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    Deutscher Bundestag 23. Sitzung Bonn, 18. April 1958 Inhalt Nachruf auf den Abg. Wolfgang Klausner 1221 A Antrag der Fraktion der SPD, den Gesetzesantrag auf Befragung des deutschen Volkes (Drucksache 303) auf die Tagesordnung zu setzen Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 1221 C Rasner (CDU/CSU) . . . . . . 1223 B Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen (Drucksache 154) Dr. Ratzel (SPD) 1224 C Dr. Schröder, Bundesminister 1231 A, 1268 B Dr. Heck (Rottweil) (CDU/CSU) . . 1240 C Lohmar (SPD) . . . . . . 1252 B, 1272 B Zoglmann (FDP) . . . . . . . . 1257 B Probst (Freiburg) (DP) . . . . . . 1260 C Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . . 1262 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) . . . . 1263 C Dr. Frede (SPD) . . . . . . . . 1265 A Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestags (CDU/CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 327) — Erste Beratung — Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 1244 C Sammelübersicht 4 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 280) . . . 1273 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landbeschaffungsgesetzes (SPD) (Drucksache 272) — Erste Beratung — Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 1273 B Dr. Schröder, Bundesminister . . . 1274 B Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 29) 1275 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 1275 C Anlagen 1277 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1958 1221 23. Sitzung Bonn, den 18. April 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albrecht 17. 5. Dr. Arndt 19. 4. Dr.-Ing. E. h. Arnold 19. 4. Dr. Baade 18. 4. Bauereisen 26. 4. Bauknecht 10. 5. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) 18. 4. Blöcker 18. 4. Dr. Böhm 18. 4. Frau Dr. Brökelschen 26. 4. Dr. Bucerius 19. 4. Cillien 18. 4. Conrad 18. 4. Corterier 18. 4. Dr. Czaja 26. 4. Dr. Dehler 19. 4. Diel (Horressen) 5. 5. Dr. Eckhardt 30. 4. Eichelbaum 3. 5. Even (Köln) 19. 4. Felder 30. 4. Dr. Frey 26. 4. Dr. Friedensburg 30. 4. Frau Friese-Korn 31. 5. Dr. Furler 19. 4. Gedat 18. 4. Gehring 19. 4. Dr. Greve 21. 4. Günther 18. 4. Häussler 30. 4. Heinrich 15. 5. Frau Herklotz 25. 4. Hilbert 18, 4. Höcherl 10. 5. Frau Dr. Hubert 17. 5. Hufnagel 19. 4. Iven (Düren) 26. 4. Jacobi 18. 4. Jacobs 24. 4. Jahn (Frankfurt) 18. 4. Jaksch 18. 4. Dr. Jordan 18. 4. Kiesinger 18. 4. Frau Kipp-Kaule 19. 4. Kirchhoff 18. 4. Koenen (Lippstadt) 19. 4. Kriedemann 19. 4. Dr. Krone 18. 4. Kuntscher 18. 4. Kunze 15. 5. Dr. Leverkuehn 18. 4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Dr. Maier (Stuttgart) 26. 4. Mattick 18. 4. Frau Dr. Maxsein 18. 4. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Mellies 25. 4. Merten 19. 4. Meyer (Oppertshofen) 26. 4. Neuburger 18. 4. Frau Niggemeyer 30. 4. Paul 30. 4. Dr. Pferdmenges 18. 4. Rademacher 19. 4. Ramms 18. 4. Riedel (Frankfurt) 18. 4. Ruland 18. 4. Scheppmann 2. 5. Schneider (Bremerhaven) 18. 4. Dr. Schneider (Saarbrücken) 18. 4. Schultz 18. 4. Schütz (Berlin) 18. 4. Frau Dr. Schwarzhaupt 19. 4. Simpfendörfer 19. 4. Sträter 31. 5. Struve 7. 5. Dr. Wahl 15. 5. Walpert 19. 4. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 18. 4. Frau Welter (Aachen) 18. 4. Dr. Zimmer 26. 4. Anlage 2 Umdruck 47 Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD (Drucksache 154) betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, auf der Grundlage der im Grundgesetz festgelegten Verteilung der Kompetenzen Verhandlungen mit den Ländern darüber aufzunehmen, welche Aufgaben auf dem Gebiet der Kulturpolitik künftighin nur vom Bund, nur von den Ländern oder von Bund und Ländern gemeinsam gefördert werden sollen. Bonn, den 18. April 1958 Dr. Krone und Fraktion Anlage 3 Umdruck 48 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der SPD (Drucksache 154) betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dahin zu wirken, daß als Sitz des Wissenschaftsrates Berlin bestimmt wird. Bonn, den 18. April 1958 Ollenhauer und Fraktion 1278 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1958 Anlage 4 Umdruck 29 Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse. Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden gemäß § 99 Abs. 1 GO ohne Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen: 1. Antrag der Abgeordneten Schmidt (Hamburg) und Genossen betr. Inanspruchnahme von Naturschutzgebieten für militärische Zwecke (Drucksache 191) 2. Antrag der Abgeordneten Dr. Franz, Wieninger, Dr. Besold und Genossen betr. Freigabe des Rasthauses am Chiemsee (Drucksache 196) 3. Antrag der Fraktion der FDP betr. Postgebühren (Drucksache 265) 4. Antrag der Abgeordneten Dr. Wahl, Metzger, Dr. Kopf und Genossen betr. Interan den Ausschuß für Inneres an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen(f), Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen an den Rechtsausschuß nationale Schiedsgerichtsbarkeit auf dem Gebiete des Privatrechts (Drucksache 267) 5. Antrag der Abgeordneten Dr. Zimmer, Dr. Kopf, Metzger und Genossen betr. Schaffung eines europäischen Beamtenstatuts (Drucksache 268) 6. Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Maxsein, Altmaier und Genossen betr. Maßnahmen zur Befreiung der politischen Gefangenen in den Diktaturländern (Drucksache 269) 7. Antrag der Fraktion der SPD betr. Berliner Filmfestspiele (Drucksache 271) an den Rechtsausschuß(f), Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten(f), Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik Bonn, den 18. März 1958 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, im Namen der Bundesregierung die Große Anfrage, die soeben begründet worden ist, wie folgt zu beantworten.
    Die Große Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion bezieht sich auf den Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen. Sie berührt damit einen wichtigen Ausschnitt unseres Bildungswesens. Um ihn beurteilen zu können, muß man den Gesamtzusammenhang berücksichtigen, also die allgemeinen Fragen der Erziehung, der Bildung und der Wissenschaft. Diese Fragen sind heute mehr denn je von schicksalhafter Bedeutung für unser ganzes Volk. Sie müssen daher vom Bundestag und von der Bundesregierung ernsthaft überlegt und durch wirkungsvolle Maßnahmen beantwortet werden.
    Deshalb möchte ich mich nicht damit begnügen, nur auf die Einzelfragen zu antworten — auch die Begründung selbst war ja schon in einen etwas größeren Zusammenhang gestellt —; ich halte es vielmehr für notwendig, darüber hinaus zur Bildungssituation grundsätzlich Stellung zu nehmen. Ich tue das, meine Damen und Herren, in völliger Unbefangenheit gegenüber den Fragen der Zuständigkeit der Finanzierung und der Verwaltung. Gewiß ist die legislative und exekutive Zuständigkeit des Bundes in dem hier zu behandelnden Bereich durch das Grundgesetz eng begrenzt, wenn auch nicht so eng, wie radikale Verfechter einer ausschließlichen Länderkompetenz in kulturellen Angelegenheiten behaupten. Aber im Ernst wird doch niemand einer verantwortungsbewußten Staatsführung das Recht eigener Sorgen und eigener Gedanken in Fragen von so schwerwiegender Bedeutung für unser Volk und seinen Fortbestand streitig machen wollen. Ich glaube, daß niemand der Bundesregierung das Recht verwehren wird, an den kulturpolitischen Erörterungen, die an vielen Stellen aus innerer Notwendigkeit heraus begonnen haben, intensiv teilzunehmen.
    Das Gewicht der Bildungsfragen für die Zukunft unseres Volkes ergibt sich aus folgenden Überlegungen. Die moderne, hochtechnisierte, weitgehend schon automatisierte Welt der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts läßt sich nicht mehr allein mit dem kleinen Einmaleins bewältigen. Sie zu bewältigen genügt aber auch nicht das für die Bedienung des technisch-ökonomischen Apparats erforderliche Fachwissen. Entscheidend ist, daß der Mensch gegenüber der riesigen Apparatur Subjekt bleibt und daß er seine Personalität erhalten kann. Es gilt, wie Romano Guardini sagt, für den Menschen jenes Mindeste zu retten, von dem her allein er noch Mensch sein kann.
    Gewiß erleichtert die Technik uns das Dasein in ungeahntem Maße. Aber die Aufgabe der Selbstbehauptung nimmt die Technik uns nicht ab, sondern stellt sie uns in früher unvorstellbarer Weise täglich aufs neue. Die Aufgabe der Selbstbehauptung verlangt ein Doppeltes, nämlich Einsicht in die Zusammenhänge des Lebens und die Bereitschaft, Verantwortung zu tragen. Wissen und Verantwortungsbewußtsein machen den Gebildeten aus, Fachwissen allein genügt nicht.
    Für den Staatsbürger in einer Demokratie gilt noch ein Weiteres. Er soll politische Entscheidungen treffen, die von höchstem Gewicht für die Zukunft unserer von gewaltigen Spannungen erfüllten Welt sind. Das kann er nur dann, wenn er nicht hilflos gelassen wird, sondern wenn ihm Wissen und Bildung die nötigen Grundlagen geben.
    Daher hängen unsere innere Sicherheit, unser inneres politisches Gleichgewicht weitgehend von der Bildung unseres Volkes ab. Gerade wir Deutschen, so scheint mir, haben diese Einsicht besonders nötig. Vieles aus unserer Vergangenheit haben wir noch nicht bewältigt, und die überaus spannungsreiche Lage, in der wir leben, stellt ganz besondere Anforderungen. Wir sind daher unserer Jugend und unserem ganzen Volk diese geistigpolitische Ausrüstung schuldig.
    Bildung ist, um mit Walter Dirks zu sprechen, ein unentbehrlicher Schlüssel zu dieser geschichtlichen Aufgabe unserer Selbstbehauptung. So ist die Frage nach der Bildung, die Frage nach dem Sich-in-derWelt-Zurechtfinden, neben die Fragen nach dem Essen, der Kleidung, der Wohnung und der Arbeit mit gleicher Dringlichkeit getreten.
    Das ist bei uns so, meine Damen und Herren, das ist in der ganzen Welt ähnlich. Die Diskussion der Bildungsfragen ist eines der aktuellsten Themen in der ganzen Welt. Sie betrifft Australien so gut wie Deutschland, die Vereinigten Staaten so gut wie die Sowjetunion. In allen Ländern ertönt der Ruf nach einer besseren und umfassenderen Bildung, und in der Situation unseres Bildungswesens spiegelt sich damit ein weltweites Problem, dessen Lösung allen Völkern aufgegeben ist. So hat z. B. auch schon der große Weltkongreß der Lehrer im August 1957 in Frankfurt am Main die mangelnde



    Bundesminister Dr. Schröder
    Übereinstimmung der derzeitigen Schulsysteme mit der Struktur der modernen Gesellschaft als ein Weltproblem behandelt.
    Auch unser Volk muß zur Bewältigung seiner Aufgaben in der modernen Welt geistig so umfassend wie möglich gerüstet sein. Schule, Fachschule und Hochschule müssen die Jugend in der bestmöglichen Weise auf ihre kommenden Aufgaben vorbereiten können. Den Erwachsenen sollte durch die Einrichtungen der Erwachsenenbildung das Verständnis ihrer Umwelt erleichtert werden.
    Die Frage, die heute an uns gestellt wird, lautet also: Wollen wir an dem großen geistigen Ringen in der Welt und um die Welt weiterhin Anteil haben, oder wollen wir uns auf den Weg simpler Spezialisierung einlassen? Wollen wir geistig produktiv bleiben, oder wollen wir bestenfalls nur die Erkenntnisfrüchte anderer verwerten? Wollen wir die Apparatur über den Menschen herrschen lassen, oder wollen wir dem Menschen in Übereinstimmung mit den Leitbildern von Christentum und Humanismus seinen Rang auch in der so tief gewandelten Welt bewahren helfen? Das ist die Schicksalsfrage, die vor uns steht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es leuchtet danach ein, meine Damen und Herren, daß unser Volk auf dem Gebiete des Bildungswesens große Anstrengungen machen muß. Bildung kostet Geld. Da sie kein Luxus, sondern eine Lebensnotwendigkeit ist, können die Bildungseinrichtungen nicht von dem leben, was an anderer Stelle erübrigt wird. Das Geld, das für sie benötigt wird, muß mit der gleichen Dringlichkeit gefordert und bereitgestellt werden wie die Mittel für andere vordringliche Aufgaben. Die notwendigen Beträge müssen ohne Rücksicht darauf verfügbar gemacht werden, daß ein Erfolg mancher Maßnahmen erst nach Jahren sichtbar wird.
    Die Investitionen in Bildungseinrichtungen entziehen sich einer strengen wirtschaftlichen Bilanzierung. Sie schlagen aber langfristig zu Buche. Ich darf daran erinnern, daß z. B. Großbritannien mitten im Krieg, im Jahre 1944, sein großes Gesetzgebungswerk zur Bildung — Education Act — in Gang gesetzt hat. In den Vereinigten Staaten hat Präsident Eisenhower im Januar dieses Jahres, also in einem Augenblick, in dem zum erstenmal seit längerer Zeit ein Rückgang der Beschäftigung sichtbar wurde, vom Kongreß eine Milliarde Dollar für vier Jahre zur Verwirklichung eines großen Erziehungsprogramms gefordert. Schließlich darf ich darauf hinweisen, daß die Regierungschefs auf der NATO-Konferenz in Paris im vergangenen Dezember mit Nachdruck gefordert haben:
    Wir müssen die Mittel für die Ausbildung des Nachwuchses in wissenschaftlichen und technischen Fächern erhöhen und dafür sorgen, daß die freie Entwicklung der Grundlagenforschung weiteren Auftrieb erfährt. Jede unserer Regierungen wird deshalb die Unterstützung überprüfen, die der wissenschaftlichen und technischen Ausbildung und der Grundlagenforschung zuteil wird.
    Nun dürfen allerdings die Dringlichkeit dieser Aufgabe und der hohe Aufwand, den sie erfordert, nicht dazu verführen, daß wir uns auf finanzielle Schätzungen einlassen, die gelegentlich astronomische Ausmaße erreichen. Zu solchen uferlosen Schätzungen kommt es dann, wenn man Wunschvorstellungen realisieren möchte, statt sich auf das Erreichbare zu beschränken. Im Ergebnis dienen mehr oder weniger gigantische Zahlenangaben nicht nur nicht der Sache, sondern sie entmutigen oft gerade diejenigen, die bei der Verwirklichung der vor uns liegenden Aufgaben mithelfen sollen. Wir sollten daher versuchen, realistische, d. h. realisierbare Vorstellungen zu gewinnen, und uns bei allen Planungen vor Augen halten, daß sie auf lange Sicht gelten. Entscheidend scheint mir zu sein, daß wir die Schwerpunkte unserer Not auf diesem Gebiet erkennen und die verfügbaren Mittel dort in zweckmäßigster Weise einsetzen.
    Diese Überlegungen führen zu der Frage, ob unsere Bildungseinrichtungen in der heutigen gesellschaftlichen Situation ihre Aufgabe erfüllen. Alle unsere Bildungseinrichtungen sind im 19. Jahrhundert in einer damals noch ständisch gegliederten Gesellschaft geformt worden: die Volksschule als die Schule des Volkes zur Vermittlung von Elementarkenntnissen, darüber die höhere Schule für die gebildeten Stände und darüber die Universität als die Schule der Gelehrten. Die ständische Gliederung ist von der industriellen Massengesellschaft verdrängt worden. In der hochtechnisierten Gesellschaft unserer Zeit ist Bildung in größerem Umfange und für mehr Menschen als früher nötig. Die Nachfrage nach Menschen mit höherer Bildung steigt noch. Das findet seinen Ausdruck in dem Massenansturm auf die höheren Schulen und die Universitäten. Diese Einrichtungen werden, wie es z. B. der Soziologe Schelsky genannt hat, weitgehend als Zuteilungsstellen von besseren Sozialchancen betrachtet und funktionieren auch als solche, was gewiß nicht ihre primäre Aufgabe ist.
    Unabhängiig von dieser unerwünschten Funktionsverschiebung ist es eine dringende Forderung, nicht nur einer kleinen Schicht, sondern unserem ganzen Volke ein höheres Maß an Bildung zu vermitteln. Dieser Aufgabe sind unsere Bildungseinrichtungen nicht gewachsen, da sie im wesentlichen ihre innere Struktur aus dem 19. Jahrhundert beibehalten haben. Wie sollen sie aber gestaltet werden, um der Masse unseres Volkes die qualitätsvolle Ausbildung für die modernen Berufe und für das Verständnis der modernen Welt zu geben?
    Wir werden, wie mir scheint, um eine neue Überprüfung des Gesamtzusammenhangs nicht herumkommen. Dabei werden wir uns immer vor Augen halten müssen, daß Bildung stets ein individueller Vorgang in Freiheit ist. Der Sinn unserer Überlegungen kann daher im Gegensatz zu allen östlichen Plänen nur der sein, der Freiheit planmäßig Raum zu schaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In der Erkenntnis der Notwendigkeit einer solchen planvollen Prüfung des Gesamtzusammenhangs hat bereits in der 1. Legislaturperiode der



    Bundesminister Dr. Schröder
    Bundestag die Anregung gegeben, Bund und Länder möchten gemeinsam einen Ausschuß sachverständiger Persönlichkeiten mit dieser Aufgabe betrauen. Im Herbst 1953 haben daher Bund und Länder den Deutschen Ausschuß für das Erziehungs-
    und Bildungswesen gemeinsam ins Leben gerufen. Nach dem Berufungsschreiben soll der Deutsche Ausschuß „ein von jeder behördlichen Einflußnahme unabhängiger Kreis von Persönlichkeiten sein, die ihr Interesse, ihre Kenntnisse und Erfahrungen ehrenamtlich zur Verfügung stellen, um von einem lediglich auf das Wohl der Gesamtheit gerichteten Standpunkt die Entwicklung des deutschen Erziehungs- und Bildungswesens zu beobachten und durch Rat und Empfehlung zu fördern." Die Zusammensetzung dieses Ausschusses ist nicht durch die Absicht bestimmt, spezielle Fachkenntnisse zu bündeln, und natürlich erst recht nicht durch die Rücksicht auf Verbände und Interessengruppen. Soweit die Mitarbeit besonders sachkundiger Persönlichkeiten erforderlich ist, wird sie durch Zuziehung von Sachverständigen von Fall zu Fall gesichert.
    Aufgabe des Deutschen Ausschusses ist es, eine Gesamtkonzeption des deutschen Erziehungs- und Bildungswesens zu erarbeiten. Eine Reihe wertvoller Einzelbeiträge und Vorarbeiten hat er abgeschlossen, so u. a. eine Empfehlung zum neunten Schuljahr, zur höheren Schule, zur politischen Bildung und Erziehung, zur Ausbildung der Lehrer an Volksschulen und einiges Weitere. Seine zusammenfassende Darstellung wird leider noch einige Jahre Zeit brauchen. Deshalb haben Bund und Länder in diesen Tagen die Berufung der Mitglieder um fünf Jahre verlängert. Der Deutsche Ausschuß hat sich bewährt; ich möchte seinen Mitgliedern gerade heute und an dieser Stelle für ihre mühevolle, in der Stille geleistete Arbeit aufrichtig Dank sagen.

    (Beifall auf allen Seiten des Hauses.)

    Ohne der angekündigten Gesamtkonzeption vorgreifen zu wollen, möchte ich zu einigen Fragenkomplexen Stellung nehmen, bei denen es sich um Notstände von aktueller Bedeutung handelt. Sie sollten in jeder Debatte über das deutsche Bildungswesen als Schwerpunkte gelten.
    Zunächst die Schule! Um Bildung in der erforderlichen Breite zu sichern, müssen gute Schulen in der notwendigen Zahl vorhanden sein, und zwar zunächst Grundschulen, die dann zu den verschiedenen Stufen der Fachausbildung weiterführen. Nur auf dieser breiten Grundlage kann sich die Spezialausbildung in ausreichendem Umfang entwickeln.
    Für eine gute allgemeine Schulbildung müssen folgende Voraussetzungen geschaffen werden:
    Ausbau und Neubau von Schulen aller Stufen. In den neun Jahren von 1948 bis 1957 sind bereits 4,7 Milliarden DM für den Bau allgemeinbildender Schulen und weitere 700 Millionen DM für deren Einrichtung aufgewendet worden. Nach Angaben von Professor Heckel, Frankfurt am Main, im Januar dieses Jahres fehlen hei allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen zur Ablösung des Schichtunterrichts noch 22 000 Klassenräume. Die volle Einführung des 9. Schuljahrs würde zusätzlich noch etwa 11 000 Klassenräume erfordern. Ich will die damit angesprochenen Fragen in finanzieller Hinsicht hier nicht vertiefen. Ich will auch nicht untersuchen, ob in dieser oder jener Stadt nicht mancher andere Bau zugunsten weiterer Schulbauten hätte zurückgestellt werden können.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Mir ist auch zweifelhaft, ob die Erstellung eines Klassenraums wirklich 100 000 DM, ja sogar bis zu 200 000 DM kosten muß.

    (Beifall in der Mitte.)

    Wenn man bescheiden und sachgemäß baut, kommt man gewiß mit geringeren Beträgen aus. Ich habe oft den Eindruck, daß manche Bauten in unserer Zeit dauerhafter sein würden, wenn man sie weniger aufwendig und weniger unterhaltsbedürftig gestaltete.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Siehe Bonn!)

    — Bei diesem Stichwort geraten Sie offenbar in Bewegung; aber das, was in Bonn geschieht, ist ja auch von vornherein nicht auf Dauer angelegt worden.

    (Erneute Zurufe von der SPD.)

    Die Unterhaltungsbedürftigkeit werden Sie wahrscheinlich nicht bestreiten wollen.
    Immerhin ist sicher, daß es sich auf dem Schulbausektor noch um bedeutende Aufwendungen handeln wird.
    Ein Wort zur Ausbildung und Besoldung der Lehrer. Sie muß auf allen Stufen der Aufgabe entsprechen, die dem Erzieher in unserer Zeit gestellt ist. Nur wenn wir Ausbildung und Besoldung der Lehrer so zu gestalten vermögen, daß ihr Beruf anziehend ist, werden wir die ausreichende Zahl qualifizierter Lehrer gewinnen.

    (Abg. Reitzner: Sie haben gegen die L-Besoldung gestimmt!)

    — Es handelt sich nicht um die Frage, wie sich der Bundestag oder andere Parlamente bisher in diesem Punkte verhalten haben, sondern es geht darum, was objektiv richtig ist. —
    Dann müssen wir uns darüber unterhalten, in welchem Zeitraum man etwas Derartiges erreichen kann. Wir sprechen, wie Sie aus meinen Darlegungen ersehen, zunächst über die idealen Verhältnisse, und dann bleibt noch Zeit, auf die Einzelheiten zu kommen.
    Es muß anerkannt werden, daß die Lehrer vor allem in den hinter uns liegenden Not- und Aufbaujahren zum Teil Bewundernswertes unter schwierigen Umständen geleistet haben.

    (Beifall in der Mitte.)

    Gemessen an den vielerlei Hindernissen, die der freien pädagogischen Entfaltung im Wege gestanden haben, hat die deutsche Schule trotz mancher Unzulänglichkeit im einzelnen einen beachtlichen Ausbildungsstand, und sie genießt auch im Ausland



    Bundesminister Dr. Schröder
    Ansehen. Dafür gebührt, wie ich glaube, den Lehrern Dank.

    (Beifall in der Mitte.)

    In der augenblicklichen Situation sind sie jedoch überfordert. Im Januar 1958 fehlten — ebenfalls nach Angaben von Professor Heckel, dem ich hier folge — 7000 Lehrer an den allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Soll das 9. Schuljahr, das jetzt zum Teil probeweise eingeführt ist, in vollem Umfang eingeführt werden, werden weitere 11 500 Lehrer benötigt werden.
    Wir stehen auf dem Standpunkt, daß alle Begabungen zur Entfaltung gebracht werden sollen, nicht nur auf dem normalen Ausbildungsweg, sondern auch über den sogenannten und viel diskutierten zweiten Bildungsweg. Hier liegt das Problem darin, die einzelnen Ausbildungszüge gegeneinander durchlässig zu machen. Ich möchte aber davor warnen, diesem Problem eine zahlenmäßig allzu große Bedeutung beizulegen.
    Neben der Allgemeinbildung auf den Schulen muß die Erwachsenenbildung, die glücklicherweise frei von allen Berechtigungen ist und hoffentlich auch bleiben wird, als Möglichkeit geistiger Entfaltung der Erwachsenen nachhaltig gefördert werden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Notwendigkeit, Hilfen für die Freizeitgestaltung zur Verfügung zu stellen.
    Ich komme zu den Hochschulen. Bei der Hochschule besteht das Problem darin, daß der Andrang der Studenten jährlich zunimmt, während die Zahl
    der Hochschullehrer weiterhin völlig unzureichend ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    An der Universität München sind z. B. 1400 Germanisten immatrikuliert, für die 3 Ordinarien und 3 Dozenten zur Verfügung stehen. In anderen Fächern sind die Zahlen noch ungünstiger. Die Hochschulkonferenz in Bad Honnef im Jahre 1955 hat daher mit Recht eine wesentliche Vermehrung der Lehrkräfte gefordert. Eine entscheidende Besserung konnte jedoch bisher nicht erreicht werden.
    Wenn die Universitäten, die weithin zu Berufsvorbereitungsanstalten und zu Massenunternehmen geworden sind, noch einmal die Chance haben sollen, ihrer Idee zu entsprechen, muß zunächst dafür gesorgt werden, daß die geistige Begegnung zwischen den Studierenden und ihren akademischen Lehrern wieder möglich wird. Dazu muß ein Doppeltes geschehen. Es muß einmal die Zahl der Hochschullehrer entscheidend vermehrt werden. Sodann bleibt aber zu prüfen, ob es weiter bei dem unbeschränkten Zugang jedes Abiturienten zur Hochschule bleiben kann. Es ist offensichtlich, daß zur Zeit zahlreiche Abiturienten die Hochschule besuchen, die nicht wirklich die Hochschulreife mitbringen, d. h. das erforderliche Maß an theoretischer Intelligenz. Diese Studenten überfüllen die Hochschulen und behindern die Begabteren.
    Hier sind zwei Lösungen denkbar. Man kann bei unverändertem Abitur die Zulassung zu den Hochschulen beschränken. Das würde bedeuten, daß die Hochschule sich selbst in eine Hochschulzulassungsprüfung die ihr geeignet erscheinenden Studenten aussucht und damit der ärgsten Überfüllung der Hochschule vorbeugt. Eine solche Zulassungsbeschränkung besteht z. B. an den britischen Universitäten. Das Ergebnis in diesem etwa gleich großen Land ist, daß nur halb so viel Studenten wie in der Bundesrepublik studieren. Das ist eine Tatsache, die einen doch etwas nachdenklich stimmen sollte.
    Oder man kann — das ist die zweite Möglichkeit — bei unverändert freiem Zugang der Abiturienten zur Hochschule dem Abitur seine ursprüngliche Bedeutung als Hochschulreifeprüfung zurückgeben. Das würde bedeuten, daß die Oberstufe der Gymnasien nur von den Schülern besucht wird, die für ein Hochschulstudium geeignet sind und dieses anstreben. Es würde dann künftig keine Schüler mehr geben, die Primen besuchen, um als Abiturienten in den gehobenen Dienst der Verwaltung oder in vergleichbare Stellen in der Industrie usw. zu gehen. Zur Ausbildung für solche Berufe müßte der Abschluß der Mittelstufe der Gymnasien oder vergleichbare Abschlüsse anderer Schularten genügen.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Hier müßte dann — ich sage: dann — die Verwaltung bei Bund und Ländern in der Einschränkung des nahezu uferlosen Berechtigungswesens, das auf dem Abitur aufbaut, vorbildlich vorangehen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Welche der beiden Lösungen — die beschränkte Hochschulzulassung oder die strengere Auslese im Zugang zum Abitur — man auch wählen mag, immer kommt es darauf an, die Studenten, die keine Hochschulreife haben, von der Hochschule fernzuhalten. Allerdings müßten bei beiden Lösungen die höheren Fachschulen so ausgebaut werden, daß sie den Zuwachs aus der Zahl der nicht mehr zu den Universitäten zugelassenen Schüler aufnehmen könnten.
    In diesem Zusammenhang darf ich ein Wort zur Studienförderung sagen. Die wirtschaftliche Situation der Studenten hat sich nach Einführung der Stipendien und Darlehen nach dem Honnefer Modell entscheidend gebessert. In den vergangenen Jahren standen wir der ernsten Situation gegenüber, daß ein großer Teil der deutschen Studentenschaft durch Werkarbeit gehindert war, ausschließlich seinem Studium nachzugehen: 11 % der deutschen Studentenschaft finanzierten ihr Studium ganz und 35 % zum Teil mit Werkarbeit. Zur Behebung dieses Notstandes wurde im Bundeshaushalt ein Fonds von 30 Millionen DM für Stipendien und Darlehen für geeignete und bedürftige Studenten geschaffen. Die Förderung erfolgt nicht nach dem Grundsatz der sozialen Fürsorge, sondern ist dem Bildungsgang auf den Hochschulen angepaßt. Sie beruht nicht allein auf der Bedürftigkeit des Studenten, sondern setzt seine Eignung voraus — mindestens soll es so sein —, die festzustellen Aufgabe der Hochschule ist. Das ist der Kern des sogenannten Honnefer Modells einer hochschulgerechten Studentenförderung.
    Mit diesen Bundesmitteln, zu denen Mittel der Länder hinzutreten, konnten etwa 20 % der deutschen Studentenschaft, d. h. also etwa 30 000 Stu-



    Bundesminister Dr. Schröder
    denten, gefördert werden. Außerdem werden durch die Studienstiftung des deutschen Volkes, durch das Evangelische Studentenwerk Villigst, das katholische Cusanus-Werk, die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Stiftung „Mitbestimmung" weitere etwa 2 % der deutschen Studenten gefördert. Weitere 13 % der deutschen Studenten — das sind 21 500 Studenten — erhalten eine Sozialbeihilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz, dem Bundesversorgungsgesetz und dem Heimkehrergesetz, die ihnen ebenfalls ihr Studium erleichtert. Insgesamt werden also etwa 35 070 der deutschen Studenten mit insgesamt etwa 67,6 Millionen DM gefördert.
    Über die nötige Zahlengröße gibt es manche Meinungsverschiedenheit. Ich möchte hier aber gerne darlegen, daß sich diese Zahl im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen kann. Ich will und muß hier von den Verhältnissen in der sowjetisch besetzten Zone absehen. Dort wird, wie wir alle wissen, vorwiegend Gesinnungsauswahl betrieben, weil man eine Intelligenzschicht anderer, und zwar äußerst einseitiger, soziologischer Prägung heranziehen will. Ebensowenig können aber hier die britischen Verhältnisse mit den deutschen Verhältnissen verglichen werden, da Großbritannien, wie ich das bereits erwähnt habe, nur halb soviel Studenten wie die gleich große Bundesrepublik hat.

    (Abg. Dr. Ratzel: Das stimmt nicht, Herr Minister!)

    — Warum wollen Sie das eigentlich bezweifeln? Selbst die Untersuchung, auf die Sie sich gerade bezogen haben, legt das doch dar.

    (Abg. Dr. Ratzel: Die Technical Colleges sind z. B. nicht mit erfaßt!)

    — Aber Sie haben die Broschüre vorhin zitiert, und aus der ergibt sich, daß, jedenfalls cum grano salis, es bei etwa gleicher Größe der Bevölkerung rund die Hälfte ist. Großbritannien reguliert, wie ich schon sagte, den Zugang zu den Universitäten durch ein bestimmtes Zulassungsverfahren. Die geringere Zahl der dann zugelassenen Studenten wird allerdings relativ weitgehend mit Stipendien gefördert.
    Ein wirklicher Vergleich der Verhältnisse ist also nur zwischen der Bundesrepublik und jenen Ländern möglich, die verhältnismäßig annähernd gleich hohe Studentenzahlen haben. Das sind z. B. Finnland, Frankreich, Jugoslawien, die Niederlande, Norwegen und Schweden. Der Durchschnitt für die Stipendienförderung liegt für alle diese Länder gemeinsam bei etwa 20 %. Das ist genau die Zahl, die in der Bundesrepublik durch Förderung von Bund und Ländern erreicht wird, wozu, wie ich erwähnt habe, noch 15 % aus anderen Mitteln hinzutreten.
    Die Förderung nach dem Honnefer Modell ist in vollem Umfang erst ab Wintersemester 1957 angelaufen, und die Erfahrungen, die wir in der Kürze der Zeit gemacht haben, sind im allgemeinen befriedigend. An den Hochschulen haben die Förderungsausschüsse mit Ernst und Sorgfalt ihre ganz neue Aufgabe angefaßt. Es soll allerdings nicht verschwiegen werden, daß es auch Schwierigkeiten gegeben hat, die jedoch überwiegend damit zusammenhängen dürften, daß zuwenig Hochschullehrer vorhanden sind. Nicht ohne Grund ist bei der schon erwähnten Hochschulkonferenz in Bad Honnef neben der Förderung von Studenten auch die Vermehrung der Lehrkräfte an den Hochschulen empfohlen worden, und mit Recht hat die Öffentlichkeit gerade diese Seite der Honnefer Empfehlungen neuerdings mit Nachdruck wieder ins Gedächtnis gerufen. Um so mehr muß unter diesen Umständen die mühevolle Auswahlarbeit anerkannt werden, die die vorhandenen Hochschullehrer zu ihren vielfältigen anderen Aufgaben bewältigt haben.
    Für 1958 ist als Bundeszuschuß für die Durchführung des Honnefer Modells ein Betrag von 35 Millionen DM vorgesehen. Über die Einzelheiten dessen, was der Bund für Studenten und Hochschulen tut, unterrichtet eine Denkschrift, die ich in diesen Tagen dem Bundestag und der Öffentlichkeit vorgelegt habe.
    Ich wende mich nun den Fragen des technischen Nachwuchses zu. Erlauben Sie mir, daß ich zunächst eine begriffliche Klarstellung gebe. Die Begriffe „technischer Nachwuchs", „naturwissenschaftlicher Nachwuchs", „akademischer Nachwuchs", „wissenschaftlicher Nachwuchs" werden häufig ohne genaue Abgrenzung gegeneinander verwendet. Um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich die Begriffe so verwenden, wie sie in der Berufssystematik und in der Berufsstatistik üblich sind. Das maßgebliche Kriterium ist dort die Ausbildung, nicht die spätere Berufstätigkeit.
    Man kann danach unterscheiden zunächst einmal den Nachwuchs für wissenschaftliche oder akademische Berufe. Das ist der Nachwuchs für die geisteswissenschaftlichen, naturwissenschaftlichen und technischen Fächer, der an wissenschaftlichen Hochschulen, an den Universitäten und Technischen Hochschulen, ausgebildet wird. Ein Ausschnitt hieraus ist der naturwissenschaftliche Nachwuchs. Das ist also der Nachwuchs, der in den naturwissenschaftlichen Fächern an den wissenschaftlichen Hochschulen ausgebildet wird. Zur Ausbildung des naturwissenschaftlichen Nachwuchses gehören nicht die Ausbildungslehrgänge in diesen Fächern an den Fach- und höheren Fachschulen.
    Schließlich der technische Nachwuchs. Dieser gliedert sich in drei Gruppen. Die Diplomingenieure werden an den Technischen Hochschulen, die Ingenieure an den Ingenieurschulen und die Techniker an den Fachschulen oder in gleichwertigen Lehrgängen ausgebildet.
    Wie sieht nun das Zahlenbild aus? Durch die in der 2. Legislaturperiode im März 1957 von mir vorgelegte Denkschrift über den technischen Nachwuchs ist der damals vom Bundestag geforderte Überblick für Diplomingenieure, Ingenieure und Techniker, zusammenfassend „technischer Nachwuchs" genannt, bereits gegeben. Die Denkschrift ist neuerdings dem Hohen Hause nochmals, als Drucksache 225, zugeleitet worden.
    Einen gleichartigen Überblick über die Naturwissenschaftler kann ich noch nicht vorlegen. Die zur Zeit zur Verfügung stehenden statistischen Unterlagen erlauben eine sorgfältige Untersuchung



    Bundesminister Dr. Schröder
    dieser Frage und die Erarbeitung eines wirklichkeitsnahen Überblicks noch nicht. Bei dem Versuch, das vorhandene statistische Material aufzuarbeiten d. h. es auf vergleichbare Normen zu bringen, hat sich gezeigt, daß es so unterschiedlich ist, daß Vergleiche und eine Zusammenfassung nicht möglich sind. Maßnahmen zur Verfeinerung der Nachwuchsstatistik sind eingeleitet. Mit einem schnellen Abschluß ist wegen der genannten großen Schwierigkeiten leider nicht zu rechnen.
    Ich möchte aber hier die wichtigsten Ergebnisse unserer Erhebungen über den technischen Nachwuchs wiederholen: Es ist berechnet worden, daß im Herbst 1956 73 200 Diplomingenieure, 153 100 Ingenieure und 133 700 Techniker vorhanden waren. Dieser Bestand wird unter der Annahme, daß keine zusätzlichen Ausbildungsplätze geschaffen würden, bis 1970 in der Weise zunehmen, daß dann etwa 90 000 Diplomingenieure und 240 000 Ingenieure vorhanden sind. Der wünschenswerte Bestand wird im Jahre 1970, soweit sich die Entwicklung der Bevölkerung und der Industrieproduktion im voraus schätzen läßt, für Diplomingenieure bei etwa 85 000 und für Ingenieure bei etwa 270 000 liegen. Nach diesen Annahmen ist also ein Fehlbestand von etwa 30 000 Ingenieuren zu erwarten.
    Aus diesen Berechnungen sind nun in der Denkschrift folgende Folgerungen gezogen worden: Bis zum Jahre 1970 muß die Kapazität der Ingenieurschulen insgesamt um 60 %, speziell im Maschinenbau und in der Elektrotechnik um 100% erhöht werden. Um die Ingenieurausbildung möglichst wirksam werden zu lassen, empfiehlt es sich, zusätzlich folgende Maßnahmen durchzuführen: Zunächst einmal die Vereinheitlichung des Aufbaus der Ingenieurschulen und des Zugangs zu ihnen, zweitens eine ausreichende Besoldung der Dozenten und drittens die Einführung von Stipendien für Studierende an Ingenieurschulen.
    Die Errichtung einer weiteren Technischen Hochschule scheint nach diesen Übersichten zunächst nicht erforderlich zu sein. Die Zahl der Studienplätze an den Technischen Hochschulen reicht vorläufig aus. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß die Zahl der Studenten, verglichen mit der qualitativen Ausrüstung der Technischen Hochschulen, viel zu hoch ist, d. h. die Qualität der Ausbildung leidet unter ungenügender Ausrüstung. Eine vordringliche Aufgabe ist es daher, die Technischen Hochschulen so auszustatten, daß die Zahl der Lehrkräfte und die Einrichtung der Hochschulen den Studierendenzahlen entsprechen. Im einzelnen sind folgende Maßnahmen erforderlich: eine Erhöhung der Zahl der Assistenten und eine Neueinrichtung von Lehrstühlen. Eine wesentliche Erhöhung der Stipendien für Studenten ist inzwischen durch das Honnefer Modell bereits erreicht worden.
    Der Technikerausbildung auf den Fachschulen kommt in Zukunft eine besondere Bedeutung zu. Auch hier ist eine Erweiterung der Ausbildungsmöglichkeiten notwendig. Dabei wird man prüfen müssen, inwieweit die Industrie die Ausbildung von
    Technikern dadurch unterstützen kann, daß sie den Besuch von Tagesfachschulen erleichtert.
    Zusammenfassend möchte ich zu diesem Kapitel sagen: Das Schwergewicht des Bedarfs liegt bei dem Ausbau der Ingenieurschulen. Dazu hat der Bund den Ländern, und zwar mittelbar durch Übernahme eines Teils der Lasten des Königsteiner Abkommens, im Jahre 1957 den erheblichen Betrag von 22 Millionen zur Verfügung gestellt. Es ist beabsichtigt, die gleiche Regelung für das Rechnungsjahr 1958 zu wiederholen. Weitere Mittel für Ingenieurschulen und für Ingenieurstudenten haben das Bundesatomministerium — 7,15 Millionen DM 1958 —, das Bundeswirtschaftsministerium — 5,5 Millionen DM Kredit für den Ausbau von Ingenieurschulen — und das Bundespostministerium — Einrichtung einer eigenen Ingenieurschule in Berlin — zur Verfügung gestellt.
    Die Länder werden im Mai dieses Jahres mitteilen, in welchem Umfange sie auf Grund der Bundeshilfe die Kapazität ihrer Ingenieurschulen erweitern konnten. Ich bin überzeugt, daß schon jetzt wichtige Fortschritte erzielt wurden. Allein im Land Nordrhein-Westfalen sind in den beiden letzten Jahren drei neue Ingenieurschulen erbaut und andere Ingenieurschulen ausgebaut worden, wodurch sich die Kapazität der Ingenieurschulen um 51 Klassen bzw. 1530 Studienplätze erweitert hat. Für das Rechnungsjahr 1958 ist eine weitere Verstärkung um 19 Klassen bzw. 570 Plätze geplant. Aus einer Übersicht, die wir wahrscheinlich im Mai verfeinert werden vorlegen können, ergibt sich, daß allein von 1956 auf 1957 die Ingenieurschulenkapazität um etwa 16 % gesteigert worden ist. — Ich sehe, daß der Kollege Ratzel hier zweifelnd den Kopf schüttelt. Ich werde ihm nachher mal diese Zahlen im einzelnen geben.
    Was den Ingenieurnachwuchs angeht, so wird er bereits im Rahmen der Studentenförderung nach dem Honnefer Modell gefördert, soweit er an den wissenschaftlichen Hochschulen ausgebildet wird. Bund und Länder sind sich darin einig, daß auch die Studierenden an den Ingenieurschulen eine Förderung brauchen. In welchem Umfang geholfen werden muß, kann erst nach genauem Studium der in. zwischen vorgelegten Sozialerhebung unter den Studierenden dieser Schulen gesagt werden. Die Förderung setzt voraus, daß von den dafür zuständigen Stellen ein Förderungsmodell entwickelt wird, das den Verhältnissen dieser Ausbildungsstätten angemessen ist. Die Erörterungen über ein sogenanntes Rhöndorfer Modell sind im Gange. Die Überlegungen sind aber noch keineswegs abgeschlossen. Anderslautende Meldungen sind verfrüht. Deswegen weiß ich auch nicht, ob die von den Studenten beabsichtigte Taufe ausgerechnet als ,,Rhöndorfer Modell" die letzte Bezeichnung dieser neuen Einrichtung bleiben wird. Aber Herr Kollege Ratzel hat so viel Sympathie für den Namen zum Ausdruck gebracht, daß es sich vielleicht empfiehlt, dabei zu bleiben.

    (Abg. Dr. Ratzel: Für Rhöndorf!)




    Bundesminister Dr. Schröder
    — Ja, ich hoffe, Sie werden dann auch dem Namen zustimmen.
    Für die Förderung der Studierenden an den Ingenieurschulen wie den anderen Fachschulen und höheren Fachschulen durch unmittelbare Zuwendungen sind allein die Länder zuständig. Im Hinblick hierauf und wegen der Besonderheit der Ausbildung dürfte die Einbeziehung in das Honnefer Modell nicht in Betracht kommen. Sollte sich ergeben, daß den Ländern die für die Förderung erforderlichen Mittel nicht in vollem Umfange zur Verfügung stehen, müßte geprüft werden, ob und in welchem Umfange eine Entlastung der Länder etwa durch ein zweites Verwaltungsabkommen über den Ausbau der Ingenieurschulen ermöglicht werden könnte.
    Das, was ich soeben sagte, gilt mutatis mutandis auch für die Förderung der Studierenden an den Pädagogischen Hochschulen und Ausbildungsstätten.
    Bereits jetzt werden von einzelnen Bundesressorts, ihrer besonderen Aufgabe entsprechend, folgende Leistungen für die Förderung des Nachwuchses an Ingenieurschulen erbracht:
    Das Bundesatomministerium stellt für die Förderung der Studierenden an den Ingenieurschulen in den Jahren 1957 und 1958 zusammen rund 3 Millionen DM zur Verfügung.
    Die Deutsche Bundesbahn gewährt Beihilfen an geeignete Studierende zur Sicherstellung des gehobenen technischen Dienstes; es wurden 1956 115 000 DM und 1957 385 000 DM aufgewendet, und für 1958 sind 450 000 DM vorgesehen.
    Ähnlich unterstützt der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen laufend solche Studierende an Ingenieurschulen, die sich verpflichten, in den Dienst der Bundespost zu treten. Insoweit ahmt der Staat nur das nach, was die Wirtschaft ihrerseits in großem Umfang betreibt und was sich ja bis zum Deutschen Gewerkschaftsbund hin gut eingeführt hat.
    Auch der Bundesminister für Verteidigung hat für seinen Bereich für das Haushaltsjahr 1958 einen Ansatz von 138 000 DM als Studienhilfe für Fachschüler höherer technischer Lehranstalten eingebracht.
    An den Ingenieurschulen — das ist ein weiterer Punkt, der in der Großen Anfrage behandelt wird — studieren z. Z. etwa 450 Ausländer, darunter nach unseren Zahlen ein Drittel Studierende aus Entwicklungsländern. Herr Kollege Ratzel war so freundlich, diese Zahlen etwas zu erhöhen. Sollten seine Zahlen hier richtiger sein, würde ich mich beeilen, zuzustimmen. Die Zahl der ausländischen Studierenden an diesen Schulen ist nicht nur wegen der wenigen verfügbaren Plätze gering, sondern vor allem auch deswegen, weil die seminaristische Art des Unterrichts die vollkommene Beherrschung der deutschen Sprache verlangt. Herr Kollege Ratzel hat hierzu ausgeführt, wenn die Leute eben nicht Deutsch könnten, müsse man sich hier sehr um sie bemühen, daß sie Deutsch lernten. Nun kann das unmöglich gleichzeitig die Aufgabe des
    Unterrichts an solchen Anstalten sein. Ich möchte darauf hinweisen, daß diejenigen von uns, die einmal den Vorzug gehabt haben, im Ausland zu studieren, sich auch ihrerseits sehr darum bemüht haben, wenigstens mit einem Minimum von Sprachkenntnissen in einem fremden Land anzukommen, in dem man Ausbildungseinrichtungen — doch wohl auch zu seinem eigenen Vorteil — benutzen möchte.
    Das Auswärtige Amt vergibt 60 Stipendien, um jungen Ausländern ein Studium an Ingenieurschulen und höheren Fachschulen in Deutschland zu ermöglichen. Es befinden sich darunter 22 Angehörige von Entwicklungsländern. Für diesen Zweck werden 1957 wie 1958 je 250 000 DM aufgebracht.
    Es ist zu erwarten, daß die Erweiterung der Studienplätze an Ingenieurschulen auch eine erweiterte Studienmöglichkeit für ausländische Studierende mit sich bringt.
    Ich komme nun schließlich zur Frage der Wissenschaftsförderung. Neben die Aufgaben der Schul- und Hochschulbildung tritt mit gleicher Dringlichkeit die Wissenschaftsförderung.
    Bildung und Wissenschaft sind ein Ganzes; infolgedessen müssen sich Bildungspolitik wie Wissenschaftsförderung auch auf das Ganze richten. Ich würde es für verfehlt halten, einige Spezialfächer, z. B. nur die Naturwissenschaften, mit Rücksicht auf besondere Tagesinteressen bevorzugt zu fördern und darüber zu vergessen, daß eine ausreichende Zahl von g fiten Schulen zugleich die beste Voraussetzung für Spezialausbildung bedeutet.
    Notwendig ist daher die Förderung unserer Bildungseinrichtungen insgesamt und im Wissenschaftsbereich die Förderung sowohl der Geisteswissenschaften als auch der Naturwissenschaften. Die Bundesregierung hat daher bisher auch keinen Unterschied in der Förderung der geisteswissenschaftlichen und der naturwissenschaftlichen Fächer gemacht. Infolgedessen kann ich keine Auskünfte erteilen, die sich lediglich auf die technischen Bildungseinrichtungen beziehen, sondern ich muß in einigen Fällen Antworten geben, die sich sowohl auf die Förderung der Geistes- als auch auf die der Naturwissenschaften beziehen.
    Eine Denkschrift der Bundesregierung über die Entwicklung der Aufwendungen für Forschung, Lehre und Studium ist nicht geplant. Vielmehr wird über den derzeitigen Stand der Wissenschaft in Deutschland der Plan, den der Wissenschaftsrat vereinbarungsgemäß zu erarbeiten hat, die nötige Auskunft geben. Der Wissenschaftsrat hat, wie das Hohe Haus weiß, inzwischen seine Arbeit aufgenommen. Er wird sich bei der Aufstellung des Gesamtplans auch der Unterlagen bedienen, die ihm die Statistik liefert. Ich habe vorsorglich — und nicht zuletzt auch im Hinblick auf die von mir im Dezember 1956 dem Hohen Hause mitgeteilten Zahlen, für die nur sehr unvollkommene Unterlagen zur Verfügung standen — die erforderlichen Maßnahmen zur Verfeinerung der Wissenschaftsstatistik eingeleitet.



    Bundesminister Dr. Schröder
    In einer Sitzung am 14. Januar 1958, an der u. a. die Vertreter der interessierten Bundesressorts, des Statistischen Bundesamts, der Kultusministerien der Länder, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Weltwirtschaftsinstituts in Kiel und des Stifterverbandes sowie der Leiter des Statistischen Amtes der Niederlande teilnahmen, wurden die Grundlagen festgelegt, auf denen künftig weiter gearbeitet werden soll. Es wurde ein Arbeitsausschuß eingesetzt, der im Rahmen dieser Richtlinien Vorschläge zur Verbesserung und Vervollkommnung der Wissenschaftsstatistik erarbeiten wird. Das Ziel soll eine Statistik sein, die jederzeit einen Überblick über die Höhe der Aufwendungen des Staates — des Bundes, der Länder und auch der Gemeinden — und der nichtöffentlichen Hand für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung ermöglicht. Auch soll geprüft werden, inwieweit ein internationaler Vergleich möglich ist; nach übereinstimmender Meinung der Sachkenner bestehen für ihn zur Zeit noch besonders große Schwierigkeiten, so daß wir alle ausländischen Vergleichszahlen immer nur mit großer Umsicht und Vorsicht gebrauchen dürfen.
    Es kann nun nicht meine Aufgabe sein, heute schon die Schwerpunkte der Wissenschaftsförderung zu bezeichnen. Das ist und soll sein Aufgabe des Wissenschaftsrates. Ich möchte ihm in der Aufstellung seines Programms nicht vorgreifen. Entsprechend dem Grundsatz, daß Natur- und Geisteswissenschaften in gleicher Weise gefördert werden müssen, wird sich dieses Programm auf beide Wissenschaftszweige beziehen.
    Folgende Zahlen mögen dazu dienen, einen Überblick über die Mittel zu geben, die in den letzten Jahren für die Förderung der Wissenschaft in der Bundesrepublik aufgewendet worden sind.
    Nach einer Sonderuntersuchung des Statistischen Bundesamtes haben sich die Aufwendungen des Bundes von 145,2 Millionen DM im Rechnungsjahr 1955 auf 328,9 Millionen DM nach dem Haushaltsplan 1956 erhöht. Im Haushaltsplan 1957 sind die Aufwendungen auf 572,9 Millionen DM gesteigert worden.
    Die Aufwendungen der Länder sind von 892,9 Millionen DM im Rechnungsjahr 1955 auf 960,3 Millionen DM nach den Haushaltsplänen 1956 gestiegen; in diesen Zahlen sind auch die Ausgaben für Ingenieurschulen enthalten. Für das Rechnungsjahr 1957 liegen Zahlen noch nicht vor. Die Aufwendungen dürften sich jedoch nach Schätzungen weiter um rund 100 Millionen DM erhöht haben.
    In den genannten Zahlen enthalten sind die Aufwendungen der Länder im Rahmen des Königsteiner Abkommens; sie haben sich von 43,2 Millionen DM im Jahre 1955 auf 48,3 Millionen DM im Jahre 1956 und auf 53 Millionen DM im. Jahre 1957 erhöht. An dem letztgenannten Betrag ist der Bund, wie ich das erwähnt habe, mit rund 22 Millionen DM beteiligt.
    Die Aufwendungen der Gemeinden für die Förderung der Wissenschaft einschließlich ihrer Zuweisungen an die Länder, die durchschnittlich 13 bis 15 Millionen DM betragen — beliefen sich im Rechnungsjahr 1954 auf 35,4 Millionen DM, im Rechnungsjahr 1955 auf schätzungsweise 36 bis 38 Millionen DM.
    Aus dem Bereich der gewerblichen Wirtschaft stehen mir nur einige vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft genannte Zahlen zur Verfügung. Danach betrugen die Aufwendungen der gewerblichen Wirtschaft ohne die Aufwendungen der wirtschaftseigenen Forschung im Rechnungsjahr 1954 34 Millionen DM, im Jahre 1956 44 Millionen DM. Die Aufwendungen der gewerblichen Wirtschaft für die betriebseigene Forschung und Entwicklung betrugen im Jahre 1956 rund 750 Millionen DM. Für die verbandsgemeinschaftliche Forschung brachte die gewerbliche Wirtschaft 1956 rund 42 Millionen DM auf.
    Meine Damen und Herren! Bei dem derzeitigen Stand der statistischen Auswertung dieses Zahlenmaterials können keine Angaben darüber gemacht werden, wie sich die genannten Beträge auf die einzelnen Bereich der Wissenschaftsförderung -Forschung, Lehre, Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften, Nachwuchsförderung usw. — aufteilen. Es erscheint zweifelhaft, ob bei der engen Verbindung, die zwischen den genannten Bereichen, insbesondere zwischen Forschung und Lehre, besteht, eine Aufgliederung künftig möglich sein wird. Eine solche Aufgliederung würde eine restlose Aufteilung aller Haushaltsansätze in Teilansätze für die einzelnen Bereiche notwendig machen. Das dürfte aber schon deshalb unmöglich sein, weil die bereitgestellten Mittel vielfach der Förderung mehrerer der genannten Bereiche der Wissenschaft zugleich dienen sollen. Im übrigen würde eine bewegliche und wirksame Förderung der Wissenschaft durch eine derartig spezifizierte Aufteilung erschwert. Das ist auch die Ansicht der Kultusminister der Länder.
    Ob, auf welchen Gebieten der Wissenschaft und in welchem Umfang ein „gefährlicher" Rückstand aufzuholen ist, wie die Große Anfrage etwas pessimistisch meint, werden die Erhebungen des Wissenschaftsrates ergeben. Seine Aufgabe ist nicht etwa die Verteilung von im Bundeshaushalt bereitgestellten Mitteln, sondern es obliegt ihm, neben der Aufstellung von jährlichen Dringlichkeitsprogrammen in erster Linie einen Gesamtplan für die Förderung der Wissenschaften zu erarbeiten und hierbei die Pläne von Bund und Ländern aufeinander abzustimmen. Der Wissenschaftsrat hat sich dieser Aufgabe mit besonderer Dringlichkeit angenommen und zunächst umfangreiche Erhebungen im Gesamtbereich der Wissenschaft eingeleitet.

    (Abg. Dr. Ratzel: Hat der Wissenschaftsrat schon einen Geschäftsführer und einen Sitz?)

    — Jedenfalls arbeitet der Wissenschaftsrat.
    Die Sichtung und Auswertung des eingehenden Materials wird sicher einige Zeit in Anspruch nehmen. Dabei bietet die Zusammensetzung des Wissenschaftsrates die Gewähr für eine denkbar umfassende und sachverständige Betrachtung und Beurteilung des ermittelten Tatbestandes.



    Bundesminister Dr. Schröder
    Vielleicht darf ich hier eine Zwischenbemerkung machen. Der Herr Kollege Ratzel hat sich hinsichtlich der Zusammensetzung des Wissenschaftsrates so besorgt gezeigt. Ich habe mir inzwischen noch einmal die Liste angesehen und finde in ihr Namen sehr prominenter Sozialdemokraten, so daß ich seine Sorgen wegen der Zusammensetzung nicht so ganz verstehen kann.

    (Abg. Dr. Ratzel: Ich denke nicht in Parteifraktionen!)

    — Das finde ich großartig!

    (Abg. Dr. Ratzel: Sondern ich denke an das Verhältnis von Wissenschaft und Bürokratie, und da scheint mir die Wissenschaft zu kurz zu kommen!)

    — Daraus kann ich nur folgendes entnehmen. Sie scheinen zu einem sozialdemokratischen Kultusminister nicht mehr Vertrauen zu haben als zu anderen Kultusministern. Ob ich dieses Faktum positiv oder negativ werten soll, will ich jetzt einmal offenlassen.

    (Heiterkeit in der Mitte.)

    Aber Sie wissen, daß die Meinung der Bundesregierung dahin gegangen ist — und hoffentlich werden wir dafür anschließend Ihr Lob bekommen —, in diesem Rat nun nicht etwa im Endeffekt nur die „Bürokraten" überwiegen zu lassen, sondern der Wissenschaft eine sehr unabhängige Rolle erster Ordnung dabei zukommen zu lassen. In dieser Absicht sind wir durch die Länder und ihre besonderen Auffassungen etwas beeinträchtigt worden. Ich will das hier gar nicht kritisieren, aber möchte einmal sagen: hier fallen Gerechte und Ungerechte nach beiden Seiten ziemlich gleichmäßig aus, wenn man zwischen Regierung und Opposition als Gerechte oder Ungerechte — aber bitte: verteilen Sie die Akzente wie Sie wollen — überhaupt unterscheiden kann.
    Sobald der Gesamtplan des Wissenschaftsrats fertiggestellt ist, werden uns authentische Unterlagen über Stand und Entwicklungsnotwendigkeiten für Forschung, Lehre und Studium vorliegen, wie wir sie auf andere Weise kaum hätten erhalten können. Ich bin hier also doch etwas optimistischer, als es der Kollege Ratzel für sich zum Ausdruck gebracht hat.
    Bund und Länder haben sich gegenseitig verpflichtet, „die Empfehlungen des Wissenschaftsrates bei der Aufstellung ihrer Haushaltspläne im Rahmen der haushaltsmäßigen Möglichkeiten zu berücksichtigen". Ich darf daher die Hoffnung aussprechen, daß es auf Grund der Arbeit des Wissenschaftsrates möglich sein wird, künftig die gesamte Wissenschaftsförderung in Bund und Ländern auf eine neue Grundlage zu stellen. Ich sage: ich spreche die Hoffnung aus; denn es ist ein großes Unterfangen, was ich damit angedeutet habe.
    Die von mir genannten Zahlen dürften im übrigen gezeigt haben, daß Bund und Länder bemüht waren, ihre Leistungen für die Förderung der Wissenschaft wirksam zu steigern. Die gleiche Tendenz zeigt auch der von der Bundesregierung vorgelegte Haushaltsplan für das Jahr 1958. Ich darf z. B. darauf hinweisen, daß die Bundesregierung beabsichtigt, die Aufwendungen meines Ressorts für die Förderung der Wissenschaft von 172,3 Millionen DM im Haushaltsjahr 1957 auf voraussichtlich - ob das verwirklicht wird, wird an dem Hohen Hause liegen —186,5 Millionen DM im Haushaltsjahr 1958 und die Aufwendungen des Bundesministers für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft für diesen Zweck von 58 Millionen DM im Haushaltsjahr 1957 auf rund 82 Millionen DM im Haushaltsjahr 1958 zu erhöhen.
    Falls aus der Veräußerung von gewerblichem Bundesvermögen, über die zur Zeit gesprochen wird, wesentliche Mittel anfallen, muß erörtert werden, in welchem Umfang diese Erträge für die Förderung der Wissenschaft und des technischen Nachwuchses verwendet werden können. Ich verweise auf die dem Hohen Haus vorliegenden Anträge, die das Volkswagenwerk betreffen und zur Zeit in den Ausschüssen beraten werden, ohne daß ich in diesem Zusammenhang näher auf die einzelnen Pläne eingehen kann.
    Meine Damen und Herren, was ich hier vorgetragen habe, ist in knappen Strichen die Situation unserer Bildungseinrichtungen, und dies sind ihre drängendsten Nöte.
    Uns ist im Hinblick auf das Ganze ein bemerkenswerter Wiederaufbau auf vielen Gebieten, insbesondere dem unserer Wirtschaftskraft, gelungen. Wir werden sicher die Frage stellen, ob dem äußeren Aufbau heute schon ein annähernd vergleichbarer Aufbau unserer geistigen Kräfte zur Seite gestellt werden kann. Ich meine, daß dieser innere Aufbau zu einem großen Teil erst noch zu leisten sein wird.
    Sein Gelingen hängt in erster Linie davon ab, daß die erforderlichen geistigen Kapazitäten tatsächlich vorhanden sind und daß ihnen, sofern sie uns geschenkt sind, die freie Entfaltungsmöglichkeit gegeben wird, die weitblickende Regierungen in vergleichbar schwierigen Zeiten früher solchen Kräften auf deutschem Boden gewährt haben. Das Vorbild der preußischen Kulturpolitik in der Reformzeit, die von dem Gedanken getragen war, das Land müsse materielle Verluste durch Ausbau im geistigen Bereich wettmachen, ist auch 150 Jahre später noch aktuell und ebenso verpflichtend für uns.
    Die ernste Situation unseres Bildungswesens erfordert ein rasches, ein energisches, vor allem aber ein gemeinsames Handeln. Bund und Länder sollten sich darüber verständigen, wie sie hierbei die Aufgaben sinnvoll untereinander verteilen können. Den heutigen und den künftigen Aufgaben werden wir nur gewachsen sein, wenn wir zu einer praktischen Abgrenzung der Aufgabenbereiche von Bund und Ländern gelangen. Die Grundlage hierfür müßte ein Katalog der Aufgaben sein, die allein von den Ländern oder die allein vom Bund und schließlich die von Bund und Ländern gemeinsam geleistet werden sollen.
    Bei einer derartigen Abgrenzung muß von vornherein klar sein, daß es sich hierbei nicht um ein



    Bundesminister Dr. Schröder
    Problem des Finanzausgleichs handelt. Die primäre Frage ist die der Sachzuständigkeit. Demgegenüber ist die Frage des Finanzausgleichs sekundär.
    Lassen Sie mich nun noch einige abschließende Bemerkungen machen.
    Seit sechs Monaten zeigen uns die sow jetrussischen und die amerikanischen Erdsatelliten wieder einmal geradezu wie in einem Lehrstück, was wir längst wußten oder doch wissen konnten: daß auf die Dauer eben doch dem Denken die größte Sprengwirkung zukommt. Für die sowjetrussischen Schulen werde ihre Sputniks wahrscheinlich ein sichtbarer Triumph der Forderung Lenins sein: Lernen, lernen, lernen! Für die Amerikaner sind sie dagegen eine Mahnung, zu prüfen, ob ihre heutige Spitzenstellung durch Mängel ihres eigenen Bildungs- und Erziehungssystems ernsthaft bedroht ist. Die Amerikaner haben einen berechtigten Zweifel daran bekommen, ob sie nicht doch lieber etwas weniger „Lebenskunde" — life adjustment — und dafür lieber etwas mehr Mathematik, Sprachen und Naturwissenschaften lehren und lernen sollten.
    Und welche Gedanken müssen dabei uns Deutsche bewegen? Unsere innere und äußere Geltung kann als dauerhafte Grundlage nur unsere geistige Leistung auf allen uns zugänglichen Gebieten haben. Wir vertrauen einstweilen darauf, daß unserem Volk seine Begabung auf diesem vornehmsten Gebiet menschlicher Betätigung erhalten geblieben ist und daß sie nur etwas systematischer gerufen werden muß, um eines Tages wieder in genügender Breite und Tiefe sichtbar zu werden.

    (Beifall in der Mitte.)

    Der offensichtliche Mangel an qualifiziertem Hochschullehrernachwuchs, der auch durch unbesetzte Lehrstühle nachdrücklich dokumentiert wird, laßt uns zur Zeit nicht unbesorgt sein. Das sind nicht nur Fragen der Bezahlung, meine Damen und Herren, und nicht nur Fragen unzureichender Arbeitsstätten usw.; dahinter verbirgt sich auch ein sittliches Problem. Es wäre, wie ich glaube, unserem Volke zu wünschen, daß es etwas weniger den äußeren technischen Glanz des wirtschaftlichen Aufschwungs bewundern

    (Beifall bei der SPD Abg. Dr. Ratzel: Wirtschaftswunder!)

    und statt dessen wieder den kargeren Ausdruck der unvergänglichen geistigen Substanz schätzen lernte. Auf manche Verzierung können wir getrost verzichten, wenn dadurch der Entwicklung der Substanz geholfen werden kann.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und bei der SPD.)

    Wir ergehen uns seit einiger Zeit, auch hier in diesem Hohen Hause, in mancherlei, oft dramatischen Spekulationen über die deutsche Zukunft. Wahrscheinlich gehört das zu unserem Nationalcharakter und auch zu unserer derzeitigen besonderen Lage. Aber ich meine, wir sollten vielleicht etwas weniger über unsere Zukunft spekulieren, sondern etwas mehr dafür tun.

    (Beifall in der Mitte und bei Abgeordneten der SPD.)

    Es wäre ein schöner Erfolg dieser Debatte. (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, die Große Anfrage ist beantwortet. Soll in eine Beratung eingetreten werden?

(Zuruf des Abg. Dr. Heck [Rottweil].)

— Wird der Antrag unterstützt? — Von Ihrer Fraktion!
Dann treten wir in eine Beratung der Antwort ein. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Heck.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Bruno Heck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gehört beinahe zur Tradition dieses Hohen Hauses, daß kulturpolitische Debatten mit einer verfassungsrechtlichen Diskussion begonnen oder beendet werden. Dabei pflegt man die Bestimmungen des Grundgesetzes zu dehnen oder zu pressen, je nachdem, wie es für die augenblicklichen Vorstellungen und Ziele zweckmäßig und geeignet erscheint.
    Die Große Anfrage der SPD enthält Fragen, für deren Beantwortung und Lösung der Bund, aber auch Fragen, für deren Beantwortung und Lösung die Länder zuständig sind. Was der Herr Bundesinnenminister für die Regierung zur Frage der Zuständigkeit gesagt hat, ist, meine ich, vernünftig und für das Parlament sicher in gleicher Weise gültig. Niemand wird es diesem Hohen Hause verwehren wollen, als Partner an kulturpolitischen Erörterungen teilzunehmen, deren Ergebnisse letztlich entscheidend für den Bestand unseres Volkes sein werden.
    Es ist eine richtige und allgemeine Erkenntnis, daß die Kraft der inneren Ordnung eines Staates davon abhängt, was in den Familien und in den Kirchen für die sittliche Erziehung und was in den Schulen, auf den Universitäten und in den übrigen Bildungseinrichtungen der Gesellschaft für die Bildung wie für die Ausbildung geleistet wird.
    Die Auseinandersetzung nun, die seit 1945 die Weltpolitik bestimmt, ist in ihrem Wesen geistiger Natur und wird deswegen letzlich auch im geistigen Bereich entschieden werden. Es mag eine Zeit gegeben haben, in der man kulturpolitische Fragen unter dem Aspekt behandeln konnte, was man anständigerweise mit dem Geld, das erübrigt werden konnte, anfange. Es mag eine Zeit gegeben haben, in der über die allgemeine Bildung des Volkes, über die höhere Bildung der Gebildeten und über die Universität als Reservat der Gelehrten noch von einer ständisch gegliederten Gesellschaft her beraten und beschlossen werden konnte. Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Die gesellschaftliche Entwicklung ist weit darüber hinausgewachsen.
    Diese Zeiten sind aber auch vorbei, seit der Kampf und die Politik in der Welt darum gehen, ob das personale Menschenbild geschichtsmächtig bleibt, ob sich der Mensch als Person auch weiterhin gegen die Organisatoren säkularer Ideologien zu behaupten vermag oder ob der Mensch, im Kollektiv organisiert, seiner Freiheit und damit seines



    Dr. Heck (Rottweil)

    Rechts auf Selbstbestimmung seiner Daseinsweise beraubt, zum Funktionär einer determinierenden Anthropologie und Geschichtsbetrachtung degradiert wird. Das ist in erster Linie, ich wiederhole es, ein geistiger Kampf. Dieser Kampf wird jedoch von sowjetischer Seite mit allen Mitteln, die nun einmal einem totalitären Staate zur Verfügung stehen, geführt. Es ist deswegen nicht möglich, den totalen Anstrengungen Sowjetrußlands, die Welt für den Leninschen Sozialismus zu erobern, einseitig begegnen zu wollen.
    Die außenpolitischen, die wehrpolitischen und die wirtschaftspolitischen Anstrengungen Sowjetrußlands sind gewaltig. Sie sind aber nur möglich und können von den Machthabern im Kreml dem russischen Volk nur aufgebürdet worden, weil die kulturpolitischen Antrengungen nicht minder gewaltig sind. In den Schulen Sowjetrußlands wird die Grundlage nicht nur für die Ausweitung der technischen und damit der wirtschaftlichen Macht gelegt, hier wird auch vom Kindergarten bis zur Universität die historisch-materialistische Geschichtsbetrachtung zur Grundlage jeder Erziehungs- und Bildungsarbeit gemacht. Hier wird der fanatische Glaube an die endzeitlich bestimmte welthistorische Sendung des Sowjetvolkes erzeugt, der Glaube, der die eigentliche Wurzel für die Macht ist, die nach der Revolution von 1917 zunächst das Schicksal der russischen Völker und seit 1945 das Thema der Weltpolitik bestimmt. In diesem Punkt hat sich in der sowjetischen Politik mit Sicherheit nichts geändert.
    Die Welt steht heute unter dem Eindruck der gewaltigen wirtschaftlichen und militärischen Leistungen des Sowjetstaates. Alle Bemühungen konzentrieren sich mit Recht darauf, die militärischen Massenvernichtungsmittel, die unsere Welt in angstvoller Besorgnis halten, zu beseitigen. Darüber wird leicht übersehen, .welch gewaltige geistige Macht in 40jähriger kommunistischer Erziehungsarbeit dort. Wirklichkeit geworden ist, eine Arbeit, die alle Bereiche des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens in einem totalen Sinne umfaßt. Diese geistige Macht bestimmt Zielsetzung, Methodik und Strategie der sowjetischen Politik, und sie wird auch dann noch wirksam sein, wenn einmal durch eine allgemeine und kontrollierte Abrüstung der nuklearen wie der konventionellen Waffen die militärischen Mittel in der Politik ihre Bedeutung verloren haben. Da die geistige Macht Sowjetrußlands häufig entweder nicht gesehen oder unterschätzt wird, aber gerade diese Macht auf alle Fälle noch für lange Zeit geschichtsbestimmend sein wird, deswegen erlauben Sie mir, daß ich mich darüber noch etwas eingehender äußere.
    Im Sowjetstaat hat der Mensch den größten und gewaltsamsten Versuch unternommen, eine neue Herrschaft aufzurichten. Er will einen Gedanken verwirklichen, mit dem der Atheismus Europas nur gespielt hat: er will die Welt ohne Gott. Das unterscheidet den Sowjetstaat von unserem Europa und von der freien Welt. Diese neue Herrschaft fordert einen anderen als den geschichtlichen Menschen. Der Sowjetstaat will deswegen einen neuen Menschen züchten. So fordert die sowjetische Anthropologie zwangsläufig ihre eigene Pädagogik, die Inhalt und Methodik der Bildung wie der Ausbildung auf sämtlichen Stufen des Erziehungs- und Bildungswesens total bestimmt. Ogorodnikow hat die Sowjetpädagogik formuliert, die dogmatische Gültigkeit nicht nur in der Sowjetunion hat, sondern auch in allen Satellitenstaaten. Er sagt:
    Wenn wir sagen, daß die Schule die Aufgabe hat, eine Generation zu erziehen, die fähig ist, endgültig den Kommunismus zu errichten, dann bezeichnen wir mit dem Begriff Erziehung den ganzen Inhalt der Heranbildung eines neuen Menschen, d. h. eine Ausbildung mit einem bestimmten System wissenschaftlicher Kenntnisse und Fertigkeiten, die Formung des kommunistischen Bewußtseins und Verhaltens und die Entwicklung der physischen und geistigen Kräfte und Talente.
    Kolonitzky hat 1952 die Auffassung über kommunistische und religiöse Moral, die das sowjetische Erziehungswesen bestimmt, wie folgt formuliert:
    Sittlich ist, was der Zerstörung der alten Ausbeutergesellschaft dient und dem Zusammenschluß aller Werktätigen um das Proletariat, das die neue kommunistische Gesellschaft errichtet.
    Dieser Wille, einen neuen Menschen zu züchten, wird auch der Familie aufgezwungen. Das parteiamtliche Lehrbuch von Jessipow und Gontscharow sagt dazu:
    Da der Erziehungsvorgang ein Vorgang ist, der sich dem Lebensalter entsprechend in verschiedenen Bereichen abspielt, beginnend mit der Familie in den ersten Lebensjahren, fortgesetzt durch Kindergarten, Kinderkrippe und erst dann von der Schule übernommen wird bzw. später von den verschiedenen Schulen, die zur Fachschule, zur Hochschule hinführen, muß eine Einheitlichkeit in der Erziehung angestrebt werden, die verhindert, daß etwa die Familie anders erzieht als der Kindergarten.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Kann er sein Manuskript nicht deponieren?)

    Dieser Erziehungswille ist bestimmt von der Idee und Größe des Proletariats und seiner Macht und beherrscht von dem Glauben an diesen neuen Messias, der berufen ist, das irdische Reich zu gestalten. Hier wird die Kraft angebetet, aus der heraus der Mensch als sozialisiertes Wesen zum mächtigen Organisator des Lebens und zum Konstrukteur der neuen gesellschaftlichen Ordnung wird. Dieser Wille ist von dem Glauben getragen, daß die menschliche Gesellschaft nur so ihre höchste Macht erreichen und das menschliche Leben nur so sich endgültig organisieren und rationalisieren könne.
    In den sowjetischen Schulen werden nicht nur Hunderttausende von Wissenschaftlern, Ingenieu-



    Dr. Heck (Rottweil)

    ren und Technikern ausgebildet; in diesen Schulen wird auch seit 40 Jahren mit immer größerem Erfolg systematisch jener neue Mensch gezüchtet, den der Sowjetstaat braucht und der nach der Absicht der Machthaber nur noch einem Gedanken leben und nur für eine Aufgabe arbeiten darf: als Vollender der geschichtlichen Entwicklung die Welt für den Sozialismus zu erobern.
    Täuschen wir uns nicht: die Kraft, die den Willen des Sowjetstaats trägt, ist so groß und so mächtig, wie seine Wirtschaft und die Rote Armee mächtig sind. Wenn wir und die freien Völker zusammen nicht bereit und nicht in der Lage sind, in Freiheit mehr für den Ausbau unserer Wirtschaft, für die Stabilisierung unserer sozialen Ordnung, für die Bildung und Ausbildung unserer Jugend zu tun, eben um unsere Freiheit zu erhalten, mehr als die sowjetische Diktatur ihren Völkern aufzuzwingen vermag, dann sind wir, dann ist die freie Welt verloren.
    Woher aber soll, woher kann die sittliche Kraft kommen, die erforderlich ist, um der gewaltigen militärischen Kraft Rußlands eine gleiche Kraft entgegenzusetzen? Woher soll die Kraft kommen, auch angesichts der Atombombe nicht zu kapitulieren? Woher sollen wir die Kraft nehmen, zusammen mit den freien Völkern der Welt den farbigen Völkern Asiens und Afrikas zu helfen, sich wirtschaftlich, sozial, zivilisatorisch und kulturell so zu entwickeln, daß sie in freier Selbstbestimmung sich selbst regieren können zu ihrem eigenen Wohle und zum Wohle der ganzen Menschheit? Dafür sind Milliarden über Milliarden erforderlich. Dazu bedarf es einer großen Gesinnung, die sich aus der Tradition des Kolonialismus löst und sich freihält von kurzsichtigen wirtschaftlichen Spekulationen. Dazu bedarf es einer großen Tat, einer großen Gemeinschaftsleistung der freien Welt. Täuschen wir uns nicht: das Schicksal Europas wird in Asien und in Afrika mitentschieden.
    Ob wir aber die Kraft aufbringen, diese Aufgaben zu bewältigen, die uns die Geschichte gestellt hat, wird nicht zuletzt in unseren Schulstuben und in den Hörsälen der Universitäten, ja in allen Bereichen, in denen für die Erziehung und Bildung unseres Volkes gearbeitet wird, entschieden werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Deswegen sind Schulen und Universitäten heute so wichtig wie Kasernen; ja, sie werden ihre Bedeutung behalten, wenn es, wie wir hoffen, einmal dazu gekommen ist, daß die Kasernen ihre heutige Bedeutung verloren haben.

    (Erneuter Beifall in der Mitte.)

    Diese Wahrheit kann um so unbedenklicher dort ausgesprochen werden, wo auf die billige und falsche Alternative: „Kulturpolitik oder Wehrpolitik? - Schulen statt Kasernen!" verzichtet wird.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    So wie die Welt heute nun einmal aussieht, genügt es nicht, in den Schulen in Freiheit und für die Freiheit zu lehren und zu lernen. Heute muß
    auch dafür gesorgt werden, daß wir weiterhin in unseren Schulen in Freiheit und für die Freiheit lehren und lernen können. Dazu, meine Damen end Herren, brauchen wir die Kasernen, und sonst zu nichts.

    (Beifall in der Mitte.)

    Die Große Anfrage der SPD beschränkt sich auf die Naturwissenschaften, die technischen Bildungseinrichtungen und den technischen Nachwuchs. Was zu diesen Fragen zu sagen war, hat der Herr Bundesinnenminister bereits gesagt. Er tat einen guten Griff, als er darüber hinaus das Problem, das mit der Großen Anfrage angeschnitten wurde, in den großen Rahmen unseres Erziehungs- und Bildungswesens hineinstellte.
    Niemand wird den Sozialdemokraten unterstellen wollen, daß sie erziehungs- und bildungspolitisch nur dieses Problem sähen.

    (Abg. Dr. Ratzel: Habe ich auch gleich gesagt!)

    — Ich habe gesagt, niemand wolle es Ihnen unterstellen.
    Ich habe zur Vorbereitung dieser Debatte noch einmal die Niederschriften der Aussprachen dieses Hohen Hauses, die sich mit kulturpolitischen Fragen beschäftigten, durchgelesen und dabei festgestellt, daß sich der Kollege Ollenhauer bei der Aussprache über die Regierungserklärung am 28. Oktober 1953 sehr nachdrücklich auch für die Förderung der Geisteswissenschaften eingesetzt hat, die ja, da sie Nützlichkeitserwägungen weitgehend entzogen sind, leicht in Vergessenheit geraten.
    Meine Damen und Herren, die sozialdemokratische Fraktion des Bundestages hat überhaupt schon verschiedentlich mächtig Alarm geschlagen, das eine Mal gegen die Zersplitterung unseres Schulwesens, dann wegen der Schulraumnot, schließlich wegen der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und wegen der Forschung. Es ist das gute Recht der Opposition, immer wieder und auf allen Gebieten der Politik darauf hinzuweisen, wo nach ihrer Auffassung dringende Aufgaben angepackt werden müssen. Nach einem totalen Zusammenbruch, dessen Folgen wir bis heute immer noch nicht überwunden haben, ergibt sich da für jede Opposition allerdings ein weites Feld. Die Regierung muß alle Aufgaben in einem sehen und dann entscheiden, wie die vorhandenen Mittel für die einzelnen Aufgaben am zweckmäßigsten aufgeteilt werden.
    Wer sich einmal die Mühe gemacht hat, die Aufwendungen der Länder für kulturpolitische Zwecke miteinander zu vergleichen, wird ohne Mühe festgestellt haben, daß sich die Aufwendungen für Kulturpolitik im Verhältnis zum Gesamthaushalt kaum voneinander unterscheiden, gleichgültig, welche Partei die Regierung führt. Auch Sozialdemokraten können, wenn sie in der Verantwortung stehen, nicht mehr Geld ausgeben, als da ist, und auch sie können

    (Zuruf des Abg. Ritzel und weitere Zurufe von der SPD)

    - Sie müssen sich den zweiten Teil des Satzes anhören, Herr Ritzel — angesichts der vielen Aufga-



    Dr. Heck (Rottweil)

    hen, die parallel gelöst werden müssen, zu keiner anderen Verteilung der Mittel kommen.
    Die Gemeinden und Länder haben, gleichgültig, welche Parteien in ihnen die Verantwortung getragen haben und tragen, von 1946 bis heute ohne Zweifel auch kulturpolitisch eine solide Arbeit geleistet. Dies hier zu sagen, ist nur Rechtens und vor allen Dingen deswegen notwendig, weil die alarmierende Art und Weise, in der die kulturpolitische Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit geführt wird, den Eindruck entstehen lassen könnte, die Länder, die die Hauptverantwortung im Bereich der Kulturpolitik tragen, hätten durch Nichtstun so eine Art geistiger Demontage verschuldet. Wer heute noch vom Schulchaos in Deutschland spricht und dieses den Kulturministern der Länder zur Last legt, weiß einfach nicht, daß die durch die Besatzungsmacht verursachte Zersplitterung des deutschen Schul- und Bildungswesens nahezu völlig beseitigt ist. Die einzige Schwierigkeit, die noch da war, glaubten die Herren Ministerpräsidenten der Länder mit ihrem Beschluß vom Jahre 1955 — allerdings sehr einfach, ich meine, allzu einfach — beseitigen zu können. Es ist sicher eine berechtigte Forderung der Eltern, daß unser Schulwesen so organisiert ist, daß die Schüler ohne allzu große Schwierigkeiten von den Schulen eines Landes zu den Schulen eines anderen Landes übergehen können. Um das aber zu erreichen, braucht man nicht zur Uniformierung seine Zuflucht zu nehmen. Das ist auch und besser zu erreichen, wenn die Sprachen, mit denen im allgemeinen begonnen wird, fakultativ an allen Schulen von Anfang an gelehrt werden.
    Daß wir in Deutschland heute zuwenig Schulräume haben, nachdem vor allem in den großen Städten ein großer Teil der Schulen durch den Krieg zerstört worden ist, nachdem fast 15 Millionen Menschen aus dem deutschen Osten in die Bundesrepublik geflüchtet sind, ist eine Binsenwahrheit, die sicher kein Kultusminister vom ersten Tag seiner Amtsführung bis heute vergessen hat. Von den Ländern und Gemeinden sind bis heute rund 65 000 neue Schulräume geschaffen worden. Das ist wahrhaftig eine respektable Leistung, die sich sehen lassen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Trotzdem ist der Bedarf noch groß. Das wissen die Länder, und das wissen wir. Es muß deswegen ernsthaft überlegt werden, wie eine weitere Beschleunigung im Bau von Schulen in den kommenden Jahren erreicht werden kann.
    Auch auf dem Gebiet der Forschung haben weder die Länder noch der Bund geschlafen. Der Herr Bundesinnenminister hat ausführlicher darüber gesprochen. Allein die Länder haben für Wissenschaft und Forschung vom Jahre 1950 bis heute ihre Ausgaben von 343 Millionen DM auf rund 880 Millionen DM erhöht. Die Ausgaben des Bundes sind, wie der Herr Bundesinnenminister schon dargelegt hat, allein in den vergangenen drei Jahren von 145 Millionen DM auf nahezu 573 Millionen DM im laufenden Rechnungsjahr erhöht worden.
    Der Herr Bundespräsident hat in seiner Rede bei der Konstituierung des Deutschen Wissenschaftsrates darauf hingewiesen, daß wir nicht vergessen sollten, was wir in Deutschland in dieser Bedrängtheit unserer Situation, zumal der sozialen, an Leistungen aufgebracht haben. Er hat darauf verzichtet — was sonst beliebt ist, Herr Kollege Ratzel, und leicht alarmierend wirkt —, Vergleichsziffern darüber zu geben, was in den USA, in Sowjetrußland und auch was in England vom Staat für die Wissenschaft geleistet werde, weil es doch in mancherlei Hinsicht zu billig und in vielen sozialökonomischen und auch volkspsychologischen Voraussetzungen einfach falsch sei.
    Eine Zeitlang hat die Notlage unserer Studenten die kulturpolitische Diskussion beherrscht. Diese hat sich seit einem Jahr, seit die Studienförderung nach dem Honnefer Modell eingesetzt hat, auf die Studierenden an den Ingenieurschulen und an den pädagogischen Bildungsstätten verlagert. Für die 37 000 Studierenden an den Ingenieurschulen stehen heute durch die Länder rund 1,8 Millionen DM und vorn Bundesatomministerium 1,5 Millionen DM zur Verfügung. Diese Förderung — das muß ganz offen im Rahmen dieser Aussprache gesagt werden — steht beträchtlich hinter der an den wissenschaftlichen Hochschulen zurück. Bei dem hohen und fortlaufend wachsenden Bedarf, wie er aus der Denkschrift des Herrn Bundesinnenministers hervorgeht, ist es notwendig, hier zu einer Angleichung zu kommen.
    Anders ist die Lage bei den Studierenden an den pädagogischen Bildungsstätten. Für die 14 000 Studierenden stehen im Jahre 1958 3,2 Millionen DM zur Verfügung, so daß sich die Förderung unseres Lehrernachwuchses etwa auf der gleichen Höhe hält wie die Förderung der Studierenden an Universitäten und an Technischen Hochschulen.
    Interessant und erfreulich ist auch, daß sich im Studienjahr 1957/58 im Schnitt etwa 30 % mehr als in den vergangenen Jahren für die Ausbildung zum Lehrerberuf gemeldet haben. Das löst zwar das Problem des Nachwuchses und des Bedarfs an Lehrern nicht, sollte aber doch diejenigen etwas dämpfen, die so leichthin von „katastrophalen" Entwicklungen zu reden pflegen.
    Am schlechtesten ist es bestellt mit der Förderung der Studenten an unseren Kunst- und Musikhochschulen. Für die rund 6500 Studenten stehen hier auch im laufenden Rechnungsjahr nur 590 000 DM bereit. Es zeigt sich hier wieder einmal mehr, daß die musischen Fächer, denen kein unmittelbarer Nutzwert zuerkannt wird, allzu leicht auf die Seite geschoben werden.
    Zusammenfassend möchte ich sagen: Von 1949 bis 1957 sind das Sozialprodukt und das Steueraufkommen von Bund, Ländern und Gemeinden um rund 260 % angestiegen. In der gleichen Zeit sind die Leistungen des Bundes aus Steuermitteln für soziale Zwecke um 230 %, für den Wohnungsbau um 370% angehoben worden. Die Ausgaben für den Schulhausbau sind seit 1949 aber fast verfünffacht worden.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Es ist sicher weder die Absicht des Herrn Innenministers gewesen noch ist es meine Absicht, mit den



    Dr. Heck (Rottweil)

    wenigen Daten über das, was getan worden ist, darzulegen, daß das genüge. Es sollte aber einmal darauf hingewiesen werden, daß Gemeinden und Bund in dem Maße, als es die wirtschaftliche Entwicklung und die zur Verfügung stehenden Mittel ermöglicht haben, auch unser Erziehungs- und Bildungswesen mit Erfolg aufgebaut haben.
    Vieles bleibt noch zu tun. Die Kultusminister der Länder haben im Jahre 1956 einen Bedarfsplan der Länder einschließlich Berlins aufgestellt, der Forschung und Lehre, Studentenförderung, Forschungseinrichtungen, Sammlungen und Bibliotheken, die Lehrerbildung, die Ingenieur- und technischen Fachschulen, die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, die Erwachsenenbildung, die Volksbüchereien und Kunst- und Kulturpflege im allgemeinen umfaßt. Dieser Bedarfsplan ist für einen Zeitraum von zehn Jahren aufgestellt und unterscheidet ständige Aufwendungen und zusätzliche einmalige Aufwendungen. Auch wenn für diesen Bedarfsplan eine nochmalige sorgfältige Überarbeitung zweckmäßig sein dürfte, gibt er doch einen Anhaltspunkt für das, was in den kommenden Jahren insgesamt geleistet werden muß, wenn wir auf dem Gebiet von Forschung und Lehre wie auf dem Gebiet des Erziehungs- und Bildungswesens unserer Aufgabe gerecht werden wollen.
    Die einmaligen zusätzlichen Aufwendungen sehen für die ersten fünf Jahre je 1,2 Milliarden DM, für die zweiten fünf Jahre je 400 Millionen DM, insgesamt also rund 8 Milliarden DM, vor. Die ständigen Aufwendungen, die der weitere Aufbau und Ausbau unseres Schul- und Bildungswesens mit sich bringen, würden im Schnitt jährlich mit 1,6 Milliarden DM mehr zu veranschlagen sein. Es liegt auf der Hand, daß die einmaligen Aufwendungen von den Ländern allein nicht getragen werden können. Wir haben deshalb einen Antrag eingebracht, in dem wir die Bundesregierung auffordern, in Verhandlungen mit den Ländern auf der Basis des Grundgesetzes eine Klärung darüber herbeizuführen, welche Aufgaben im Bereich der Kulturpolitik künftighin nur von den Ländern, nur vom Bund oder gemeinsam von Bund und Ländern gefördert werden sollen. Solchen Verhandlungen könnte der Bedarfsplan der Kulturminister der Länder zugrunde gelegt werden.
    Auch wenn nicht alle Wünsche in gemeinsamer Planung und mit gemeinsamen Anstrengungen erfüllt werden können, so wird es doch für die Parlamente der Länder wie für dieses Hohe Haus von Nutzen sein, zu wissen, was die Kulturpolitik gebieterisch an gemeinsamen Anstrengungen fordert. Daran, meine Damen und Herren, muß allerdings auch dann gedacht werden, wenn andere Forderungen in den Parlamenten beraten werden, Forderungen, hinter denen mächtige Interessengruppen stehen. Ich möchte deren Wünschen und Sorgen beileibe nicht das Recht absprechen. Ich meine aber, wir sind jetzt an einem Punkte unserer Aufbauarbeit angekommen, an dem neben den Erfordernissen für die Verteidigung unserer Freiheit die Notwendigkeiten unserer Kulturpolitik mit an erster Stelle zu berücksichtigen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)