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ID0302411700

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    Deutscher Bundestag 24. Sitzung Bonn, den 23. April 1958 Inhalt: Glückwünsche zum 65. Geburtstag des Abg. Cillien und zur Wiedergenesung des Abg. Dr. Becker . . . . . . . . 1279 A Fragestunde (Drucksache 325) Frage 1 des Abg. Dr. Menzel: Fall Strack Dr. von Brentano, Bundesminister . 1279 B Frage 2 des Abg. Ehren: Kulturelle Eigenständigkeit nicht- deutscher Flüchtlinge Dr. Nahm, Staatssekretär . . . . 1279 C Frage 33 des Abg. Ritzel: Fischkonserven aus atomar-verseuchten Gewässern Dr. Schröder, Bundesminister . . . 1280 A Frage 3 des Abg. Ehren: Erfassung der 1945/46 entlassenen Kriegsgefangenen, Zivilinternierten und -verschleppten Dr. Nahm, Staatssekretär . . . . 1280 B Frage 4 des Abg. Wegener: Einschränkung der Vergünstigungen für Schwerbeschädigte durch die Deutsche Bundesbahn Dr. Schröder, Bundesminister . . . 1280 C Frage 5 des Abg. Rehs: Behandlung ostpreußischer Frauen und Männer in sowjetrussischem Gewahrsam nach dem Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetz Dr. Nahm, Staatssekretär . . . . 1280 D Frage 6 des Abg. Reitzner: Deutsche Staatsbürgerschaft für Volksdeutsche in Österreich Dr. von Brentano, Bundesminister . 1281 A Frage 7 des Abg. Reitzner: Unterbringung deutscher Staatsbürger in Österreich nach Auflösung der UNREF-Lager Dr. von Brentano, Bundesminister . 1281 C Frage 8 des Abg. Regling: Auflösung des Bundesbahnausbesserungswerks Lübeck Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 1281 D Regling (SPD) . . . . . . . . 1282 A Frage 9 des Abg. Börner: Versuchte Erpressung politischer Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei Dr. Schröder, Bundesminister . . 1282 C Börner (SPD) . . . . . . . . . 1282 D Frage 10 des Abg. Spitzmüller: Ansprüche der Margarethe Schwarz, Warberg Dr. Schröder, Bundesminister . . . 1283 A Spitzmüller (FDP) . . . . . . . 1283 B Frage 11 des Abg. Dr. Leiske: Bundeszuschuß für eine deutsche Mannschaft zu den Segelflug-Weltmeisterschaften Dr. Schröder, Bundesminister . . . 1283 C Frage 12 des Abg. Dr. Leiske: Statistische Aufgliederung des Aktienbesitzes Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 1283 D II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. April 1958 Frage 13 des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Schornsteinfegerwesen Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 1284 B Frage 14 des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Entschädigung der Fischereigenossenschaft Drage Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 1284 C Frage 15 des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Zollvorschriften für über die Zollgrenze wechselndes Weidevieh Etzel, Bundesminister 1285 B Frage 16 des Abg. Meyer (Wanne-Eickel): Ergänzung des Katalogs der Berufskrankheiten Dr. Claussen, Staatssekretär . . . 1285 C Frage 17 der Abg. Frau Renger: Einsatz von Eilzügen in Oldenburg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 1286 A Frage 18 des Abg. Meyer (Wanne-Eickel) : Höchstrenten nach dem Renten-Neuregelungsgesetz Dr. Claussen, Staatssekretär . . . 1286 C Frage 19 der Abg. Frau Herklotz: Entschädigung der „Abrißgeschädigten" Etzel, Bundesminister 1286 D Frage 20 des Abg. Rademacher: Aufwendungen zur Beseitigung oder Sicherung unbeschrankter Bahnübergänge Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 1287 C Frage 21 des Abg. Dr. Menzel und Frage 24 des Abg. Mensing: Begriff des standesgemäßen Umgangs bei der Bundeswehr Strauß, Bundesminister 1288 A Frage 22 des Abg. Schmitt (Vockenhausen): Rechtzeitige Bekanntgabe der Einberufungstermine zur Bundeswehr Strauß, Bundesminister 1288 C Frage 23 des Abg. Maier (Freiburg) : Pensionsansprüche der Angehörigen des DNB Dr. Schröder, Bundesminister . . . 1289 A Frage 25 des Abg. Burgemeister: Zahl der Anträge auf Gewährung eines Zuschusses nach § 18 a Abs. 3 des 131er-Gesetzes Dr. Schröder, Bundesminister . . . 1289 B Frage 26 des Abg. Rasch: Deutsche Kriegsgräber im Osten Dr. Nahm, Staatssekretär . . . . 1289 C Frage 27 des Abg. Rasch: Herabsetzung der Pflichtquote bei der Beschäftigung Schwerbeschädigter Dr. Claussen, Staatssekretär . . 1290 A Rasch (SPD) 1290 B Frage 28 des Abg. Rehs: Werbe-Landkarten in den Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Dr. von Brentano, Bundesminister . 1290 C Frage 29 des Abg. Hansing: Gewährung des Haushaltstags bei Dienststellen der Bundeswehr im Lande Bremen Strauß, Bundesminister 1290 D Hansing (SPD) . . . . . . . 1291 A Frage 30 des Abg. Hansing: Besoldung der beamteten Nautiker Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister i291 B Wahl eines weiteren Stellvertreters des Präsidenten Schneider (Bremerhaven) (DP) 1291 D, 1292 C Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 1291 D, 1292 D, 1293 B Dr. Mommer (SPD) . . 1292 C, 1293 A Rasner (CDU/CSU) 1293 A Ergebnis 1304 B Große Anfrage der Fraktion der SPD betr Finanzielle Verpflichtungen aus dem Verteidigungshaushalt und ihre kassenmäßige Erfüllung (Drucksache 195) Schmidt (Hamburg) (SPD) . . 1293 C Etzel, Bundesminister 1304 D Strauß, Bundesminister 1306 D Schoettle (SPD) . . . . . . . 1313 C Dr. Vogel (CDU/CSU) 1316 D Schultz (FDP) 1320 C Dr. Deist (SPD) . . . . . . . 1324 A Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 1333 B Dr. Hellwig (CDU/CSU) 1336 B Dr. Starke (FDP) . . . . . . . 1344 C Leber (SPD) 1348 A Erler (SPD) . . . . 1355 A Nächste Sitzung 1358 C Anlage . . . .. 1359 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. April 1958 1279 24. Sitzung Bonn, den 23. April 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. April 1958 1359 Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 31.5. Altmaier 26. 4. Bauer (Wasserburg) 26.4. Bauereisen 26.4. Bauknecht 10.5. Dr. Becker (Hersfeld) 23.4. Berlin 23.4. Birkelbach 25. 4. Frau Dr. Bleyler 26. 4. Dr. Böhm 26.4. Frau Dr. Brökelschen 26.4. Dr. Dehler 24.4. Diel (Horressen) 5.5. Dr. Dittrich 264. Dr. Eckhardt 30.4. Eichelbaum 3.5. Dr. Elbrächter 26.4. Engelbrecht-Greve 26.4. Eschmann 23.4. Felder 30.4. Dr. Frey 26.4. Dr. Friedensburg 30. 4. Frau Friese-Korn 31. 5. Gaßmann 26.4. Geiger (München) 26.4. Graaff 23.4. Dr. Gülich 26. 4. Dr. von Haniel-Niethammer 26.4. Häussler 30.4. Heinrich 15.5. Frau Herklotz 1.5. Höcherl 10.5. Dr. Höck (Salzgitter) 23.4. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Frau Dr. Hubert 17. 5. Hufnagel 26. 4. Iven (Düren) 26. 4. Jacobs 24.4. Dr. Jordan 23.4. Frau Kipp-Kaule 26.4. Krug 23. 4. Kunze 15.5. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30.6. Dr. Maier (Stuttgart) 26.4. Dr. Martin 23. 4. Mauk 23.4. Mellies 23.5. Meyer (Oppertshofen) 26.4. Dr. Meyers (Aachen) 23.4. Frau Niggemeyer 30.4. Pöhler 23.4. Frau Dr. Probst 23.4. Ruf 24.4. Scharnberg 26.4. Scharnowski 26.4. Scheppmann 2.5. Dr. Schmid (Frankfurt) 24.4. Dr. Siemer 23.4. Storch 25.4. Sträter 31.5. Struve 7.5. Dr. Wahl 15.5. Frau Wolff (Berlin) 23 4. Dr. Zimmer 26.4. b) Urlaubsanträge Frau Berger-Heise 3.5. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 30.4. Hamacher 25.5. Frau Renger 10.6. Weimer 31.5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen unseres Kollegen Dr. Vogel scheint es mir notwendig zu sein, auf den Sinn dieser Debatte, die letzten Endes durch die Große Anfrage bestimmt wird, hinzuweisen. Wir haben gefragt: Welche finanziellen und wirtschaftlichen Folgen hat die Rüstungspolitik der Bundesregierung? Das ist das Thema unserer Debatte, über das wir uns hier zu unterhalten haben.
    Das Problem, um das es dabei geht, ist: Wie kann eine sinnvolle, wirksame Landesverteidigung vereinbart werden mit der Notwendigkeit wirtschaftlicher und finanzieller Stabilität, ohne die es Sicherheit einfach nicht gibt?

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir stellen diese Frage deswegen, weil wir den Gegner im Osten für hart, rücksichtslos und gefährlich halten.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Das tun wir auch!)

    Wir legen auf diese Feststellung Wert, weil wir aus unseren Erfahrungen wissen, daß der russische Kommunismus den Kampf mit dem Westen nicht nur rein primitiv mit militärischen Mitteln ausficht,

    (Abg. Rösing: Eben!)

    sondern daß seine wichtigsten und entscheidenden Waffen, mit denen er bisher meist Erfolg gehabt hat, die soziale Unterwühlung und die geistige Zersetzung sind.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Darum ist das entscheidende Problem, vor dem wir stehen, wenn wir überhaupt von Sicherheit und Freiheit reden wollen, ob wir eine Methode finden, bei der die wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen Deutschlands gesund erhalten werden. Aus diesem Grunde haben wir unsere Anfrage gestellt, und deshalb möchte ich jetzt auch zu der Antwort des Herrn Bundesfinanzministers übergehen.
    Ich darf seine Antwort in vier Punkten zusammenfassen. Der Bundesfinanzminister hat zunächst einmal bestätigt, daß die Rüstungsaufwendungen so wie geplant bis zum Jahre 1961 eine Größenordnung zwischen 50 und 60 Milliarden annehmen werden, wie das seit langem in der Presse behauptet wurde, ohne daß es uns seit sieben Jahren möglich war, von der Bundesregierung wirklich eine klare Antwort zu bekommen.

    (Abg. Dr. Hellwig: Das stand bereits im Bundeshaushalt vor drei Jahren drin!)

    — Worin stand es?

    (Abg. Dr. Hellwig: Im Bundeshaushalt unter „Bemerkungen zum Verteidigungshaushalt" stand es vor drei Jahren drin!)

    — Ich habe im Bundeshaushalt nicht gelesen, daß die Aufwendungen für die Rüstung 50 bis 60 Milliarden betragen würden.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat weiterhin angegeben, daß in dieser Zeit bis 1961 12 Divisionen des stehenden Heeres aufgebaut würden; einige
    Aufwendungen für die Ausrüstung der Marine und der Luftwaffe würden allerdings erst in die Jahre 1962 und 1963 fallen. Ich möchte zunächst anerkennen: es ist das erste Mal, daß wir durch unsere Große Anfrage erreicht haben, daß die Bundesregierung hier im Bundestag im Hinblick auf die Größenordnung der Rüstungskosten wenigstens Rede und Antwort steht.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Dann aber hat der Herr Bundesfinanzminister erklärt, daß es nicht möglich sei, auch nur einen überschläglichen Bedarfsplan und einen überschläglichen Finanzplan für die nächsten Jahre zu geben. Das entwertet die Angabe einer bloßen Gesamtzahl von 52 Milliarden schon beträchtlich.
    Eine dritte Feststellung! Der Herr Bundesverteidigungsminister hat uns erklärt: Es gibt keine ähnliche grundlegende Umstellung wie die, die im Jahre 1956 vorgenommen wurde. Das Ganze läuft programmgemäß weiter ohne wesentliche Änderungen; es wird nur die Beschaffung gewisser Ausrüstungsgegenstände bis 1962 und 1963 verschoben, weil das aus technischen Gründen gar nicht anders zu machen ist.
    Die vierte Feststellung, die für die Beurteilung der Antwort wesentlich ist: Wir befinden uns in einer umfassenden Umrüstung innerhalb der NATO, d. h. wir befinden uns auf dem Wege zur Ausrüstung der NATO-Truppen und damit auch der deutschen Truppen zunächst einmal mit taktischen Atomwaffen. Das bedeutet, daß das ganze bisherige ehrgeizige, von militärischem Großmachtdenken diktierte Rüstungsprogramm aufrechterhalten wird. Damit verlieren alle Zahlenangaben, die uns vorgelegt worden sind, stark an Glaubwürdigkeit.
    Meine Damen und Herren, wir wissen, daß in den 52 Milliarden, die der Herr Bundesfinanzminister genannt hat, nicht die Beschaffung von Kriegsvorräten enthalten ist. Diese Kriegsvorräte werden Sie ja wohl nicht erst nach fünf Jahren anlegen wollen; sie müssen doch wohl im Laufe des Aufbaus der Wehrmacht beschafft werden. Wir haben heute gehört — und dem ist nicht widersprochen worden —, daß es sich dabei um einen Betrag zwischen 7 und 10 Milliarden handelt.
    Ein Zweites. Wir haben keine ausreichenden Angaben darüber bekommen, wie Sie sich denn die atomare Ausrüstung der Bundeswehr vorstellen. Wir wissen nur eines: daß die geheimnisvollen Verhandlungen über das Rüstungsdreieck ItalienFrankreich-Deutschland weitergehen und sich offenbar nach allen Äußerungen, die wir bekommen können, mit den Fragen der atomaren Entwicklung befassen. Es ist uns bisher trotz ständiger Fragen nicht möglich gewesen, hierzu eine einzige konkrete Antwort zu bekommen.

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    Meine Damen und Herren, wir wissen doch auch seit kurzem, insbesondere durch eine Fernsehrede des Herrn Bundesverteidigungsministers, daß in der Verteidigungskonferenz bei der NATO die Atomrüstung nicht nur beschlossen worden ist, son-



    Dr. Deist
    dern daß wir nach den Worten des Bundesverteidigungsministers mit dem Anlaufen der Ausrüstung mit Atomwaffen in etwa zwei Jahren rechnen müssen. Das ist vor dem Ende der Periode, in der diese 52 Milliarden bis ,zum Jahre 1961 — verbraucht würden.
    Über zivile Verteidigung, über Luftschutz und über Notstandsplanung haben wir gar nichts gehört. Sie können uns doch nicht die Zahl von 52 Milliarden vorlegen und alles das, was mit einer atomaren Bewaffnung notwendig verbunden ist, einfach außer Diskussion lassen. Oder wollen Sie damit sagen: Luftschutz ist bei atomarer Bewaffnung überhaupt nicht möglich, so daß wir es nicht nötig haben, dafür Posten in die Rechnung einzusetzen?
    Meine Damen und Herren, ich muß auf dieses Kapitel etwas weiter eingehen; denn es rührt an die Glaubwürdigkeit der Zahlenangaben, die wir hier bekommen. Einer Ihrer Atomsachverständigen, der Physiker Professor Jordan, hat im Jahre 1956 in seinem Buch „Der gescheiterte Aufstand" folgendes geschrieben:
    Aber wer will uns erzählen, daß auch der Mensch der Zukunft nur auf der Erdoberfläche leben wird? Wenn der Atomkrieg noch für fünf Jahrzehnte vermieden werden kann, so wird die Menschheit längst darauf eingerichtet sein, ohne Schwierigkeit und ohne Unbequemlichkeit einmal fünf Jahre unter der Erde zu bleiben, bis der Atomgestank draußen abgeklungen ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD.) Und dann heißt es weiter:

    So werden auch die Erdmenschen schon in näherer Zukunft einige Jahre des Ausgehverbots gut überstehen, sofern bis dahin die unterirdischen Städte fertig sind, welche die einzig mögliche Stadtform der Zukunft sind.
    Meine Damen und Herren, wo sind die Kosten für die unterirdischen Städte oder wenigstens für die Vorbereitung darauf in Ihren 52 Milliarden?

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wenn Sie uns hier solche Zahlen vorlegen, dann darf ich auch einmal auf eine Veröffentlichung des Bundeswehrmajors Kohler in Heft 4 der „Wehrkunde" verweisen. Da wird über ein Planspiel geschrieben. Das ist ja wohl nicht für einen Fall, der vielleicht nach zehn Jahren einmal vorkommen kann, sondern für einen Fall, der als mögliche Realität von einem Militär berücksichtigt werden muß. In diesem Planspiel wird davon ausgegangen, daß ein 150-km-Streifen an der Zonengrenze evakuiert wird. In fünf Tagen sollen 14 Millionen Menschen 400 km weit getrieben werden. Dafür werden 50 ausgesparte Straßen benutzt. Ein Fußmarsch von täglich 24 km ist vorgesehen. 50 000 Evakuierungspolizisten haben dafür zu sorgen, daß Verstöße gegen die Marschdisziplin mit scharfen Maßnahmen geahndet werden.

    (Hört! Hört! und Lachen bei der SPD.)

    Da heißt es:
    Ein aus Individualisten zusammengesetztes Volk ist heute ein Widerspruch in sich.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die Straßen werden hermetisch abgeriegelt.
    Und jetzt kommt das, was finanzielle Bedeutung hat:
    An den Straßen müssen Wasserstellen hergerichtet werden, Behelfsunterkünfte und alles, was für die Durchführung eines solchen fünftägigen Riesentransports erforderlich ist. Im Aufnahmegebiet müssen Barackenlager, Zeltstädte, Lebensmitteldepots, Wasser-Pipelines, Notstromversorgung, ärztliche Versorgung und dergleichen eingerichtet werden.
    Und dabei rechnet der menschenfreundliche Major damit, daß Verletzte und Kranke nur 10% ausmachen, weil er nämlich unterstellt, daß der Feind in diesen ersten fünf Tagen noch nicht mitspielt, daß nämlich keine Straßenzerstörungen vorkommen, daß keine Verluste durch Waffeneinwirkung

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und keine Ausfälle durch Strahlung und Verseuchung eintreten.
    Meine Damen und Herren, wenn wir uns die von Ihnen genannte Zahl von 52 Milliarden ansehen und demgegenüber dieses — wie soll ich sagen — doch geradezu gespenstische Programm des militärischen Größenwahnsinns, dann können Sie doch weiß Gott nicht von uns verlangen, daß wir derartige Zahlenangaben von 52 Milliarden als bare Münze hier für unsere Auseinandersetzung annehmen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Eine Erleichterung auf finanziellem und wirtschaftlichem Gebiet ist nur möglich, wenn Sie von Ihrem ehrgeizigen, unrealistischen und von militärischem Großmachtdenken diktierten Wehrprogramm abrücken.
    Skeptisch macht uns auch, daß der Herr Bundesfinanzminister und der Herr Bundesverteidigungsminister sich heute wiederum geweigert haben, einen umfassenden Bedarfs- und Finanzplan vorzulegen. Wir haben von meinem Freunde Helmut Schmidt gehört: es war dem Bundeswirtschaftsministerium nicht unmöglich, dem Bundesverband der Industrie Pläne vorzulegen und mit ihm zu sprechen, damit die Industrie sich 'in ihrer Produktion darauf einrichten kann. Uns werden solche Pläne verweigert. Der Herr Bundesverteidigungsminister sagte vorsichtshalber, es sei nicht möglich, Pläne für fünf bis sieben Jahre vorzulegen. Wie wäre es, wenn Sie uns wenigstens für die nächsten zwei, drei Jahre einen Beschaffungs- und einen Finanzplan vorlegten? Das müßte doch zumindest im Rahmen der Möglichkeiten liegen.
    Meine Damen und Herren, ich zitiere jetzt nicht den Bundesrechnungshof für die Jahre 1955 und 1954. Der Bundesrechnungshof hat auch in einem Bericht, der uns im Dezember 1957 vorgelegt worden ist, wiederum einen Finanzplan verlangt,



    Dr. Deist
    der die Ausgaben und ihre Deckung für die kommenden Jahre darlegt. Der Bericht fährt fort:
    . . ., wenn man nicht Gefahr laufen will, in eine finanzielle Lage zu geraten, aus der befriedigende Auswege nur schwer zu finden sein werden.
    So der Bundesrechnungshof!
    Meine Damen und Herren, wer schützt uns denn davor, daß in drei, vier Jahren in den Vorbemerkungen des Haushaltsplans nicht eine ähnliche Bemerkung steht, wie sie in den Allgemeinen Vorbemerkungen für den Haushaltsansatz des Jahres 1955 gewählt wurde? Da steht nämlich, der im Haushalt 1955 mit einem globalen Jahresansatz in der Höhe von 9 Milliarden eingesetzte Verteidigungsbeitrag sei vornehmlich taktisch zu verstehen gewesen. Nun, mir scheint, daß ein wesentlicher Teil der Zahlen und der Darlegungen, die wir heute bekommen haben, nach alledem, was ich hier gesagt habe, ebenfalls durchaus taktisch zu verstehen sind.

    (Zustimmung bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Vernebelung! — Abg. Wehner: Ein Betrug auf Stottern!)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat offenbar von den 60 Milliarden, die allgemein als richtig angesehen werden, nicht weiter herunterrechnen können als auf 52 Milliarden. Nun, die Spanne zwischen 52 und 60 Milliarden — ohne atomare Rüstung, ohne Luftschutz, ohne Kriegsvorrat usw. — ist nicht wesentlich. Die Schlußfolgerung daraus ist: Wenn bis 1957 9 Milliarden ausgegeben waren und wenn für das Jahr 1958 etwa 10 Milliarden reine Verteidigungsausgaben vorgesehen sind, zusammen also 19 Milliarden, dann bleiben je nach der Schätzung von 52 oder 60 Milliarden Gesamtkosten noch 33 bis 41 Milliarden für die nächsten beiden Jahre, wovon vielleicht die eine oder andere Milliarde ruhig noch in das nächste Jahr hineingenommen werden kann. Die paar Milliarden, die nach 1962/63 hinübergenommen werden, können im Hinblick auf den globalen Charakter der Zahlenangaben des Bundesfinanzministers ruhig außer Betracht gelassen werden. Dann kommt man also zu dem gleichen Ergebnis wie der hier bereits mehrfach zitierte „Rheinische Merkur", daß uns nämlich eine Steigerung der Rüstungsausgaben — wobei es auf die eine oder andere Milliarde gar nicht ankommt — bevorsteht, die wirtschaftlich einfach nicht mehr zu verkraften ist.
    Der Herr Bundesverteidigungsminister hat am 15. Februar vor dem Wirtschaftsausschuß der CSU in München eine Bemerkung gemacht, die er offenbar für beruhigend hält. Er hat nämlich gesagt: Nach den jetzigen Planungen — dabei ist mir nicht klar, ob er damit die vom Februar oder die von heute meinte — werden unsere Verteidigungslasten in Prozenten des Sozialprodukts etwa gleich hoch liegen wie in Großbritannien und in Frankreich. Nun, meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob das eine Beruhigung sein kann. Wer einmal die OEEC-Zahlenvergleiche nachsieht, der wird bemerken, wie stark die Investitionstätigkeit in
    Großbritannien dadurch gehemmt ist, daß dieses Land so hohe Rüstungslasten auf sich nehmen mußte,

    (Abg. Erler: Sehr wahr!)

    daß durch die geringe Investitionstätigkeit Großbritanniens Stellung auf dem Weltmarkt und seine Stellung im Commonwealth außerordentlich beeinträchtigt ist und daß darin ein nicht unwesentlicher Grund für die Pfundkrise liegt. Ich weiß auch nicht, ob Frankreich ein gutes Beispiel ist. Frankreich ist durch seine hohe Rüstungsbelastung in eine wirtschaftliche und finanzielle Krise geraten, die die Stabilität ganz Europas in Frage stellt; dabei wird in Nordafrika auch noch die Position der freien Welt geschwächt.
    Meine Damen und Herren! Wir plädieren, wie klargeworden sein dürfte, nicht für Ablehnung jeder Landesverteidigung. Die Landesverteidigung muß sich aber in jedem Fall in einem Rahmen halten, der die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität nicht gefährdet. Auf diesem Gebiet haben wir hier in Deutschland eine wesentlich größere Aufgabe zu erfüllen als andere Länder, die weiter von der Grenze zum Osten entfernt sind.
    Das Problem der Rüstungswirtschaft liegt doch in folgendem. Je höher die Rüstungswirtschaft getrieben wird, um so größere Teile des wirtschaftlichen Potentials dienen nicht mehr der zivilen Versorgung, der friedlichen Weiterentwicklung, sondern dienen eben — das ist der Zweck der Rüstungswirtschaft — militärischen Zwecken. Die Produktion von Rüstungsgütern dient nicht dem Verbrauch. Wenn Rüstungsgüter überhaupt einen wirtschaftlichen Wert haben, dann allenfalls nach kurzer Zeit Schrottwert. Außerdem werden innerhalb der Rüstungswirtschaft Dienste und Leistungen aufgebracht, die ebenfalls nicht der friedlichen Entwicklung dienen. Das heißt, alles, was dem zivilen, dem friedlichen Entwicklungsgang entzogen wird, belastet die Volkswirtschaft. Da befinden wir uns in Deutschland nun in einer besonderen Lage. Wir betreiben nämlich die Aufrüstung, den Aufbau einer Wehrmacht in diesem Umfang in einer Zeit, in der wir die Lasten des vergangenen Krieges noch nicht annähernd bewältigt haben.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Darum dürfen wir, wenn wir die Belastung des Sozialprodukts, die Belastung der deutschen Volkswirtschaft und die Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft betrachten wollen, nicht nur mit den Kosten der Bundeswehr rechnen, sondern müssen die Lasten des vergangenen Krieges zu der Belastung, die auf dem Sozialprodukt ruht, hinzuzählen. Dann allerdings schrumpft das große Wort des Deutschland-Union-Dienstes vom Haushalt der Sozialleistungen auf ein Minimum zusammen. Ich weiß nicht, ob der Herr Bundesfinanzminister dann noch Wert darauf legen kann, zu behaupten, wir hätten einen Etat der sozialen Sicherheit, in dem 40% Sozialleistungen und nur 17% Rüstungsleistungen enthalten sind. Mein Freund Schoettle hat bereits darauf hingewiesen, daß das eine Irreführung ist, daß in den Sozialleistungen auch Pensions-



    Dr. Deist
    lasten für Bundesbedienstete, die 131er-Kosten, Wohnungsbau und ähnliche Ausgaben enthalten sind. Wenn man einmal nach dem uns vorgelegten Funktionenplan die Lasten für die neue Bundeswehr und die Lasten des verlorenen Krieges zusammenrechnet, dann kommt man für die neue Bundeswehr — einschließlich Berlin-Zuschuß — auf rund 12 Milliarden und für die Kosten des verlorenen Krieges noch einmal auf 12 bis 13 Milliarden. Das sind 24 bis 25 Milliarden für Kriegskosten der Vergangenheit und der Zukunft, das sind 60% des Haushalts, und die echten normalen sozialen Lasten schrumpfen dann auf 5,3 Milliarden und damit auf 14 % des Haushaltsplans zusammen. Das scheint mir für die Beurteilung dieses Haushaltsplans und seiner Auswirkungen auf die Wirtschaft und die finanzielle Entwicklung nicht ganz ohne Bedeutung zu sein.

    (Abg. Wehner: Leider wahr!)

    Die gesamte Belastung der Volkswirtschaft mit diesen Kosten beträgt, wenn ich die Kosten der Länder und Gemeinden für die Beseitigung von Kriegsschäden, die Kosten in den Zonengrenzgebieten und dergleichen mehr hinzuzähle, insgesamt rund 30 Milliarden.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen]: Was wollen Sie denn ausgeben?)

    — Vielleicht lassen Sie mich zunächst einmal meine Argumentation zu Ende führen. Ich rechne zur Zeit aus, was S i e ausgeben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zunächst scheint es mir für die Beurteilung Ihrer Rüstungspolitik wichtig, festzustellen, was Sie ausgeben und welche Folgen diese Ausgaben haben werden. Auf die andere Frage werde ich zu gegebener Zeit zurückkommen.

    (Zuruf von der Mitte: Wir werden Sie daran erinnern!)

    Also das sind 15 % des Sozialprodukts. Eine solche Belastung ist einfach ohne Störung einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung nicht möglich.

    (Abg. Illerhaus: Abwarten!)

    — Sie werden gleich sehen, daß wir nicht abzuwarten brauchen, sondern daß ich Ihnen die Beweise dafür schon heute vorlegen kann, und Sie sollten nicht noch versuchen, diese Belastung zu bagatellisieren. Das macht nämlich das Tragen dieser Kosten nur um so schwerer. Weil so große Teile des Sozialprodukts verlorengehen, darum müssen wichtige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aufgaben zurückstehen.
    Uns erscheint es wichtig, daß wir uns hier nicht nur in Milliarden bewegen, sondern daß wir uns und den anderen, die es hören wollen, doch einmal sagen, was konkret dahintersteckt, was an Stelle dieser Ausgaben an sozialen, wirtschaftlichen und sonstigen Leistungen möglich wäre, damit wir die Folgewirkungen wirklich übersehen können. Die 60 Milliarden und vielleicht einiges mehr für Aufrüstung werden im Zeitraum von einigen wenigen Jahren aufgebracht. Für den Straßenbau brauchen wir 35 Milliarden, nur um ihn fit zu machen. Davon entfallen 22 Milliarden auf den Bund. Aber diese 22 Milliarden können wir nicht in fünf, nicht in sechs Jahren aufbringen, dazu brauchen wir zehn Jahre, obwohl wir voraussehen können, daß der Straßenverkehr binnen weniger Jahre zusammenbricht, wenn wir nicht einiges mehr tun als bisher!

    (Beifall bei der SPD.)

    Im Augenblick, 13 Jahre nach Kriegsschluß, haben wir im Wohnungsbau immer noch einen Bedarf von dreieinhalb Millionen Wohnungen zu decken, und zwar ohne die Bereinigung der Elendsquartiere und ohne den Wohnungsbau für die Zugewanderten. Der Aufwand, der dadurch mit etwa 10 bis 15 Milliarden auf den Bund zukommt, muß auf 8 bis 10 Jahre verteilt werden. So weit muß die Lösung des Wohnungsbauproblems nach Kriegsende nochmals zurückgestellt werden!

    (Unruhe in der Mitte.)

    — Regen Sie sich nicht auf! Wenn wir über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Kriegslasten sprechen, gehören solche Vergleiche unbedingt dazu!

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben in der letzten Debatte über Bildungsfragen festgestellt, daß bei uns noch 33 000 Klassenräume fehlen. Das ist ein Bedarf von 3,5 bis 4,5 Milliarden DM. Nach den bisherigen Erfahrungen müssen wir die Beseitigung dieses dringenden Notstandes ebenfalls auf acht bis zehn Jahre aus' dehnen.
    Das tragischste Kapitel ist, daß wir nach dem Haushaltsplan nicht in der Lage sind, auch jetzt offenbar noch nicht, für die Förderung von Wissenschaft und Forschung die erforderlichen Beträge bereitzustellen. Da diese Dinge mit der wehrtechnischen Forschung zusammenhängen, lassen Sie mich darüber einiges sagen. Der Bundesfinanzminister hat in seiner großen Haushaltsrede festgestellt, daß für die Förderung von Wissenschaft und Forschung im Jahre 1957 570 Millionen DM, im Jahre 1958 800 Millionen DM ausgegeben worden seien, daß dieser Betrag also um 230 Millionen DM gestiegen sei. Er hat dafür den Beifall der Regierungskoalition gefunden. Diese Erhöhung um 230 Millionen DM entfällt mit 132 Millionen DM auf Wehrtechnik, während für die ganze übrige friedliche Entwicklung nur 98 Millionen DM Forschungsmittel übrigbleiben.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    So sollen von dem ganzen Betrag von 800 Millionen DM für Forschungszwecke, auf die sich der Bundesfinanzminister berufen hat, allein 300 Millionen DM für Wehrtechnik ausgegeben werden.
    Ich begegnete hier soeben einigem Kopfschütteln, weil ich solche Ausführungen mache; sie scheinen mir notwendig zu sein, da diese Rüstungsaufwendungen häufig so bagatellisiert werden, wie das früher einmal der Herr Bundeswirtschaftsminister getan hat. Er sagte:
    Im ganzen gesehen möchte ich noch einmal
    sagen, daß wir dieser Rüstungsaufgabe mit



    Dr. Deist
    aller Ruhe begegnen können, daß sie uns vor kein Problem stellen kann, das uns aus dem seelischen Gleichgewicht bringen müßte.
    Ich weiß nicht, wie das mit dem seelischen Gleichgewicht ist. Ich möchte jedoch ein paar weitere Zahlen nennen, die vielleicht zeigen, wie das wirtschaftliche und das finanzielle Gleichgewicht jedenfalls von solchen Ausgaben berührt wird.
    Ein Zerstörer kostet 100 Millionen DM. An Mitteln für die Studentenförderung fehlen uns in diesem Jahre 80 Millionen DM. Mit den Mitteln für 12 Zerstörern, die vorgesehen sind, könnten wir für 15 Jahre diesen Fehlbedarf bei der Studentenförderung decken.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ganze Schiffbauprogramm kostet 3 Milliarden DM. Das ist für drei Jahre der Fehlbedarf an
    Förderungsmitteln für Wissenschaft und Forschung.
    Ein Panzer kostet etwa 500 000 DM. Die Mittel für zwei Panzer reichen zum Bau einer achtklassigen Schule. Mit den 4 Milliarden DM für das gesamte Panzerprogramm können Sie den ganzen Fehlbedarf an Schulräumen decken.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ich habe nicht die Absicht, mich im luftleeren Raum von Zahlen zu bewegen, sondern ich will auf den Tisch legen, was diese Zahlen faktisch für die Wirtschaft und die Gesellschaft bedeuten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ungeachtet dieses Protestes nenne ich noch eine weitere Zahl. Eine Bataillonskaserne kostet 20 Millionen DM. Dafür können annähernd 1000 Wohnungen errichtet werden.

    (Abg. Schüttler: Das können wir auch selbst ausrechnen!)

    Das gesamte Rüstungs-Bauprogramm umfaßt 10 Milliarden DM. Das heißt, der gesamte Fehlbedarf im Straßenbauprogramm für die nächsten Jahre oder der gesamte Zuschußbedarf des Bundes für die Errichtung von 31/2 Millionen Wohnungen könnte daraus gedeckt werden.
    Warum sage ich das?

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Ja, warum sagen Sie das?)

    Ich möchte deutlich machen, welche Zukunftsbelastung für das deutsche Volk aus einer derart forcierten Rüstung und aus derart übertriebenen Rüstungsaufgaben folgen kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich möchte darauf hinweisen, daß wir, wenn dieses übertriebene Rüstungsprogramm weiter so vorangetrieben wird, vor der Gefahr stehen, eines schönen Tages in die Nähe von wirtschaftlich, sozial und kulturell unterentwickelten Gebieten zu kommen.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    Wenn wir eine Debatte über den Stand von Wissenschaft und Forschung haben, pflegen Sie, die Bundesregierung und der Wissenschaftsrat und alles, was da ist, festzustellen, wie stark wir in Deutschland mit unseren Aufwendungen für Wissenschaft und Forschung zurück sind. Wenn wir das mit den Riesenbelastungen in Zusammenhang brinden, die aus der Rüstung auf uns zukommen, dann ist das wiederum ein Wort zuviel gesagt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Derartige Aufwendungen sind geeignet, das wirtschaftliche und soziale Gleichgewicht Deutschlands für die Zukunft entscheidend zu stören.
    Aber es kommt nicht nur auf die Zukunftsbelastung an. Rüstungskosten müssen auch heute getragen werden. Das Wesen der Rüstungswirtschaft besteht, wie gesagt, darin, daß ein Teil des Produktionspotentials für die Fertigung von Rüstungsgütern und daher nicht für die Fertigung von zivilen Gütern zur Verfügung steht. Das heißt, bei gleichbleibender Erzeugung würde bei gleichbleibender Nachfrage ein geringeres Angebot vorhanden sein. Mit anderen Worten: eine solche Entwicklung führt zu einer Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage und damit zu Preissteigerungstendenzen. In der dynamischen Wirtschaft steigt die Nachfrage ständig. Das Problem ist, ob die steigende Gesamtproduktion sowohl die steigende normale, zivile Nachfrage wie auch die zusätzliche Rüstungsnachfrage decken kann.
    Der Bundeswirtschaftsminister ist Optimist. Er hat eine Rechnung aufgemacht und gesagt, bei einem Sozialprodukt von 210 Milliarden DM könnten wir durch einen dreijährigen Produktivitätszuwachs — vermutlich durch Mehrarbeit — insgesamt eine Mehrleistung von 36 Milliarden DM hervorbringen. Wenn man dann dem Staate gebe, was des Staates sei, dann bleibe mehr als die Hälfte für die Erhöhung des Lebensstandards und für die Anreicherung von Vermögen übrig. Nun, der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich verrechnet. Wenn er nämlich drei Jahre mit 3 % rechnet, kommen etwa 19 bis 20 Milliarden und nicht 36 Milliarden DM heraus. Ich weiß nicht, ob er bei dem Ansatz von 36 Milliarden DM etwa eine 21/2%ige ständige Entwertung der Mark mit einkalkuliert hat.

    (Heiterkeit bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Jedenfalls wird auch nach dieser Rechnung praktisch der gesamte reale Zuwachs der Produktivität für den zusätzlichen Rüstungsbedarf in Anspruch genommen. Das heißt, für die Steigerung des Lebensstandards bleibt nichts übrig.
    Nun mag es Menschen geben, die sagen: In einer solchen Zeit muß man auch in Kauf nehmen, daß eine Steigerung des Lebensstandards nicht mehr stattfindet. Der Herr Bundeswirtschaftsminister gehört dem Vorstand der Deutschen Gruppe der Europäischen Vereinigung für wirtschaftliche und soziale Entwicklung an. Diese ,Gruppe hat im Jahre 1956 eine Denkschrift veröffentlicht, in der es heißt:
    Die Einfügung der Rüstungsnachfrage in die
    volkswirtschaftliche Gesamtnachfrage ist in



    Dr. Deist
    einer Zeit der Vollbeschäftigung nur unter Zurückdrängung anderer Nachfrage möglich. Abwegig ist die Hoffnung, daß der Zuwachs des Sozialprodukts für die Rüstung reserviert bleiben könnte. Man weiß aus Erfahrung, daß diese Möglichkeit an einer sozialen Gesetzmäßigkeit scheitert. Wenn die private Nachfrage des einzelnen durch wachsende Einkommen nicht wenigstens die Aussicht hat zu steigen, ist dieses volkswirtschaftliche Wachstum kaum möglich.
    Das „Handelsblatt" hat es noch einfacher und klarer gesagt, indem es meinte, „zu rüsten, ohne den Lebensstandard zu beeinträchtigen, das ist ein Rezept, das noch nicht erfunden worden ist".
    Das weiß im Grunde genommen auch der Herr Bundeswirtschaftsminister, Darum sein Schrei nach Mehrarbeit. Er weiß nämlich, daß ohne Beeinträchtigung des Lebensstandards die Rüstungskosten einfach nicht zu decken sind. Damit bleibt die Aufgabe, die Nachfrage nach Investitions- und Konsumgütern zugunsten der Rüstungswirtschaft einzuschränken. Daran führt kein Weg vorbei, wenn man Rüstungspolitik treibt. Die einzige Frage ist: Wer trägt die Kosten?
    Es gibt im Grunde genommen nur drei Möglichkeiten, um den zivilen Bedarf einzuschränken und ihn dem steigenden Rüstungsbedarf anzupassen. Es gibt die Möglichkeit einer restriktiven Kredit- und Geldpolitik der Bundesbank, es gibt die Möglichkeit der Steuererhöhung, und es gibt die dritte Möglichkeit darüber sind sich alle Wissenschaftler und Praktiker einig —, mit Hilfe der Inflation den Konsumverzicht bei den Beziehern fester Einkommen zu erzwingen.
    Von der restriktiven Kreditpolitik haben wir Gott sei Dank nichts gehört. Sie würde nämlich bedeuten, daß durch Kreditbeschränkung die Beschäftigung so weit eingeengt wird — durch Betriebsstillegungen und Arbeiterentlassungen —, daß der Verbrauch gedrosselt wird. Einen solchen Übermut, das möchte ich annehmen, bringt auch diese Regierung nicht auf.
    Die zweite Möglichkeit wäre Steuererhöhung. Ich möchte es ganz deutlich aussprechen, daß es — auch darüber besteht eigentlich, wenn man sich intern unterhält, kein Streit — nur eine normale Möglichkeit gibt, Rüstungskosten zu decken, nämlich durch Steuererhöhungen. Nun, die Bundesregierung hat diesen Weg bisher nicht beschritten — im Gegenteil! — obwohl sie weiß, daß ihr Etat in diesem Jahr effektiv nicht gedeckt ist und daß auf sie in den nächsten Jahren Probleme zukommen, von deren Tragweite uns der Herr Bundesfinanzminister einige Vorstellungen in seinen Vorbemerkungen vermittelt hat. In diesem Augenblick wagt uns die Bundesregierung jedenfalls noch nicht zu sagen, sie wolle Steuern erhöhen. Bei dem Ausmaß, das die Steigerung der Rüstungskosten annimmt und das pro Jahr etwa zwischen 4 und 5 Milliarden beträgt, ist es überhaupt zweifelhaft, ob diese Steigerung durch eine im. Rahmen des Normalen liegende Steuererhöhung kompensiert werden kann.
    Wenn diese beiden Wege ausscheiden, dann gibt es eine drastische Einschränkung zugunsten der Rüstungsausgaben nur noch auf dem Wege über langsame, aber stetige Preissteigerungen. Wir sollten uns darüber klar sein, daß die Bundesregierung diesen Weg bereits seit einigen Jahren beschreitet.

    (Zuruf von der Mitte: Das ist ja gar nicht wahr! — Abg. Dr. Dresbach: Herr Deist, wenn die Regierung die Vorlage über die Ergänzungsabgabe einbringt, werden Sie dann dagegen stimmen?)

    — Ich will Ihnen sehr deutlich antworten. Wir sind der Auffassung, wenn eine Regierung schon eine solche Rüstungspolitik betreibt, dann hat sie eine Rüstungssteuer auf hohe Einkommen und hohe Vermögen zu erheben.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Dresbach: Herr Deist, ist Ihnen bewußt, daß diese Ergänzungsabgabe jetzt nur noch höhere Einkommen treffen kann, weil die niedrigeren Einkommen ja aus der Einkommensteuerpflicht entlassen sind? — Gegenruf von der SPD: Was nennen Sie „höhere Einkommen"? — Gegenruf von der Mitte: Die von Herrn Greve!)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Dresbach, ich bitte Sie, sich vorher zu Wort zu melden, damit ich den Redner fragen kann, ob er eine Zwischenfrage gestattet.

(Abg. Dr. Dresbach: Jawohl, Herr Präsident; es war eine Art verlängerter Zwischenruf! — Heiterkeit.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Dr. Dresbach, es kommt ganz darauf an, was man unter „höheren Einkommen" versteht.

    (Abg. Dr. Dresbach: Sehr richtig! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Fragen Sie nur noch weiter, dann sage ich einige Worte dazu.
    Mein Freund Seuffert hat Ihnen im Zusammenhang mit der Steuerdebatte einige deutliche Worte darüber gesagt, was wir darunter verstehen. Er hat doch den Nachweis geführt, daß ein wesentlicher Teil dieser Steuersenkung — in größerem Umfang — den ganz, ganz großen Einkommen zuläuft.

    (Abg. Dr. Hellwig: Und 3 Millionen Steuerzahler befreit werden!)

    Aber vielleicht sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt, Herr Dr. Dresbach, wenn Sie mir darin zustimmen, daß Rüstungsausgaben durch Steuern auf die hohen Einkommen und auf die hohen Vermögen gedeckt werden sollten. — Aber darüber wollte ich ja gar nicht sprechen. Die Bundesregierung hat diesen Weg jedenfalls bisher nicht beschritten. Mir scheint auch, daß die Bundesregierung diesen Weg nicht zu beschreiten gedenkt. In der jüngsten Vergangenheit hat sie jedenfalls einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Wenn es richtig ist, daß steigende Rüstungsausgaben nur zu ver-



    Dr. Deist
    kraften sind, wenn die zivile Nachfrage eingeschränkt wird, muß die Bundesregierung konsequenterweise Maßnahmen treffen, die diese Einschränkung der zivilen Ausgaben bewirken. Was hat diese Bundesregierung aber getan? Sie hat durch eine ständige Ausweitung der zivilen Nachfrage und durch ständige Auslösung inflationärer Prozesse eine Lösung dieses Problems geradezu unmöglich gemacht. — Das sage nicht ich, sondern Sie können es in den Allgemeinen Vorbemerkungen des Herrn Bundesfinanzministers zum Haushaltsplan nachlesen.
    Was steht in den Allgemeinen Vorbemerkungen des Herrn Bundesfinanzministers zum Haushaltsplan über die Juliusturmpolitik? Da steht, daß bis zum Jahre 1955 ständig Milliardenbeträge stillgelegt wurden, d. h. daß sie nicht in den Konsum geflossen sind, daß sie nicht als Nachfrage aufgetreten sind. Zuletzt waren es im Jahre 1955 3 Milliarden DM. Im Jahre 1956 erfolgte keine Stillegung von Geldmitteln. Das heißt — und das ist auch aus den Vorbemerkungen des Herrn Bundesfinanzministers zu entnehmen —, durch die Politik der Bundesregierung sind bereits im Jahre 1956 3 Milliarden DM zusätzliche Nachfrage auf dem inneren Markt geschaffen worden.

    (Abg. Erler: Sehr wahr!)

    Für das Jahr 1957 ergibt sich nach den Feststellungen des Herrn Bundesfinanzministers eine Verminderung der Juliusturmmittel von 7 Milliarden auf 3 Milliarden DM, d. h. wiederum eine Kaufkraftschöpfung, eine Geldschöpfung von 4 Milliarden DM. Der Haushaltsplan des Jahres 1958 macht uns in dieser Hinsicht nun allerdings allergrößte Sorgen. Wie der Herr Bundesfinanzminister den Mut hat, wiederum 3 Milliarden aus dem Juliusturm einfach als Einnahme einzusetzen und in der augenblicklichen konjunkturellen Situation damit 3 Milliarden DM neue Nachfrage zu schaffen, ist einfach unerfindlich.
    Aber es ist auch die Frage, ob es dem Herrn Bundesfinanzminister möglich ist und ob es gut ist, in der augenblicklichen Situation für Rüstungsfinanzierung Anleihen im Betrage von 1,6 Milliarden DM aufzunehmen. Wir sollten uns wenigstens darin einig sein, daß die Aufnahme von Anleihen für Rüstungszwecke in jedem Falle eine unzweckmäßige und unglückliche Finanzierungsmaßnahme ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat bei der Etatberatung auch zugegeben, daß seine Einnahmeschätzungen unter Zugrundlegung einer Zunahme des Sozialprodukts von 7% vielleicht doch etwas zu weit gehen, daß wir also damit rechnen müssen, daß bereits dieser Etat über jene 4,6 Milliarden DM hinaus ein Loch aufweist. Außerdem hat er eingeräumt, daß die Auswirkungen der Steuersenkung und die Erhöhung der Kriegsopferversorgung — die er selbst für notwendig hält — im Etat noch nicht berücksichtigt sind. Schließlich sind auch die Stationierungskosten, die der Herr Bundeskanzler seinen englischen Freunden bei seinem Besuch eingebracht hat, noch nicht einkalkuliert. Was nützt
    uns da eine Rede über das Deckungsprinzip, was nützt es uns da, wenn gesagt wird, Kreditschöpfung über Notenbankkredite lehne man ab, wenn auf der anderen Seite Kreditschöpfung aus dem Juliusturm als eine selbstverständliche Sache hingenommen wird?!
    Bei dieser Entwicklung müssen wir damit rechnen, daß im kommenden Haushaltsjahr ein Defizit von 6 bis 8 Milliarden DM zu decken ist, das Sie nun nicht mehr rechnerisch aus dem Juliusturm decken können. Diese defizitäre Finanzpolitik in Zusammenhang mit den ständig steigenden, inflationär wirkenden Außenhandelsüberschüssen, die ebenfalls eine Folge der Politik der Bundesregierung sind, ist die entscheidende Ursache dafür, daß schon in der Vergangenheit die Kosten der Politik der Bundesregierung im wesentlichen durch Preiserhöhungen abgewälzt wurden. In den letzten drei Jahren hatten wir im Durchschnitt eine Steigerung der Lebenshaltungskosten von 2 bis 3 % zu verzeichnen. Vom Frühjahr des vergangenen Jahres bis zu diesem Frühjahr waren es nunmehr 4,5 %. Das macht deutlich, welche finanziellen Folgen in der Zukunft auf uns zukommen müssen, wenn diese Politik mit gesteigerten Anforderungen der Rüstungswirtschaft so, wie es nunmehr in Aussicht steht, weiterhin betrieben wird. Diese Steigerungsbeträge können praktisch nicht mehr aus dem Zuwachs des Sozialproduktes gedeckt werden. Wir müssen daher auch in Zukunft mit einer stärkeren Steigerung der Preise und damit mit einer langsamen, aber sicheren Erschütterung von Währung und Wirtschaft rechnen.
    Über ein Thema ist hier heute nicht gesprochen worden, das in der Öffentlichkeit ständig behandelt wird. Es tut mir leid, ich fühle mich verpflichtet, dazu einige Worte zu sagen. Obwohl ganz klar ist, daß der Umfang der Geld- und Nachfrageschöpfung über Juliusturm-Auschüttung und über Außenhandelsüberschüsse in die Milliardenbeträge geht und mit der Frage der Lohnerhöhungen gar nichts mehr zu tun hat, wird heute allüberall davon gesprochen, daß die Stabilisierung der Wirtschaft, die durch eine solche Politik untergraben wird, allein durch eine sinnlose Erhöhung der Lohneinkommen gefährdet sei. Ich meine, um dieser Diffamierung entgegenzutreten, muß auch zu diesem Problem am heutigen Tage hier etwas gesagt werden.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich nicht gescheut, in seinem Lagebericht für Februar 1958 folgendes auszuführen:
    Einer Stabilisierung des Preisniveaus als der wichtigsten Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der guten Konjunktur in der Bundesrepublik steht gegenwärtig allerdings die Lohnpolitik im Wege.
    — Es war im März 1958, als er das schrieb. —
    Durch Lohnerhöhungen, die deutlich über den gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt hinausgehen, wird der stabilisierende Effekt sinkender Rohstoffpreise und beachtlicher Rationalisierungserfolge immer wieder zunichte gemacht.



    Dr. Deist
    Kein Wort von Rüstungsfinanzierung, kein Wort vom ständigen Einfuhrdefizit von mehreren Milliarden Mark!
    Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister das vor einem Jahr geschrieben hätte, hätte er vielleicht noch einen Anschein von Berechtigung für seine Auffassung geltend machen können. Denn im Jahre 1956 waren die Nettolöhne und -gehälter um etwa 11 % gestiegen, während das Bruttosozialprodukt nur um etwa 10% zugenommen hatte. Daraus ergab sich ein Verbrauch, der tatsächlich etwa 1,3% höher lag als die Zunahme des Bruttosozialprodukts. Die Nettolöhne und -gehälter betrugen im Jahre 1955 63 Milliarden D-Mark. Diese 1,3 % machten eine Milliarde bei einem Bruttosozialprodukt von 175 Milliarden D-Mark, bei einer Kreditschöpfung aus dem Juliusturm von 3 Milliarden D-Mark und bei einem Einfuhrdefizit von 3 Milliarden D-Mark, d. h. 6 Milliarden inflationäre Nachfrageexpansion. Aber selbst in diesem Jahre wäre es unfair gewesen, eine solche Behauptung aufzustellen; denn hier handelte es sich um einen Nachholbedarf für die zurückgebliebenen Löhne des Jahres 1955. In diesem Jahre betrug nämlich der Zuwachs des Bruttosozialproduktes 14% und die Steigerung der Nettolöhne nur 13%; und der private Verbrauch stieg sogar nur um 11 %.
    Aber wir haben das ganze Jahr 1957 hinter uns und stehen am Anfang des Jahres 1958. Der Herr Bundeswirtschaftsminister, der ständig selbst Lageberichte über die Wirtschaft herausgibt, muß doch auch wissen, wie sich die Löhne und Gehälter im Laufe dieses Jahres entwickelt haben. Dabei ist folgendes festzustellen. Die Zuwachsrate der Löhne und Gehälter gegenüber dem Vorjahr betrug im ersten Quartal 1957 noch 12 %, im zweiten und dritten nur noch 8 % und im vierten nur noch 7 %. Das heißt: die Zuwachsrate der Löhne und Gehälter zeigt absolut sinkende Tendenz. Infolgedessen konnte der Herr Bundesfinanzminister in den Vorbemerkungen zum Haushaltsplan auch feststellen, daß sich das Sozialprodukt und der private Verbrauch in gleicher Weise um 7,5 % erhöht haben, und er fügt hinzu: Das bedeutet, daß von dieser Seite im Jahre 1957 keine Strukturveränderung eingetreten ist. Das ist mal ein ehrliches Wort darüber, daß über die Lohnerhöhungen des Jahres 1957 keine solche Kaufkraftschöpfung eingetreten ist, sondern daß die Preissteigerungen andere Ursachen hatten,

    (Beifall bei der SPD)

    nämlich die Kassendefizite und Einfuhrdefizite in Höhe von rund 8 Milliarden im Jahre 1957. Im Grunde genommen waren die letzten Lohnsteigerungen nur ein Ausgleich für die Preissteigerungen, die auf die Rüstungs-, Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung zurückzuführen sind. Damit komme ich zu der Behauptung des Herrn Bundeswirtschaftsministers, daß die Löhne den realen Produktivitätszuwachs wesentlich überschritten hätten. Die Löhne sind im Jahre 1957, wie er selbst angibt, nominell um 6,5 % angestiegen; eine Preiserhöhung von 3% abgezogen, ergibt eine
    reale Lohnerhöhung von 3,5 %, während der reale Produktivitätszuwachs je Stunde 4,5% betragen hat.

    (Abg. Dr. Hellwig: Sie müssen den Vergleich mit den erhöhten nominellen Löhne machen! Da haben wir doch den Punkt! Das ist doch sonst eine Milchmädchenrechnung!)

    — Nein, Herr Kollege Hellwig, der Witz ist der, daß Sie immer realen Produktivitätszuwachs und nominelle Lohnerhöhung vergleichen.

    (Abg. Dr. Hellwig: Wir vergleichen die Kosten der Arbeitsstunde, und die sind nominell!)

    Nun, Herr Kollege Hellwig, wir werden Gelegenheit haben, uns über dieses Problem noch einmal zu unterhalten. Jedenfalls, wenn Sie nominelle Lohnerhöhung mit realem Produktivitätszuwachs vergleichen, nehmen Sie das bereits in die Rechnung hinein, was Sie beweisen wollen: daß nämlich die höheren Löhne die Preissteigerungen verursacht hätten. So einfach läßt sich die Rechnung nicht durchführen. Jedenfalls bleibt die Tatsache bestehen, daß die Lohnerhöhungen des vergangenen Jahres und dieses Jahres nur einen Ausgleich der durch die Politik der Bundesregierung hervorgerufenen Preissteigerungen herbeigeführt haben, ja, hinter diesen Preissteigerungen zurückgeblieben sind.

    (Widerspruch in der Mitte. — Beifall bei der SPD.)

    Schon heute läßt sich feststellen, daß bereits in der Vergangenheit bei verhältnismäßig geringen Anforderungen an die Rüstungswirtschaft, bei weiterer Ausweitung, bei steigender Produktivität zwar im Jahre 1957 die Gewinne der Unternehmungen und die Dividenden sich wesentlich erhöht haben, daß es aber der Arbeitnehmerschaft mit ihren Lohnkämpfen nicht möglich war, die Preissteigerungen dieses Jahres wieder voll wettzumachen; denn die Rüstungsausgaben haben eine Höhe und ein Tempo angenommen, das im Zusammenhang mit der Außenhandelspolitik und mit einer untauglichen Kartell- und Kreditpolitik eine ständige Preiserhöhung unvermeidlich macht.
    Meine Damen und Herren, Sie mögen das nicht sehr gerne hören. Vielleicht sind die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers in seinen Allgemeinen Vorbemerkungen überzeugender für Sie. Es heißt dort auf Seite 7: Der Bundeshaushalt beginne „nunmehr bei steigenden Verteidigungsausgaben in einem Zeitpunkt expansiv zu wirken und die Geldschöpfung durch die Einlösung der Gold-und Devisenzugänge zu verstärken, in dem die Vollbeschäftigung praktisch erreicht ist". Hat damit der Herr Finanzminister eigentlich etwas anderes gesagt, als was ich soeben über die Wirkung der Finanzpolitik der Bundesregierung behauptet hatte, wenn auch mit anderen Worten? An anderer Stelle — auf Seite 64 — heißt es, der Abbau der Kassenbestände — und wir bauen nach den Plänen



    Dr. Deist
    des Herrn Bundesfinanzministers in 1958 wieder 3 Milliarden DM ab— komme daher einer Geldschöpfung gleich, die tendenziell preissteigernd wirke. Der Bundesfinanzminister weiß, daß man infolgedessen eine solche Geldschöpfung nicht vornehmen darf. Aber er resigniert. Er sagt nämlich, eine solche vernünftige Politik könne er wegen der Begehrlichkeit der Interessenten — das sind doch ja wohl jene Gruppen, die in der Nähe der Bundesregierung und der Koalition sitzen;

    (Beifall bei der SPD)

    bitte lesen Sie das nach — und wegen der Bewilligungsfreudigkeit des Parlaments —das muß ja wohl die Mehrheit der Koalition sein — nicht treiben. Darum muß es bei dieser preissteigernden Ausgabenpolitik bleiben, auch wenn sie Haushalt und Wirtschaft überfordert. Meine Damen und Herren, nun hören Sie bitte genau zu: Aus einigen Zahlenangaben, die die Bundesregierung gegeben hat, muß man schließen, daß das die bewußte Politik der Bundesregierung auch für die Zukunft ist. Sie hat nämlich in den Erläuterungen des Bundesfinanzministers zum Haushalt den nominellen Zuwachs des Bruttosozialprodukts mit 7% angegeben. Und im März dieses Jahres hat sie der Montanunion eine Vorschau geliefert, in der mit einem realen Sozialproduktzuwachs von 41/2% gerechnet wird. 7 % nominell und 41/2% real! Darin kann doch nur eine Preissteigerung von 21/2% liegen, wenn sie nicht in einem Falle falsche Zahlen angegeben hat.
    Ich meine es durchaus ernst mit dieser Beweisführung und damit, daß die Kosten Ihrer übertriebenen Rüstungspolitik und der daraus resultierrenden Augabenpolitik, die Sie ungeachtet aller schönen Redensarten befolgen müssen, über steigende Preise von allen denen getragen werden müssen, die feste Einkommen beziehen oder die nicht in der Lage sind, ihre Einkommen den Preissteigerungen anzugleichen.
    Hinzu kommt diese makabre Aussicht auf Ihre Steuerpolitik: im Augenblick jene Steuersenkungen, von denen ich gesprochen habe. Und dann die Steuererhöhungen, von denen in den Couloirs gesprochen wird. Dort spricht man von der Erhöhung indirekter Steuern und von der Erhebung einer Kopfsteuer in den Gemeinden, also Steuerlasten, die die breiten Schichten zu tragen haben, die schon durch die laufenden Preissteigerungen am stärksten getroffen werden. Das ist eine Politik, die die wirtschaftlichen Grundlagen einer gesunden Entwicklung und das soziale Gefüge aufs schwerste gefährdet.
    Nun, meine Damen und Herren, ein letztes Wort zu Ihren Fragen. Sie haben gefragt: Wie teuer wird denn das eigentlich bei euch? Ich will um diese Frage nicht herumgehen.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen]: Das dürfen Sie auch nicht!)

    In den wehrpolitischen Debatten — wir wollen heute ja wohl nicht wieder die ,wehrpolitische Debatte aufnehmen -- haben wir zunächst einmal klargestellt, daß unsere Wehrpolitik in dem Rah-
    men einer Sicherheits- und Außenpolitik gesehen werden muß, die sich von der Ihrigen wesentlich unterscheidet. Infolgedessen muß Ausrüstung und Aufbau der Bundeswehr nach unseren Vorstellungen an anderen Maßstäben gemessen werden als im Rahmen einer Außenpolitik, wie sie die Bundesregierung heute betreibt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben klargemacht, daß im Rahmen unserer Sicherheitsvorstellungen sowohl an die Größe als auch an die Ausrüstung der Bundeswehr geringere Anforderungen gestellt werden können und müssen, und zwar nicht nur im Interesse Deutschlands, sondern auch deshalb, weil die von uns vertretene Sicherheitspolitik dem gesamteuropäischen und dem weltpolitischen Friedensinteresse dient.

    (Beifall bei der SPD.)

    Eine atomare Ausrüstung fällt daher sowieso schon aus.
    Dann ein zweites, meine Damen und Herren. Wir haben heute begründet — ob Sie die Begründung anerkennen oder nicht, muß mir gleichgültig sein —, wir haben jedenfalls versucht, zu begründen, daß Ihre Aufrüstung, so wie sie sich auch nach Ihren Plänen entwickeln muß, geradezu ein wirtschaftlicher und finanzieller Wahnsinn ist, weil dadurch nämlich das wirtschaftliche und soziale Gefüge zutiefst erschüttert wird.

    (Abg. Dr. Kliesing: Das ist ja Panikmache! — Abg. Schlick: Das prophezeien Sie ja schon jahrelang! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Ich werde mich hüten, irreale Prophezeiungen zu machen. Sie können sich an der Entwicklung der vergangenen Jahre ausmalen, wohin diese Rüstungspolitik führen wird, wenn sie so weiter getrieben wird. Meine Damen und Herren, wir werden nur leider um die Möglichkeit eines Beweises gebracht werden, weil Sie binnen kürzester Frist genau wie im Jahre 1956 durch die Realitäten gezwungen sein werden, auch Ihre heutige Rüstungsplanung wesentlich umzustellen. Den Weg dazu haben Sie sich ja bereits offen gehalten. Aber, darüber können wir uns unterhalten, wenn es so weit ist. Das können wir uns in Seelenruhe ansehen.
    Aber aus diesen Überlegungen ergibt sich eins: daß der Rüstungsaufwand, der nach unseren Vorstellungen im Rahmen einer sinnvollen und wirksamen Landesverteidigung notwendig ist, jedenfalls um mehrere Milliarden unter den von Ihnen angeforderten Beträgen liegen wird.

    (Widerspruch in der Mitte.)

    — Meine Damen und Herren, ich glaube, mehr können Sie von einer Oppositionspartei an realer Auskunft wirklich nicht verlangen.

    (Lachen und Beifall in der Mitte.)

    Wenn die Bundesregierung hier erklärt: Soweit wir sehen, bis zum Frühjahr 1961 52 Milliarden; ob wir sie ausgeben, wissen wir nicht; vielleicht nehmen wir 6 bis 8 Milliarden heraus, über die wir dann



    Dr. Deist
    im Jahre 1961 entscheiden müssen! Und wenn Sie uns dann überhaupt keine näheren Angaben machen, nicht einmal für das nächste Jahr, obwohl Sie Ihre Planungen ja doch wohl haben, obwohl Sie Bestellungen herausgegeben haben, obwohl Sie ständig Soldaten einziehen, dann können Sie doch von der Opposition nicht erwarten, daß sie weitergehende Zahlenangaben macht als Sie, die Sie doch die Rüstung tatsächlich betreiben. Wir können Ihnen nur eines sagen:

    (Abg. Dr. Kliesing [Honnef] : Daß Sie keine Konzeption haben!)

    Der Rüstungsaufwand muß jedenfalls darauf Rücksicht nehmen, daß das Ausmaß der Belastungen in der Zukunft nicht so groß sein wird, daß wir in der gesamten wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung so weit in Rückstand kommen, daß wir auf wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet als eine Nation zweiter Klasse dastehen.

    (Abg. Illerhaus: Dafür sorgt unsere Mehrheit!)

    Die Rüstungsausgaben dürfen nicht höher sein, als daß sie durch laufende Steuern gedeckt werden können, so daß die Stabilität der Währung unter allen Umständen gesichert wird.

    (Abg. Illerhaus: Da werden wir schon Obacht geben!)

    Außerdem muß der Rüstungsstand so gehalten werden, daß ein angemessener Beitrag zur Steigerung des Lebensstandards möglich ist, ohne den es keinen Fortschritt, ohne den es keine Landesverteidigung
    und ohne den es auch keine Sicherheit gibt. Ich möchte noch einmal betonen: das ist eine Vorstellung, die uns pro Jahr mehrere Milliarden erspart. Dazu ist allerdings eines notwendig — und darum glaube ich Ihnen, daß Sie sich auf diese Vorstellung nicht recht einstellen können —: daß Sie Ihr Programm des militärischen Größenwahns aufgeben.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)