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ID0302301600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 23. Sitzung Bonn, 18. April 1958 Inhalt Nachruf auf den Abg. Wolfgang Klausner 1221 A Antrag der Fraktion der SPD, den Gesetzesantrag auf Befragung des deutschen Volkes (Drucksache 303) auf die Tagesordnung zu setzen Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 1221 C Rasner (CDU/CSU) . . . . . . 1223 B Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen (Drucksache 154) Dr. Ratzel (SPD) 1224 C Dr. Schröder, Bundesminister 1231 A, 1268 B Dr. Heck (Rottweil) (CDU/CSU) . . 1240 C Lohmar (SPD) . . . . . . 1252 B, 1272 B Zoglmann (FDP) . . . . . . . . 1257 B Probst (Freiburg) (DP) . . . . . . 1260 C Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . . 1262 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) . . . . 1263 C Dr. Frede (SPD) . . . . . . . . 1265 A Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestags (CDU/CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 327) — Erste Beratung — Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 1244 C Sammelübersicht 4 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 280) . . . 1273 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landbeschaffungsgesetzes (SPD) (Drucksache 272) — Erste Beratung — Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 1273 B Dr. Schröder, Bundesminister . . . 1274 B Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 29) 1275 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 1275 C Anlagen 1277 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1958 1221 23. Sitzung Bonn, den 18. April 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albrecht 17. 5. Dr. Arndt 19. 4. Dr.-Ing. E. h. Arnold 19. 4. Dr. Baade 18. 4. Bauereisen 26. 4. Bauknecht 10. 5. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) 18. 4. Blöcker 18. 4. Dr. Böhm 18. 4. Frau Dr. Brökelschen 26. 4. Dr. Bucerius 19. 4. Cillien 18. 4. Conrad 18. 4. Corterier 18. 4. Dr. Czaja 26. 4. Dr. Dehler 19. 4. Diel (Horressen) 5. 5. Dr. Eckhardt 30. 4. Eichelbaum 3. 5. Even (Köln) 19. 4. Felder 30. 4. Dr. Frey 26. 4. Dr. Friedensburg 30. 4. Frau Friese-Korn 31. 5. Dr. Furler 19. 4. Gedat 18. 4. Gehring 19. 4. Dr. Greve 21. 4. Günther 18. 4. Häussler 30. 4. Heinrich 15. 5. Frau Herklotz 25. 4. Hilbert 18, 4. Höcherl 10. 5. Frau Dr. Hubert 17. 5. Hufnagel 19. 4. Iven (Düren) 26. 4. Jacobi 18. 4. Jacobs 24. 4. Jahn (Frankfurt) 18. 4. Jaksch 18. 4. Dr. Jordan 18. 4. Kiesinger 18. 4. Frau Kipp-Kaule 19. 4. Kirchhoff 18. 4. Koenen (Lippstadt) 19. 4. Kriedemann 19. 4. Dr. Krone 18. 4. Kuntscher 18. 4. Kunze 15. 5. Dr. Leverkuehn 18. 4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Dr. Maier (Stuttgart) 26. 4. Mattick 18. 4. Frau Dr. Maxsein 18. 4. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Mellies 25. 4. Merten 19. 4. Meyer (Oppertshofen) 26. 4. Neuburger 18. 4. Frau Niggemeyer 30. 4. Paul 30. 4. Dr. Pferdmenges 18. 4. Rademacher 19. 4. Ramms 18. 4. Riedel (Frankfurt) 18. 4. Ruland 18. 4. Scheppmann 2. 5. Schneider (Bremerhaven) 18. 4. Dr. Schneider (Saarbrücken) 18. 4. Schultz 18. 4. Schütz (Berlin) 18. 4. Frau Dr. Schwarzhaupt 19. 4. Simpfendörfer 19. 4. Sträter 31. 5. Struve 7. 5. Dr. Wahl 15. 5. Walpert 19. 4. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 18. 4. Frau Welter (Aachen) 18. 4. Dr. Zimmer 26. 4. Anlage 2 Umdruck 47 Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD (Drucksache 154) betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, auf der Grundlage der im Grundgesetz festgelegten Verteilung der Kompetenzen Verhandlungen mit den Ländern darüber aufzunehmen, welche Aufgaben auf dem Gebiet der Kulturpolitik künftighin nur vom Bund, nur von den Ländern oder von Bund und Ländern gemeinsam gefördert werden sollen. Bonn, den 18. April 1958 Dr. Krone und Fraktion Anlage 3 Umdruck 48 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der SPD (Drucksache 154) betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dahin zu wirken, daß als Sitz des Wissenschaftsrates Berlin bestimmt wird. Bonn, den 18. April 1958 Ollenhauer und Fraktion 1278 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1958 Anlage 4 Umdruck 29 Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse. Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden gemäß § 99 Abs. 1 GO ohne Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen: 1. Antrag der Abgeordneten Schmidt (Hamburg) und Genossen betr. Inanspruchnahme von Naturschutzgebieten für militärische Zwecke (Drucksache 191) 2. Antrag der Abgeordneten Dr. Franz, Wieninger, Dr. Besold und Genossen betr. Freigabe des Rasthauses am Chiemsee (Drucksache 196) 3. Antrag der Fraktion der FDP betr. Postgebühren (Drucksache 265) 4. Antrag der Abgeordneten Dr. Wahl, Metzger, Dr. Kopf und Genossen betr. Interan den Ausschuß für Inneres an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen(f), Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen an den Rechtsausschuß nationale Schiedsgerichtsbarkeit auf dem Gebiete des Privatrechts (Drucksache 267) 5. Antrag der Abgeordneten Dr. Zimmer, Dr. Kopf, Metzger und Genossen betr. Schaffung eines europäischen Beamtenstatuts (Drucksache 268) 6. Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Maxsein, Altmaier und Genossen betr. Maßnahmen zur Befreiung der politischen Gefangenen in den Diktaturländern (Drucksache 269) 7. Antrag der Fraktion der SPD betr. Berliner Filmfestspiele (Drucksache 271) an den Rechtsausschuß(f), Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten(f), Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik Bonn, den 18. März 1958 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Siegfried Zoglmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem amerikanischen Außenminister Dulles wird das Wort zugeschrieben: Der kalte Krieg wird in den Hörsälen entschieden. Ich bin versucht zu sagen: Welches Glück, daß dieser Raum kein Hörsaal ist! Sonst könnte ich den Aspekten, die uns in dieser Auseinandersetzung zwischen West und Ost bleiben, nicht sehr viel Gutes zuschreiben.
    Vorhin hat der Kollege Heck gesagt, die Kulturpolitik solle an erster Stelle stehen. Ich bin ein Benjamin in diesem Hause, möchte aber doch sagen: den Eindruck, daß kulturpolitische Anliegen in diesem Hause an erster Stelle stünden, kann selbst ein ganz großer Optimist nicht von hier mitnehmen. Ich habe fast den Eindruck, es geht uns in Deutschland so, wie es den Amerikanern ging: es muß erst ein Sputnik am Himmel erscheinen, bis den Leuten klar wird, um was es eigentlich bei den Fragen der Wissenschaft und Forschung im Letzten geht.
    Wissenschaft und Forschung — das sollte doch jeder, der sich nur ein bißchen mit diesen Dingen befaßt, unschwer feststellen können — sind heute Kampfmittel der politischen Auseinandersetzung geworden. Die künftigen großen Entscheidungen in der Welt werden letzten Endes von den Gelehrten und von den technischen Apparaturen entscheidend beeinflußt.
    Vorhin hat der Herr Bundesinnenminister gesagt, die Bundesregierung habe ein Recht, sich Gedanken zu machen und Überlegungen anzustellen, um mit der Problematik fertig zu werden, die mit der heutigen Großen Anfrage der SPD angeschnitten ist. Er hat dann dazu auch einiges ausgeführt. Ich kann ihm aber nicht ganz beistimmen, wenn er meint, daß eigentlich alles getan sei, um die Dinge zum Guten zu lenken.
    Man hat hier gesagt, ein Vergleich mit Rußland oder mit England oder auch mit Amerika sei nicht anzustellen, weil die Größenordnungen verschieden seien und alle Voraussetzungen dafür schlechthin fehlten. Das trifft insofern nicht den Kern der Sache, als die Entwicklung uns so oder so zwingt, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen, die nicht zuletzt vom Osten, von Rußland her auf uns zukommen.
    Vorhin hat Herr Kollege Heck ein sehr gutes Wort ausgesprochen. Er hat gesagt, in Rußland sei ein neues Sendungsbewußtsein entstanden. Wenn man nun das russische Sendungsbewußtsein und die technischen Maßnahmen, die gerade auf dem Gebiete der Erziehung getroffen sind, addiert, dann muß man wirklich besorgt werden. Die Zahl von 760 000 Studenten, die heute an den Ingenieurschulen aller Ordnungen in Rußland studieren, und das Vorhaben der russischen Regierung, bis zum Jahre 1960 auf eine Million Ingenieurschulstudenten aller Gattungen zu kommen, sind doch so beachtlich, daß wir daran nicht vorbeigehen können. Die Zahl von 60 000 Studierenden aller Ingenieurgruppen in der Bundesrepublik möchte ich nur als Ergänzung dazu erwähnen. Diese Zahlen sind keine russischen Propagandazahlen, es sind die Zahlen eines englischen Regierungsberichts, der aus der Sorge um diese Dinge von der britischen Regierung veranlaßt wurde.
    Wenn man nun sagte: Ein russischer Ingenieur ist am Ende nicht viel mehr als ein deutscher Schlosser, dann müßte ich entgegnen, man sollte gerade angesichts der Leistungen, die die Sowjets in den letzten Monaten uns allen offenbar werden ließen, sich nicht zu einer so leichtfertigen Äußerung hinreißen lassen. Kein geringerer als Winston Churchill hat gesagt:
    In den letzten Jahren wurde die Sowjeterziehung auf dem Felde des mechanischen Ingenieurwesens sowohl in der Zahl als auch in der Qualität so entwickelt, daß es alles, was wir erreicht haben, weit übertrifft.
    Und kein anderer als der Leiter der amerikanischen Forschung im zweiten Weltkrieg, Herr Vanever Bush, hat gesagt, daß man die Qualität der russischen Ingenieurerziehung auf alle Fälle sehr hoch



    Zoglmann
    anzetzen sollte. Auch der Vorsitzende der amerikanischen Energiekommission, Strauß, sagt:
    Mir ist keine öffentliche höhere Schule in Amerika bekannt, in der die Schüler so gründlich in Naturwissenschaft und in Mathematik vorbereitet werden wie in Rußland.
    So leichtfertige Feststellungen, wie sie heute da oder dort im Hinblick auf den Zahlenvergleich getroffen werden, sollten wir uns also nicht zu eigen machen.
    Wenn man die Dinge nur vom Äußeren her sieht, ist man fast versucht, zu sagen: Wir haben das Wettrennen mit drüben bereits verloren. Aber wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben. Ich bin immer ein Optimist gewesen. Mein Optimismus geht sogar so weit, daß ich jetzt vor diesem Hause doch noch das Wort ergriffen habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe mich gefragt, ob ich nicht meine Rede nur den Parlamentsstenographen zu Protokoll geben soll. Aber ich komme aus Österreich, und bei uns in Österreich sagt man: Die Demokratie ist eine Strapaz, also darf man sich ihr nicht entziehen.

    (Heiterkeit.)

    Wir brauchen also die Hoffnung nicht aufzugeben. Aber wir haben nur dann Grund zu einer Hoffnung, wenn wir etwas tun, und zwar muß mehr getan werden, als hier heute anklang. Ich bin selbst seit Jahren Mitglied des Kulturausschusses eines Landtages, und ich weiß, was wir in den Landtagen in dieser Richtung tun. Ich weiß aber auch, wo es fehlt. Ich weiß, daß der Bund viel mehr tun müßte, als bisher getan worden ist. Das Wort von der Kulturhoheit der Länder zieht nicht. Sie haben es selbst vorhin gesagt, Herr Minister: Niemand kann die Bundesregierung hindern, etwas in dieser Richtung zu tun, niemand kann sie der Verantwortung entheben, die sie für diese Dinge mit trägt. Die Frage des Institutionellen, beispielweise, wie das oft so gesagt wird, daß wir ein Bundeskultusministerium haben müßten usw., ist nicht primär. mär ist die Frage der Zurverfügungstellung der Mittel, primär ist letzten Endes auch die Frage des Einsatzes dieser Mittel.
    Sie, Herr Innenminister, haben vorhin einige Äußerungen über den Wissenschaftsrat gemacht und haben Hoffnungen geknüpft an das nunmehrige Aktivwerden dieser Institution. Ich habe auch Hoffnungen, aber meine Hoffnungen hinsichtlich des Aktivwerdens des Wissenschaftsrates bewegen sich wenn ich das einmal musikalisch ausdrücken
    darf - ein bißchen in Moll, weil ich mich an die Schwierigkeiten bei dem Zustandekommen dieses Wissenschaftsrates erinnere. Dort ist nämlich tatsächlich die Quadratur des Kreises versucht worden. Was herauskam, ist eine Institution mit 38 oder 39 Mitgliedern, aber mit 44 Stimmen, also gewiß etwas ganz Eigenartiges, was man sonst kaum kennt. Das mußte deshalb so sein, damit Bund und Länder einerseits und die Wissenschaft andererseits gleichmäßig zum Zuge kamen. Aber wenn man
    alle diese Dinge auf einen Nenner bringen will, dann wird es irgendwo sehr problematisch.
    Nun haben Sie vorhin Zahlen genannt, Herr Minister, und gesagt, wir seien im Schnitt hinsichtlich der Förderung unserer Studenten vergleichbar mit Frankreich, Finnland, Schweden usw. Es wurde hier schon gesagt: bei den Russen kann man mit 100 % Stipendien rechnen. Auch in Amerika kann man eigentlich mit 100 % Stipendien rechnen. Jedenfalls braucht in Amerika bei dem Vorhandensein so vieler Möglichkeiten kein Student, der sich einem Universitätsstudium unterziehen will, der Universität fernzubleiben. Hinsichtlich des Vergleichs mit Frankreich habe ich eine andere Zahl zur Verfügung: 54 % Stipendien in Frankreich. Sie selbst, Herr Minister, haben vorhin für Deutschland von 20 % gesprochen. Ich wäre dankbar, wenn man diese Zahl korrigieren würde. Ich wäre auch dankbar, wenn man mich überführte, mich nicht genügend informiert zu haben. Aber ich habe die Sorge, daß es am Ende doch ein bißchen überspitzt wird, wenn man sagt, wir bewegten uns hier etwa auf der Ebene der Franzosen.
    Sie haben in Ihren letzten Worten, Herr Minister, die Hoffnung ausgedrückt, daß die Dinge wieder ins rechte Gleis gebracht würden. Sie haben gesagt: Wir sind im Augenblick auf dem Wege, wieder nach oben zu kommen. Wenn man aber hört, daß 400 Lehrstühle allein an den Universitäten fehlen, daß 25 % der etatmäßigen Professorenstellen unbesetzt sind, daß 62 % der Assistenten- und Oberingenieurstellen unbesetzt sind, daß, wie ich einer Umfrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft entnehme eine Zahl, die ich gar nicht glauben kann —, 96 % aller Stellen des gesamten technischen und Werkstattpersonals an den Hochschulen und Universitäten unbesetzt sind, dann muß man, glaube ich, etwas vorsichtiger sein und darf nicht hinsichtlich des Ganges der Dinge eine so optimistische Darstellung geben.
    Wenn Sie sich weiter vergegenwärtigen, daß der zeitliche Abstand zwischen Forderung und technischer Nutzung heute immer geringer wird, wenn Sie sich weiter vergegenwärtigen, daß der geistige Anteil an unserem Schaffen immer größer wird, wenn Sie sich Zahlen vergegenwärtigen wie z. B. die der großen amerikanischen Firma General Electric: im Jahre 1900 1 Ingenieur auf 250 Beschäftigte, im Jahre 1950 1 Ingenieur auf 60 Beschäftigte, im Jahre 1955 ein Ingenieur auf 15 Beschäftigte, dann müssen Sie sich doch fragen, wohin das führen soll, wenn, wie Sie selbst sagen, im Jahre 1970 30 000 Ingenieure fehlen werden. Der VDI spricht von 40 000 Ingenieuren. In Ihrer Berechnung, Herr Minister, fehlt aber noch die Entwicklung, die ich aus der General Electric hier ablese. Was fehlt uns, wenn die Entwicklung zur Technisierung, zur Mechanisierung, zur Automatisierung so weiter geht, daß in Zukunft noch viel mehr als bisher Ingenieure, hochwertige, technisch vorgebildete Kräfte erforderlich sind? Das ist eine Frage, die ich ebenfalls in die Betrachtung einzubeziehen bitte. Wir haben im Jahre 1939 500 000 Industrieschaffende in Deutschland gehabt; 6 % davon waren



    Zoglmann
    Ingenieure. Im Jahre 1950 hatten wir in der Bundesrepublik ebenfalls 500 000 Industrieschaffende; nur 4 % waren Ingenieure. Im Jahre 1955 hatten wir 650 000 Industrieschaffende in der Bundesrepublik, und nicht mehr ganz 4 % waren Ingenieure. Das sind doch Zahlen, die uns sehr, sehr zu denken geben.
    Nun ist vorhin Nordrhein-Westfalen als Land, in dem sich die Entwicklung zum Positiven gewendet habe, von Ihnen, Herr Innenminister, erwähnt worden. Wir haben in Nordrhein-Westfalen im letzten Jahr drei neue Ingenieurschulen erstellen können, wir haben die anderen ausgeweitet. Aber die Situation ist noch so, daß wir an den Maschinenbauschulen in Nordrhein-Westfalen von 5420 Bewerbern im Jahre 1957 nur 1740 Bewerber annehmen konnten.
    In diesem Zusammenhang ist vorhin der Zwischenruf gemacht worden: Ja, wie ist es denn mit der Begabung dieser Leute? Damit sollte gewissermaßen gesagt werden, die zwei Drittel, die nicht zum Zuge kämen, seien eben so wenig begabt, daß sie gar keine Chance hätten, wenn sie auf eine solche Schule gehen. Das ist effektiv die Unwahrheit.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Diese Leute warten zwei, drei Jahre lang, ehe sie überhaupt ihr Studium beginnen können. Das ist die wahre Situation.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.) Vor dieser Problematik stehen wir doch.

    Vorhin ist von dem Mangel an Schulraum gesprochen und der Bogen ganz weit gespannt worden, bis zu den Volksschulen. Es wurde auf die Möglichkeit des neunten Schuljahres hingewiesen. 22 000 Schulklassen, wurde vorhin gesagt, fehlen uns im Augenblick noch. 11 000 werden dazu neu benötigt, wenn man das neunte Schuljahr einführt. Das entspricht bei der augenblicklichen Meßzahl von rund 100 000 DM pro Schulklasse einer Summe von 3,3 Milliarden DM. Aber das trifft den Kern der Sache noch nicht. Ich möchte Ihnen die Dinge einmal, ich möchte fast sagen, vom grünen Ast her, nämlich von der Länderebene her, darstellen. Wenn wir in Nordrhein-Westfalen im nächsten Jahr das Schulfinanzgesetz einführen, müssen wir sämtliche Zuschüsse für Schulneubauten wegfallen lassen, weil wir den Pfennig auch nur einmal ausgeben können. Das ist das Problem. Die Lücke wird immer größer, sie klafft immer mehr. Über diese Dinge sollten wir uns doch Gedanken machen. Ich habe also wirklich ernste Sorgen und kann mich nicht der mehr oder weniger hoffnungsvollen Betrachtungsweise, die hier erkennbar wurde, anschließen.
    Ein Wort zu der Frage der Kulturhoheit. Was kann der Bund tun? Ich glaube, Herr Kollege Heck sagte vorhin, die Zersplitterung sei durch die Besatzungsmächte in das deutsche Erziehungswesen hineingebracht worden, heute sei sie aber fast überwunden. Ich kann Ihnen nicht ganz beipflichten, Herr Kollege Heck. Es scheint mir im Gegenteil so: Den Besatzungsmächten ist damals ein großer Wurf gelungen. Es ist der Wurf des Jason, und den Rest besorgen wir. Wenn man heute nach wie vor beispielsweise bei den Ingenieurschulen, um die es jetzt geht, vor durchaus verschiedenen Prüfungsordnungen, vor verschiedenen Zulassungsordnungen, vor verschiedener Studiendauer steht, dann kann man nicht sagen, daß die Dinge bereits aus einer kritischen Entwicklung herausgeführt wurden.
    Was kann nun der Bund tun? Wissenschaftsrat — ich habe es vorhin gesagt: ich bin skeptisch. Man muß vielleicht einmal querbeet in den Fraktionen dieses Hauses und auch in den Ländern alle gutwilligen Leute an den Tisch kriegen und ihnen klarmachen, daß auch das Grundgesetz, wenn es wirklich ein Hemmnis in diesen Dingen sein sollte, einer Entwicklung unterliegt und daß man, wenn man im Jahre 1958 feststellt, daß eine Situation eingetreten ist, die man 1949 nicht voraussehen konnte, die Pflicht hat, dieser Situation von 1958 gerecht zu werden.

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

    Wir sind ja sonst nicht so genau in diesen Dingen. Ich habe erst unlängst auch von dieser Stelle aus mit Freude festgestellt, daß die CDU etwa bezüglich des Fernsehens auf dem Wege vom föderalistiSaulus — nun, ich will nicht gerade sagen, zum zentralistischen Paulus ist; aber immerhin! Und es ist für uns, die wir in dieser Richtung immer Pioniere waren, ein gutes Gefühl, wenn man als kleine Kompanie den Eindruck hat, daß jetzt ein ganzes Bataillon hinterhermarschiert. Ich glaube also, wenn wir uns einmal die Dinge so ansehen, wenn wir uns jetzt einmal im kleinen Raum zusammensetzen und uns wirklich einmal Gedanken darüber machen, was man hier tun kann, könnte nur Gutes aus einem solchen Gespräch herauskommen. Das Institutionelle braucht nicht das Primäre zu sein. Hier kann man einen Weg finden, daß man um gewisse Hemmungen, die vielleicht da oder dort auftreten, herumkommt,
    Wenn Sie mich nun abschließend fragen: „Was würden Sie für Vorschläge machen? Was soll man tun? Woher die Mittel dafür bekommen?", so muß ich Ihnen sagen: Zunächst einmal müssen Sie auf alle Fälle die Mittel für Forschung und Lehre erhöhen. Sie müssen die Ingenieurschulen weiter auf- und ausbauen. Sie müssen noch mehr als bisher für die Förderung der Studenten tun.
    Vorhin ist hier seitens des Herrn Kollegen Lohmar etwas angeklungen, was ich auch schon an anderer Stelle, bei der Einführung der Schulgeldfreiheit, aufgegriffen habe, nämlich der Hinweis: „Nur 5 % der deutschen Studenten kommen aus Arbeiterfamilien", und so ein bißchen implicite ausgedrückt: „Da soll man doch dieses System sehen, das eben nach wie vor die kleinen Leute nicht zum Zuge kommen läßt." Dieser Hinweis zieht nicht. Ich darf Ihnen sagen, ich stamme selber aus einer ganz armen Häuslerfamilie im Böhmerwald; dort ist auch noch der dritte und der vierte Sohn auf die Schule geschickt worden. Das ist nämlich in allererster Linie eine Haltungsfrage.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)




    Zoglmann
    Wenn Sie heute in das Ruhrgebiet schauen und sich dort die Einkommen der Familien ansehen, stellen Sie fest, daß diese Familien alle, wo der Vater verdient und der älteste Sohn verdient und eine Tochter verdient, im Schnitt 1400 und 1600 und 1800 DM im Monat verdienen. In diesen Familien haben sie Fernsehtruhen, in diesen Familien haben sie Musikinstrumente aller Art — Musikmaschinen aller Art, maß man schon sagen —; aber auf die Idee, einen von ihnen auf die höhere Schule zu schicken, kommen sie dort nicht ohne weiteres. Das ist aber eine Haltungsfrage.
    Wenn ich trotzdem sage, man muß mehr für die Studenten tun, meine ich es nicht in bezug auf die Leute, die in den Genuß dieser Stipendien kommen sollen, sondern ich meine es in bezug auf die deutsche Allgemeinheit und auf unsere ganze Situation, die uns zwingt, in dieser so harten Auseinandersetzung in der Welt diesen Dingen einen großen Wert beizumessen. — Also mehr Geld.
    Nun werden Sie mich fragen: woher? Ich sage es Ihnen: aus einem Topf, wo es sich geradezu anbietet, wobei es nicht einmal zweckentfremdet wird, und wo mit Sicherheit auch vorhanden ist, weil die Summen, um die es hier geht, relativ klein sind, gemessen an den Beständen, die in diesem Topf zur Verfügung stehen. Ich denke nämlich an den Verteidigungshaushalt. Sie selber, Herr Minister, haben vorhin, glaube ich, davon gesprochen, daß eine gewisse Sprengwirkung im Denken liegt. Das Denken hat die größere Sprengwirkung. Wir sind also schon im militärischen Bereich, nicht wahr?

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP.)

    Es ist in der Tat so, daß ohne Forschung und ohne Förderung des technischen Nachwuchses, ohne all diese Prämissen, ohne ein starkes wirtschaftliches Potential auch ein Verteidigungspotential nicht vorstellbar ist.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Es ist also nicht einmal, wie ich soeben sagte, eine Zweckentfremdung der Mittel, wenn wir sie hier verwenden. Die Geschichte hat es ja bewiesen. Napoleon hat eine, ich glaube, artilleristische Ingenieurschule geschaffen. Es muß nicht immer alles, was im militärischen Raum geschaffen wird, nur so nach der negativen Seite hin betrachtet werden. Es sind ja auch einige positive Ergebnisse der militärischen Forschung am Ende der Allgemeinheit zugute gekommen. Das geht bis zu den Sputniks und Erdsatelliten, die uns im Augenblick umkreisen. Sie sind ja auch primär vom Verteidigungsmäßigen her veranlaßt; aber es sind eben Dinge der Forschung, Dinge der Wissenschaft. Daher sage ich: wenn Sie die Zukunft durch eine vernünftige Verteidigungspolitik sichern wollen, können Sie nicht darauf verzichten, diese Verteidigungspolitik integral zu gestalten, d. h. sie auf eine entscheidende Förderung von Wissenschaft und Forschung auszudehnen.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung soll abgewickelt werden.

(Zuruf rechts: Tatsächlich?)

— Tatsächlich. Wir haben jetzt noch sieben Redner auf der Liste. Ich empfehle dem ganzen Hause, diese sieben Redner geduldig anzuhören. Aber ich bitte vor allem um Verständnis für etwas, was der Präsident jetzt in einem gewissen Notstand tun muß. Der Präsident muß abgelöst werden. Die Vizepräsidenten stehen nicht zur Verfügung. Die Alterspräsidentin macht eine Kur, und die zwölf nächstältesten Abgeordneten haben sich gerade selber beurlaubt.

(Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, nachdem wir heute von den Veteranen des Parlamentarismus geredet haben, möchte ich jetzt Herrn Kollegen Pohle, der dem alten Deutschen Reichstag angehört hat und seit 1949 Mitglied des Bundestags ist, aber noch niemals präsidiert hat, bitten, den Bundestagspräsidenten abzulösen und das Pensum möglichst schnell abzuwickeln. An Sie, meine Damen und Herren, appelliere ich, ihn dabei nach Kräften zu unterstützen.

(Beifall im ganzen Hause.)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Probst.

(Abg. Pohle übernimmt den Vorsitz.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wilhelm Probst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe wirklich die Absicht, es Ihnen, Herr Präsident, leicht zu machen; denn der Pfad, den die bisherige Diskussion in das Dickicht der heutigen Probleme geschlagen hat, ist schon recht breit getreten. Ich bin versucht zu sagen: während ich ihn entlanggehe und die Blumen, die noch übersehen worden sind, pflücke, kann ich beinahe ein Selbstgespräch führen.
    Ich habe den Eindruck gewonnen, daß sich das Hohe Haus über die Notwendigkeit, auf dem Gebiete der Nachwuchsförderung etwas zu tun, einig ist. Ich möchte sagen: es ist sich in der Zielsetzung beinahe einig. Gestatten Sie mir trotzdem, gerade dazu noch einige Lichter zu setzen.
    Wir leben in einer sehr stürmischen Zeit. Unser politisch überkommenes Ordnungsgefüge ist zerstört. Deutschland ist zweigeteilt. Die Bundesrepublik ist an den Rand der westlichen Hemisphäre gerückt, während Deutschland einst in der Mitte des europäischen politischen Raums gelegen hat. Ganz Europa lebt nur noch im Schatten seiner einstigen Größe. Der Mensch hat sich die Kernenergie zunutze gemacht. Wir bauen heute automatische Fabriken und sind dabei, ins Weltall vorzustoßen. In dieser Situation hat man das Gefühl, daß der Mensch in der Gefahr schwebt, daß seine sittlichen und ethischen Kräfte durch die Entfaltung der materiellen Gewalt überrollt werden. Deshalb sollten wir uns, wenn wir die Wissenschaften und unseren wissenschaftlichen Nachwuchs fördern, auch überlegen, ob wir dabei nicht eine ganz bestimmte Zielsetzung im gesellschaftsbildenden Sinne verfolgen sollten. Ich meine, wir müssen es tun aus den Notwendig-



    Probst
    keiten heraus, in die wir gegenwärtig hineingestellt sind, und wir sollten diese Zielsetzung darin sehen, den Menschen mit der humanistischen und universalen Ausbildung zu schaffen, damit wir ihm in ihm selbst die Kräfte mitgeben, deren er in der Zukunft bedarf, um mit der Technik und ihren Problemen, die die Entfesselung der Energien mit sich bringt, fertig zu werden.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)

    Die Förderung der Naturwissenschaften ist im Vergleich zu den Geisteswissenschaften heute in einem Maße in den Vordergrund gerückt, das kaum mehr erträglich ist. Diese Erscheinung ist in allen technisierten Ländern zu beobachten. Sie hat ihren wesentlichen Grund darin, daß die Mittel für die Forschung, für die Wissenschaft, für die Erziehung und für den Nachwuchs im wesentlichen unter dem Gesichtspunkt der Zweckbindung gegeben werden und überwiegend aus den Verteidigungshaushalten kommen.
    Unter der Bedrohung, in dieser technischen Entwicklung auch mit unserem Menschenpotential nicht mehr zu Rande zu kommen, hören wir seit langem die verschiedensten Parolen. Vor Jahren sagte man uns: Ihr müßt ein Volk von Fliegern werden! Heute sagt man uns: Ihr müßt ein Volk von Technikern werden! Gerade in den Darlegungen meiner Herren Vorredner schwang immer so im Untergrund die These mit: Lernt heute Mathematik, wenn ihr verhindern wollt, daß ihr morgen Russisch lernen müßt! Ich halte diese Gedanken als Grundgedanken bei der Förderung des Nachwuchses und der Wissenschaften für außerordentlich gefährlich. Wir brauchen nämlich den wissenschaftlichen Nachwuchs gar nicht in dem Sinne, daß es uns nur darauf ankommt, für bestimmte Berufe den notwendigen Nachwuchs zu stellen. Ich bin überzeugt, daß gegenwärtig im Osten bei den Sowjets gigantische Armeen von Technikern aufgestellt werden, aber selbst dann halte ich diesen Gesichtspunkt noch nicht für den ausschließlich zutreffenden.
    Wir sollten mit unserer Förderung des Nachwuchses erreichen, daß wir den kritischen Menschen erfassen und ihn nach vorn spielen; denn andernfalls, wenn wir den Weg der anderen mitgehen, fördern wir nur die Teilung in Funktionen in unserer modernen Welt. Wir geben ihr einen Menschen, der aus seinem spezialistischen Sehen heraus mit dieser — in ihre Funktionen vielfältig geteilten — Welt nicht mehr fertig wird. Deshalb müssen wir der Zukunft den jungen Menschen mitgeben, der aus seiner Bildung heraus den Blick fürs Ganze noch zur Grundlage hat und mit dem Blick fürs Ganze zu einem späteren Zeitpunkt erst die Reiser aufsetzt, die er für seine Ausbildung im Beruf braucht. Diese Grundlage, die Gabe, unterscheiden zu können, das Wissen um die Zusammenhänge, ist nämlich das Charakteristikum des Gebildeten. Der so Gebildete ist der große Gegenspieler des Spezialisten im östlichen Sinne, weil dieser Gebildete nicht manipulierbar ist. Ich möchte so weit gehen, zu sagen: ob es gelingt, eine neue Elite nach dem Leitbild der europäisch-abendländischen Humanitas zu schaffen, das entscheidet letztlich über unsere freiheitliche Lebensordnung in der Zukunft. Dieses
    Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn wir die Hochschulen ihrer ursprünglichen und ursächlichen Aufgabe erhalten, nämlich ohne zweckbedingte Lenkung der Wahrheit zu dienen, indem wir ihnen die Möglichkeit der freien Forschung erhalten. Mit der zweckbedingten Hergabe der Mittel, die unter allen möglichen Gesichtspunkten zur Entwicklung bestimmter Waffen oder Geräte oder sonstiger technischen Dingen gegeben werden, gefährden wir diese Grundhaltung, weil wir dadurch die für unsere Zukunft entscheidenden Bildungsinstrumente ihrer primären Aufgabe entfremden.
    Es ist kein Zufall, wenn uns die Lehrer an Technischen Hochschulen und auch Leute in der Wirtschaft sagen, daß immer noch der Student die höchste Leistung vollbringt, der eine breite, eine ganzheitliche Bildung in die Spezialausbildung bereits mitbringt, der Abstand von den Dingen halten kann, der sie aus diesem Abstand richtig beurteilt und dadurch am produktivsten in seiner Phantasie ist. Selbstverständlich wissen wir auch, daß heute niemand mehr produktiv sein kann, der nicht in seinem Fach ein spezialisierter Kenner ist. Aber er muß wissen, zu welchem Ganzen seine Spezialität gehört, und er muß kraft dieser Einsicht mit der Entwicklung Schritt halten können.
    Wenn wir die Spezialisierung so verstehen, dann sehe ich darin keine Gefahr. Gerade aus den Vökern, die das Spezialistentum zum Ziel der gesamten Ausbildung machen, werden heute auch Stimmen laut, die darin Gefahr sehen. Es ist heute schon hier in der Diskussion angeklungen, daß sich auch die Amerikaner sehr ernste Gedanken um eine Reform ihrer Bildungswege machen. Eine solche Reform kann aber nur im Sinne dieser meiner Ausführungen die richtige sein. Wir sollten also das allzu enge Spezialistentum meiden, aber mit Nachdruck alles fördern, was eine neue Form des universellen Erkennens enthält.
    Unsere Universitäten sind heute gerade deshalb, weil wir die Mittel vom Zweck her geben, in die Gefahr gebracht, daß sie als die Mutter von dem Gnadenbrot ernährt werden, das ihnen ihre Tochter, die zweckgebundene Forschung, die zweckgebundene Entwicklung, gibt. Daß sie von diesem Gnadenbrot leben müssen, davor sollten wir sie, wenn wir es mit ihrer Grundaufgabe ernst meinen, bewahren.
    Gestatten Sie mir noch ein paar kurze Gedanken über unsere Situation. Der einst international anerkannte Rang unserer Wissenschaft ist von den anderen Ländern zumindest eingeholt, wenn nicht überholt. Das ist für uns deshalb besorgniserregend, weil wir durch unsere Bevölkerungsdichte, durch unsere Kriegsschäden, durch unsere Rohstoffarmut und durch den Zwang, daß unser Volk nur durch den Verkauf menschlicher Arbeitskraft zu ernähren ist, in einer schwierigen Situation sind. Wir sind ein strukturelles Exportland. Wir können die Ernährung unseres Volkes künftig nur dann garantieren, wenn es uns gelingt, auf dem Gebiet der Forschung wieder an die vorderen Plätze heranzukommen.
    Ich bin der Meinung, daß unsere Substanz — das haben auch einige der Herren Vorredner schon zum



    Probst
    -Ausdruck gebracht — auf diesem Gebiet nicht erschöpft ist. Unsere geistige schöpferische Substanz ist vorhanden. Es kommt für uns darauf an, ihr durch die entsprechenden organisatorischen und technischen Hilfen wieder den Weg frei zu machen. Diese Hilfen müssen im Gesamtgefüge unseres Schulwesens wirksam werden und schon unten bei der Grundschule beginnen.
    Wenn von der Notlage einer bestimmten Institution die Rede ist, dann gilt der Satz, den die Eltern- und Lehrerverbände in Niedersachsen ausgesprochen haben: daß unsere Schule in Not ist. Ich möchte es umfassend sagen: bis hinauf zu den Universitäten, vielleicht auch etwas dämpfend sagen: sie ist noch in Not. Ich brauche Ihnen die Dinge im einzelnen nicht mehr darzulegen. Darüber ist genug gesagt.
    Vielleicht ist ein Grund für diese Notlage noch nicht genannt worden. Ich meine die zunehmende Gefahr der Abwerbung qualifizierter Lehrkräfte in das Ausland. Es ist heute für unsere Lehrkräfte nicht mehr interessant genug, in Deutschland zu arbeiten und zu lehren. Die Angebote des Auslands sind zu verlockend. Auch hier müssen wir etwas tun, wenn wir unseren Platz in der Rangordnung dieser Welt behaupten wollen. Ich glaube nicht daran, daß es einer Nation noch möglich ist, ihn zu behaupten, wenn sie nicht einen ausreichenden eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern bereit und vor allem nicht in der Lage ist, ihn zu halten.
    Der Kampf um die Fortexistenz eines Volkes spielt sich nicht nur im militärischen oder im wirtschaftlichen Bereich ab. Viel entscheidender für die Rangordnung der Völker dieser Erde ist die Behauptung der geistes- und naturwissenschaftlichen Position in der Zukunft. Je mehr der Krieg sich als ein die Rangordnung entscheidendes Mittel selbst ad adsurdum führt, um so mehr verlagert sich das Feld der Entscheidung in die Hörsäle.
    Hier ist es interessant, festzustellen — nur ganz grob —, wie wir unser Volkseinkommen verwenden. Ich möchte sagen, wir verwenden es in erster Linie, um unsere Vergangenheit zu liquidieren,

    (Sehr wahr! bei der DP)

    nämlich über die Sozialleistungen und über die Kriegsfolgelasten. Weiter verheizen wir es, um uns die Gegenwart durch einen möglichst hohen Standard angenehm zu machen. Aber was tun wir für die Zukunft? Über diese entscheiden die Erziehung, die Ausbildung und der Stand der Wissenschaft. Da sollte uns kein Opfer groß genug, sollte uns aber auch keine Überlegung schwierig genug sein, um das Problem zunächst einmal von der materiellen Seite her zu lösen.
    Man unterstelle mir jetzt bitte nicht: Ja, es ist ganz gut, davon zu reden, wir haben so lange davon gehört und geredet; jetzt kommt es auf Taten an. — Wir haben noch Reserven, die wir nutzen können, ohne daß das gleichzeitig etwa mit einer Senkung des Lebensstandards oder mit einer Senkung der Sozialleistungen verbunden sein müßte. Ich denke hier an die großen Reserven des Bundesvermögens, die in die Privatwirtschaft zu überführen die Bundesregierung uns in ihrer Regierungserklärung ja zugesagt hat. Den Erlös daraus sollten wir weitgehend für die Finanzierung dieser zukunftsträchtigen Aufgaben verwenden.
    Meine Damen und Herren, wir haben im Anschluß an die Atomdebatte viele herausfordernde Äußerungen über den nationalen Notstand gehört. Wenn es einen solchen gibt, dann gibt es ihn auf diesem Gebiet der Erziehung und der Ausbildung.

    (Sehr wahr! bei der DP.)

    Wir sollten gemeinsam alles tun, um ihn schleunigst zu beseitigen.
    Hier hilft auch kein Verstecken hinter der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Wir dürfen uns nicht scheuen, mit den notwendigen Mitteln nachzufassen, wenn es nur die Zuständigkeitsfragen sein sollten, die uns hindern, in dieser für die Zukunft unseres Volkes schicksalsentscheidenden Lebensfrage das Richtige zu tun.
    Vielen von uns klingt noch die Frage im Ohr, die uns in der russischen Gefangenschaft und unseren nach dem Osten verschleppten Brüdern und Schwestern als erste gestellt wurde. Die Russen fragten: Du Spezialist? Das ist die typische Frage des atheistischen Materialismus. Wir müssen heute so handeln, daß wir morgen unseren eigenen ausgebildeten, unseren gebildeten Nachwuchs fragen können: Bist du ein Mensch? Wenn wir das können, dann haben wir — ich sage es noch einmal — das Richtige für die Lösung der zukunftsentscheidenden Aufgabe der Erziehung und der Ausbildung getan.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)