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ID0302300200

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    8. Rasner.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 23. Sitzung Bonn, 18. April 1958 Inhalt Nachruf auf den Abg. Wolfgang Klausner 1221 A Antrag der Fraktion der SPD, den Gesetzesantrag auf Befragung des deutschen Volkes (Drucksache 303) auf die Tagesordnung zu setzen Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 1221 C Rasner (CDU/CSU) . . . . . . 1223 B Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen (Drucksache 154) Dr. Ratzel (SPD) 1224 C Dr. Schröder, Bundesminister 1231 A, 1268 B Dr. Heck (Rottweil) (CDU/CSU) . . 1240 C Lohmar (SPD) . . . . . . 1252 B, 1272 B Zoglmann (FDP) . . . . . . . . 1257 B Probst (Freiburg) (DP) . . . . . . 1260 C Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . . 1262 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) . . . . 1263 C Dr. Frede (SPD) . . . . . . . . 1265 A Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestags (CDU/CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 327) — Erste Beratung — Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 1244 C Sammelübersicht 4 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 280) . . . 1273 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landbeschaffungsgesetzes (SPD) (Drucksache 272) — Erste Beratung — Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 1273 B Dr. Schröder, Bundesminister . . . 1274 B Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 29) 1275 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 1275 C Anlagen 1277 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1958 1221 23. Sitzung Bonn, den 18. April 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albrecht 17. 5. Dr. Arndt 19. 4. Dr.-Ing. E. h. Arnold 19. 4. Dr. Baade 18. 4. Bauereisen 26. 4. Bauknecht 10. 5. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) 18. 4. Blöcker 18. 4. Dr. Böhm 18. 4. Frau Dr. Brökelschen 26. 4. Dr. Bucerius 19. 4. Cillien 18. 4. Conrad 18. 4. Corterier 18. 4. Dr. Czaja 26. 4. Dr. Dehler 19. 4. Diel (Horressen) 5. 5. Dr. Eckhardt 30. 4. Eichelbaum 3. 5. Even (Köln) 19. 4. Felder 30. 4. Dr. Frey 26. 4. Dr. Friedensburg 30. 4. Frau Friese-Korn 31. 5. Dr. Furler 19. 4. Gedat 18. 4. Gehring 19. 4. Dr. Greve 21. 4. Günther 18. 4. Häussler 30. 4. Heinrich 15. 5. Frau Herklotz 25. 4. Hilbert 18, 4. Höcherl 10. 5. Frau Dr. Hubert 17. 5. Hufnagel 19. 4. Iven (Düren) 26. 4. Jacobi 18. 4. Jacobs 24. 4. Jahn (Frankfurt) 18. 4. Jaksch 18. 4. Dr. Jordan 18. 4. Kiesinger 18. 4. Frau Kipp-Kaule 19. 4. Kirchhoff 18. 4. Koenen (Lippstadt) 19. 4. Kriedemann 19. 4. Dr. Krone 18. 4. Kuntscher 18. 4. Kunze 15. 5. Dr. Leverkuehn 18. 4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Dr. Maier (Stuttgart) 26. 4. Mattick 18. 4. Frau Dr. Maxsein 18. 4. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Mellies 25. 4. Merten 19. 4. Meyer (Oppertshofen) 26. 4. Neuburger 18. 4. Frau Niggemeyer 30. 4. Paul 30. 4. Dr. Pferdmenges 18. 4. Rademacher 19. 4. Ramms 18. 4. Riedel (Frankfurt) 18. 4. Ruland 18. 4. Scheppmann 2. 5. Schneider (Bremerhaven) 18. 4. Dr. Schneider (Saarbrücken) 18. 4. Schultz 18. 4. Schütz (Berlin) 18. 4. Frau Dr. Schwarzhaupt 19. 4. Simpfendörfer 19. 4. Sträter 31. 5. Struve 7. 5. Dr. Wahl 15. 5. Walpert 19. 4. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 18. 4. Frau Welter (Aachen) 18. 4. Dr. Zimmer 26. 4. Anlage 2 Umdruck 47 Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD (Drucksache 154) betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, auf der Grundlage der im Grundgesetz festgelegten Verteilung der Kompetenzen Verhandlungen mit den Ländern darüber aufzunehmen, welche Aufgaben auf dem Gebiet der Kulturpolitik künftighin nur vom Bund, nur von den Ländern oder von Bund und Ländern gemeinsam gefördert werden sollen. Bonn, den 18. April 1958 Dr. Krone und Fraktion Anlage 3 Umdruck 48 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der SPD (Drucksache 154) betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dahin zu wirken, daß als Sitz des Wissenschaftsrates Berlin bestimmt wird. Bonn, den 18. April 1958 Ollenhauer und Fraktion 1278 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1958 Anlage 4 Umdruck 29 Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse. Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden gemäß § 99 Abs. 1 GO ohne Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen: 1. Antrag der Abgeordneten Schmidt (Hamburg) und Genossen betr. Inanspruchnahme von Naturschutzgebieten für militärische Zwecke (Drucksache 191) 2. Antrag der Abgeordneten Dr. Franz, Wieninger, Dr. Besold und Genossen betr. Freigabe des Rasthauses am Chiemsee (Drucksache 196) 3. Antrag der Fraktion der FDP betr. Postgebühren (Drucksache 265) 4. Antrag der Abgeordneten Dr. Wahl, Metzger, Dr. Kopf und Genossen betr. Interan den Ausschuß für Inneres an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen(f), Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen an den Rechtsausschuß nationale Schiedsgerichtsbarkeit auf dem Gebiete des Privatrechts (Drucksache 267) 5. Antrag der Abgeordneten Dr. Zimmer, Dr. Kopf, Metzger und Genossen betr. Schaffung eines europäischen Beamtenstatuts (Drucksache 268) 6. Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Maxsein, Altmaier und Genossen betr. Maßnahmen zur Befreiung der politischen Gefangenen in den Diktaturländern (Drucksache 269) 7. Antrag der Fraktion der SPD betr. Berliner Filmfestspiele (Drucksache 271) an den Rechtsausschuß(f), Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten(f), Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik Bonn, den 18. März 1958 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat auf Drucksache 303 einen Gesetzesantrag eingebracht, durch den eine Befragung des deutschen Volkes ermöglicht werden soll. Die Fragen, die zu beantworten sind, lauten:
    1. „Sind Sie damit einverstanden, daß deutsche Streitkräfte mit atomaren Sprengkörpern ausgerüstet werden?"
    2. „Sind Sie damit einverstanden, daß in Deutschland Abschußvorrichtungen für atomare Sprengkörper angelegt werden?"
    Die geschäftsordnungsmäßigen Fristen sind gewahrt; es steht also nichts im Wege, den Antrag heute auf die Tagesordnung zu setzen.
    Dies sollte unseres Erachtens geschehen. Die Tragweite dieses Antrags gebietet seine unverzügliche Behandlung. Man sollte darum den Antrag heute schon beraten und nicht erst nächste Woche.
    Seit unser Volk weiß, daß die Bundeswehr mit atomaren Waffen ausgerüstet werden soll, seit es weiß, daß Raketenabschußrampen in Deutschland errichtet werden sollen — hüben und drüben! —, hat sich seiner eine steigende Unruhe bemächtigt. Die Presse weist es aus, die demoskopischen Umfragen weisen es aus, jedes Gespräch in der Eisenbahn, auf der Straße weist es aus. In Mannheim haben vor zwei Tagen 50 000 Demonstranten ihrer Unruhe Ausdruck gegeben, in Hamburg waren es gestern 120 000.
    Diese Menschen werden alle von dem Gefühl getrieben, daß dieses Parlament, bei dessen Wahl die Regierungsparteien den Wählern erklärt hatten, atomare Probleme würden in den nächsten Jahren nicht zur Debatte stehen, über den Kopf der großen Mehrheit der Menschen unseres Volkes weg mit seinen Beschlüssen eine furchtbare Gefahr für uns alle hervorgerufen hat. D a s ist der Grund



    Dr. Schmid (Frankfurt)

    dieser Unruhe. Die Menschen wollen ihr Wort dazu
    sagen können, ob in Deutschland Atomwaffen
    künftig Mittel der Politik werden sollen oder nicht.
    Manche lieben jenes Wort sehr, das nach der Schlacht bei Jena in den Straßen Preußens angeschlagen worden ist und das da hieß: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht! Zuzeiten, meine Damen und Herren, muß es anders heißen, nämlich: Unruh e ist die erste Bürgerpflicht!

    (Beifall bei der SPD.)

    Was in diesen Tagen demonstriert hat, sind keine Bassermannschen Gestalten gewesen. Diese Demonstrationen waren kein Aufruhr der „Straße". Was das Volk bewegt, ist auch nicht Angstpsychose. Die Menschen haben demonstriert, die Menschen sind unruhig, weil sie nicht wieder durch Schweigen schuldig werden wollen!

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie wollen nicht wieder in die Lage kommen, sich einmal sagen zu müssen: Hätte ich doch Nein gesagt, als es Zeit war!

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Hätte ich dieses Nein so vernehmlich gesagt, daß „die da oben" es nicht überhören konnten! Weil dem so ist, sind wir es dem Volke schuldig, es zu befragen.
    Manche werden vielleicht meinen, es habe damit keine Eile; denn unser Antrag werde ja sowieso abgelehnt werden. Ich weiß, daß viele diese Befragung nicht wollen, — aus den verschiedensten Gründen. Ich weiß, daß viele sie für rechtlich unzulässig halten; ja, man hat - fahrlässigerweise! — von einem Angriff auf die Demokratie, auf das Grundgesetz gesprochen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Genau das ist es!)

    Dieser Antrag bezweckt keinen Volksentscheid. Das von uns gewollte Gesetz soll lediglich es jedem einzelnen möglich machen, kundzutun, was er über die atomare Bewaffnung der Bundeswehr denkt, und das in einer Weise, die zur Kenntnis genommen werden muß.

    (Beifall bei der SPD.)

    Man hat gesagt, damit danke das Parlament ab und begebe sich seiner Rechte. Es begibt sich keines Rechts und keiner Pflicht. Niemand wird ihm auch nach dieser Befragung seine Verantwortung abnehmen können und wollen. Aber es ist ein anderes, ob wir unsere Beschlüsse in Kenntnis des Willens der großen Mehrheit unseres Volkes fassen oder ob wir in die Verantwortung gehen wollen, ohne von diesem Willen Kenntnis genommen zu haben!

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Das Grundgesetz sieht eine Volksbefragung nicht ausdrücklich vor. Das braucht es auch nicht.

    (Aha-Rufe bei der CDU/CSU.)

    Nur dort, wo eine Befragung automatische Rechtsfolgen haben würde, nur dort, wo Rechte der Bürger — des Souveräns nämlich — eingeschränkt werden sollen, bedarf es in der Verfassung einer Kompetenznorm, nicht aber dort, wo dem Bürger nur die technische Möglichkeit verschafft werden soll, ein Recht, das er v o r jeder Verfassung hat, öffentlich zum Ausdruck zu bringen — das Recht nämlich, zu sagen, was er meint und was er will.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Jedes Parlament hat das Recht, das Volk zu fragen, was es zu einem bestimmten Vorhaben meint. Die Antwort entbindet Regierung und Parlament nicht von der Verantwortung; aber beide wissen nach der Befragung, in welchem Verhältnis ihr Tun zum Wollen des Volkes steht. Es könnte gefährlich sein,

    (Zurufe von der CDU/CSU: Ja! Ja!)

    das Volk vier Jahre lang zum Stummsein zu verurteilen, vor allem dort, wo das Volk meint, daß es um Leben und Sterben gehe!

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Rasner: Sie haben doch selbst die Verfassung mit gemacht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Wir werden an die von den Bürgern ausgesprochene Meinung nicht gebunden sein. Wir können über diesen Meinungsausdruck hinweggehen, wenn unser Gewissen es gebietet. Aber wir sollten dann wenigstens wissen, daß unser individuelles Gewissen etwas anderes in die Welt setzt - vielleicht setzen muß —, als die Mehrheit des Volkes will. Wir werden dann wenigstens das volle Gewicht unserer Verantwortung kennen und wissen, daß kein von uns vielleicht vermuteter Volkswille uns entlastet. Darin liegt der ethische Sinn dieser Volksbefragung.
    Ihr politischer Wert liegt in folgendem: Wir werden gezwungen sein, unsere Beschlüsse neu zu überdenken. Wir werden wissen, ob wir damit rechnen können, daß unser Volk uns bereitwillig bei der Verwirklichung unserer Vorhaben folgen wird. Es könnte ja sein, daß wir uns in gefährlichen Illusionen wiegen.
    Die Befragung könnte weiter, falls sie positiv ausgehen sollte, unseren Verbündeten gewisse Zweifel nehmen, die sie vielleicht in die Bereitschaft unseres Volkes setzen, ihren strategischen Vorstellungen zu folgen. Im negativen Falle könnte es für sie eine Warnung sein und auch s i e veranlassen, ihre strategischen Vorstellungen neu und realistischer zu durchdenken. Beides wäre von Vorteil für alle.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Volksbefragungen dieser Art können nur Ausnahmemittel sein. Aber es geht im Bewußtsein von Millionen nun einmal uni Leben und Tod der Nation, und das rechtfertigt Ausnahmemittel,

    (lebhafter Beifall bei der SPD — erneute Zurufe von den Regierungsparteien)




    Dr. Schmid (Frankfurt)

    vor allem wenn man sich politisch-parlamentarisch in einer Ausnahmesituation befindet, einer Situation, die auch Sie, meine Damen und Herren, mitgeschaffen haben, indem Sie vor der Wahl am 15. September dem Volk erklärten, die Stimmabgabe entscheide nicht über Ja und Nein zu Atomwaffen in Deutschland,

    (Zustimmung bei der SPD)

    sondern nur über Ja oder Nein zu Bundeskanzler Konrad Adenauer, der versichert hat: „Wir wollen keine Experimente".

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren! Wir sollten über diesen Antrag sehr bald entscheiden. Der Druck, der sich in unserem Volke bildet, darf sich nicht stauen. Er braucht ein Ventil.

    (Zurufe von der CDU/CSU. — Beifall bei der SPD.)

    Dieses schaffen Sie, indem Sie dem Volke sagen, daß es sich bald, daß es sich sehr bald — nämlich bevor vollendete Tatsachen geschaffen werden — wird äußern dürfen. Sagt die Mehrheit ja, wird das ganze Volk sich beugen; geben Sie ihm keine Gelegenheit, sich zu äußern, wird seine Unruhe wachsen. Zögern Sie nicht! Handeln Sie rasch! Handeln wir noch heute!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Rasner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Will Rasner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst ein Wort von Ihnen, Herr Professor Schmid, aufgreifen. Wir wollen keine Experimente, vor allen Dingen nicht an unserer Verfassung!

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Es eignet sich wahrlich nichts weniger zu Manipulationen aus parteitaktischen Überlegungen als gerade unser Grundgesetz.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Metzger: Unverschämtheit! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    In der ganzen Welt regen sich die Diplomaten und verhandeln. Adenauer verhandelt jetzt in London, Strauß in Paris, Mikojan kommt in der nächsten Woche nach Bonn.

    (Anhaltende Zurufe von der SPD.)

    Und die deutsche Sozialdemokratie verfällt — schön marxistisch in neuer Auflage — wieder einmal in das Denken in „Aktionen". Das ist es.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Erler: Und Sie halten Atomwaffen nicht für eine Aktion! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    In der CDU-Bundestagsfraktion herrscht, das will ich einmal offen sagen, das Gefühl einer großen Überraschung darüber, daß ausgerechnet die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, die sich doch einer sehr lebendigen und allzeit verfassungswahrenden demokratischen Tradition rühmen kann und sich ihrer bewußt ist, mit dem Gesetzentwurf über eine Volksbefragung sich zu einem Stoß gegen diese unsere Verfassung bereitgefunden hat.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Das ist doch Unsinn, Herr Rasner! — Anhaltende Unruhe bei der SPD.)

    Der Schöpfer des Grundgesetzes, der Parlamentarische Rat, hat sich seinerzeit mit den Stimmen der SPD betont vom Gedanken einer plebiszitären Demokratie distanziert

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Befragung ist doch noch kein Plebiszit!)

    - ich komme schon darauf — und sich für eine repräsentative Demokratie ausgesprochen, d. h. für die Vertretung des Volkswillens durch das Parlament. Der damalige sozialdemokratische Verfassungsexperte, der frühere schleswig-holsteinische Justizminister und heutige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Dr. Katz, hat hier eine ebenso entschiedene Stellung klar eingenommen wie das damalige Mitglied des Parlamentarischen Rats,

    (Abg. Dr. Menzel: Und wie war das mit Herrn Süsterhenn?)

    der heutige Bundespräsident Professor Heuß.

    (Abg. Dr. Menzel: Wie war das mit Frau Weber und Herrn Süsterhenn?)

    — Nein, nein, —

    (Abg. Dr. Menzel: Die waren für ein Volksbegehren! — Heiterkeit und Zurufe von der SPD. — Lachen bei der CDU/CSU.)

    — Hören Sie, damit wir darüber reden: Es gab zwei entschiedene Verfechter dieses Gedankens. Der eine waren Sie, Herr Dr. Menzel, und der andere war die damalige Abgeordnete des Zentrums und heutige sozialdemokratische Abgeordnete Frau Wessel , und die wollte dieses Volksbegehren ausgerechnet

    (anhaltende Zurufe von der SPD)

    — hören Sie zu, meine Herren von der SPD-Fraktion — für die Einführung der Konfessionsschule benutzen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Aber lassen Sie mich noch einmal Professor Heuß zitieren, der nun wahrlich mit großem Recht Volksbegehren und Volksentscheid so treffend als eine „Prämie für Demagogen" gekennzeichnet hat.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun sagt zwar die sozialdemokratische Fraktion — und das ist soeben durch einen Zwischenruf bestätigt worden —, es handle sich dabei gar nicht um ein Volksbegehren und einen Volksentscheid, sondern nur um eine rechtsunverbindliche Volksbefragung.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Rechtlich unverbindlich, aber moralisch bedeutsam!)




    Rasner
    — Aber, Herr Professor Schmid: erstens erwartet die Sozialdemokratie doch trotz dieser Betonung der Rechtsunverbindlichkeit nichts anderes, als daß die Regierung aus dem Ergebnis einer Volksbefragung, wie immer sie ausfallen mag, die Konsequenzen zieht.

    (Zurufe von der SPD: Jawohl, natürlich! — Abg. Dr. Menzel: Haben Sie davor Angst?)

    Zum anderen, Herr Professor Schmid, wissen Sie, daß diese Unterscheidung die Dinge, glaube ich, nur noch schlimmer macht. Denn die Verfassung der Weimarer Republik kannte zwar Volksbegehren und Volksentscheid, aber die Einführung der Volksbefragung, Herr Professor Schmid, durch ein Gesetz vom 14. Juli 1933 blieb ausgerechnet Adolf Hitler, dem Verfassungsbrecher, vorbehalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Daß Sie Hitler in einem Atemzug mit uns nennen, das kennzeichnet Sie!)

    — Man weiß doch, daß dieser Diktator lediglich in der „Größenordnung", in der Denkordnung von Demagogen zu denken vermochte. — Ich wiederhole: Von allen Gesetzen eignet sich ein Grundgesetz, eine Verfassung am allerwenigsten zu Manipulationen aus parteitaktischen Überlegungen.
    Meine Damen und Herren, letztlich will die deutsche Sozialdemokratie mit dieser Volksbefragungsaktion doch offensichtlich vertuschen, daß sie nach wie vor ohne jede Sicherheitskonzeption für die 50 Millionen Menschen im freien Teil Deutschlands ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Metzger: Herr Rasner, Sie haben am wenigsten Veranlassung, von Demagogie zu reden! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Wir werden infolgedessen Ihren Antrag ablehnen, diesen Gesetzentwurf heute zu lesen. Das will ich jetzt begründen.
    Im Ältestenrat haben wir uns schon darüber verständigt, daß wir, wenn Ihr Antrag, den Gesetzentwurf heute zu lesen, abgelehnt wird, ihn am nächsten Donnerstag um 9 Uhr als Punkt 1 auf die Tagesordnung setzen. Zu dieser Alternativvereinbarung im Ältestenrat für den Fall der Ablehnung Ihres heutigen Antrags stehen wir nach wie vor.
    Die Gründe für unsere Ablehnung sind mannigfaltig. Ich will einen einzigen hier und heute noch nennen. Leidenschaftliche Optimisten in unserer Fraktion haben immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, daß sich die SPD-Fraktion — in dieser Frage ohnehin völlig alleinstehend hier im Hause —

    (Abg. Metzger: Aber nur in diesem Hause!)

    schließlich doch noch besinnt und von diesem Anschlag auf die Verfassung Abstand nimmt. Die nächsten Tage werden zeigen, ob diese Hoffnung unserer Optimisten schließlich doch noch getrogen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)