Herr Kollege Greve, ich bin über Sicherheitsvorkehrungen des Herrn Kollegen Dr. Krone natürlich nicht im Bilde.
— Ich weiß nichts davon, sage ich Ihnen nochmals.
Ich kann Ihnen nur eines sagen. Sie werden sicher ein gewisses Verständnis dafür haben, daß die Bundesregierung, die hier in diesem Hause darauf angewiesen ist, daß sie eine Mehrheit hat und behält, bemüht sein muß, mit dieser Mehrheit auf das intensivste zusammenzuarbeiten, und daß sie — damit Sie nicht gleich wieder Zwischenrufe machen — alle verfassungsmäßigen Pflichten, die sie in einer geordneten Demokratie wie bei uns gegenüber der Opposition hat, immer in vollem Umfange berücksichtigen wird.
Aber es fällt mir schwer, auf das Kapitel mit Herrn Blachstein noch zu kommen. Herr Blachstein, das Entscheidende in Ihren Ausführungen war, daß Sie uns vorwarfen, wir wollten jemandem einen Maulkorb umhängen — Maulkorb umhängen, hieß es wörtlich bei Ihnen — in dem Sinne, als ob wir die Redefreiheit und die Demonstrationsfreiheit bei uns irgendwie beschränken wollten. Davon kann gar keine Rede sein. Wie wenig wir einen Maulkorb umhängen, zeigt dieses wirklich famose Interview des Kollegen Schmidt, das Herr Dr. Jaeger gestern abend hier zum besten gegeben hat. Als ich das Interview zum erstenmal in die Hand bekam, war es in meinen Augen so, daß es mir für ein Zitat in diesem Hohen Hause gar nicht fähig erschien. Jemand, der sich davon einen Eindruck verschaffen will, braucht das nur einmal zu lesen. Ich sage Ihnen mit allem Ernst, weil es sich um jemand aus Ihren Reihen handelt: wenn man glaubt, in dieser schnodderigen Manier über Rechtsgrundlagen sprechen zu können, dann ist das ein außerordentlich trauriger Vorgang.
Ich komme zurück zu den Ausführungen des Kollegen Blachstein. Er hat gesagt, das Verbot der Kommunistischen Partei sei töricht gewesen.
— Es ist mir sehr interessant, daß solche Zwischenrufe weiterhin kommen!
Ich nehme zu der Frage Stellung. Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß das Grundgesetz uns nicht etwa so die freie Auswahl läßt, welche Gruppen wir hier zulassen möchten oder nicht, sondern daß es einen sehr strikten Satz aufgestellt hat. Sie zitieren doch so gern den Art. 21. Ich darf Ihnen den Art. 21 Abs. 2 einmal vorlesen.
— Ich habe den Eindruck, Sie kennen ihn nicht. Mindestens haben Sie ihn gestern wohl vergessen, und deswegen bringe ich ihn in Erinnerung:
Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
Meine Damen und Herren, offenbar ist das nun einer jener Sätze des Grundgesetzes, der nach Ihrer Meinung der weitesten und legersten Handhabung fähig ist. Sie wissen, daß wir zwei Verbotsprozesse hinter uns haben. Beide waren schon in der ersten Legislaturperiode, als ich nicht im Amte war, eingeleitet. Einer richtete sich gegen die Sozialistische Reichspartei. Diesem Verbotsprozeß haben Sie immer uneingeschränkt Beifall gezollt. Sie haben das Bundesverfassungsgericht gerühmt, daß es mit solcher Schärfe und Promptheit gegen die Sozialistische Reichspartei eingeschritten sei. Wollen Sie wirklich allen Ernstes einer auf das Grundgesetz vereidigten Bundesregierung nahelegen, andere Maßstäbe nach rechts als nach links anzuwenden?
Vielleicht stehen wir übermorgen vor der Notwendigkeit, zu irgendeiner Aktion nach rechts zu schreiten.
Glauben Sie, ich würde vor das deutsche Volk treten, um eine weitere Aktion gegen rechts einzuleiten und gleichzeitig einen Naturschutzpark für Kommunisten bestehen zu lassen?
Diese Art von Verfassungszweideutigkeit, meine Damen und Herren, mag anderswo und in anderen Köpfen möglich sein. Wir halten uns an das Grundgesetz gebunden.
Das hat nichts mit Opportunität zu tun. Das sind keine Fragen der politischen Opportunität, sondern sind Fragen des Verfassungsrechts, und für die kann es nur einen Maßstab geben, nämlich den in Art. 21 Abs. 2 festgelegten Maßstab.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß.
— Herr Kollege Metzger, ich möchte nicht den Eindruck erwecken, daß ich Ihnen die Antwort auf irgendeinen Zwischenruf schuldig bleiben müßte. Das Grundgesetz sagt in Art. 21 Abs. 1, daß die Parteien bei der politischen Willensbildung des
1488 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 26. Sitzung, Bonn, Freitag, den 25. April 1958
Bundesminister Dr. Schröder
Volkes mitwirken, daß ihre Gründung frei ist, daß ihre innere Ordnung demokratischen Grundsätzen entsprechen muß und daß sie über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben müssen. Das wird im einzelnen im Grundgesetz nicht näher dargelegt. Es findet sich dann in Abs. 3 die Bestimmung: „Das Nähere regeln Bundesgesetze."
— Ja, das Nähere regeln Bundesgesetze. Über den Text, meine Damen und Herren, sind wir uns offenbar einig.
Nun kommen wir zur Sadie. Die Sache liegt so, daß ein Teil dessen, was Art. 21 Abs. 1 bestimmt, bereits durch das Wahlgesetz und damit in Verbindung stehende Vorschriften geregelt ist, daß also für die Frage des Parteiengesetzes, wenn wir nicht daran denken, gewisse andere Regelungen umzubauen, was möglich wäre, ein relativ begrenzter Raum bleibt. Da geht es praktisch um die Frage, die seit längerer Zeit im Streit ist und unter dem Stichwort der Parteifinanzierung — nicht nur der Offenlegung der Parteifinanzen — läuft. Das ist ein Kapitel. Die weitere Diskussion geht nun aber um die Frage der Parteifinanzierung. Da gehen die Meinungen sehr weit auseinander.
Ich habe mich, um diese Sache zunächst einmal aus einem allzu emotionalen Streit herauszubringen, dazu entschlossen, ganz unabhängige Leute -natürlich mit dem entsprechenden Prozentsatz von Männern, die Ihnen nahestehen — zu einer Kommission zu bitten; diese hat einen Bericht darüber erstattet, der Ihnen allen bekannt ist. Dieser Bericht befindet sich derzeit in der Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit, in den Fraktionen, wie ich annehme, und anderswo.
Die Bundesregierung hat schon verschiedene Entwürfe gehabt. Es befindet sich ein neuer Entwurf in Arbeit. Das Kabinett wird in absehbarer Zeit darüber entscheiden, mit welcher Priorität dieser Entwurf angesichts der Arbeitslage des Hauses hier eingebracht werden soll. Das Haus hat darüber zu befinden, wann es welche Regelung dieser Sache für richtig hält. Und auf diesem Gebiet ist wie auf allen anderen Gebieten der gesetzgeberischen Initiative nicht die geringste Schranke gesetzt, und für förderliche, sachgemäße Vorschläge auf diesem Gebiet sind wir allen nur herzlich dankbar, einschließlich Ihrer, Herr Kollege Metzger.