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ID0302600400

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    Deutscher Bundestag 26. Sitzung Bonn, den 25. April 1958 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Volksbefragung wegen einer atomaren Ausrüstung der Bundeswehr (Drucksache 303) — Fortsetzung der Ersten Beratung — Dr. Greve (SPD) 14F° B Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) 1467 D Dr. Dr. Heinemann (SPD) 1476 D Dr. Schröder, Bundesminister 1480 D, 1503 A, 1506 C Dr. Arndt (SPD) 1489 A Heiland (SPD) 1505 A Ollenhauer (SPD) 1506 D Dr. Mommer (SPD) 1508 B Hoogen (CDU/CSU) 1508 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Viehzählungsgesetzes (Drucksache 298) — Erste Beratung — 1509 B Entwurf eines Gesetzes über Bodenbenutzungserhebung und Ernteberichterstattung (Drucksache 323) —Erste Beratung— 1509 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und Ergänzung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Dr. Schmidt [Wuppertal], Ruhnke, Margulies, Dr. Elbrächter u. Gen.) (Drucksache 301) — Erste Beratung — 1509 D Entwurf eines Vierten Bundesgesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung (Drucksache 318) — Erste Beratung — . . . . 1509 D Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der arbeitenden Jugend (Drucksache 317) — Erste Beratung — 1510 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. 9. 1956 mit dem Königreich Belgien über eine Berichtigung der deutschbelgischen Grenze und andere die Beziehungen zwischen beiden Ländern betreffende Fragen (Drucksache 315) — Erste Beratung — 1510 B Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksache 324) — Erste Beratung — 1510 B Schreiben des RA Josef Jösch, Frankfurt am Main betr. Genehmigung des Strafverfahrens gegen den Abg. Vogt; Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses (Drucksache 286) und Schreiben des Bundesministers der Justiz betr. Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Dr. Fritz Rauhut, Würzburg; Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses (Drucksache 176) Jahn (Marburg) (SPD), Berichterstatter 1510 C Schreiben des Bundesministers der Justiz betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Dr. von Brentano; Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses (Drucksache 287) Ritzel (SPD), Berichterstatter . . 1511 C Nächste Sitzung 1511 D Anlage 1512 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 26. Sitzung, Bonn, Freitag, den 25. April 1958 1459 26. Sitzung Bonn, den 25. April 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9 Uhr.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 31. 5. Altmaier 26. 4. Bauer (Wasserburg) 26. 4. Bauereisen 26. 4. Bauknecht 10. 5. Dr. Bechert 26. 4. Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) 25. 4. Frau Berger-Heise 3. 5. Birkelbach 25. 4. Dr. Birrenbach 25. 4. Frau Bleyler 26. 4. Blöcker 25. 4. Dr. Böhm 26. 4. Brese 25. 4. Frau Dr. Brökelschen 26. 4. Conrad 25. 4. Dr. Dehler 25. 4. Dr. Deist 25. 4. Diel (Horressen) 5. 5. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 30. 4. Dr. Dittrich 26. 4. Dr. Eckhardt 30. 4. Eichelbaum 3. 5. Eilers (Oldenburg) 25. 4. Dr. Elbrächter 25. 4. Engelbrecht-Greve 26. 4. Erler 25. 4. Felder 30. 4. Dr. Frey 26. 4. Dr. Friedensburg 30. 4. Frau Friese-Korn 31. 5. Gaßmann 26. 4. Geiger (München) 26. 4. Frau Geisendörfer 23. 5. Geritzmann 25. 4. Gontrum 25. 4. Dr. Gülich 26. 4. Hahn 25. 4. Hamacher 25. 5. Dr. von Haniel-Niethammer 26. 4. Häussler 30. 4. Heinrich 15. 5. Heix 25. 4. Frau Herklotz 1. 5. Höcherl 10. 5. Höcker 25. 4. Dr. Hoven 25. 4. Frau Dr. Hubert 17. 5. Hufnagel 26. 4. Iven (Düren) 26. 4. Jacobs 25. 4. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Jordan 25. 4. Kalbitzer 25. 4. Keuning 25. 4. Frau Kipp-Kaule 26. 4. Frau Korspeter 26. 4. Dr. Kreyssig 25. 4. Kriedemann 25. 4. Kunze 15. 5. Kurlbaum 25. 4. Leber 25. 4. Dr. Leverkuehn 25. 4. Dr. Lindenberg 25. 4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 6. Ludwig 25. 4. Dr. Maier (Stuttgart) 26. 4. Margulies 25. 4. Mattick 26. 4. Frau Dr. Maxsein 25. 4. Mellies 23. 5. Memmel 25. 4. Meyer (Oppertshofen) 26. 4. Neuburger 25. 4. Frau Niggemeyer 30. 4. Priebe 25. 4. Frau Dr. Probst 25. 4. Rademacher 25. 4. Rasch 25. 4. Frau Renger 10. 6. Richarts 25. 4. Frau Rösch 26. 4. Ruf 25. 4. Scharnberg 26. 4. Scharnowski 26. 4. Scheel 25. 4. Scheppmann 2. 5. Schlee 25. 4. Dr. Schmid (Frankfurt) 26. 4. Schneider (Hamburg) 25. 4. Dr. Schneider (Saarbrücken) 25. 4. Frau Dr. Schwarzhaupt 25. 4. Seidl (Dorfen) 25. 4. Dr. Seume 25. 4. Dr. Starke 25. 4. Storch 25. 4. Sträter 31. 5. Frau Strobel 25. 4. Struve 7. 5. Dr. Wahl 15. 5. Wegener 25. 4. Weimer 31. 5. Dr. Zimmer 26. 4. b) Urlaubsanträge Rasner 25. 5.
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    Rede von Dr. Hans Wilhelmi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Greve hat es als erster von der sozialdemokratischen Fraktion unternommen, die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs, den diese Fraktion eingebracht hat, rechtlich zu begründen. Der Versuch ist ihm meines Erachtens nicht gelungen, aber ich bin doch recht dankbar, daß das versucht worden ist. Denn es ist doch wohl die erste Vorbedingung für die Einbringung eines Gesetzentwurfs durch eine demokratische Fraktion, daß sie Überlegungen anstellt, ob dieses Gesetz verfassungsmäßig wäre, und es ist einigermaßen selbstverständlich, daß sie das tut, wenn sich herumgesprochen hat — ich glaube, das ist geschehen —, daß die größte Fraktion dieses Hauses das Gesetz für verfassungswidrig ansähe.
    Was wir von Herrn Kollegen Greve über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs gehört haben, ist nicht allzuviel. Er hat zunächst beanstandet, daß unsere Fraktion angeblich einen Beschluß gefaßt habe, durch den sie die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs festgestellt habe. Ich bin sehr erstaunt, daß die SPD-Fraktion so wenig über die
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    Dr. Wilhelmi
    Interna unserer Fraktion orientiert ist. Ich habe mir immer eingebildet, daß das alles in der Presse steht und daß man infolgedessen auch in anderen Fraktionen genau darüber unterrichtet ist. Aber es scheint doch nicht ganz so zu sein.
    Was in unserer Fraktion geschehen ist, ist dies: die ganze Fraktion ist einstimmig der Auffassung unserer Experten gefolgt, daß der Gesetzentwurf verfassungswidrig ist. Selbstverständlich ist das kein Gerichtsurteil und kann kein Urteil des Bundesverfassungsgerichts ersetzen, sondern es ist das Ergebnis der Meinungsbildung in der Mehrheitsfraktion dieses Hauses, nicht mehr und nicht weniger. Aber das ist immerhin schon eine ganze Menge, denn diese Entscheidung ist nicht so aus dem Ärmel herausgeschüttelt worden, sondern nach sehr eingehenden Beratungen. So ist es also nicht, sehr verehrter Herr Kollege Greve, daß wir einfach sagen: wir fassen einen Beschluß, und damit stellen wir fest, ob der Entwurf verfassungsmäßig ist oder nicht. Wir haben uns vielmehr die Mühe gemacht, an Hand des Grundgesetzes festzustellen, ob Ihr Gesetzentwurf verfassungsmäßig ist oder nicht.
    Ich darf gleich einen Irrtum berichtigen, der hier vielleicht entstanden ist. Es kann natürlich nicht die Rede davon sein, daß eine Volksbefragung schlechthin in jeder Demokratie unzulässig ist. Selbstverständlich gibt es Demokratien, in denen eine Volksbefragung stattfinden kann. Allerdings hat bekanntlich schon Rousseau gesagt, daß sich nur kleine Einheiten für eine unmittelbare Beteiligung des Volkes an der Gesetzgebung und an der Willensbildung ganz allgemein eignen und größere Gebilde — zu denen ja auch unsere klein gewordene Bundesrepublik immerhin noch zählt — für eine derartige unmittelbare Beteiligung des Volkes nicht geeignet erscheinen. Trotzdem, das ist nicht das Entscheidende.
    Wir haben auch nie gesagt, daß Ihr Gesetzentwurf gegen den Geist der Demokratie schlechthin verstößt.

    (Zuruf von der SPD: Doch, Herr Barzel hat es gesagt!)

    — Das ist ein Irrtum. Herr Barzel hat sehr genau ausgeführt, was er meint. Er hat in etwas abkürzender Weise diese Bemerkung nur in einem Zwischenruf gemacht. Zwischenrufe pflegen, speziell wohl auch bei Ihnen, Herr Kollege Metzger, etwas abkürzend und etwas zusammenraffend zu sein. Man sollte also einen solchen Zwischenruf nicht allzu ernst nehmen, wenn eine Rede vorausgegangen ist, in der Herr Barzel sehr ausführlich und sehr genau unterschieden hat, in welcher Art von Demokratie eine Beteiligung des ganzen Volkes
    — sei es in der Form des Volksentscheids, sei es in der Form des Volksbegehrens, sei es in der hier in Betracht kommenden Form der Volksbefragung
    — möglich ist. Er hat sehr klar zum Ausdruck gebracht, daß wir eben eine ganz besondere Art der Demokratie geschaffen haben, und das muß man auch klar sagen. Der Begriff der Demokratie ist etwas durchaus Schwammiges und nicht Faßbares;
    muß erst einmal konkretisiert und in eine bestimmte Form gebracht werden.
    Das ist bei uns geschehen, zum Glück unter Mitwirkung der großen Parteien, also auch unter Mitwirkung der Partei, die jetzt diesen Gesetzentwurf eingebracht hat, und zwar durch die Schaffung des Grundgesetzes. Entscheidend ist nun: wir müssen allein aus dem Grundgesetz erkennen, was gewollt ist. Die Beratungen, die zum Grundgesetz geführt haben, haben juristisch nur die Bedeutung — und nicht mehr —, daß sie daraufhin zu überprüfen sind, ob bei der Formulierung des Grundgesetzes eine Lücke übersehen worden ist. Im übrigen gilt der Grundsatz, daß jedes Gesetz, ganz gleichgültig auf welchem Gebiet, zunächst nach den Normen, die es enthält, auszulegen ist. Man kann aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes allenfalls entnehmen, ob eine Lücke entstanden ist, an die der Gesetzgeber nicht gedacht hat.
    Von anderer Seite meiner Fraktion ist ausgeführt worden, daß von einer solchen Lücke gar keine Rede sein kann. Es ist sehr eingehend über die Frage gesprochen worden — ich will es einmal ganz allgemein ausdrücken —, ob man eine plebiszitäre oder eine repräsentative, parlamentarische Demokratie einführen soll. Sie wissen genau wie ich, wenigstens die Juristen unter Ihnen, daß Professor Weber in Göttingen eine für uns Parteien ziemlich herbe Schrift geschrieben hat, in der es heißt, das Grundgesetz sehe eine extrem repräsentative Demokratie vor, infolgedessen könne nur durch die Parteien eine Willensbildung erfolgen. Die Willensäußerung des Volkes sei allein auf die Wahlen zum Bundestag — soweit es sich um Bundesfragen handelt — und zu den entsprechenden Gremien auf anderen Ebenen beschränkt. Hier stellt ein Schriftsteller, der jedenfalls unserer Partei nicht besonders gewogen ist — ich glaube allerdings auch der Ihren, meine Damen und Herren von der SPD, nicht —, der ganz allgemein etwas auf die Parteienherrschaft schimpft und sich dagegen wendet, fest: Es ist eine ganz besondere Art der Demokratie, die durch das Grundgesetz bewußt geschaffen ist.
    Damit komme ich zu der Frage, ob ein Volksbegehren, ein Volksentscheid oder eine Volksbefragung zulässig sind. Es ist notwendig, zwischen diesen drei Institutionen juristisch zu entscheiden; das ist klar. Aber nach dem Grundgedanken, der im Grundgesetz zum Ausdruck kommt, handelt es sich um die allgemeine Ablehnung des plebiszitären Prinzips. Wenn Sie das so auffassen — ich glaube, so müssen Sie es auffassen; so tun es alle Schriftsteller, auch Hamann, den Sie so oft zitiert haben —, kommen Sie zu dem Endergebnis, daß die Frage, ob plebiszitäres Prinzip oder nicht, alle drei verschiedenen Formen, Volksbefragung, Volksentscheid und Volksbegehren, völlig gleichmäßig umfaßt.
    Nun sagen Sie — das ist eigentlich das einzige, was ich aus den Ausführungen von Herrn Greve herausgehört habe —: Was nicht im Gesetz, in der Verfassung verboten ist, ist erlaubt. Diesen Grundsatz gibt es in unserem Recht ausschließlich im
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    Dr. Wilhelmi
    Strafrecht in etwas anderer Form. Das heißt, da kann niemand wegen eines Tatbestandes bestraft werden, der unter Strafe gestellt ist. Sonst gilt dieser Grundsatz in unserem Rechtssystem überhaupt nicht, und er gilt ganz gewiß nicht in unserem Staatsrecht, das sich damit befaßt, auf der einen Seite den Staatsbürger vor Eingriffen des Staates zu schützen und auf der anderen Seite die staatlichen Funktionen zu ordnen. Da gilt der Grundsatz, der immer in unserem Recht gilt, daß man ein vorliegendes Gesetz sinngemäß auszulegen hat. Da wir uns doch mit dem Bundesverfassungsgericht herumschlagen müssen — zwar nicht in der Angelegenheit Ihres Gesetzes, aber auf anderer Ebene —, darf ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 1951 vorlesen, in der es heißt:
    Eine einzelne Verfassungsbestimmung kann nicht isoliert betrachtet und allein aus sich heraus ausgelegt werden. Sie steht in einem Sinnzusammenhang mit den übrigen Vorschriften der Verfassung, die eine innere Einheit darstellt. Aus dem Gesamtinhalt der Verfassung ergeben sich gewisse verfassungsrechtliche Grundsätze und Grundentscheidungen, die den einzelnen Verfassungsbestimmungen übergeordnet sind.
    Herr Barzel hat im Gegensatz zur Ansicht von Herrn Greve zu diesen Rechtsfragen sehr ausführlich Stellung genommen. Ich kann es mir deshalb ersparen, im einzelnen darauf zurückzukommen, und darf nur stichwortartig das wiederholen, was Herr Barzel gesagt hat. Er hat den Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3 des Grundgesetzes, nicht in seinem Wortlaut, sondern in seinem Zusammenhang, wie er in der Verfassung steht, herausgehoben und hat darauf abgestellt, daß in der gesamten Verfassung von Abstimmung nur noch bei dem bekannten Fall der Regulierung der Ländergrenzen die Rede ist. Auch da darf ich mich auf Weber, Göttingen, beziehen, der ganz treffend sagt, man solle doch davon Abstand nehmen, diese Befragung der Bevölkerung in den Ländern hinsichtlich der Grenzregulierungen als „Volksentscheid" anzusehen; das sei doch eigentlich mehr ein „Bevölkerungsentscheid"; denn es stimmten ja nur die Leute ab, die an dieser Grenzziehung interessiert seien. Herr Kollege Barzel also hat sich mit dieser Frage des Art. 20 durchaus beschäftigt.
    Er hat sich weiter auch mit der Frage der freien Meinungsbildung beschäftigt, die ja schon Ihr Herr Kollege Dr. Carlo Schmid in der Geschäftsordnungsdebatte berührt hat; er hat dabei die Meinung vertreten, vor allem Grundgesetz stehe zunächst einmal die freie Meinungsäußerung; ich glaube, so sagte er wörtlich. Die freie Meinungsäußerung ist grundsätzlich etwas anderes als das Recht auf freie Information. Auch diese Frage ist im Grundgesetz geregelt worden, und zwar auch in Art. 5. Da heißt es, daß jeder das Recht habe, sich zu informieren. Das bedeutet aber nichts anderes, als daß jeder berechtigt ist, sich aus den üblicherweise zugänglichen Quellen die „freie Meinung" zu bilden.
    Es ist also die Schranke vor einer Zensur oder vor dem, was wir in der sowjetisch besetzten Zone haben, wo man etwa keine Westzeitungen lesen kann. Also, das ist der Schutz des einzelnen Staatsbürgers, seine Meinung zu formen und seine Meinung zu äußern. Daraus ist aber in gar keiner Weise zu entnehmen, daß ein anderer Staatsbürger das verfassungsmäßige Recht hätte, nun seinerseits die Meinung seiner Mitbürger zu erforschen. Ich bin im Gegenteil der Auffassung, daß das eine ganz bedenkliche Angelegenheit wäre. Da griffe man sehr stark in die persönliche Rechtssphäre des einzelnen ein. Ich würde es mir eigentlich sehr verbitten, wenn ich irgendwie gezwungen wäre, meine Meinung außerhalb der staatlich vorgeschriebenen Grenzen zu äußern.
    Aus der Meinungsfreiheit und der Informationsfreiheit, die Art. 5 sichert, können Sie also wirklich keinen Honig für die Überzeugung von der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfes ziehen.
    Eine ganze Reihe von anderen Möglichkeiten und Problemen ist von Ihnen nicht angesprochen worden. Ich darf es mir deshalb ersparen, in diesem Augenblick auf sie einzugehen.
    Es hat auf mich einen großen Eindruck gemacht, daß Herr Kollege Greve so sehr an uns von der CDU appelliert hat, wir möchten doch glauben, daß seine Fraktion von der Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzentwurfs überzeugt sei. Meine Damen und Herren von der SPD, wir dürfen Ihnen sehr gern glauben, daß dem so ist; aber Sie machen es uns ein wenig schwer, und zwar nicht deshalb, weil Sie nun das Gesetz hier eingebracht haben. Es kann schon einmal passieren, daß eine Fraktion einen Gesetzentwurf einbringt, der gegen die Verfassung verstößt. Aber Sie haben diesen Gesetzentwurf ja nicht nur hier eingebracht. Man kann Ihre Aktion nicht nur danach beurteilen, was Sie uns hier vorgelegt haben, sondern man muß doch wohl berücksichtigen, auf welchem Gesamthintergrund dieser Gesetzentwurf eingebracht worden ist.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Das spielt für uns Juristen, die wir gewiß gewohnt sind, die Dinge weitestgehend abstrakt zu betrachten, auch eine große Rolle. In unserem Rechtsleben wird es immer mehr klar, daß der Jurist, wenn er ein guter Jurist sein will, auch gezwungen ist, die Dinge so zu sehen, wie sie im Leben stehen, und nicht völlig abstrakt, wie wir es früher einmal gewohnt waren.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Metzger: Gerade deshalb!)

    Wenn ich Ihnen dazu nun einiges sage, meine Damen und Herren von der SPD, so tue ich es nicht deshalb, weil ich Krakeel mit Ihnen suche — einige von Ihnen kennen mich und wissen, daß das nicht meine Art ist —; es geschieht vielmehr aus einer tiefen Sorge, daß die Partei, die doch eine große demokratische Vergangenheit hat, jetzt, wie ich fürchte, an die Grenze dessen gekommen ist, vielleicht ohne es zu merken, wo sie ihre demokratische Vergangenheit zu verleugnen trachtet. Das ist für
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    Dr. Wilhelmi
    uns alle in diesem Hause eine sehr ernste Angelegenheit; denn kein Parlament kann ohne eine gute Opposition auf die Dauer existieren. Es wäre aber fürchterlich für den Staat, wenn aus dieser Opposition eine Obstruktion entstünde,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    und es wäre noch schlimmer für den Staat, wenn eine so große Gruppe wie die Sozialdemokratische Partei Deutschlands sich gegen diesen Staat wendete.

    (Abg. Metzger: Wir sind doch für diesen Staat!)

    — Herr Metzger, wir kennen uns schon lange.

    (Abg. Metzger: Wir kämpfen doch für seine Existenz!)

    — Ja, ich weiß, Sie kämpfen für seine Existenz, nach Ihrer Auffassung, dürfen Sie aber doch wohl hinzufügen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Metzger, das sind immer die etwas abkürzenden Zurufe, die Sie zu machen pflegen.
    Wir sind verschiedener Auffassung über die Wege, die zu gehen sind. Wir sind aber völlig einer Auffassung -- um gleich zu einem Schlagwort zu kommen —: Kampf dem Atomtod!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Da gibt es niemanden in diesem Hause, der nicht aus tiefstem Herzen diese Sorge auf sich fühlt und der nicht die ganze Schwere der Verantwortung, die auf jedem einzelnen von uns ruht, mag er noch so sehr Hinterbänkler sein, empfindet.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich sprach davon, daß wir uns Sorgen darüber machen, daß Sie sich an der Grenze der Opposition zur Obstruktion und zur staatsfeindlichen Partei bewegen.

    (Widerspruch bei der SPD. — Abg. Heiland: Das ist an der Grenze der Verleumdung! — Abg. Metzger: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    — Nein, Herr Kollege, ich bin ein Optimist. Herr Metzger, Sie kennen mich doch. Ich bin ein ausgesprochener Optimist. Ich bin so optimistisch, daß ich mir immer noch einbilde, daß vielleicht am Schluß dieser ersten Lesung, wo die rechtliche Möglichkeit noch besteht, einer Ihrer Herren auftritt und sagt: Wir ziehen den Gesetzentwurf zurück. So optimistisch bin ich.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich wollte Ihnen damit nur meinen Optimismus kundtun.
    Herr Kollege Metzger, das Bedenkliche ist doch folgendes. Kampf dem Atomtod! ist heute das Schlagwort, unter dem so manches läuft, unter dem Organisationen aufgezogen werden, denen Sie beitreten, die Sie unterstützen und die Sie in eine ganz bestimmte Richtung steuern. Meine Damen und Herren, da wird die Sache kritisch. Wir haben
    in diesem Hause vier Tage lang eine außenpolitische Debatte gehabt. In dieser ganzen außenpolitischen Debatte ist von Ihnen niemals der Vorwurf gekommen, daß wir den Atomtod wollten. Sie haben Ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, daß unsere Politik dahin führt, und wir haben unsere Sorge zum Ausdruck gebracht, daß Ihre Politik dahin führt.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Ich bin nach wie vor der Überzeugung, daß das so ist. Ich bin der Überzeugung, daß die Schaffung eines irgendwie gearteten Vakuums die Gefahr des Atomtods für uns Deutsche wesentlich vergrößern würde.
    Ich kann Ihre Argumentation nicht verstehen. Einer Ihrer Freunde, der mir ebenfalls nahesteht, hat einmal gesagt: Wenn die Abschußbasen in Deutschland errichtet würden, dann würde ich das den Sowjets verraten, um damit die deutsche Bevölkerung zu schützen. — Ich kann das schon rein militärisch nicht verstehen. Ich sehe gerade, der Herr Bundesverteidigungsminister ist da; er kann mich also unterstützen oder berichtigen, wenn ich jetzt etwas Falsches sage. Ich sagte, ich kann das schon rein militärisch nicht verstehen. Denn Sie sagen doch immer — und ich glaube, nicht mit Unrecht —, daß jedenfalls die nuklearen Waffen Flächenwaffen sind und naturgemäß eine große Fläche bestreuen, eine wesentlich größere Fläche, als das früher mit dem Artillerieflächenfeuer möglich war. Deshalb kann ich eigentlich nicht verstehen, wie man die Bevölkerung dadurch soll retten können, daß man etwaige in Deutschland befindliche Abschußbasen dem Feinde verrät, denn dann wird ja mindestens die dort wohnende Bevölkerung erheblich geschädigt. Also das sind so einige unlogische Dinge, die da unterlaufen und bei denen ich nicht folgen kann.
    Das Entscheidende ist doch, daß Sie bei der Aktion „Kampf dem Atomtod" die Dinge verkehren, als wollten wir bewußt den Atomtod und als führe Ihre Politik vom Atomtod weg. Das ist die Verfälschung, und das macht mir Sorgen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Eine demokratische Partei kann gegen die Regierung, gegen die Mehrheitsparteien kämpfen. Das ist ihr verdammtes Recht, ja sogar ihre Pflicht als Opposition, wenn die Dinge richtig funktionieren sollen.

    (Abg. Wehner: Formulieren S i e unsere Pflicht als Opposition?)

    Aber sie darf keine Unwahrheiten verbreiten, sie darf keine bewußt falschen Parolen ausgeben

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Das darf nur der Bundeskanzler!)

    und sich ständig in dieser Aktion „Kampf dem Atomtod" — —

    (Abg. Wehner: „Der Untergang Deutschlands", „Christentum oder Kommunismus" !)

    — Nein, Herr Kollege! Es tut mir furchtbar leid,
    meine Damen und Herren, daß Sie immer noch
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 26. Sitzung, Bonn, Freitag, den 25. April 1958 1471
    Dr. Wilhelmi
    nicht das Hauptmotto verstanden haben, unter dem wir die außenpolitische Debatte geführt haben. Ich kann es Ihnen in einem Satz sagen.
    Wir sind der Auffassung, daß unsere Politik die Sicherheit vor dem Kommunismus und die Sicherheit vor dem Atomtod gewährleistet.

    (Abg. Wehner: Sie haben erklärt, wir seien der Kommunismus und wir seien der Untergang! Davon kommen Sie nicht weg!)

    — Herr Kollege, ich halte heute meine erste Rede in diesem Hause, aber das habe ich sicher nicht erklärt.

    (Abg. Wehner: Der Kanzler, entschuldigen Sie!)

    — Ich komme noch darauf zurück, wie gefährlich Ihre Politik ist, seien Sie unbesorgt!
    Das ist die eine Seite, die wir berücksichtigen müssen bei der Frage, ob dieser Gesetzentwurf verfassungsmäßig ist oder nicht: der Hintergrund „Kampf gegen den Atomtod", der ein falscher, ein verfälschter Hintergrund ist.
    Die zweite Seite ist folgende, und da komme ich wieder mehr auf das rein juristische Gebiet. Sie wissen so genau wie ich, daß bei den Mehrheitsverhältnissen in diesem Hause Ihr Gesetzentwurf keine Aussicht hat durchzugehen. Deshalb ist es zunächst naheliegend, daß sie versuchen, den Gesetzentwurf dort zum Zuge zu bringen, wo Sie die Mehrheit haben. Das wäre unbedenklich, wenn
    Sie damit nicht — ja, ich bitte um Entschuldigung, aber ich muß es Ihnen sagen — wirklich an den Grundpfeilern unseres geordneten Verfassungsrechtsstaates rüttelten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich bin Jurist und muß mich deshalb auf konkrete Tatbestände berufen. Sie haben ausgerechnet die Stadt Frankfurt am Main zum Spitzenreiter in diesem Angriff gegen die Grundordnung gemacht. Nun ist ganz interessant, daß die Stadtverordnetenversammlung in Frankfurt am Main, die eine sozialdemokratische absolute Mehrheit hat, zwei Beschlüsse gefaßt hat. Sie hat einmal einen Beschluß gefaßt, der fast haargenau Ihrem Gesetzentwurf hier entspricht. Aber vorab hat sie noch einen anderen Beschluß gefaßt, und der ist so interessant, daß ich ihn — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — in diesem Hohen Hause verlesen darf. Die Stadtverordnetenversammlung hat beschlossen,
    den Magistrat zu beauftragen, allen Plänen zur Stationierung oder Lagerung von Atomwaffen auf dem Gebiet der Stadt Frankfurt am Main entschlossenen Widerstand entgegenzusetzen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    — „Das ist sehr gut", sagen Sie. Ich habe wegen der Auswirkung dieses Beschlusses in der Stadt Frankfurt nicht allzu große Bedenken. Denn ich kenne meine Frankfurter. Sie haben nicht mal 1866 gegen die Preußen gefochten. Ich kann also nicht annehmen, daß nunmehr der Magistrat gegen den Bundesminister Strauß zu Feld ziehen wird, um
    diesem „entschlossenen Widerstand entgegenzusetzen".
    Ich bin mir auch durchaus darüber klar, daß die Frankfurter Stadtverordneten der sozialdemokratischen Fraktion, die diesen Beschluß gefaßt haben — oder wenigstens einige von ihnen —, wußten, daß in diesem Fall nicht nur die Gesetzgebungskompetenz beim Bund liegt, sondern auch die Verwaltungskompetenz, so daß dieser Beschluß praktisch vollkommen bedeutungslos ist und die Bundesverwaltung ihn wegwischen kann. Das ist wieder genau dasselbe wie bei der Atomgeschichte. Das ist eine Unehrlichkeit in Ihrer Politik. Ich darf bei einer so zentral gesteuerten Partei wie der Sozialdemokratischen wohl annehmen, daß das nicht Ihrer Kenntnis entgangen ist und daß der Beschluß der Stadtverordnetenversammlung in Frankfurt am Main nur ein Beispiel ist, der Vorreiter für andere Beschlüsse, die Sie in anderen Städten zu produzieren gedenken.
    Das Bedenkliche an diesem Beschluß ist, daß hier ein amtliches Gremium, nämlich die Stadtverordnetenversammlung, ein anderes amtliches Gremium, nämlich den Magistrat einer Stadt, zum entschlossenen Widerstand gegen Maßnahmen auffordert, die die Bundesregierung auf Grund eines rechtmäßig zustande gekommenen Beschlusses dieses Hauses ergreifen könnte. Das ist doch ein Verhalten, das auch von Ihnen, meine Damen und Herren, nicht als verfassungsmäßig bezeichnet werden kann.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Das ist doch ganz schlicht und ganz einfach, wenn es ernst gemeint ist, die Aufforderung zur Verletzung der Pflicht zur Bundestreue. Die Pflicht zur Bundestreue ist für die Gemeinden genauso gegeben wie für die Länder, und zwar nicht nur mittelbar über die Länder, sondern unmittelbar. Das können Sie in jedem Staatsrechtskommentar nachlesen. Daß Sie so etwas zulassen, daß nun ein öffentliches Organ ein anderes öffentliches Organ direkt auffordert, gegen die Pflicht zur Bundestreue zu verstoßen, ist doch ein recht undemokratisches und recht bedenkliches Zeichen. Das ist eigentlich Aufruf zum Widerstand gegen die verfassungsmäßig eingesetzten Instanzen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Das berührt mich deshalb sehr ernst, weil ich der Auffassung bin, daß das deutsche Volk der Sozialdemokratie einiges zu verdanken hat, und zwar im Jahre 1918, als die Sozialdemokratie in ihrer Haltung die Entwicklung des Kommunismus verhindert hat, und auch im Jahre 1945, als die Sozialdemokratie eine Entwicklung zur SED abgelehnt hat und ihre Wege zu einer echten, freiheitlichen Demokratie gegangen ist. Aber gerade weil das so ist, ist unsere Sorge — und da darf ich, glaube ich, für alle Parteifreunde sprechen — besonders schwer. Wir sehen es mit großer Betrübnis und großem Ernst, daß sich eine demokratische Partei hier anschickt, zum Verstoß gegen die Pflicht zur Bundestreue aufzufordern und aufzufordern, Gesetze zu machen und Beschlüsse zu fassen, die eben nicht mit unserer Verfassung vereinbar sind.
    1472 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 26. Sitzung, Bonn, Freitag, den 25. April 1958
    Dr. Wilhelmi
    In dem zweiten Beschluß, der hier gefaßt worden ist — auch Frankfurt nur als Beispiel genommen; Sie werden das vielleicht in anderen Städten zu wiederholen versuchen —,

    (Zurufe von der CDU/CSU: Darmstadt! — Göttingen!)

    wurde gesagt, daß in Frankfurt eine Volksbefragung abzuhalten ist mit der Fragestellung: Sollen auf deutschem Boden Streitkräfte mit atomaren Sprengkörpern ausgerüstet und atomare Abschußbasen eingerichtet werden? Das sind Ihre beiden Fragen; etwas zusammengezogen, aber im wesentlichen ist es dasselbe.
    Auch hier wieder zunächst rein juristisch: Wir haben in den Gemeinden verbürgt die Selbstverwaltung und die sogenannte Allzuständigkeit. Aber diese Selbstverwaltung und die Allzuständigkeit der Gemeinden ist nach der Verfassung — Artikel 28 — ausdrücklich in zwei Richtungen eingeschränkt; sie haben diese Selbstverwaltung und diese Allzuständigkeit nur in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, und zum zweiten haben sie sie nur im Rahmen der bestehenden Gesetze.
    Beide Einschränkungen sind hier auf das gröblichste mißachtet. Sie werden nicht behaupten können, und kein Mensch wird behaupten können, daß die Frage, ob auf deutschem Boden Streitkräfte mit atomaren Waffen ausgerüstet oder Abschußbasen errichtet werden, eine örtliche Angelegenheit von Frankfurt ist. Übrigens: nicht nur auf dem Boden der Bundesrepublik. Offenbar will man die sowjetisch besetzte Zone hineinnehmen; das wäre eine erfreuliche Angelegenheit, aber ich glaube, darüber können wir nicht abstimmen. Ich kann mir denken, daß es Ihnen peinlich gewesen wäre, diese Frage örtlich zu stellen; denn dann hätte es nahegelegen, daß man sagte: „Na schön, dann machen wir die Abschußbasen in Bonn, da gehören sie eher hin als nach Frankfurt." Deshalb also haben Sie es allgemein gefaßt. Aber damit sind Sie aus dem Gesetz herausgerutscht. Es handelt sich nun nicht mehr um eine örtliche Angelegenheit, sondern Sie wollen, daß das ganze deutsche Volk mit dieser Sache beglückt wird.

    (Zurufe von der SPD.)

    Die zweite gesetzliche Beschränkung, die Sie nicht beachtet haben bei diesen Anweisungen an die Stadtverordneten von Frankfurt am Main, ist die, daß das Vorgehen im Rahmen der Gesetze bleiben muß. Ich habe vorhin schon ausgeführt, daß es bei der Frage der Gemeinden nicht nur um die Gesetzgebungskompetenz geht, die nach Artikel 73 des Grundgesetzes unzweifelhaft beim Bund liegt, sondern daß es hier im Falle der Verteidigung auch um die Einschränkung der Selbstverwaltung geht, nach Artikel 87a und 87b unserer Grundordnung, die nämlich eine eigene Bundesverwaltung für diese Dinge vorsieht.
    Also auch unter dem Gesichtspunkt der Allzuständigkeit der Gemeinden und der Selbstverwaltung der Gemeinden kann dieser Beschluß unter gar keinen Umständen als rechtmäßig betrachtet werden.
    Trotzdem hat der Magistrat der Stadt Frankfurt am Main, der natürlich auch eine sozialdemokratische Mehrheit hat, gegen diesen Beschluß keinen Einspruch eingelegt, und es ist auch nichts davon bekanntgeworden, daß etwa die Aufsichtsbehörde, der Innenminister von Hessen, dagegen Einspruch einlegen würde; im Gegenteil, er hat schon eine Erklärung abgegeben, aus der deutlich zu erkennen ist, daß er das nicht tun wird.
    Ich habe zu meiner großen Freude festgestellt, daß der Herr Bundesinnenminister entschlossen ist, gegen dieses ungesetzliche Vorgehen gerichtlich vorzugehen. Das ist ohne weiteres gegeben. Wir haben die Bestimmung, daß bei einem Meinungsstreit zwischen Bund und Ländern da Bundesverfassungsgericht angerufen werden kann. Dieser Streit ergibt sich daraus, daß die Regierung des Landes Hessen offenbar nicht gewillt ist, ihr Aufsichtsrecht gegenüber der Gemeinde Frankfurt am Main auszuüben und diesen unzulässigen Beschluß aufzuheben. Daraus werden wir dann sehr bald einen Streit am Bundesverfassungsgericht haben mit der dazugehörigen einstweiligen Anordnung. Der Termin der Volksbefragung ist auch ganz interessant; es ist nämlich der 29. Juni, also eine Woche vor den Wahlen. Das zeigt, wie sehr Ihnen nur daran liegt, etwas für das deutsche Volk zu tun, und wie Ihnen gar nicht am Herzen liegt, Ihre Parteiinteressen zu vertreten. Aber das nur nebenbei. Es wird also sicher eine einstweilige Anordnung beantragt werden, um diesen so geschickt vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen liegenden Termin so lange hinauszuschieben, bis die gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache vorliegt.
    Nun noch ein Wort zu den Ländern. Bei den Ländern ist es nicht viel anders, und auch das steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Ihrem Vorgehen hier. Meine Damen und Herren, falls Sie es infolge der Länge meiner Rede vergessen haben sollten, darf ich noch einmal erklären — ich habe es nachzuweisen versucht —, daß es nicht richtig ist, wenn Sie sagen, Sie seien von der Verfassungsmäßigkeit der eingebrachten Gesetzesvorlage überzeugt; vielmehr ist es richtig, daß Sie sich bewußt sind, daß Sie hier einen Parteistreit führen und Ihr Parteisüppchen kochen wollen, und zwar da kochen wollen, wo Sie glauben, daß es entsprechende Wellen schlagen wird.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Das ist ja die Suppe Rasner-Barzel, aus der Sie jetzt schöpfen! — Weitere Zurufe.)

    — Verzeihen Sie, ich sage nichts, was ich nicht nachweisen kann. An dem Beispiel Frankfurt am Main habe ich es Ihnen doch nachgewiesen! Ist es denn Zufall, daß überall da, wo Sie die Mehrheit haben, solche Befragungen gemacht werden sollen? Es kann doch kein Zufall sein!

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wittrock: Ist es denn ein Zufall, daß Sie die Volksbefragung überall zu verhindern suchen? — Weitere Zurufe von der SPD.)

    — Ja, ich will Sie überall hindern, etwas zu tun,
    Herr Kollege Wittrock, was ungesetzlich ist. Das
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 26. Sitzung, Bonn, Freitag, den 25. April 1958 1473
    Dr. Wilhelmi
    werde ich mit ganzem Herzen tun, und ich weiß, daß das nicht nur meine Parteifreunde tun werden, sondern auch die Bundesregierung. Sie werden schon die nötigen Klagen am Bundesverfassungsgericht bekommen; seien Sie nur ganz unbesorgt!

    (Abg. Metzger: „Parteisüppchen", das ist Ihre Loyalität!)

    — Nein, das ist nicht meine Loyalität! Herr Kollege, das ist doch furchtbar einfach. Wenn es Ihnen um die Sache zu tun gewesen wäre, dann hätten Sie doch in Frankfurt in aller Ruhe abwarten können, was geschieht. Es tut mir leid, daß ich das Hohe Haus hier mit einer solchen Spezialfrage langweile.

    (Abg. Metzger: Sollen wir warten, bis die erste Atombombe fällt?)

    In Frankfurt hat man dem Beschluß über die Volksbefragung, den ich Ihnen vorgelesen habe, noch etwas angefügt: Der Magistrat hat mit den Vorbereitungen sofort zu beginnen, und die Vorbereitungen sind nur dann einzustellen, wenn etwa Hessen ein gleichlautendes Gesetz beschließt.

    (Zuruf von der SPD: Na und?)

    — „Na und?" sagen Sie. Damit kann ich Ihnen folgendes beweisen. Der Magistrat hat sofort begonnen; sogar noch bevor er Beschluß gefaßt hat, ist eine Anweisung an das Wahlamt ergangen, und er hat den Termin auf den 29. Juni festgesetzt. Es war brennend eilig. Man wußte nicht, ob und wann in Hessen ein solches Gesetz kommt. Im Moment ist es recht zweifelhaft, ob ein solches Gesetz in Hessen kommt. Aber es ist auch ganz charakteristisch, meine Damen und Herren, daß man nicht weise abgewartet hat, ob Ihr Gesetzentwurf hier etwa angenommen werden würde.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Es war Ihnen also — da gebe ich Ihnen die Antwort, Herr Metzger; das ist die Schlußfolgerung, die ich aus diesem Tatbestand ziehe — nicht darum zu tun, eine sachliche Entscheidung des deutschen Volkes über diese Frage herbeizuführen, sondern es war Ihnen darum zu tun, vor dem Wahltermin in Nordrhein-Westfalen an irgendeinem Punkt mit agitatorischen Fragen eine für Sie günstige Entscheidung zu bekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schultz?
Dr. Wilhelmi (CDU, CSU) : Aber selbstverständlich!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Bitte!