Rede von
Dr.
Adolf
Arndt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Aber, Herr Kiesinger, wir sind hier doch nicht die moralischen Splitterrichter über alle Völker!
Sie wissen ganz genau, daß die Frage in Großbritannien nicht ausgetragen ist und wie tief sie in Großbritannien die Gemüter aller Menschen
und der Kirchen erregt. Ja, die englische Situation ist aus Gründen, die ich jetzt nicht näher darlegen
1502 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 26. Sitzung, Bonn, Freitag, den 25. April 1958
Dr. Arndt
kann — ich kann hier ja keine Vorlesung halten —, wieder anders als die unsere.
— Jetzt ist die Rede von der Illegalität. Die Engländer haben keine Verfassung in unserem Sinne;
die Engländer haben keine Artikel 25 und 26. — Ja, Herr Heinmann steht auf dem Standpunkt, daß es der Schritt in die Illegalität ist.
— Nein, Herr Heinemann spricht von den anderen Fragen, von der sittlichen Frage. Sie können doch nicht Legalität als eine internationale Frage ansehen, Herr Kiesinger! Machen Sie so etwas doch nicht, das ist wirklich unter Ihrem Niveau!
— Ich sage Ihnen ja, wir sollten uns die Diskussion über Legalität und Illegalität ersparen. Nur dem Bundesinnenminister antworte ich. Wenn er uns mit solchen Tönen, mit der angeblichen Illegalität unseres Verhaltens kommt, dann muß er sich erst hinsichtlich der Legalität der atomaren Ausrüstung im Hinblick auf Art. 25 und 26 rechtfertigen.
Ich möchte schließen, indem ich sage: Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist von den ersten Tagen ihres Bestehens an so unlösbar mit dem Gedanken der Demokratie verknüpft, daß sie ohne den demokratischen Gedanken nicht gedacht werden und nicht bestehen kann. Seit einer Zeit vor nahezu 100 Jahren, als es noch in Deutschland Freiheit und Existenz kostete, sich zum demokratischen Gedanken zu bekennen, hat sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in ihrer ganzen Geschichte nicht von dem Gedanken der Demokratie trennen lassen, und sie hat dafür ein Beispiel gegeben, das, glaube ich, in der Weltgeschichte selten ist und das sich an die größten Beispiele der Antike anreiht. Denn als nach dem Zusammenbruch von 1918 die Kräfte, die ihn verschuldet hatten, nicht den Mut besaßen, nun auch die Verantwortung zu übernehmen, und als alle Macht in den Händen von zunächst drei Sozialdemokraten mit drei Unabhängigen Sozialdemokraten und dann allein bei den Sozialdemokraten unter Leitung und Führung des unvergeßlichen Friedrich Ebert konzentriert war, da hat diese Partei den politischen und sittlichen Mut gehabt, zu sagen: Ich wünsche keine Macht, die nicht demokratisch legitim ist, und ich lege meine Macht in die Hand des Volkes und berufe die Weimarer Nationalversammlung ein. Das Beispiel zeigen Sie mir einmal sonst in der Geschichte! Es ist nicht nur so, Herr Kiesinger, daß die toten Sozialdemokraten gute Sozialdemokraten, gute Demokraten sind, die
Sozialdemokratische Partei hat sich auch nach 1945 nicht anders gezeigt. Sie wird sich nicht von dem demokratischen Gedanken trennen lassen; denn ein jeder von uns weiß, daß er die einzige Chance des schaffenden Volkes und der breiten Schichten der Menschen ist, überhaupt im Staat ihre Heimat, ihre Menschenwürde und ihre Gleichberechtigung zu erkämpfen. Keiner von Ihnen hat das Recht, unsere demokratische Haltung anzutasten und anzuzweifeln; denn was wir hier wollen, das ist das Demokratische.