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ID0303701000

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    Deutscher Bundestag 37. Sitzung Bonn, den 1. Juli 1958 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Karl Arnold . . . . 2107 A Sammelübersicht 7 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 482) 2108 C Entwurf einer Dritten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1958 (Schwefelkohlenstoff, Strohpappe usw.); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 487, 491) . . 2108 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. September 1956 mit dem Königreich Belgien über eine Berichtigung der deutsch-belgischen Grenze und andere Fragen (Drucksache 315); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 486) — Zweite und dritte Beratung — . 2108 D Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Altsparergesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 484) — Erste Beratung — 2109 A Entwurf eines Gesetzes zur Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksachen 300, 354, 357, 362 bis 365, 378, 400 bis 404, 408, 412, 413, 440 bis 444, 447, 460 bis 468); Beschlüsse zweiter Beratung (Drucksache 490) — Dritte Beratung — Allgemeine Aussprache Dr. Vogel (CDU/CSU) 2109 B Ritzel (SPD) 2118 A, 2164 A Niederalt (CDU/CSU) 2125 A Lenz (Trossingen) (FDP) 2128 B Dr. Schild (DP) 2132 C Eilers (Oldenburg) (FDP) 2137 B Dr. Gülich (SPD) 2142 B, 2162 D Etzel, Bundesminister 2144 C Erler (SPD) 2149 A Dr. Krone (CDU/CSU) 2158 B Dr. Adenauer, Bundeskanzler 2161 A, 2165 B Dr. Arndt (SPD) 2164 C Merten (SPD) 2165 D Weiterberatung vertagt 2171 A Erklärung gemäß § 36 GO Dr. Weber (Koblenz) (CDU/CSU) 2171 A Nächste Sitzung 2171 C Anlagen 2173 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 1. Juli 1958 2107 37. Sitzung Bonn, den 1. Juli 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.04 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Graf Adelmann 7. 7. Frau Albertz 5. 7. Altmaier* 5. 7. Dr. Atzenroth 1. 7. Dr. Barzel 5. 7. Bauer (Würzburg)* 5. 7. Birkelbach* 5. 7. Fürst von Bismarck* 5. 7. Blachstein* 5. 7. Dr. Burgbacher 1. 7. Burgemeister 3. 7. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 7. Döring (Düsseldorf) 5. 7. Dr. Eckhardt 2. 7. Erik 1. 7. Euler 4. 7. Franke 12. 7. Frau Friese-Korn 1. 7. Gaßmann 5. 7. Gern? 5. 7. Dr. Greve 1. 7. Heye* 5. 7. Höfler* 5. 7. Frau Dr. Hubert* 5. 7. Jacobs* 5. 7. Jahn (Frankfurt) 1. 7. Kiesinger* 5. 7. Dr. Königswarter 5. 7. Dr. Kopf* 5. 7. Kühlthau 2. 7. Kühn (Köln)* 5. 7. Leber 4. 7. Lücker (München)* 5. 7. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 5. 7. Frau Dr. Maxsein* 5. 7. Dr. Menzel 1. 7. Metzger* 5. 7. Dr. Meyer (Frankfurt)* 5. 7. Frau Meyer-Laule 1. 7. Murr 1. 7. Neumann 1. 7. Frau Niggemeyer 12. 7. Frau Dr. Pannhoff 1. 7. Paul* 5. 7. Dr. Preiß 5. 7. Pusch 5. 7. Ruf 5. 7. Scheel 5. 7. Schmidt (Hamburg) 1. 7. Dr. Schneider (Saarbrücken) 5. 7. Schoettle 19. 7. Schreiner 1. 7. Schütz (München)* 5. 7. Seidl (Dorfen)* 5. 7. Dr. Serres 1. 7. Spies (Brücken) 4. 7. *) für die Teilnahme an der Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Struve 5. 7. Dr. Wahl* 5. 7. Frau Dr. h. ç. Weber (Essen)* 5. 7. Wehking 1. 7. Dr. Will 5. 7. Dr. Zimmer* 5. 7. b) Urlaubsanträge D. Dr. Gerstenmaier 2. 8. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Wehr (Fragestunde der 35. Sitzung am 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 34): Trifft es zu, daß das Bundesatomministerium dem Technischen Überwachungsverein Hamburg untersagt hat, die amtlich ermittelten Meßzahlen über die Radioaktivität im Regenwasser und in der Luft zu veröffentlichen? Was hat das Bundesatomministerium veranlaßt, falls diese Tatsache richtig ist, ein solches Verbot zu erlassen? Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Es trifft nicht zu, daß das Bundesministerium für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft dem Technischen Überwachungsverein Hamburg untersagt hat, die von diesem Verein im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Vertriebene des Landes Schleswig-Holstein im Bereich der Reaktorstation Geesthacht bei Hamburg ermittelten Meßzahlen über die Radioaktivität im Regenwasser und in der Luft zu veröffentlichen. Gegenteilige Behauptungen in einigen deutschen Tageszeitungen, die sich auf eine angebliche telefonische Äußerung des Direktors des Technischen Überwachungsvereins Hamburg stützten, entsprechen nicht den Tatsachen. Ich habe daher die Falschmeldungen richtigstellen lassen und darf in diesem Zusammenhang auf die im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung in der Nr. 76 vom 24. 4. 1958 auf Seite 744 abgedruckte Erklärung hinweisen. Bad Godesberg, ,den 28. Juni 1958 Dr. Balke Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Verteidigung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Pohle (Eckernförde) (Fragestunde der 35. Sitzung am 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 31): Ist der Herr Bundesverteidigungsminister bereit, anzuerkennen, daß sich für eine Gemeinde - wie die Gemeinde Boostedt im Kreise Segeberg mit etwa 1800 Einwohnern -, die sich durch die Garnison um dieselbe Zahl von Neubürgern vermehrt, besondere Schwierigkeiten ergeben? Kann diese Gemeinde damit rechnen, daß ihr durch die im Verhältnis zur Einwohnerzahl ungewöhnlich hohe Belastung in den kommunalwirtschaftlichen Folgemaßnahmen wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung zuteil wird? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung hierbei vorgesehen? 2174 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 1. Juli 1958 Ich erlaube mir, die Anfrage wie folgt zu beantworten: Im Bezirk der Gemeinde Boostedt ist ein Kasernen-Neubau errichtet und seit April 1958 belegt worden. Nach den von meinem Hause erlassenen „Richtlinien für die Gewährung von Darlehen und Zuschüssen zu Aufschließungsmaßnahmen und Folgeeinrichtungen besonderen Umfanges bei militärischen Bauvorhaben und Wohnsiedlungen" besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, an Gemeinden zur Durchführung von kommunalen Aufgaben eine Bundesfinanzhilfe zu gewähren. Ich habe die Gemeinde Boostedt auf ihre Denkschrift bereits dahingehend unterrichtet, daß für die Prüfung derartiger Anträge die Wehrbereichsverwaltung in Kiel zuständig ist, und empfohlen, ihr Anliegen dort weiter zu verfolgen. Es ist jetzt schon zu übersehen, daß im vorliegenden Fall eine finanzielle Hilfe durch mein Haus in Betracht kommt. Über die Höhe der zu gewährenden Bundesfinanzhilfe kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nichts gesagt werden. Bonn, den 30. Juni 1958 Strauß Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Verteidigung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Pohle (Eckernförde) (Fragestunde der 35. Sitzung am 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 33) : Ich frage den Herrn Bundesverteidigungsminister, ob die ,,Sieben-Meilen-Sperrzone" um Schleimünde eine Dauererscheinung der nächsten Jahre sein wird? Welche Pläne des Bundesverteidigungsministeriums werden in den Gemeinden Olpenitz und Ellenberg verwirklicht? Sind besondere Vorhaben der Bundeswehr in Gammelby und Surendorf geplant? Zu welchem Ergebnis haben die Entschädigungsverhandlungen mit Eckernförder Fischern geführt? Ich erlaube mir, die Anfrage wie folgt zu beantworten: Ich darf zur besseren Ubersicht auf die gestellte Frage entsprechend ihren einzelnen Sätzen wie folgt eingehen: Zu Satz 1: Eine „Sieben-Meilen-Sperrzone" um Schleimlinde ist nicht geplant. In den „Nachrichten für Seefahrer" sind Artillerie-Schießgebiete und ein U-Boot-Tauchgebiet veröffentlicht worden, die längs der SchleswigHolsteinischen Ostküste liegen und von der Küste bis etwa 4 Seemeilen Abstand reichen. Die Angaben wurden in den „Nachrichten für Seefahrer" (NfS) Nr. 3565/57 und Nr. 78/58 veröffentlicht. Die Durchfahrt durch diese Gebiete und die Ausübung der Fischerei werden nicht behindert. Schiffahrt und Fischerei werden jedoch gebeten, ausreichende Rücksicht auf die Übungen der Streitkräfte zu nehmen. Diese Artillerie-Schießgebiete und das Tauchgebiet werden eine Dauererscheinung bleiben. Zu Satz 2: Die Bundesmarine beabsichtigt, bei Olpenitz den Neubau eines Hafens und bei Ellenberg den Neubau einer Marine-Artillerieschule durchzuführen. Zu Olpenitz: Die nach der Teilung Deutschlands noch in der BRD verbliebenen ehern. Kriegshäfen im Ostseebereich reichen nicht aus, um die für die Durchführung der Aufgaben der Bundesmarine erforderlichen Kampf-, Schul- und Troßschiffe aufzunehmen. Als Ersatz für die verlorengegangenen Häfen und zugleich zur Auflockerung der in der Ostsee zu stationierenden Seestreitkräfte wird der Hafenneubau erforderlich. Nach eingehenden Untersuchungen des Bundesministers für Verkehr wurde von diesem ein unbewohntes Gelände bei Olpenitz an der Schlei vorgeschlagen, wo mit relativ geringem Aufwand ein geeigneter Hafengeschaffen werden kann. Die Landesregierung Schleswig-Holstein hat Kenntnis von diesen Plänen und ist bereit, ihnen unter bestimmten Voraussetzungen ihre Zustimmung zu geben. Zu Ellenberg: Dort steht eine Liegenschaft zur Verfügung, die durch zusätzlichen Erwerb weiteren Geländes um ca. 5 ha vergrößert wird. Das Land Schleswig-Holstein hat Kenntnis von den Plänen und ist bereit, ihnen unter bestimmten Voraussetzungen zuzustimmen. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Als Teil der Anlagen der Artillerieschule soll auf der Landzunge zwischen der Schlei und der Ostsee bei dem geplanten Hafen Olpenitz ein Feuerleithaus gebaut werden, von dem aus vorwiegend Zielübungen auf fahrende Seeziele und im begrenzten Umfange Klingscheibenschießen für die aufgestellten Geschütze durchgeführt werden sollen. Zu Satz 3: Die bisher verfolgte Absicht, in Gammelby Anlagen der Bundeswehr zu errichten, ist inzwischen zweifelhaft geworden. Die Planung Surendorf wird dagegen weiterhin bearbeitet. Zu Gammelby: Es handelt sich hierbei zunächst nur um eine Planung. Es. ist u. U. vorgesehen, zu einem späteren Zeitpunkt auf dem der Gemeinde Gammelby gehörenden Erweiterungsgelände der Kaserne Carlshöhe, Eckernförde, Anlagen für höchstens 300 Soldaten zu errichten. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 1. Juli 1958 2175 Zu Surendorf: Das Amt für Wehrtechnik und Beschaffung beabsichtigt, auf der Liegenschaft der ehem. Torpedo-Versuchsanstalt Surendorf an der Eckernförder Bucht eine Erprobungsstelle für .Sdidfsartillerie einzurichten, mit der eine Artillerievers i teile der Bundesmarine verbunden werden soll. Zu Satz 4: Die Entschädigungsverhandlungen mit den Eckernförder Fischern schweben noch. Es kann davon ausgegangen werden, daß den Fischern eine Entschädigung zugesprochen wird. Über Einzelheiten wird zur Zeit noch zwischen der Landesregierung Schleswig-Holstein und der WBV I in Kiel verhandelt. Bonn, den 30. Juni 1958 Strauß Anlage 5 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Freiherr zu Guttenberg (Fragestunde der 35. Sitzung am 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 24): Was gedenkt der Herr Bundesarbeitsminister zu tun, um die Pflichtbeiträge der Meistersöhne zur Arbeitslosenversicherung zurückzuerstatten, nachdem die vom Bundessozialgericht am 5. April 1956 ausgesprochene Versicherungspflicht dieses Personenkreises durch § 65 Abs. 2 AVAVG ab 1. April 1957 wieder aufgehoben wurde? Ist dem Herrn Bundesminister bekannt, daß Meistersöhne, die auf Grund der genannten Entscheidung des Bundessozialgerichtes Pflichtbeiträge gelistet haben, in den seltensten Fällen damit rechnen können, im Falle der Arbeitslosigkeit Arbeitslosenunterstützung zu erhalten? . Auf die Frage teile ich folgendes mit: Durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 5. April 1956 wurde die Versicherungspflicht derjenigen Meistersöhne, die in einem Beschäftigungsverhältnis bei ihren Eltern standen, nicht für die Zukunft begründet, sondern für die Zeit vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt. Beiträge wurden auf Grund der durch das Urteil festgestellten Rechtslage jedoch nur für Beschäftigungszeiten nach Rechtskraft des Urteils erhoben. Da die Erfüllung der Anwartschaftszeit nicht von der Entrichtung von Beiträgen abhängig ist, können auch die Zeiten, für die Beiträge nicht entrichtet worden waren, zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen. Die Versicherungsfreiheit für Abkömmlinge, die am 1. April 1957 in Kraft getreten ist, beseitigt für Meistersöhne also nicht eine Versicherungspflicht, die nur eine kurze Zeit bestanden hätte. Eine Rückerstattung der Beiträge ist nach der derzeitigen Rechtslage nur möglich, wenn sie irrtümlich entrichtet worden sind. Der Fall liegt hier nicht vor. Die Tatsache, daß vor dem Urteil des Bundessozialgerichts keine Beiträge erhoben wurden, rechtfertigt es also nicht, die nach dem Urteil zu Recht erhobenen Beiträge zu erstatten. Ich habe nicht die Absicht, eine Änderung dieser Rechtslage vorzuschlagen. Es trifft im übrigen nicht zu, daß Meistersöhne im Falle der Arbeitslosigkeit nur in den seltensten Fällen Arbeitslosengeld erhalten können. Wie bereits dargelegt, war die Zeit einer Beschäftigung als Meistersohn bis zum 31. März 1957 ungeachtet der Entrichtung von Beiträgen versicherungspflichtig und kann damit zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen. Ein Anspruch auf Grund des Beschäftigungsverhältnisses als Meistersohn, das bis zum 31. März 1957 versicherungspflichtig war, kann noch bei einer Arbeitslosmeldung bis zum 1. Oktober 1958 geltend gemacht werden. Daß Meistersöhne nur selten arbeitslos werden, rechtfertigt eine Sonderregelung für die Zeit vor dem 1. April 1957 nicht, da das gleiche auch für Angehörige zahlreicher anderer Personenkreise zutrifft und das Wesen jeder Versicherung im Ausgleich des Risikos liegt. Bonn, den 1. Juli 1958 Blank Anlage 6 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Heinrich (Fragestunde der 35. Sitzung am 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 28) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Lehrlingsausbildung nach dem heutigen Stand nicht mehr den veränderten Bedingungen von Technik und Wirtschaft Rechnung trägt, und ist sie bereit, eine entsprechende gesetzliche Regelung zu treffen? Wenn ja, bis wann wird ein solcher Gesetzentwurf vorgelegt werden? Auf die Frage teile ich folgendes mit: Die Frage, ob und inwieweit die Lehrlingsausbildung nach dem heutigen Stand den veränderten Bedingungen von Technik und Wirtschaft Rechnung trägt, wird in Fachkreisen und Veröffentlichungen lebhaft diskutiert; die dabei zum Ausdruck kommenden Auffassungen sind sehr unterschiedlich. Die Bundesregierung verfolgt die wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die Heranbildung des jungen Nachwuchses ständig und ist an den darüber geführten Diskussionen beteiligt. Sie befaßt sich auch seit längerem mit der Frage, ob eine neue gesetzliche Regelung der Berufsausbildung notwendig ist. Bereits unter meinem Amtsvorgänger, Herrn Bundesarbeitsminister Storch, sind vor etwa zwei Jahren Besprechungen mit den beteiligten Ressorts und den Sozialpartnern geführt und Grundzüge für ein Rahmengesetz vorbereitet worden. Gegenwärtig ist diese Frage Gegenstand von Verhandlungen, die ich vor einiger Zeit mit dem Bundeswirtschaftsminister wieder aufgenommen habe. Bonn, den 1. Juli 1958 Blank 2176 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 1. Juli 1958 Anlage 7 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf ,die Mündliche Anfrage ,des Abgeordneten Geiger (Aalen) (Fragestunde der 35. Sitzung am 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 30) : Billigt der Herr Bundesarbeitsminister die Auslegung des § 124 Abs. 1 AVAVG durch die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, nach der nur derjenige arbeitsunfähig Erkrankte Krankengeld nach seinem vor der Kurzarbeit bezogenen Grundlohn erhält, bei dem zwischen Kurzarbeit und arbeitsunfähiger Erkrankung kein zeitlicher Zwischenraum lag? Auf die Frage teile ich folgendes mit: Krankenversicherungspflichtige Personen erhalten die Barleistungen der Krankenversicherung nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung und der Satzung der Krankenkasse, deren Mitglied sie sind. Dies gilt auch für solche Versicherte, deren Arbeitsentgelt vor der Erkrankung gemindert war. Daraus können sich im Einzelfall Härten ergeben. Durch § 124 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung sind diese im System der Krankenversicherung liegenden Härten für solche Versicherte beseitigt worden, die Kurzarbeitergeld beziehen. Diese Pesonen erhalten Barleistungen der Krankenversicherung nach dem Grundlohn vor Beginn des Bezuges von Kurzarbeitergeld. Die Mehraufwendungen werden von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung getragen. Die Auffassung der Bundesanstalt, daß diese Rechtsvorschrift nur angewendet werden kann, wenn die mit Arbeitsunfähigkeit verbundene Erkrankung sich unmittelbar an ,den Bezug von Kurzarbeitergeld anschließt, entspricht § 124 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Bei der bevorstehenden Neuregelung der Krankenversicherung wird geprüft werden, wie Härten für solche Versicherte, die kein Kurzarbeitergeld beziehen, oder deren Erkrankung sich nicht unmittelbar an ,den Bezug von Kurzarbeitergeld anschließt, beseitigt werden können. Bonn, den 1. Juli 1958 Blank Anlage 8 Schriftliche Antwort des Bundesministers des Innern auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Jacobs (Fragestunde der 35. Sitzung am 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 26) : Hat der Beamte der örtlichen Polizeidirektion in Trier, der von der Verwaltung des Geburtshauses von Karl Marx Auskunft über Geschenke verlangte, die Vertreter der Sowjetischen Botschaft in Bonn aus Anlaß eines Besuches machten, im Auftrage des Auswärtigen Amtes oder einer sonstigen der Kontrolle der Bundesregierung unterstehenden Organisation gehandelt? Ich beantworte die Frage wie folgt: Der Beamte der Polizeidirektion in Trier hat nicht im Auftrage des Auswärtigen Amtes oder einer sonstigen Bundesbehörde gehandelt. Schröder
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    Rede von Dr. Heinrich Schild


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem die Verhandlungen über den Haushalt dieses Jahres in drei Teile aufgegliedert sind, einmal die Generaldebatte über die wirklichen Haushaltsprobleme, zweitens die Spezialdebatten über die Regierungspolitik, die Wirtschafts-, Sozial- und Verteidigungspolitik, und drittens die Debatte über die Einzelpläne, soweit Anträge und grundsätzliche Entschließungen vorliegen, möchte ich mich sine ira et studio lediglich mit den Haushaltsproblemen befassen. Meine politischen Freunde werden in den nächsten Stunden und Tagen in den Generaldebatten über die verschiedenen politischen Bereiche noch zu Einzelheiten Stellung nehmen. Wir sollen uns hier in der Generaldebatte auf die haushalts- und finanzpolitischen Probleme beschränken.
    Der Herr Bundesfinanzminister selbst hat den Tenor dieses Haushalts angegeben, indem er von einem Haushalt am Rande des Defizits gesprochen hat. Die Öffentlichkeit und insbesondere sehr starke und einflußreiche Organisationen haben dieses „am Rande ides Defizits" auch kommentiert: keine Ausgabe ohne Deckung. Ich muß mich wundern, daß in den bisherigen Erörterungen über den Charakter des Haushalts, über sein Gewicht, über die Art und Methode der Beurteilung der Ausgabepositionen in den Einzelplänen von Unsolidität gesprochen worden ist und daß beispielsweise Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit nicht mehr in dem notwendigen Maß in Erscheinung treten. Ich möchte gleich zu Beginn meiner Ausführungen sagen, daß meine politischen Freunde diese Charakterisierung ablehnen. Dieser Haushalt ist nun einmal eingebettet in allgemeinpolitische Unsicherheiten, außenpolitische Unwägbarkeiten, unüberschaubare verteidigungspolitische Probleme, aber auch eingebettet in gewisse innerpolitische Unsicherheiten, die sich in der Entwicklung auf den Gebieten der Wirtschaft, des sozialen Lebens und unseres institutionellen Staatslebens klar und deutlich abzeichnen.
    Bei diesen Unwägbarkeiten, bei diesen Unüberschaubarkeiten der allgemeinen Politik bleibt es gewiß nicht aus, daß auch die Finanzpolitik in bezug auf die auf uns zukommenden Ausgaben in vielen Einzelheiten vor Rätseln steht. Diese Rätsel kann man natürlich nun nicht umdeuten in Unsolidität oder als Wahrscheinlichkeitsrechnungen hinstellen, die nicht aufgehen. Meine politischen Freunde sind deshalb der Auffassung, daß diese Charakterisierung nicht am Platze ist, sondern daß wir die stillen Reserven, die in diesem Haushalt vorhanden sind und auch in den vergangenen Haushalten vorhanden waren, eben doch als notwendige fragmentarische Substanzmasse behandeln müssen, die sich letzten Endes aus den allgemeinen unsicheren politischen Verhältnissen herleitet.



    Dr. Schild
    Wie soll man über einen Verteidigungshaushalt unter dem Gesichtspunkt von Etatwahrheit und -klarheit disponieren, wenn es bei der Ausrüstung einer Wehrmacht von Halbjahr zu Halbjahr zu neuen technischen Entwicklungen kommt? Wie soll man über außenpolitische Ausgaben, insbesondere im Etat des Bundesministers des Auswärtigen, Klarheit im Sinne einer absoluten Rechnungsvorschau schaffen, wenn man über die Notwendigkeiten außenpolitischer Beziehungen, außenpolitischer Konferenzen, außenpolitischer Ereignisse beim Beginn oder in der Mitte des Haushaltsjahres überhaupt noch nicht klar sieht? Ich betrachte deshalb diesen Haushalt absolut nicht, wie manche der Herren Kollegen, als unsolide oder als nicht der Haushaltsordnung im Sinne von Etatwahrheit und -klarheit entsprechend, sondern betrachte ihn als einen Haushalt, der ungewisse, bewegliche Momente enthält, die eben mit den Bewegungsmomenten der Politik zusammenhängen.
    Eine Befürchtung, die in der Offentlichkeit in den letzten Wochen und Monaten immer wieder vernehmbar war, ist die, daß sich bei der Entwicklung dieses Haushalts im Verhältnis zum nächsten Haushalt unter Umständen die Ausgabenwirtschaft insgesamt so steigern könnte, daß das Deckungsprinzip für den nächsten Haushalt zu neuen Steuern oder Steuererhöhungen führen könnte oder müßte. Meine Damen und Herren, es gab im Haushaltsausschuß eine ernste Stunde — das war am letzten Tage der Haushaltsberatungen —, als der Herr Bundesfinanzminister doch eine Zahl nennen mußte, die auf die Frage eingeht: was für Bewegungsmöglichkeiten hat die Regierung finanzpolitisch in diesem Haushalt? Ich war erstaunt, aus dem Munde des Herrn Finanzministers zu hören, daß er bei einem Bundeshaushalt von rund 38,5 Milliarden DM die Ausgabenbewegungsmasse, die nicht auf rechtlichen Verpflichtungen beruht, immerhin auf rund 20 Milliarden DM schätzte. Die rechtlichen Ausgabeverpflichtungen, die also auf Gesetzen beruhen, würden demnach rund 18 Milliarden DM betragen. Das heißt praktisch, daß der Regierung und dem Parlament immerhin über 20 Milliarden DM die Verfügungsgewalt gegeben ist, die Möglichkeit also, diese Gewalt je nach der politischen Situation voll auszunutzen, sie nicht ganz auszunutzen, ja, auch noch Ersparnisse zu machen oder Abstriche zu machen, wenn es im Gesamtinteresse unserer Finanzwirtschaft und Finanzpolitik erforderlich ist.
    Diese Zahl wurde genannt, als die Frage der Deckung mit sechsprozentigen Einbehalten wichtiger einmaliger und fortlaufender Ausgaben gestellt wurde. Ich bin überzeugt, daß bei einer solchen finanzpolitischen Bewegungsmasse die Bundesregierung auch beim Etat 1959/60 — und diese Diskussion soll ja mit dazu dienen, schon die Weichen für den Etat 1959/60 zu stellen — in der Lage ist, wieder am Rande des Defizits ohne irgendwelche Steuererhöhungen und ohne neue Belastungen der Steuerzahler auszukommen. Denn sonst hätte der Hinweis auf den Hintergrund dieser Zahl von rund 20 Milliarden DM ja keinen Sinn.
    Die rein rechtlichen Verpflichtungen, für die Ausgabeposten in den Bundesetat eingesetzt werden müssen, sind demnach von dem Herrn Bundesfinanzminister auf die ungefähre Summe von 18 Milliarden DM zwar nicht ausdrücklich angegeben, aber nach dem ganzen Zahlenspiel doch veranschlagt worden.
    Was meine politischen Freunde besonders interessiert, sind die zukünftige Methode, das Ziel, sind die finanzpolitischen Grundsätze, nach denen in der nächsten Zeit verfahren wird. Es bestehen in diesem Hause zwei Meinungen darüber. Die einen wollen eine absolute Stetigkeit, eine Stabilität der Ausgabenwirtschaft und eine Übersichtlichkeit der Ausgabenwirtschaft erringen; die anderen sind der Überzeugung, daß infolge der politischen Unsicherheitsmomente eine derartige Stetigkeit und Stabilität gar nicht zu erreichen ist.
    Aber einige früher angewandte Methoden können wir doch kritisieren und müssen wir kritisieren, um auf einen Weg zu kommen, der zur langfristigen Stabilität führt. Von der in den letzten Jahren geübten Methode, den außerordentlichen Haushalt vom ordentlichen Haushalt her zu decken — aus Kassenüberschüssen oder aus Juliusturmbeträgen —, möchten wir, Herr Finanzminister, im Sinne einer klaren und eindeutigen Finanzpolitik endgültig herunterkommen.

    (Sehr richtig! bei der DP.)

    Wir möchten zweitens Ihre gute Absicht mit allen Kräften durch das ganze Haus unterstützt wissen, die überfälligen Ausgabenreste so schnell wie möglich verschwinden zu lassen. Schon wenn das geschieht, wird der Haushaltsplan 1959/60 ganz anders aussehen als dieser Haushaltsplan.
    Drittens gebe ich denjenigen Kollegen recht, die auch die Bindungsermächtigungen als eine nicht im Wesen eines gesunden Haushalts liegende Erscheinung betrachten. Die Bindungsermächtigung von 8 Milliarden DM, von denen mein verehrter Kollege Lenz als von einer großen Gefahrenquelle sprach, als einer Quelle der eigenständigen Behandlung durch die Ressorts und einer unkontrollierbaren Ausgabenwirtschaft, ist ja, lieber Kollege Lenz, in diesem Sinne nicht da. Ich darf doch wohl dahingehend richtigstellen, daß der größte Teil dieser 8 Milliarden DM insofern gesperrt ist, als zu ihrer endgültigen Verwendung doch noch Beschlüsse des Haushaltsausschusses, unter Umständen auch des Verteidigungsausschusses, nachgeholt werden müssen. Man kann also nicht unbedingt sagen, daß diese 8 Milliarden DM Bindungsermächtigungen in jedem Falle ein plein pouvoir für die Ressorts darstellen.
    Ferner, meine Damen und Herren, haben wir an diesem Bundeshaushalt schon bei der ersten Lesung einige grundsätzliche Bemerkungen geknüpft, die in der dritten Lesung nicht verlorengehen sollen; denn sie gehören auch zur Weichenstellung für die nächsten Haushalte, die dieser Bundestag bis zum Ablauf seiner Legislaturperiode noch zu verabschieden hat.
    Dieser Bundeshaushalt erklärt der Öffentlichkeit und dem Volke ja nur einen Teil der wirklichen



    Dr. Schild
    Sachausgaben, die die Gesellschaft eigentlich im ganzen Umfange wissen müßte. Denn der eigentliche Fnuktionshaushalt unseres Volkes liegt uns nicht vor. Wir wissen nicht im einzelnen, wie nun die Harmonisierung zwischen Bundeshaushalt, Länderhaushalten und Gemeindehaushalten sich zahlenmäßig auswirkt. Wir müßten also wissen, was Bund, Länder und Gemeinden für einen bestimmten Zweck insgesamt ausgeben, um uns ein Bild machen zu können: wie hoch ist dabei der Anteil des Bundes, und ist das Gewicht des Bundes bei diesem Anteil richtig bemessen, oder was können wir daran korrigieren? Dieses Problem bitte ich die Bundesregierung und den Herrn Bundesfinanzminister als für die erste Beratung des kommenden Haushalts dringend zu betrachten. Ers handelt sich um ein wichtiges Anliegen finanzpolitischer, haushaltspolitischer Art. Wir brauchen solche Übersichten und im Rahmen der Vorbemerkungen nach Möglichkeit auch Zahlen. Wo die echten Zahlen fehlen, müssen geschätzte Zahlen genommen werden, die einigermaßen an die Grenze der Wirklichkeit heranreichen. Wir brauchen also den echten Funktionshaushalt für die Gesamtausgaben aller Gebietskörperschaften in unserem Volke.
    Nur dann, wenn uns ein solcher Funktionshaushalt vorliegt, können wir uns über das Problem der Verwaltungsvereinfachung, der Zuständigkeiten und des Kostenapparates wirklich unterhalten. Sie wissen, im vorigen Bundestag hatten wir einen besonderen Ausschuß für Verwaltungsvereinfachung eingesetzt. In diesem Bundestag ist ein solcher Ausschuß nicht geschaffen worden. Ich vermisse die politische Arbeit an dem Problem der Verwaltungsvereinfachung, das man nicht einfach mit roher Hand durch Anwendung des Überrollungsprinzips lösen kann. Dazu gehört vielmehr auch eine echte Auseinandersetzung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden: Wer ist wofür verantwortlich, wer führt eine Sache durch, und wer finanziert diese Dinge? Diese Verantwortlichkeit ist heute, wie die Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß ergeben haben, in vielen Punkten sehr strittig.
    Deswegen lege ich Wert darauf, der Bundesregierung im Namen meiner politischen Freunde in dieser Generaldebatte über den Haushalt zu sagen, daß wir stärkstens interessiert sind an einer Initiative der Bundesregierung für das Zustandekommen von Staats- und Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern über viele Fragen, die sonst ungeklärt bleiben, insbesondere über Zuständigkeits- und Finanzierungsfragen. Wir haben auf zwei Gebieten solche Staats- und Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern. Ich nenne das Königsteiner Abkommen über die Förderung wissenschaftlicher Institute, und ich nenne das Abkommen über die Finanzierung des Wissenschaftsrats und all der Maßnahmen, die mit der finanziellen Förderung der Wissenschaft, der Hochschulen und der Forschung zusammenhängen.
    Es fehlt aber z. B. ein Staats- und Verwaltungsabkommen über den Straßenbau. Es fehlt eine klare Vorstellung darüber, wer hier als Lastenträger echte Lasten zu übernehmen hat und wer nicht.

    (Abg. Niederalt: Da ,sind die Zuständigkeiten klar!)

    Ich erinnere daran, daß der Bundesverkehrsminister einmal gesagt hat, 90 000 km Gemeindestraßen müßten jährlich gepflegt und in Ordnung gehalten werden, und die Gemeinden seien bei einem Gesamtetat aller deutschen Gemeinden in Höhe von rund 7 Milliarden DM mit diesen 90 000 km überfordert.

    (Abg. Niederalt: Herr Kollege Schild, die Zuständigkeiten sind klar! Die Frage ist nur, ob die Zuständigkeiten richtig sind!)

    — Die formellen Zuständigkeiten sind nach dem Grundgesetz klar, Herr Kollege Niederalt, darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Ob sie sich in der Praxis bewähren, das ist das Problem! Wir erleben doch im Haushaltsausschuß, daß sie sich nicht bewähren. — Besteht die Möglichkeit, daß etwa 25 000 km Gemeindestraßen von den Ländern in ihre Obhut übernommen werden, um die Gemeinden zu entlasten, und daß dementsprechend 25 000 km Länderstraßen als Ausgleich für die neuen Lasten der Länder in Bundesregie übernommen werden? Alles das müßte in einem Staats- und Verwaltungsabkommen einmal geregelt werden, damit nicht die Frage: Wer steht für diese Aufgabe zur Verfügung und wer finanziert sie? von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr problematischer wird.
    Dasselbe trifft für den Schulbau, für die allgemeinbildenden Schulen und für die Berufsschulen zu. Dasselbe trifft auch für den Wohnungsbau zu. Die 1,5 Milliarden, die wir in diesem Jahr für den Wohnungsbau hergeben, ziehen Folgemittel der Länder und der Gemeinden nach sich. Es müßte eine Harmonisierung mindestens in der Durchführung dieser Aufgaben herbeigeführt werden.
    Es gibt noch ernstere Probleme als diese. Da ist beispielsweise das Problem der Heranbildung von Beamtennachwuchs und die Regelung des Beamtenaustauschs zwischen Bund und Ländern. Wir kranken im Haushaltsausschuß bei allen Fragen der Stellenbesetzung und des Stellenplans immer wieder daran, daß uns die Regierungsvertreter sagen: Wir haben nicht die erfahrenen Beamten, wir können nicht die sachverständigen Leute bekommen, weil der Austausch zwischen Bund und Ländern nicht möglich ist, weil die Rechte in den Ländern andere sind als die Rechte im Bund. Hier stehen wir also vor großen verwaltungsmäßigen Personalschwierigkeiten; auch sie könnten durch einen Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern beseitigt werden.
    Dazu gehört die möglichst einheitliche Regelung der Besoldungsfragen. Bei den letzten Beratungen im Haushaltsausschuß sagte ein Kollege: Beim Besoldungsgesetz haben wir vom Haushaltsausschuß nicht aufgepaßt! Ich glaube, es darf ruhig einmal in der Öffentlichkeit gesagt werden, daß uns die Auswirkungen des Besoldungsgesetzes auch für die



    Dr. Schild
    Etatgebarung der nächsten Bundeshaushalte, erst recht aber in ihrem Verhältnis zu .den Landeshaushalten noch besondere Schwierigkeiten bringen werden. Ich weiß, ,daß sich Koalition und Opposition in dieser Auffassung .absolut einig sind.
    Man könnte diese Schwierigkeiten aber meistern, wenn man in einem Staatsvertrag zwischen Bund uni Ländern — in einem Verwaltungsabkommen oder wie man es nennen will — einmal Klarheit schaffte, was gemeinsam gewollt ist. Oder es kaut auf Grund des Grundgesetzes jeder seinen eigenen Strick weiter, und es kommt zu differenzierten Lösungen, die letztlich die gesamte Gesellschaft schädigen.
    In einen solchen Staatsvertrag gehört auch zumindest der Versuch, die Vermögensverhältnisse zwischen Bund und Ländern zu klären. Bei den Haushaltsberatungen stoßen wir immer wieder darauf, daß die Vermögensverhältnisse zwischen Bund uni Ländern, wie sie sich von früher her ergeben haben, nicht geklärt sind.

    (Abg. Dr. Gülich: Sehr richtig!)

    Ich erinnere mich, daß Herr Kollege Professor Gülich im Haushaltsausschuß auf diese Unklarheiten ganz besonders hingewiesen und sich dafür eingesetzt hat, daß hier endlich einmal — auch mit den notwendigen gesetzlichen Mitteln nach Art. 134 GG — vorgegangen wird,

    (Abg. Dr. Gülich: Jawohl!)

    damit nicht wieder die Weichen falsch gestellt werden. Das hat uns in den letzten drei Jahren bei den Haushaltsberatungen in der Finanzpolitik mehr Schaden als Nutzen gebracht.
    Ich darf letztlich daran erinnern, daß in unserem Rechtsstaat, in unserer Verfassung auch gewisse Dinge ungeklärt geblieben sind, für die es anscheinend keine neue gesetzliche Regelung geben soll. Ich darf an zweierlei erinnern. Wenn heute irgend jemand einen Antrag stellen würde, die Getränkesteuer in Deutschland aufzuheben, dann wäre die Durchführung der beantragten Aufhebung unmöglich. Nach den Bestimmungen des Grundgesetzes über die konkurrierende Gesetzgebung und nach den Art. 106 und 107 ist die Getränkesteuer eine Ewigkeitssteuer. Für den Bund ist in der vergangenen Legislaturperiode im Rechts- und Verfassungsausschuß erklärt worden, daß er die Getränkesteuer nicht aufheben könne. Als die Angelegenheit im Lande Nordrhein-Westfalen zur Sprache kam haben die Mehrheitsparteien im Lande gesagt, das Land sei nach dem Grundgesetz und seiner Landesverfassung nicht zuständig. Wir haben also hier aus der Ara Brüning, aus dem Jahre 1930, eine Ewigkeitssteuer, die niemand beseitigen kann, auf deren Wirksamkeit man zwar effektiv von den Kommunen her verzichten kann, deren Verankerung im System unserer Steuergesetze aber nicht beseitigt werden kann.
    Ein anderes Beispiel! Aus dem Jahre 1941 gibt es eine sogenannte Sauckel-Verordnung über die Regelung der Entschädigungssätze für Jugendliche in Betrieben, insbesondere für die Lehrlinge in den
    Betrieben der gewerblichen Wirtschaft. Diese Sauckel-Verordnung ist schon wegen ihrer niedrigen Sätze längst überholt; in ihr stehen für das erste, zweite, dritte und vierte Lehrjahr Sätze, an die man heute gar nicht mehr zu denken wagt. Aber niemand ist nach den Bestimmungen des Grundgesetzes in der Lage, diese Verordnung auf dem Wege einer Gesetzgebung aufzuheben. Nun, man könnte sie sich totlaufen lassen; aber sie läuft sich nicht tot; denn heute noch sind die Mindestsätze für die Entschädigung von Lehrlingen, die in Lehrverträgen vereinbart werden können, auf Grund der Sauckel-Verordnung rechtlich möglich; natürlich sind sie in Wirklichkeit meistens auf das Zwei- bis Dreifache erhöht worden. Hier müssen wir aber doch einmal Klarheit zwischen Bund und Ländern schaffen, wie dieser — letzten Endes — rechtliche Unfug, der aus der Vergangenheit stammt, beseitigt werden kann.
    Bei der Erörterung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern muß auch über die Tätigkeit der Kriminalpolizei oder mehr am Rande liegende Fragen gesprochen werden, die aber für unser Volk und für unsere Gesellschaft im Zeichen der industriellen Entwicklung wichtig sind, wie etwa die Frage der Errichtung von Naturschutzparks. Auch da geht es darum: wer tut was, wer fördert was; man könnte zwischen Bund und Ländern in vielen Sachaufgaben noch zu einem echten Abkommen für lange Zeit kommen.
    Ich wollte diese Einzelheiten anführen, weil sie bei allen Beratungen des Haushaltsausschusses und des Parlaments gewissermaßen als lästige Fragen über Zuständigkeiten und finanzpolitische Dotierungen immer eine Rolle gespielt haben. Hier wirft einer dem anderen die Bälle zu. Ein besonders prononcierter Landesvertreter, der nicht nur die Bundesinteressen, sondern auch die Interessen seines Landesetats im wohlverstandenen föderalistischen Sinne im Auge hat, wird dann versuchen, mit Anträgen das eine oder andere herauszuholen, weil von den beteiligten Regierungen keine echte vertragliche Klarheit geschaffen worden ist.
    Es ist klar, daß bei der neunjährigen Entwicklung der Bundeshaushalte, der Finanzpolitik und der damit zusammenhängenden Finanzverfassung sehr verschiedene Stile zugrunde gelegen haben. Vom Stil der harten Notwendigkeit ist man ausgegangen, wenn man über Steuereinnahmen Maßahmen finanziert hat, die normalerweise nicht aus Steuerquellen finanziert worden wären wie beispielsweise der soziale Wohnungsbau. Aus dem Stil der harten Notwendigkeiten der Jahre 1949, 1950, 1951 und 1952 haben sich Zweckmäßigkeiten, Nützlichkeiten ergeben. Aus diesen Zweckmäßigkeiten und Nützlichkeiten haben sich aber auch Bequemlichkeiten, ja, ich möchte sagen, zum Teil auch Oberflächlichkeiten entwickelt. Man hat nicht genügend Phantasie aufgebracht, um aus den damaligen anomalen Notwendigkeiten zu neuen Finanzierungsformen zu kommen.
    Ich möchte darauf hinweisen, daß wir uns mit der Kapitalsubvention, die wir aus Steuermitteln vornehmen, bereits am Anfang einer Fehlentwicklung



    Dr. Schild
    befinden. Diese Art der Kapitalsubvention war von 1949 bis 1953, in der ersten Legislaturperiode, eine absolute Notwendigkeit. In der zweiten Legislaturperiode war sie bis kurz vor ihrem Ende vielleicht noch eine Zweckmäßigkeit und eine Nützlichkeit. Heute ist sie jedoch fragwürdig geworden. Wir müssen uns überlegen, ob wir nicht die Kapitalsubvention für viele Ausgabeposten, die wir geschaffen haben, beenden und diese Ausgaben aus dem privaten Kapitalmarkt finanzieren wollen. Was hat es für einen Sinn, eine Bundesanleihe in Höhe von — sagen wir — 1,5 Milliarden DM aufzunehmen — die Größe steht vorläufig noch nicht fest — und daraus 650 Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau über den außerordentlichen Haushalt zu geben, obwohl man den Trägern des sozialen Wohnungsbaus den Zugang zum nachstelligen Kapitalmarkt unmittelbar erschließen könnte. Das ist möglich. Das geht mit Bundes- oder Landesbürgschaften. Dabei kann man in einem Verwaltungsabkommen mit den Ländern die Fragen der Übernahme von Bürgschaften für die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes für nachstellige Finanzierungen klären. Es ist dann viel billiger, für den Bundeshaushalt Zinsverbilligungszuschüsse für die im sozialen Wohnungsbau verwendeten nachstelligen Finanzierungsmittel des Kapitalmarktes zu geben.
    Die Kapitalsubvention war einmal eine dira necessitas, später eine Zweckmäßigkeit, aber heute müssen wir überlegen, ob sie nicht abgeschafft werden muß, ob sie nicht für die nächsten Jahre eine Fehlentwicklung wäre. So gibt es sehr viele Kapitalsubventionierungen, die man verlagern kann, die man auch zum Teil aufheben kann, indem man die Subventionsobjekte exakter in die soziale Marktwirtschaft einbaut. Natürlich werden dadurch Verbraucherinteressen berührt und alle möglichen Interessen der Bevölkerung. Wir können aber wegen einer einmal notwendigen Bereinigung nicht dauernd die Kapitalsubvention bejahen, sondern wir müssen hier zu vernünftigeren Verhältnissen kommen.
    Der Bundeshaushalt hat seine besondere Anziehungskraft. Er ist der größte Haushalt in der Bundesrepublik, und nach dem Gesetz der großen Zahl, der Schwerkraft der großen Zahl, hat der Bundeshaushalt auch die allergrößte Anziehungskraft für die Begehrlichkeit.
    Wir erleben dauernd Zementierungen von Ausgaben, die längst überflüssig geworden sind. Wir müssen uns diese Zementierungen von Ausgaben für den nächsten Haushalt nicht nur in der Regierung, sondern auch im Haushaltsausschuß ernst überlegen. Es gibt auch politische Ausgaben, die zementiert sind, die auch überholt sind. Ich denke da etwa an das Oberste Rückerstattungsgericht. Es wäre des Schweißes der Edlen wert, diese Institution mit ihren längst überfälligen Aufgaben und Zwecken im nächsten Bundeshaushalt verschwinden zu lassen.

    (Abg. Dr. Gülich: Sehr richtig!)

    So, wie ich das Rückerstattungsgericht nannte, bitte ich die Bundesregierung, ähnliche Institutionen, die aus den Anfängen der Besatzungszeit stammen, daraufhin zu untersuchen, ob sie wirklich in unserer heutigen Situation im Haushaltsplan sein müssen oder nicht längst abgebaut werden können.
    Ganz besonders wehren sich meine politischen Freunde gegen die in diesem Jahre erstmalig auftretenden Sonderprivilegien der europäischen Verwaltungsbehörden. Was sich da tut, können wir auf keinen Fall gutheißen. Steuerfreie Sondergehälter passen einfach nicht in den Rahmen einer vernünftigen europäischen Gemeinschaft.

    (Abg. Dr. Gülich: Und in welcher Höhe?)

    — Herr Professor Gülich, das gehört selbstverständlich zu dem ganzen Komplex.

    (Abg. Dr. Gülich: Es war nur eine rhetorische Frage!)

    Ich möchte wissen, wer die politisch-moralische Legitimation gehabt hat, so etwas zu vereinbaren, denn dazu gehört doch letzten Endes eine politischmoralische Legitimation, und man muß dabei Rücksicht nehmen auf das, was in unserem Volk gang und gäbe ist und der allgemeinen Meinung entspricht. Unser Volk weiß ja gar nicht, welche Vereinbarungen über derartige Verwaltungsmaßnahmen und Dotierung von Gehältern in diesem Zusammenhang getroffen worden sind. Wir möchten die Regierung ernstlich bitten, daß zusammen mit den europäischen Ländern, die hier in Frage kommen, andere Zustände geschaffen werden, als sie bislang in diesen Verträgen und in den nachfolgenden Verwaltungsabkommen festgelegt sind.
    Eine gewisse finanzpolitische Entartungserscheinung ist es auch, wenn für internationale Etats — europäische wie internationale — etwas beschlossen wird, ohne daß dieses Parlament, dieses Haus oder andere zuständige Gremien vorher gefragt werden: „Was können und dürfen wir in dieser Frage tun?" Es dreht sich nicht nur um die politische Kontrolle. Wir haben im Haushaltsausschuß die Erfahrung gemacht, daß in diesen internationalen Gremien die sogenannten Entwicklungsländer die anderen Länder vollkommen überstimmen können, und zwar sowohl in der Etatgebarung wie allgemein. Das heißt mit anderen Worten, daß die genannten Länder über den Geldbeutel derjenigen verfügen, die alle Mittel für den Etat aufbringen müssen, daß diese Länder selber aber keinen Pfennig dazutun. Diese Probleme scheinen uns also nicht richtig behandelt worden zu sein, und die Entwicklung hat zu einem totalen Durcheinander geführt. Das ist kein Ausdruck, den ich präge, sondern er wurde im Haushaltsausschuß von anderen Kollegen geprägt: ein totales Durcheinander bei den internationalen Gremien.
    Wir müssen zu diesen Grundsatzfragen einige öffentliche Hinweise machen sowohl zu dem Stil, zu der Art, zu der Form, zu der Zweckmäßigkeit der zukünftigen Finanzpolitik als auch zu all dem, was sich aus den letzten Beratungen ergeben hat. Das ist ein rein sachlicher Beitrag, der, von poli-



    Dr. Schild
    tischen Alternativen losgelöst, quer durch alle Parteien hindurch geleistet wird. Wenn wir die Fragen mit dieser Sachlichkeit erörtern, weil wir hier vor einer nationalen Aufgabe stehen, bei der es keine politische Alternative gibt, dann tun wir, glaube ich, für die kommenden Etatberatungen das Richtige.
    Ich habe noch den Wunsch meiner Freunde vorzutragen, Herr Bundesfinanzminister, daß uns das Überrollungsprinzip, das wir in diesem Jahre angewandt haben und bei dem sich der Haushaltsausschuß als „Streichorchester" entwickelt hat,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Mit Paukenschlägen!)

    nicht noch einmal zugemutet wird, sondern daß es sich bei der Aufstellung des nächsten Etats im Schoße des Kabinetts vollzieht und daß Sie mit Brachialgewalt die sogenannten Überforderungen der Ressorts von vornherein zusammenstreichen oder ganz ablehnen. Wir möchten nicht wieder hören — wie in den Jahren 1957 und 1958 —, daß der Finanzminister die Kraft aufbringen mußte, 5 oder 6 Milliarden DM Überforderungen innerhalb der Ressortverhandlungen abzuwehren. Diese Kraft ist unnütz vertan; sie kann anderweitig verwandt werden, wenn man mit den notwendigen Erlassen und Verordnungen an die einzelnen Ressorts und ihre Haushaltsreferenten herantritt.
    Die Deutsche Partei wird diesem Haushalt ihre Zustimmung geben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Eilers (Oldenburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jan Eilers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beratung und Beschlußfassung über den Bundeshaushaltsplan ist eines der wesentlichsten Rechte des Bundestages. Dieses Recht auszuüben ist aber nur möglich, wenn der Entwurf von der Bundesregierung rechtzeitig vorgelegt wird. Die jetzige Beratung steht, wie es hier vorhin von einem Mitglied der Regierungskoalition gesagt wurde, unter dem Zwang eines mörderischen Tempos. Unter solchen Umständen kann man wohl kaum mit Gewicht davon reden, daß dieses wesentlichste Recht des Bundestages in der rechten Form gewahrt werden könne.
    Nun haben Sie, Herr Bundesfinanzminister Etzel, in Ihrer Haushaltsrede am 16. April dieses Jahres zwar versichert, daß es künftig eine verspätete Fertigstellung des Haushaltsentwurfs nicht mehr geben solle. Wir hoffen, daß dieser Versicherung im nächsten Jahr, möglichst gar noch in diesem Jahre die Tat folgen kann, damit der Bundestag in der Lage ist, seine Entschlüsse rechtzeitig zu fassen. Mir scheint aber auch, daß die jetzige verspätete Vorlage Ihrem Grundsatz, die Einheit von Steuerpolitik und Haushaltspolitik herbeizuführen, außerordentlich hinderlich im Wege steht. Ich möchte gerade auch aus diesem Grunde bitten, dafür zu sorgen, daß der Haushaltsentwurf dieser
    Einheit von Steuerpolitik und Haushaltspolitik künftig mehr gerecht wird, damit wir in dem vorläufigen Staatsgebilde Bundesrepublik im Interesse der gesamten deutschen Bevölkerung zu handeln vermögen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die verspätete Verabschiedung dieses Haushaltsplans in dieser Woche wird auch ein wesentliches Hemmnis für den gesamten Ablauf der öffentlichen Verwaltung nicht nur beim Bund, sondern ebenso bei den Ländern und vor allem bei den deutschen Städten und Gemeinden sein. Die Gemeinden und Städte sind ohnehin in ihrer finanziellen Gebarung hart bedrängt. Es liegt mir deshalb sehr am Herzen, auf diese Sorgen und Nöte im Zusammenhang mit der Beratung des Haushaltsplans hier einzugehen. Der gute alte Grundsatz, der in früheren Zeiten vor allem in Deutschland gepflegt wurde, der darüber hinaus aber ein internationaler Grundsatz ist, nämlich daß öffentliche Aufgaben der verschiedenen öffentlichen Träger gleichrangig seien, scheint mir in der Bundesrepublik keine oder nur noch eine sehr geringe Geltung zu haben. Die Rangunterschiede beherrschen weitgehend das Feld nicht nur im Leben des einzelnen in unserer Bundesrepublik, sondern noch viel mehr auf den verschiedenen Ebenen der öffentlichen Verwaltung. Ja, es gilt fast als unfein, den Ländern in ihren Aufgaben gleiche Bedeutung wie dem Bund zusprechen zu wollen. Aber gar den Sorgen der Städte und Gemeinden gleiches Gewicht wie denen des Bundes einzuräumen, das scheint für manche, ich möchte sogar sagen, für viele Menschen an Vermessenheit zu grenzen. Dabei ist jeder Abgeordnete dieses Hohen Hauses, jeder Abgeordnete eines Landtags, jeder Minister und jeder Beamte und Angestellte der öffentlichen Verwaltung Bürger einer Gemeinde, Bürger einer Stadt. Bundes- oder landesunmittelbare Bürger gibt es nicht und wird es hoffentlich auch nie geben.
    Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, daß trotz dieser Tatsache das Wissen um die kommunalen Nöte in der Bundesrepublik sehr gering ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir müssen doch von der Aufgabenstellung ausgehen!)

    — Ja, wir sprechen von der Aufgabenstellung; sie ist in den Artikeln 106 und 107 des Grundgesetzes eindeutig niedergelegt. Erfreulicherweise hat dieses Hohe Haus in der letzten Legislaturperiode die Ergänzung vorgenommen. Aber mir scheint, daß das allein nicht genügt. Man darf diese Fragen nicht nur deklamatorisch behandeln, sondern man muß den Deklamationen mehr als bisher auch praktische Folgerungen folgen lassen. Das ist keine Frage der Parteipolitik, sondern eine Angelegenheit der gemeinsamen Staatspolitik. Wir brauchen hier daher keinerlei Fraktions- oder Parteiegoismus an den Tag zu legen.
    Die bisherige Entwicklung der kommunalen Finanzen und ihre Behandlung im Bundestag und in den Ländern lassen jedenfalls berechtigte Zweifel daran aufkommen, ob überall die richtige Erkennt-



    Eilers (Oldenburg)

    nis waltet. Das ist deshalb so besonders bedauerlich, meine Herren Minister der Bundesregierung, weil lebensfähige Gemeinden den Grundpfeiler jedes Staates ausmachen. Wenn die Finanzen der Gemeinden auf tönernen Füßen stehen, so ist das eine schlechte Grundlage für den Staatsorganismus in Bund und Ländern.
    Die Gemeinden und die Städte sind immer mehr zu finanziellen Kostgängern von Ländern, Reich und Bund geworden. Wir dürfen uns deshalb nicht wundern, daß diese Fragen so stark im Vordergrund des allgemeinen Interesses stehen. Wir in diesem Hohen Hause dürfen uns den harten Tatsachen und den sich daraus ergebenden Notwendigkeiten nicht verschließen.
    Der Anteil der eigenen Steuerquellen der Gemeinden und Städte an den Gesamteinnahmen aller öffentlichen Haushalte betrug im Jahre 1913/14 noch 37 %, 1928 immerhin noch 33 %; 1955 waren es noch ganze 11 %. So sieht also die so viel gepriesene kommunale Selbstverwaltung unter finanziellen Gesichtspunkten aus.
    Von den früher, nach dem ersten Weltkrieg, vorhandenen drei Steuerquellen, nämlich den Zuschlägen zur Einkommensteuer, der Grundsteuer und der Gewerbesteuer, die seinerzeit wohl ausgewogen waren und sein mußten, um eine übermäßige Belastung einer Steuergruppe zu vermeiden, ist im organischen Aufbau nur sehr wenig übrig geblieben. Sie werden wissen, daß die Erzbergersche Steuerreform die Selbstverwaltung noch mehr einengte, indem . sie keine Zuschläge zur Einkommensteuer mehr zuließ, dafür aber den Anteil an großen Reichssteuern vermehrte, der dann mit gewissen Auflagen hinsichtlich der Verwendung dieser Mittel verbunden war und auch in dieser Weise die Selbstverwaltung einengte. Damals erhielten die Gemeinden und Städte wenigstens auf dem Umweg über die Länder noch einen Teil der 75 % ausmachenden Einkommen- und Körperschaftsteuer. Die Gemeinden hatten damals — und das ist außerordentlich interessant — einen Anteil von 5 % an der Umsatzsteuer. Das ist auch deshalb interessant, weil man sich neuerdings wieder der Forderung zuwendet, ähnlich etwa in Zukunft den Gemeinden eine Verbesserung ihrer Finanzen zuzugestehen. Wichtig aber war, daß auch damals dieser Anteil an der Umsatzsteuer schon vorhanden war und daß durch die Erzbergersche Steuerreform der Steuerverbund verbessert wurde. Damals, als Auswirkung der Krisenerscheinungen nach dem ersten Weltkriege, erhielten die Gemeinden das Recht, eine Bürgersteuer, im Volksmund die sogenannte Negersteuer, zu erheben. Sie ist überall noch in sehr schlechter Erinnerung. Es ist gar nicht verwunderlich, daß dann im Dritten Reich der Steuerverbund zu bestehen aufhörte und das Dritte Reich den Anteil an den großen Steuern blockierte. Es war nur noch ein kleiner Schritt zu den Finanzzuweisungen, die als Ersatz für die Steueranteile den Gemeinden zuflossen. Auch die Rückerstattung der Körperschaftsteuer fiel weg. Die Bürgersteuer wurde aufgehoben, so daß die Gemeinden nicht mehr in der Lage waren, dazu überhaupt Stellung zu nehmen, wie erhoben und wie hoch erhoben werden sollte. Dafür gab es die Bürgersteuerausgleichsbeträge. Das sind alles Tatsachen, die dazu führten, daß eine umfassende eigene Finanzgebarung den Gemeinden verwehrt wurde. Die Selbstverwaltung stand also nur noch auf dem Papier.
    So gingen wir in das Jahr 1945, in das Jahr des größten staatlichen Zusammenbruchs in der deutschen Geschichte. Alle Reichs- und Staatsgewalt war versunken; nur die Gemeinden waren noch in der Lage, das staatliche Leben zu erhalten. Sie waren der letzte Wall gegen das Chaos. Die Selbstlosigkeit der Bürger wird wohl erst in den nächsten Jahren, vielleicht gar erst in den nächsten Jahrzehnten richtig gewürdigt werden können.
    Herr Dr. Vogel hat vorhin schon darauf aufmerksam gemacht, wie groß der Nachholbedarf auf allen Gebieten in Deutschland, d. h. bei den Gemeinden und Städten vor allem, heute in Erscheinung tritt. Wir sollten das nicht vergessen, meine Damen und Herren! Zwar haben wir als Menschen ja die Fähigkeit, sehr schnell zu vergessen. Mir will aber scheinen, daß wir manche harten Umstände zu schnell vergessen, nämlich daß die Bundesrepublik mehr als 9 Millionen Vertriebene und Flüchtlinge aufnahm, d. h. sie wurden aufgenommen von den Gemeinden und Städten. Damit entstand eine ungeheure Vermehrung der Aufgaben in der Wasserversorgung, im Bau von Wohnungen, von dem hier schon mehrfach gesprochen wurde, und gleichzeitig im Ausbau der Straßen und, was für die Erhaltung unseres Volkes noch viel wesentlicher ist, im Ausbau der Schulen und im Ausbau der Krankenanstalten für die Gesundheitspflege.
    Herr Vogel hat davon gesprochen, daß der Hauptteil dieser Aufgaben in den nächsten Jahren die Bundesfinanzen arg belasten werde. Er hat aber leider mit keinem Wort davon gesprochen, daß die Hauptträger dieser Last die Gemeinden und die Städte sind. Die Großstädte wurden zerstört, und über Nacht wurden unzerstörte Städte zu Großstädten. Bei allen diesen riesigen Aufgaben — ich muß das heute einmal in dieser Öffentlichkeit vor diesem Hohen Hause sagen — ist es bei Gott kein Wunder, daß sich die Gemeinden und Städte in Deutschland außerordentlich stark verschulden mußten. Trotzdem begegnet man in der Öffentlichkeit nicht selten Vorwürfen gerade gegen die Tatsache, daß die Gemeinden bereit waren, diese Aufgabe zu übernehmen, und sich nicht scheuten, diese Schulden auf sich zu nehmen. Warum? Sie konnten nicht ausweichen; sie mußten helfen, und zwar unverzüglich; sie mußten helfen vor allem bei Anlagen und Investitionen, die unrentierlich sind. So gesehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat der Bund allen Anlaß, bei der künftigen Gestaltung der Haushaltspläne über die Länder im Rahmen des Finanzausgleichs nach Artikel 106 und 107 des Grundgesetzes auf die finanzielle Grundlage, auf eine verbesserte Finanzgebarung bei den Gemeinden und Städten einzuwirken.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Wir alle wissen, daß die Grundsteuer durch die Gesetzgebung des Bundes eingefroren ist, um dem sozialen Wohnungsbau eine Hilfe zu gewährleisten.



    Eilers (Oldenburg)

    Die Ausfälle hat aber nicht der Bund, sondern die Städte und Gemeinden müssen sie tragen. Es ist deshalb für einen Bundesgesetzgeber leicht, solche Bestimmungen zu erlassen, wenn er sich nicht gleichzeitig und im gleichen Rahmen darum kümmert, den Gemeinden für diesen Ausfall einen Ersatz zu geben.
    Mehrfach ist in diesem Hause und auch sonst in der Öffentlichkeit auf das krasse Mißverhältnis zu der Gewerbesteuer — der einzigen Kommunalsteuer, die an der Steigerung des Sozialprodukts teilgenommen hat - hingewiesen worden. Wir sind uns doch wohl völlig darüber klar, daß ohne die konjunkturell gestiegenen Einnahmen durch die Gewerbesteuer die Gemeinden und Städte überhaupt nicht in der Lage gewesen wären, ihre Aufgaben zu erfüllen. Man kann natürlich darüber streiten, ob es gerecht oder richtig ist, einen begrenzten Teil der Bevölkerung mit der Gewerbesteuer in der Weise zu belasten, wie es gegenwärtig der Fall ist.
    Ich bin auch der Meinung, daß die Gesetzgebung hinsichtlich der Gewerbesteuer geändert werden sollte. Wenn aber der Bundesgesetzgeber wie in der letzten Legislaturperiode diese Gesetzgebung zuungunsten der Finanzeinnahmen der Gemeinden und Städte ändert, dann hat er die Verpflichtung, für einen Ersatz dieser Ausfälle zu sorgen.

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Solange der Bund nicht dazu bereit ist und solange e diesen Ersatz nicht zu leisten in der Lage sein mag, darf der Bundesgesetzgeber diese Steuerquellen der Gemeinden nicht noch mehr beeinträchtigen, weil er sonst die Grundlagen unseres staatlichen Lebens in Gefahr bringt.

    (Erneuter Beifall bei der FDP und SPD.)

    Ich darf diese Feststellungen mit Nachdruck und Bedacht unterstreichen, und ich darf als objektiven Zeugen für diese Behauptung den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom Januar 1958 zitieren. Dort wird auf Seite 29 festgestellt, daß die Kreditmarktverschuldung allein der Gemeinden Ende 1957 - schon damals! — mit 6,2 Milliarden DM doppelt so hoch war wie die der deutschen Länder. Dabei ist die Verschuldung der Stadtstaaten — oder Länder, wie Sie wollen — West-Berlin, Hamburg und Bremen noch in die Verschuldung der Länder einbezogen, ist also nicht etwa bei der Verschuldung der Städte berücksichtigt.
    Der Deutsche Städtetag hat in den letzten Tagen der vergangenen Woche in Hannover getagt und hat bei dieser Tagung noch einmal das Interesse der Öffentlichkeit auf die Tatsache gelenkt, daß sich die Gesamtverschuldung der deutschen Städte inzwischen der 10-Milliarden-Grenze nähert. Diese Verschuldung muß zu der Feststellung führen, daß es so auf gar keinen Fall weitergehen kann. Diese Tatsache muß uns vor Augen führen und klarwerden lassen, daß möglichst bald eine grundsätzliche Neuverteilung der Steuern zwischen Bund, Ländern und Gemeinden erfolgen muß. Wenn das nicht geschieht — Herr Bundesfinanzminister, ich richte diesen Appell ganz bewußt an Sie-, dann wird der Tag nicht mehr fern sein, wo die Gemeinden überhaupt nicht mehr investieren können.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das würde aber bedeuten, daß die Erfüllung wesentlicher Gemeinschaftsaufgaben wie des Baues von Schulen — in denen heute noch weitgehend Schichtunterricht erteilt wird — unterbleibt, des Baues der Schulen, in denen die kommende Generation unseres Volkes erzogen und gebildet wird. Wir werden nicht in der Lage sein, die Krankenhäuser auszubauen, geschweige denn zusätzlich zu den Mitteln des Bundes und der Länder den Bau von Wohnungen zu finanzieren oder Straßen zu bauen. Wenn aber diese Möglichkeiten für die Gemeinden nicht bestehen, dann bedeutet das, daß ein öffentlicher Notstand heraufbeschworen wird. Die Gemeinden würden dann nicht in der Lage sein, diesen Notstand ohne fremde Hilfe zu überwinden. So weit aber darf die Bundesregierung die Entwicklung gar nicht erst kommen lassen.
    Die deutsche kommunale Selbstverwaltung ist in der Tat in ernster Gefahr. Die jetzigen finanziellen Grundlagen, die tönernen Füße dieser Selbstverwaltung der Gemeinden in der Bundesrepublik drohen unter der schweren Last, die gegenwärtig auf ihnen ruht, zu zerbrechen. Ein solcher Bruch rührt nach meiner festen Überzeugung auch an die Grundfesten unseres gesamten vorläufigen Staatswesens, ja, ein solcher Bruch könnte dieses Staatswesen verhängnisvoll erschüttern.
    Deshalb ist die baldige Schaffung eines neuen kommunalen Steuersystems im Rahmen der Gesamtsteuerverteilung unbedingt erforderlich. Neue Einnahmequellen müssen erschlossen werden, wenn die Selbstverwaltung gesunden soll. Ob es zu einer Anhebung der Grundsteuer kommen kann, wird im Rahmen der gesamten Überlegungen erwogen werden müssen. Auf jeden Fall scheint es mir notwendig zu sein, daß das Bewertungsgesetz aus dein dreißiger Jahren, die Grundlage der Einheitswerte, endlich den tatsächlichen Verhältnissen angepaßt wird und daß die Gemeinden und Städte einen Anteil an den Kraftverkehrsteuern, also an der Kraftfahrzeugsteuer und an der Mineralölsteuer, erhalten.
    Meine Damen und Herren, die größte Zahl der Unfälle wird seit Jahren in den Städten und Gemeinden, nicht auf der Autobahn, nicht auf den Bundesstraßen erster und zweiter Ordnung gezählt. In den Städten und Gemeinden ereignen sich die meisten Unfälle. Dort muß etwas geschehen.
    Ich halte die mehrfach erörterte Personensteuer im Vergleich etwa zu der früheren „Negersteuer" nicht für eine geeignete Maßnahme, den Städten und Gemeinden entscheidend zu helfen, es sei denn, Herr Finanzminister Etzel, Sie wären bereit, für diese Personensteuer einen Teil der Einkommensteuer frei zu machen, um auf diese Weise eine zusätzliche Belastung der Bürger in den Gemeinden zu verhüten. Nur unter dieser Voraussetzung hielte ich es überhaupt für möglich, daß eine solche Maßnahme erfolgte.
    Herr Dr. Vogel, Sie haben vorhin die Notstände der Schulen apostrophiert. Auch ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß das Kriegsnotstände sind, die die Gemeinden und Städte nicht allein bewältigen können, und daß der Bund dafür zusätzliche Mittel



    Eilers (Oldenburg)

    in ausreichendem Umfange zur Verfügung stellen sollte. Die Schulen sind die Stätte, in der die Zukunft unseres Volkes ruht. Wir sollten alles tun, um hier eine Verbesserung zu erreichen. Nur auf diese Weise können die staatliche Einheit und die Gleichheit von Bund, Ländern und Gemeinden ¡von Bestand und auch entwicklungsfähig sein.
    Während der vorhergehenden Aussprache wurde immer wieder betont, daß wir sparen müssen. Mir scheint aber, daß mit den bisherigen Wegen und Methoden eine wirkliche Ersparnis kaum zu erzielen sein wind. Wir müssen neue Wege beschreiten. Einer dieser neuen Wege scheint mir zu sein, daß man das Rechnungsjahr, ,das antiquiert immer noch vom 1. April bis 31. März läuft, endlich auf das Kalenderjahr abstellt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Meine Herren Minister, meine Damen und Herren dieses Hohen Hauses, ich darf mir gestatten, wegen der großen volkswirtschaftlichen Auswirkung dieser Maßnahme, die durchaus nicht nur eine administrative Angelegenheit ist, noch auf einiges Wesentliche hinzuweisen. Es ist erstaunlich, daß Bundesregierung, Bundestag und auch die Länderregierungen die Angleichung ides Haushaltsjahres an idas Kalenderjahr schon oft diskutiert haben, ohne jemals zu einem Entschluß gekommen zu sein. Gerade wir in diesem Hohen Hause sollten es uns angelegen sein lassen, endlich zu einem so wesentlichen Entschlusse zu gelangen. Daß wir bis jetzt noch nicht dazu gekommen sind, ist um so verwunderlicher, als im Jahre 1951 — damals stellte der Herr Bundesfinanzminister Schäffer eine Untersuchung an — alle Bundesminister bis auf den Herrn Bundeswirtschaftsminister einer solchen Angleichung zustimmten. Es ist schade, daß der Herr Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister nicht mehr da ist. Angesichts seiner Vitalität und seiner Aufgeschlossenheit gegenüber allen Problemen bin ich doch sehr darüber verwundert, daß gerade er sich dagegen wandte mit der Begründung, eine pünktlichere Verabschiedung des Haushaltsplans müsse genügen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
    Interessant ist auch, daß die Finanzminister der Länder 1951 die Angleichung des Haushaltsjahrs an das Kalenderjahr für unzweckmäßig hielten. Nur der Finanzminister von Rheinland-Pfalz hat sich damals dafür ausgesprochen. Immerhin hat die damalige Bank deutscher Länder aus geldmarktpolitischen Erwägungen zugestimmt. Ich darf wegen der Bedeutung dieser Frage die Erklärung der damaligen Bank deutscher Länder mit Genehmigung des Herrn Präsidenten kurz zitieren:
    Würde das Rechnungsjahr in Zukunft ab 1. Januar beginnen, so könnte der Bund, der im Januar über besonders hohe Steuereinnahmen verfügt, die mit dem Beginn des Rechnungsjahres zusammenfallenden erhöhten Ausgaben voraussichtlich ohne Inanspruchnahme von Kreditmitteln finanzieren. Ein eventuell erhöhter Kreditbedarf der Länder könnte bei der im Januar üblichen Verflüssigung des
    Geldmarktes leichter befriedigt werden, als dies im April" der Fall ist.
    Mir scheint, daß allein diese Begründung für die Verlegung auf das Kalenderjahr ausreicht. Dennoch waren damals alle Bemühungen umsonst, und sie sind es bisher geblieben. Auch als im Jahre 1954 im Zusammenhang mit der Finanz- und Steuerreform vom Bundesfinanzminister Schäffer ein erneuter Versuch unternommen wurde, änderte sich nichts. Die Finanzminister der Länder erörterten abermals diese Fragen; einige zeigten Neigung, einige nicht. Eigenartigerweise waren die Länder der Meinung — das wird Sie, meine Damen und Herren, und vor allem die Öffentlichkeit interessieren —, daß sie eine solche Verlegung des Haushaltsjahres deshalb nicht billigen könnten, weil die Haushaltspraxis der Länder auf lokale Verhältnisse zugeschnitten sei und deshalb nicht geändert werden dürfe. Man kann darüber deshalb besonders erstaunt sein, weil die Spitzenorganisationen der Körperschaften, die den lokalen Verhältnissen am nächsten stehen, nämlich die Städte und Gemeinden, dieser Änderung der Haushaltspraxis zugestimmt haben.
    Die Verwunderung über das Verhalten der Länder wird alber noch größer, wenn man einen kurzen Blick in die Geschichte wirft. — Keine Sorge, ich will das mit zwei Sätzen tun und nicht etwa ein großes Band aufrollen. 1871 hat das Deutsche Reich für das Haushaltsjahr bereits das Kalenderjahr bestimmt. Erst 1877 wurde die jetzige Form eingeführt. Aber siehe da, bei den Ländern war es schon damals schwierig. Ich weiß nicht, woran das liegt. In Bayern ist das anscheinend besonders ausgeprägt; denn das Land Bayern hat erst im Jahre 1920 das Haushaltsjahr auf die jetzige Form gebracht; bis zum Jahre 1920 galt in Bayern das Kalenderjahr als Haushaltsjahr.

    (Abg. Niederalt: Wir sind immer vorbildlich!)

    — Natürlich, ich habe das auch mit Freude unterstrichen und glaube, daß Sie sich auch in dieser Beziehung nicht ändern werden. Bis zum Jahre 1920 standen die Länder vielleicht den lokalen Verhältnissen weniger nahe als später.
    Wie sieht es im übrigen in der Bundesrepublik aus? Seit 30 Jahren arbeitet die Bundesbahn erfolgreich nach dem Kalenderjahr, die Bundespost seit zwei Jahren. Auch die deutsche Sozialversicherung macht seit Jahren mit 'dem Kalenderjahr als Haushaltsjahr die besten Erfahrungen. Hinzu kommt, daß viele wichtige Steuern auch jetzt schon nach dem Kalenderjahr veranlagt werden. Die Verzahnung dieser Einrichtungen bzw. Institutionen mit dem Bundeshaushalt ist aber aus all diesen Gründen gegenwärtig erheblich erschwert. Überschneidungen und zusätzliche Arbeiten verursachen ständig Mehrkosten und - was viel schlimmer ist — Mißverständnisse und Unrichtigkeiten. Schauen Sie sich einmal die Statistiken an; sie zu vergleichen, ist außerordentlich schwer.
    Ich glaube aber, meine Damen und Herren, in der gegenwärtigen Weltsituation ist auch ein Blick in



    Eilers (Oldenburg)

    Europa hinein richtig: Die Montanunion und der Gemeinsame Markt rechnen mit dem Kalenderjahr. In Frankreich, in Belgien und in den Niederlanden in das Kalenderjahr das Haushaltsjahr. Auch ein internationaler Vergleich ist uns Deutschen also aus diesen Gründen erschwert, neben den Erschwernissen, die wir ohnehin im innerdeutschen Gebiet haben.
    Welche anderen Gründe sprechen nun für die Verlegung? Die öffentlichen Haushalte des Bundes, der Länder und der Gemeinden geben der deutschen Volkswirtschaft in jedem Jahre Aufträge von vielen Milliarden D-Mark. Dies trifft besonders für die Bauwirtschaft als Schlüsselwirtschaft zu. Durch die Einführung des Kalenderjahres als Haushaltsjahr werden ein besserer Wettbewerb und eine rechtzeitige Ausschreibung und Vergabe der Aufträge der gesamten öffentlichen Hand ermöglicht. Die öffentliche Hand kann günstigere Preise erzielen und dadurch erhebliche Ersparnisse machen. Wir wollen doch sparen, nicht wahr? Vorhin ist hier immer wieder davon gesprochen worden. Eine bessere und breitere Verteilung der Arbeiten auf baugünstigere Monate ist durch diese Maßnahme möglich. Das ist auch lohnpolitisch sehr wertvoll. Es werden weniger Überstunden, weniger Sonntags- und Nachtarbeit erforderlich. Auch aus diesem Grunde sind die Arbeiten billiger. Die Betriebe brauchen geringere Betriebsmittel bei den Kreditinstituten anzufordern. Eine bessere Ausnutzung der Baumaschinen und Baueinrichtungen, eine günstigere Arbeitsverteilung auf allen Gebieten ist möglich. In der Wirtschaft werden weniger unproduktive Zeiten auftreten.
    Meine Damen und Herren! Der Haushaltsplan 1958 wird jetzt Anfang Juli verabschiedet. Die Folge ist, daß die einzelnen Ministerien frühestens Ende Juli oder Anfang August Aufträge erteilen können. Es ist gar nicht daran zu denken, daß vor August oder September in den einzelnen Betrieben der Bauwirtschaft, im Hochbau oder im Tiefbau, der Start für eine praktische Arbeit in diesem Zweig der deutschen Volkswirtschaft gegeben werden kann.

    (Abg. Dr. Gülich: Es sind ja schon so viele Vorwegbewilligungen erfolgt!)

    — Lieber Herr Professor Gülich, diese Haushaltsermächtigungen führen doch zu einer Unsicherheit in der öffentlichen Verwaltung, die auf die Dauer untragbar ist und die kein Ersatz dafür ist. — Hochbauten und auch Straßen werden — und Sie werden daran denken, meine Damen und Herren, wenn wir in den Dezember kommen — wieder bis zum Wintereinbruch nicht fertig. Verkehrsstockungen sind wieder unausbleiblich, weil auch in den langen Wintermonaten Baustellen auf den Straßen nicht zu vermeiden sein werden. Das Kapital für diese Arbeiten liegt fest und ist wieder ohne rechten Ertrag.
    Wenn das Rechnungsjahr mit dem 1. Januar beginnt, ist sowohl in der Bundesregierung wie bei den Länderregierungen und den Gemeinden ausreichend Zeit für Arbeitsvorbereitungen bis zum Eintritt besserer, baugünstigerer Witterung.
    Neben fiskalischen Vorteilen stehen allgemeine günstige volkswirtschaftliche Auswirkungen. Ich glaube, der Gesichtspunkt, den ich jetzt vortrage, hat besonderes Gewicht: Die winterliche Spitze der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik würde bei rechtzeitigem Einsetzen der Mittel der öffentlichen Hand etwa in der zweiten Hälfte des Monats März, spätestens im Monat April schneller abgebaut werden können. Millionen D-Mark Unterstützung für Arbeitslose würden wahrscheinlich gespart und für produktive Zwecke frei gemacht werden.

    (Beifall bei der FDP.)

    Ein letztes Argument, das sehr wichtig ist und das ich kurz ansprechen muß: Die Länder behaupten, ein Hindernis für die Umstellung des Rechnungsjahres auf das Kalenderjahr sei das jetzige Schuljahr, das mit dem Haushaltsjahr übereinstimmt. Der Schuletat sei der größte Etat im Länderhaushalt. — Nach unserer Auffassung ist diese Begründung absolut nicht durchschlagend. Notfalls wäre sogar zu überlegen, das Schuljahr ebenfalls mit dem Kalenderjahr Bleichlaufen zu lassen. Dann würde wenigstens eines erreicht: daß unsere Kinder rechtzeitig im Silvesterrausch mit den Eltern gemeinsam ihre Sorgen über die schlechten Zeugnisse ertränken könnten — falls sie solche erhalten haben. Auf keinen Fall dürfte man natürlich die Schulzeugnisse vor Weihnachten erteilen.

    (Heiterkeit.)

    Als weiterer Einwand wird vorgebracht, daß die rechtzeitige Verabschiedung des Haushaltsplans im Rahmen des Kalenderjahres wegen des Sommerurlaubs der mit dem Haushalt befaßten Volksvertreter oder der Ministerialvertreter zweifelhaft sei. Ich glaube, meine Damen und Herren, keine Begründung ist verwunderlicher als diese. Denn sind bei der Bundesbahn oder bei der Bundespost bisher Urlaubswünsche unerfüllt geblieben? Fahren weniger Züge? Werden Briefe durch die Post weniger pünktlich zugestellt; oder werden Renten in den Urlaubsmonaten nicht pünktlich ausgezahlt? Es geht bei der Bundesbahn, es geht bei der Sozialversicherung, es geht im Ausland; warum denn nicht bei uns? Das Kalenderjahr ist ein natürlicherer Rhythmus, menschlich und auch wirtschaftlich gesehen.
    Alles in allem: Schneiden wir, meine Damen und Herren, endlich diesen alten Zopf ab, in den Ländern und in den Gemeinden, und schaffen wir gemeinsam mit dem Bund eine moderne Frisur. Ich glaube, sie ist nicht nur schöner, sondern auch praktischer. Meine Fraktion wird zur Schlußabstimmung einen entsprechenden Entschließungsantrag einbringen.
    Noch einige Worte zu einer anderen Maßnahme, die Einsparungen zur Folge haben würde. Ich glaube, wir sollten alles tun, Herr Bundesfinanzminister, gemeinsam mit den Ländern dahin zu gelangen, daß endlich eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung geschaffen wird, die in der Lage wäre, auch sparsamer zu wirtschaften. Ich darf nur darauf aufmerksam machen, daß der jetzt geänderte § 7 c des Einkommensteuergesetzes 150 Ländererlasse veranlaßt hat — 150 Erlasse, die veröffentlicht worden sind; von denen, die nicht ver-



    Eilers (Oldenburg)

    öffentlicht sind, gar nicht zu reden. — Ein anderes. Die Steuerfahndung ist zweifellos nicht beliebt. Bei einheitlicher Durchführung im Rahmen einer Bundesfinanzverwaltung könnten örtliche Übergriffe besser vermieden werden als bei der gegenwärtigen Verwaltung durch die Länder. Die Steuerfahndung würde auch wirksamer sein. — Die Betriebsprüfung hat, wie wir alle wissen, mit der Steuerfahndung nichts zu tun. Dennoch kann man sich gegenwärtig des Eindrucks nicht erwehren, als würde die Betriebsprüfung manchmal zu einer Art Steuerfahndung benutzt, — nein, besser gesagt: mißbraucht,

    (Beifall bei der FDP.)

    Es kann kein Zweifel darüber sein, daß alle sachverständigen Persönlichkeiten eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung als das Gebot der Stunde ansehen. Deshalb sollte sich der Bundestag endlich bereitfinden, den Artikel 108 des Grundgesetzes zu ändern und die Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung zu beschließen.
    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, daß ich wegen der Wichtigkeit dieser Umstände die Mittagspause um eine Viertelstunde hinausgezögert habe. Ich verspreche, mich in Zukunft zu bessern.

    (Beifall bei der FDP. — Heiterkeit.)