Frage, ob wir eine zukünftige Krise überwinden können, in erster Linie davon abhängt, wie gut die internationale Zusammenarbeit des Westens funktioniert.

    (Beifall bei der SPD.)

    Niemand weiß wohl besser als die SPD, daß eine schwere Wirtschaftskrise wahrscheinlich auch eine Krise der Demokratie in Westeuropa sein würde, insbesondere für diejenigen Länder Westeuropas, die nicht eine starke sozialdemokratische Partei, sondern eine gefährlich große kommunistische Partei haben.

    (Beifall bei der SPD. — Zustimmung des Abg. Dr. Hellwig.)




    Kurlbaum
    Deshalb sollten alle demokratischen Kräfte in der Bundesrepublik zusammenarbeiten, um einer eventuell auftretenden Wirtschaftskrise entgegenzuwirken.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU. — Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Solche Unterstellungen, wie sie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu lesen waren, stellen, glaube ich, eine schwere Schädigung der Aussichten für eine solche Zusammenarbeit dar.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun zur tatsächlichen Konjunkturlage kommen. Ich glaube, niemand kann voraussagen, wie lange der Konjunkturrückgang in der Welt dauern wird, wie lange er insbesondere in den USA und den Rohstoffländern dauern wird. Auch kann wohl niemand von uns mit Zuverlässigkeit voraussagen, wie lange die Länder Westeuropas — ich meine damit insbesondere die in der Zahlungsunion zusammenarbeitenden Länder und auch die Bundesrepublik — den Einflüssen vom Weltmarkt her widerstehen und ihre jetzige noch günstige Konjunktur aufrechterhalten können. Über all diese Dinge können wir im Augenblick nur Spekulationen anstellen. Aber die Mai-Ziffern der wirtschaftswissenschaftlichen Institute sollten uns doch aufhorchen lassen.
    Ich möchte hier eins klar und deutlich sagen. Die SPD denkt gar nicht daran, einen Konjunkturpessimismus zu entwickeln. Wir sind weit davon entfernt, irgendwelche Kassandrarufe ausstoßen zu wollen. Wir glauben aber, daß ein wohlabgewogener Realismus doch das Richtige in dieser Situation ist. Erlauben Sie mir da einmal eine kurze Bemerkung an den Herrn Bundeswirtschaftsminister. Ich glaube, es ist kein wohlabgewogener Realismus, wenn der Herr Professor Erhard in seinem Inserat einem Wähler sagt: „Unsere Wirtschaft strotzt vor Gesundheit." Ich glaube, hier liegt ein Maß von Überheblichkeit drin, das unserer Lage nicht gut ansteht. Ich stehe nicht an zuzugeben, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister mindestens äußerli ch vielleicht vor Kraft strotzt.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Ich bin auch bereit, zuzugeben, daß die großen Automobilfabriken vor Kraft strotzen. Ich bin bereit, zuzugeben, daß die Großbanken der Bundesrepublik vor Kraft strotzen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich bin auch bereit, zuzugeben, daß alle die Unternehmen, die mit dem kleinen Vorwort „Groß-" versehen sind, bis zu einem gewissen Grade vor Kraft strotzen. Aber ob die mittleren und kleineren Unternehmen der Wirtschaft vor Kraft strotzen, möchte ich schon bezweifeln. Ich empfehle allen denen, die das nicht glauben wollen, doch einmal die Ausführungen von Herrn Flender von der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmen zu lesen; dann wird er mit mir der Überzeugung sein, daß das Kraftstrotzen mindestens in diesen Kreisen nicht in dem Umfange vorhanden ist, wie es vielleicht der Bundeswirtschaftsminister wahrhaben
    wollte. Schließlich könnte man doch auch einmal die Frage stellen: was ist denn mit den Zonenrandgebieten? Strotzen die auch vor Kraft?

    (Beifall bei der SPD.)

    Wie ist es mit den Arbeitnehmern, wie ist es mit den arbeitenden Frauen, wie ist es mit den arbeitenden Frauen mit Kindern, strotzen sie alle vor Kraft? Ich glaube, hier wird der etwas verengte Blickwinkel des Herrn Bundeswirtschaftsministers doch sehr deutlich sichtbar.
    Ich bin der Meinung, daß es ein realistischer Beitrag der Bundesregierung wäre, wenn sie die Öffentlichkeit nunmehr klar und konkret wissen ließe, was sie für den Fall eines Durchschlagens der Weltkonjunktur auf die deutsche Konjunktur an konkreten Vorstellungen und Plänen sozusagen in irgendeiner Schublade im Wirtschaftsministerium liegen hat. Der Herr Bundeswirtschaftsminister bedient sich sonst sehr gern des Mittels der psychologischen Kriegführung in der Wirtschaftspolitik. Ich meine, daß es eine sehr realistische Stützung der Konjunktur, eine sehr realistische Stützung für die Maßnahmen der Unternehmer wäre, wenn sie konkrete Vorstellungen davon hätten, was der Bundeswirtschaftsminister in einem Fall der Fälle tun würde.
    Die SPD befindet sich hier überraschenderweise in einer guten Gesellschaft -- jedenfalls von Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, aus gesehen —, nämlich in der Gesellschaft von Herrn Fritz Berg, der eine ähnliche Forderung bereits vor einiger Zeit angemeldet hat. Ich möchte nur folgendes von uns aus dazu sagen. Es ist eine neue Forderung, wenn Herr Fritz Berg nunmehr für aktive Konjunkturpolitik der Bundesregierung ist. Ich möchte daran erinnern, daß wir schon für aktive Konjunkturpolitik der Bundesregierung waren, als das Pendel nach der anderen Seite ausschlug, als wir es mit einer Überhitzung der Konjunktur zu tun hatten. Wir würden es außerordentlich begrüßen, wenn Herr Fritz Berg vom Bundesverband der Industrie sich in beiden Fällen, wenn das Pendel nach der einen und wenn es nach der anderen Richtung ausschlägt, für aktive Konjunkturpolitik erklärte.
    Ein kurzes Wort zur Politik der Bundesnotenbank. Die SPD hat es stets begrüßt, daß die Bundesnotenbank sich in so verantwortungsbewußter Weise der Aufgabe der Erhaltung der Kaufkraft der D-Mark gewidmet hat. Wie Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sich erinnern werden, bestand unsere Kritik in diesem Zusammenhang in erster Linie darin, daß wir gesagt haben, die Maßnahmen der Bundesnotenbank seien nicht in genügendem Umfange durch konjunkturpolitische Maßnahmen der Bundesregierung ergänzt worden.

    (Beifall hei der SPD.)

    Das war unsere Kritik. Das Verhalten der Bundesregierung war teilweise die Ursache dafür, daß die Maßnahmen der Bundesnotenbank bei der Überhitzung der Konjunktur so einschneidend ausfallen mußten, daß sie sich zum Teil für die schwächeren



    Kurlbaum
    Teile in der deutschen Wirtschaft sehr ungünstig ausgewirkt haben.
    Ich muß ganz offen sagen, daß es eine Irreführung der öffentlichen Meinung ist, wenn der Bundeswirtschaftsminister versucht, im Bulletin vom 20. Juni die Dinge so darzustellen, als wenn die Sozialdemokratie nicht bereit wäre, die Leistungen der Zentralnotenbank anzuerkennen. Ich möchte den Bundeswirtschaftsminister einmal klar und deutlich fragen: Wann hat in den letzten Jahren ein kompetenter Sprecher der Sozialdemokratie die Politik der Bundesnotenbank im Grundsatz angegriffen?
    Ich möchte hier etwas anderes ins Gedächtnis zurückrufen. Ich erinnere mich, daß ein sehr prominenter Sprecher die Bank deutscher Länder angegriffen hat, zum Entsetzen des Bundeswirtschaftsministers selber. Es war Herr Dr. Adenauer,

    (Beifall bei der SPD)

    der, wie ich mich erinnere, vor etwa 2 Jahren in einer nicht gerade sehr sachkundigen Weise die Politik der Bundesnotenbank angegriffen hat. Ich kann daher den Bundeswirtschaftsminister nur fragen, ob zu den unglaublich und unvorstellbar Engstirnigen und Verblendeten, von denen er in dem Bulletin vom 22. Juni spricht, vielleicht der Bundeskanzler nach seinen Ausführungen zur Bundesnotenbank zu rechnen ist.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Schlick: Billig!)

    — Das ist gar nicht billig. Billig waren die Auslassungen des Herrn Professor Erhard im Bulletin vom 20. Juni.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich stelle daher die konkrete Frage und würde mich außerordentlich freuen, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister heute oder vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt einmal klar und deutlich antworten würde: Welche konkreten Maßnahmen hat er für den Fall eines wirksamen deutschen Konjunkturrückganges in Vorbereitung?
    Nun komme ich zu einem anderen Problem, das mit der Konjunktur ebenfalls in einem gewissen Zusammenhang steht, das ist die relative Preisstarrheit in der deutschen Wirtschaft gerade in diesem konkreten Konjunkturzustand. Dies Preisstarrheit wird wohl — auch von wissenschaftlichen Instituten — so allgemein festgestellt, daß ich zur Begründung nichts Näheres sagen möchte. Uns mißfällt dabei ganz besonders die massive Flucht ganzer Wirtschaftszweige in der Bundesrepublik in die Preisbindung der zweiten Hand. Dazu muß heute hier einiges gesagt werden.
    Es ist völlig klar, daß mit der Flucht in die Preisbindung der zweiten Hand eine Zementierung des ganzen Preissystems mindestens für einen längeren Zeitraum verbunden sein wird. Sie werden in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und auch in den anderen Zeitungen heute morgen gelesen haben, daß die Anzahl der Firmen, die bis zum 1. Juli Anträge auf Preisbindungen der zweiten
    Hand eingereicht haben, nahezu 500 und die der preisgebundenen Erzeugnisse 180 000 beträgt. Ich habe noch zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Bundeskartellamt telefoniert und habe gehört, daß sich die Zahlen inzwischen weiter erhöht haben. Es handelt sich um 600 Firmen und — hören Sie bitte, meine Damen und Herren! -- um 250 000 Erzeugnisse der gewerblichen Wirtschaft.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Damit ist das bestätigt, was wir hier bei der zweiten und dritten Lesung des Kartellgesetzes gesagt haben. Wir haben eine massive Flucht in die Preisbindung der zweiten Hand vorausgesagt. Wir haben damals auch schon darauf hingewiesen, daß solch eine konzentrierte Flucht in die Preisbindung der zweiten Hand für die betreffenden Wirtschaftskreise praktisch so wirkt wie ein horizontales Preiskartell.
    Dazu kommt noch anderes. Es ist gar nicht gesagt, daß nun etwa mit dem Datum des 1. Juli die Flucht in die Preisbindung der zweiten Hand abgeschlossen ist. Wer diese Dinge aus der Praxis kennt, weiß, daß viele kleine und mittlere Hersteller erst noch abwarten wollen, wie sich diese Maßnahmen, die im wesentlichen von den großen Herstellern praktiziert werden und beantragt worden sind, nun in der Praxis auswirken werden, um dann auch in die Preisbindung einzusteigen.